fcTBft aber ist nach allen Kräften' bemüht, die Elemente der Entwickelung zu beseitigen, die Gewalttaten zu Produzieren ge- eignet sind. Die EntWickelung könnte sich friedlich vollziehen, wenn nicht die herrschenden Klassen grobe, mechanische Gewaltmittel zur Verfügung hätten, um sich dem Kulturinteresse der Gesamtheit des Volkes zu widersetzen. Das erste Mittel, um die friedliche EntWicke- lung zu verhindern, ist in den Händen der besitzenden Klassen der Militarismus. Darum hat der Kampf gegen ihn direkt d aS Ziel, Gewalt zu vermeiden «nd nicht sie zu vermehren. Das habe ich in meiner Schrift mit einer jede Unklarheit ausschließenden Deutlichkeit wiederholt hervor- gehoben, z. B. indem ich von der Friedhaftmachung der W e l t p o l i t i k gesprochen habe. Ein ganzes Kapitel habe ich über den Militarismus als Friedensstörer nach außen wie nach innen ge- schrieben. Ich führte ans, daß der Militarismus auf dem Wege zum Fortschritt blutige Zusammenstöße herbeiführen müsse. Das hat die Anklage für sich herangezogen, aber die Tendenz dieser Ausführungen geht umgekehrt hin zu einer Aufforderung für den Frieden. Ich habe ja mcht hier die philosophisch-historische Korrektheit zu beweisen, aber das ist meine Auffassung und die generelle Stellung der Sozialdemokratie ist dieselbe wie meine. Ich muß darauf zurückkommen, weil man sonst vielleicht sagt, einem Sozialdemokraten kann man ja alles mögliche zutrauen. Mit dem Worte Sozialdemokrat sind ja bei gewissen Schichten der Be- völkcrung Lorstellungen verknüpft, die eine ruhige Ueberlegung auS- schließen und ein Hineindenken in unseren Gedankengang verwehren. Das liegt einmal an. dem Klassencharakter unserer Gesellschaft. Der Sozialdemokrat begegnet vor Gericht sehr vielen, vielleicht niemals ausgesprochenen, vielleicht nicht einmal be« wußten Borurteilen. Ich persönlich bin der festen Ueberzeugung, die mir kein Teufel rauben kann, daß, wenn ich nicht Sozialdemokrat wäre, ich niemals aus diese Anklagebank gekommen wäre. Für diese Stellung der Sozialdemokratie zur Gewalt berufe ich mich ans Friedrich Engels , dem Vorkämpfer der Sozial- demokratie, den selbst Adolf Wagner zu den größten Nationalökonomen aller Zeiten rechnet. In der Vorrede zu dem Marxschen Werk„Der Klassenkampf in Frankreicherklärt er das allgemeine Wahlrecht für einen so günstigen Boden für uns, daß wir nicht nur prinzipielle Gegner der Gewalt sind, sondern eS auch als vernünftige Taktiker ablehnen. Regierung und Bourgeoisie fürchten jetzt weit mehr biege- setzliche als die ungesetzliche Aktion deS Pro- letariats, weit mehr die nächsten Reichstagswahlen als die Insurrektion. General v. B o g u« l a w s k t hat ja den Staatsstreich empfohlen und Herr v. I a g e m a n n hat sogar mit juristischen Scheingründen xkicni Kaiser das Recht zum Staatsstreich zugesprochen. Aber die Sozialdemokratie werde jeden gewaltsamen Zusammenstoß zu ver- meiden suchen. Die Ironie der Weltgeschichte stelle alles auf den Kopf. Wir, die revolutionäre Umswrzpartei, gedeihen weit besser bei der Gesetzlichkeit, und die Ordnungsparteien rufen verzeifelt: Die Gesetzlichkeit tötet uns, während wir bei dieser Gesetzlichkeit rote Backen und pralle Muskeln bekommen. Schließlich werde der Bour- geoisie nichts übrig bleiben, als selbst diese ihr so unbequem ge- »vordene Gesetzlichkeit zu durchbrechen. Wenn also die Bourgeoisie über die Absichten der Sozialdemokratte auf gewaltsamen Umsturz zetere, so könne man nur antworten: CJuis tulerit Gracchos de seditione querentes? Wenn man mich gestern meinen Zitatrnsack mit brutalen Aeußerungen der Scharfmacher über die Notwendigkeit eines Staatsstreiches gegen das Reichstags Wahlrecht hätte ausleeren lassen, so hätte der Gerichtshof gesehen, wie recht Engels hatte mit dem Ausspruch, die herrschende Klasse trage die rote Brille der Gewalt vor ihren Augen. Und darum sehe sie die Sozialdemokratie als gewalttätig an l Gestatten Sie mir, ex domo zu sprechen: Mein Vater war ja vor 3ö Jahren auch hier deS Hochverrats angeklagt. In der Borrede zu dem Bericht über diesen Prozeß bezmchnet er die G e- Walt ausdrücklich als reaktionären Faktor. Aehn lich ließen sich Kautskh und andere Führer meiner Partei aus. Wenn es auf unseren Wunsch ankäme, würden ivir ein friedliches Leben sicher der Gewalt vorziehen, der vielleicht unsere persönlichen Kräfte nicht gewachsen wären. In meiner Schrift finden sich viele gleichlautende Stellen, die niemand wegeskamotieren kann. Sie enthält keine Aufforderung oder einen Plan. sondern nnr hi st orische Perspektiven. Wo ich von Gewalt spreche, geschieht es immer in Verbindung mit der Gefahr des Ge wallstreiches. Ich begreife ja. daß dieses Kollegium von� 14 hohen Richtern meinem Gedanken von der Gefahr des Staatsstreiches sich nicht gut assimilieren kann. Aber ich bitte, meine fundamental abweichenden Anschauungen über die Möglichkeit und Wahr fcheinlichkeit eines Staatsstreiches Deutschlands Ihrem Ur- teil zugrunde zu legen. Die Anklage sagt, daß ich mit Gewalt eine Aenderung der Heeresorganisation herbeiführen wolle. Diese Auffassung ist also nicht die meine, sondern sie ist ein Schluß des Reichsanwalts» den er in meine Gedanken hineingezwängt und mit meinen Zitaten vermengt hat. Für diese inkorrekte inobjektive Auffassung meiner Schrift soll ich büßen! Mit der Wendung„Gewalt, wie nicht anders möglich- hat man alle Hochverratsprozesse gegen Sozialdemokraten.gemacht, so schon den gegen Lassalle am 12. März 1864, den Hochverratsprozeß gegen meinen Bater und Bebel und den HochverratZprpzeß gegen Viktor Adler in Oesterreich . Welches Armutszeugnis stellt damit die Ret anwaltschaft der bestehenden Gesellschaftsordnung aus I Sie untersiellt ihr, daß sie niemals freiwillig etwas von ihren Rechten an das Volk abtreten wird. Nun steht ja der Oberreichsanwalt den herrschenden Klassen sehr viel näher als ich, aber deswegen brauche ich die Hoffnung auf die Möglichkeit einer Entwickelung ohne brutale Gewaltanwendung doch nicht aufzugeben. Auch die Set, Hcinze und der Zedlitzsche Volksschulgesetzentwurf sind ja durch friedliche Agitation weggeschwemmt worden. Die Seele unserer ganzen Staatsverfassung ist das allgemeine, gleiche, geheime und direkie Wahlrecht, sie gibt die Möglichkeit einer friedlichen or ganischen Forte ntwickelu n g. Die das allgemeine Wahlrecht nehmen wollen, nehmen auch die Möglichkeit friedlicher Ent- Wickelung an, nur wer die Bismarckschen Staatsstreich- Wege lo a n d e l t, ist ein wirklicher Gewaltmensch. Erst bor der jüngsten ReichStagSwahl haben die„Post- und die„Deutsche Tageszeitung- für den Fall eines sozial- demokratischen Sieges mit dem Staatsstreich von oben ge- droht. Auch die Methode, wie man jetzt in Deutschland die Jugend- bewegung und die antimilitaristische Propaganda zu unterdrücken verflicht, zeigt eine verteufelte Aehnlichkeit mit einem soziali st en gesetzlichen Staatsstreich. Herr Nomen, dessen Artikel im„Tag" wohl als geistige Urheber der ganzen An- klage zu betrachten sind, würde gewiß keine lange Ueberlegung dazu brauchen. Ich habe nie daran gedacht, den für die Sozialdemokratie günstigen gesetzlichen Boden in Deutschland aufzugeben, sondern stets nur die lebhafte Befürchtung einer hochverräterischen Aktion von oben die Furcht bor gewalttätiger Unterdrückung der Sozialbemokrasie gehabt(mit erhobener Stimme): Und der erste Akt dieser gcwalt- tätigen Unterdrückung meiner Partei ist für mich nach ihrem ganzen gewalttätigen Charakter diese Anklage. Verl . H e z e l: Ich habe namens der Verteidigung den Antrag auf Aenderung und Ergänzung des Eröffnungsbeschlusses gestellt. Der Eröffnungsbeschlutz unterstellt dem Angeklagten, dah er die Beseitigung deS steheilden Heeres mit Gewalt herbeiführen wolle. Im jetzigen Laufe der Verhandlung hat sich der A n k l a g e p u n k t ganz verschoben, dem Angeklagten wird der hochverräterische Akt zur Last gelegt, eine bestimmte Verwendung des HeereS, nämlich die I Verlvendung zur Niederwerfung innerer Aufstände kraft deS Rechtes dts Kaiser», den Belagerungszustand zu verkünden, verhindert haben I zu wollen. Ich bitte beschlutz zu korrig in diesem Sinne den EröffnungS- ieren.— Präs.: Ich mutz zunächst den Angeklagten einiges über seine letzten Aeutzerungen fragen. Er sprach davon, daß er das Wahlrecht als vorzugsweisen Weg zur Verwirklichung seiner Ziele ansieht. Ist aber nicht gerade seine Auffaffung, daß die parlamentarische Tätigkeit nicht genügt, sondem daß man andere Mittel zu schnelleren Akttonen suchen müsse?— Liebknecht: Rechtlich kommt nur das Wahlrecht allein als Mittel für die Entwickelung in Betracht, politisch aber natürlich auch alle außer« parlamentarischen Mittel, z. B. die Jugendorganisationen. Hinter der parlamentarischen Macht der Sozialdemokratie mutz als außer- parlamentarische Kraft die Begeisterung des deutschen Proletariates stehen, sonst könnten die 40 Mann unserer Reichstagsftaktion zur Not ein oder zwei Schutzleute herausbringen. Auch die herrschenden Klaffen brauchen die außerparlamentarische Macht, darum er- tönte ja tu Berlin das berühmte Wort: „Mehr Volk!« Präs.: Sie wollen doch aber die Jugendorganisationen nicht verwenden, um die parlamentarische Macht der Partei zu stärken, sondern Sie wollen die Jugend zur Verachtung des Militarismus dressieren.— Liebknecht: Eine Verfassungsänderung ist gleichsam eine Addition verschiedener Summen. Der parlamentarische Einfluß beruht nicht auf der Wahl, die Sozialdemokratie beeinflußt durch ihre bloße Existenz sogar die Polizei und die Justiz. Jetzt soll sie auch das Militär beeinflussen. Die Herren Stinnes upd Thyssen haben einen großen Einfluß durch ihre Kapitalmacht, ihren Grund- besitz und ihr Kommando über eine große Arbeitermasse. Das will auch die Sozialdemokratie: ihre Macht fest verankern im Herzen des Volkes. Auch die Armee lebt nicht im luftleeren Räume, auch um sie wird der Kampf zwischen sozialdemokrattschen und antisozialdemokra- ttschen Ideen geführt.— Präsident: Sie befürchten den Umfturz, nach dem Zjhre Partei genannt wird, von der bestehenden Regierung. Können Sie Akte verantwortlicher Regierungsorgane nennen, die diese Ansicht begründen?— Liebknecht: Wer ist denn in Deutschland heute eigentlich verantwortlich? So rein auf das juristische Gebiet kann ich mich nicht drängen lassen. Es handelt sich hier um politische Machtvcrhältniife. wir haben ja in Deutschland auch eine Kamarilla.— Präs.(rasch einfallend): Darauf brauchen wir wohl nicht einzugehen. Sie glauben also, daß gewisse Symptome Sie zu Ihrer Auffaffung ge- führt haben?— Liebknecht: Es gibt da Leute, die viel mächtiger sind als der formell verantwortliche Reichskanzler! Wenn man aber den Fürsten Bülow als verantwortlichen Staatsmann ansieht, so hat er im Silvesterbrief an General Liebert geschrieben: Macht ist Macht, und der Sozialdemokratie mit dem Degen Bonarpartes, gedroht. Bonarpartes Degen ist doch nicht der der Revolution, sondern der der Reaktion.— Präs.: Aber Sie gerade haben doch in bewußtem Gegensatz zu den parlamentarischen Führern der Partei immer wieder den Antimilitarismus in Szene gesetzt und sollen Hervö näher stehen als den Führern Ihrer Parlei.— Liebknecht: Ich stehe in gewissem Gegensatz»zu der Mehrzahl meiner Partei genossen, aber in Wahrheit bestehen größere Differenzen nicht und meinem Genossen Bebel erscheint meine Taktik nicht an sich bedenklich, sondern nur, weil er besorgt, dah andere die von mir gewollte Grenze nicht innehalten würden und dadurch Unannehmlichkeiten entständen. Wer aber behauptet, daß ich dem Herväismus nahestehe, den möchte ich doch zu einem kleinen Duell herausfordern. Hervs ist eine Art Scheuche des Bürgertums geworden, das Wort Hervs bedeutet jetzt ungefähr soviel wie Bombe. (Grotze Heiterkeit.) Ich habe Herve erst in Stuttgart kennen gelernt und mir mit ihm in den Haaren gelegen. Ich stehe in der Militär. frage noch rechts von Janrös. In meiner Schrift habe ich den HervsiSmuS ausführlich bekämpft, ich halte ihn für vollkommen verkehrt. Ich habe nicht die Absicht, etwas zu verschweigen, ich rechne ja mit der Tatsache meiner Verurteilung als einer abgemachten Sache. Ich kann also meine Erklärungen abgeben ohne Rücksicht auf Ihr Urteil und habe nur Zeugnis abzulegen für unsere politische Auffassung. Mit französischen Mitteln in Deutsch land kämpfen� das hieße, mit Schlittschuhen und mit einem Winterkostüm ins Wasser gehen oder in einem Badekostüm Schlitt- schuh laufen.(Heiterkeit.)— Präs.: Ich kann nicht zukasien, daß Sie sich als Bcrsuchsobjekt für die Anwendung eines Paragraphen bezeichnen. Ich bitte Sie, ihre Worte richtiger abzuwägen. Sie können ja mit ihrer Verurteilung rechnen. Wenn Sie damit aber sagen wollen, daß das Urteil über Sie bereits fertig ist, so verkennen Sie die Aufgabe des höchsten Gerichtshofes voll. ständig.— Liebknecht: Die bisherige Geschichte dieses Prozesses rechtfertigt eine gewisse lebhaste Erregung. Ich weiß nicht, wie ich anders als Versuchsobjekt einen Menschen bezeichnen soll, bei dem mau zum vierten Male die Sektion vornimmt, ob nicht doch in den Eingeweiden seines Hirns eine Spur von Hochverrat zu finden ist.— Präs.: Sie segeln schon wieder in dem Fahrwasser, das ich Ihnen eben verboten habe. Der Oberreichsanwalt bekämpft den Antrag der Ver teldigung auf Ergänzung deS Eröffnungsbeschlusses. Hochverrat sei begangen durch dre Abfassung und Verbreitung der gesamten Schrift. — Bert. H e z e l: Wenn jemand Eisenteile aufkauft, um daraus eine Höllenmaschine zu machen, die er gegen das Staatsoberhaupt m Betrieb setzen will, so ist das etne Borbereitnng zum Hochverrat. Das Kaufen der Eisenteile an sich genügt aber nicht zur Kenn- zeichnung des Hochverrats. Der Mann mutz die Absicht zur Ermordung des Landesherrn haben, dann erst wird aus der ganzen Sache ein Hochverrat. Hier ist die Abfassung der Schrift die vorbereitende Handlung und der Eröffnungsbeschluß muß sagen, worin ein Hochverrat an sich liegt. Man kann nicht eine ganze Schrift unter die Anklage des Hochverrats stellen, man muß sagen, was den Hochverrat darstellt.— Oberreichsanwalt: Ich bedauere, daß die Anklageschrift nicht verlesen worden ist. das würde die ganze Differenz jetzt aufklären.— Liebknecht: Ich habe keinen Grund, die Ausdehnung der Anklage zu scheuen, ich muß aber wissen, wessen ich angeklagt bin, damit ich mich danach verteidigen kann. Hierauf zog sich der Gerichtshof zur Beratung zurück und ver- kündete nach längerer Beratung, daß der , Antrag der Verteidigung abgelehnt sei, ha der Eröffnungsbeschluß vollständig im Einklang mit§ 205 der St.-P.-O. stehe. Hierauf trat die Mittagspause ein. Nach der Pause wurde als einziger Zeuge ReichStagSabgeordneter Bebel aufgerufen.— Präs.: Die Verteidigung hat Ihre Vernehmung be- antragt, weil sie der Ansicht ist, daß nach der Gestaltung der An- klageschrift damit zu rechnen wäre, daß auch die Aeutzerungen des Angeklagten, die derselbe auf sozialdemokratischen Parteitagen und ähnlichen Beranstaltungen in Sachen des Anttmilitarismuö getan hat, hier gestreift werden würden. Diese Voraussetzung der Ver« teidigung ist nun eingetroffen. Wir haben über die verschiedensten Aeußerungen des Angeklagten hier gesprochen, und ich möchte Sie nun fragen, was für eine Meinung Sie über seine Haltting haben. Zeuge Bebel: Der Angeschuldigt� hat seit einer Reihe von Jahren auf unseren Parteitagen Anträge befürwortet, die dahin gingen, daß die Partei in höherem Maße als bisher sich auf die anti- «nilitaristische Seite zu werfen habe, da der Militarismus der Haupt« feind des Sozialismus sei. Die bisherige Tätigkvlt der Partei hat dem Angeschuldigten nicht genügt, und er hat fortgesetzt versucht, Anträge durchzubringen, die dahin gingen, daß ein besonoerer Aus- schuß eingesetzt werden sollte, der diese Agitation speziell zu leiten "abe. Dieser Auffaffung sind wir in der Partei und speziell ich bis« sozialdsmo- W~ errn er mit der größten Energie entgegengetreten. Wir sind der Ansicht, ristische fljj dieses Hervorheben einer besonderen antimilitaristischen Agitation, 1 gesetzlichen Rahmen? zu bewegen habe?— Bebel wie sie der Angeschuldigte betrieben zu sehen wünscht, praktisch falsch und taktisch ungeschickt ist. Wir sind eine Partei, die die gesamte bestehende Wirtschafts- und Staatsordnung bekämpft, wir sind eine Partei, die in erster Linie darauf hinzielt, die Massen über die Gesetze, welche das gegenwärtige Wirtschaftssystem regirren, aufzuklären und ihnen die Rolle klar zu machen, welche der Kapitallsmus darin spielt. Wir waren dabei der Meinung, daß wenn eine der- artige Agitation in besonderem Matze den Militarismus hervorhebt, die anderen Aufgaben der Partei darunter V e r n a ch- lässigt würden. Der Charakter der Partei würde dadurch ein einseitiger werden und eine derarttge Taktik müssen wir ver- meiden. Aber ich habe die Ansicht des Angeklagten noch aus anderen Gründen bekämpft. Zunächst habe ich mir gesagt, daß die Genossen, die draußen in der Agitation stehen, juristisch nicht so geschulte Leute sind wie der Angeschuldigte und daher sehr leicht mit dem§ 112 des Str.-G.-B. in Konflikt kommen können, und das ist eine so unangenehme Sache, daß wir diese Genossen davor nach Möglichkeit bewahren möchten. Schließlich habe ich die Taktik des Angeschuldigten bekämpft, weil es mir bekannt ist, daß es in: Deutschen Reiche große einflußreiche Kreise gibt, die den Moment abwarten, wo sie gegen die Sozialdemokratie eventuell mit einer Verschärfung des Strafgesetzbuches einen entscheidenden Schlag ansfllhrcn können. Auf dein Wiesbadener Parteitag der national- liberalen Partei hat es der Abgeordnete Bassermann am Sonnabend erst ausgesprochen, daß man auch innerhalb der national- liberalen Partei bis vor kurzem der Ansicht war, die Sozial- demokratie mit Ausnahmegesetzen zu bekämpfen. Nun bin ich der Meinung, daß, zumal eine Revision des Sttafgesetzbuches bevor- steht, zuerst eine Verschärfung des§ 112 Stt.-G.-B. herbeigeführt werden würde, wenn wir die Taktik des Angeschuldigten für richtig hielten, und das wäre nach meiner Meinung nicht wünschenswert. Daß diese Befürchtung keine leere ist, geht daraus hervor, daß bei der Umsturzvorlage im Jahre 1895 gerade die Verschärfung des ß 112 eine erhebliche Rolle spielte. Präs.: Auf dem internationalen Kongreß in Stuttgart und auch auf dem Essener Parteitag hat die Frage des Luiimilitarismus eine Rolle gespielt und dort ist die Slellmignali kratischen Partei im allgemeinen und die Stelli Herve im besonderen erörtert worden. der Angeschuldigte aus diesen Tagungen eingeno Zeuge Bebel: Bei den Auseinandersetzungen der Angeschuldigte überhaupt keine Rolle gespt»» hat sich lediglich veranlaßt gesehen, auf eine Rede des Genosic,, v. Bvllmar öffentlich in einer Erklärung zu antworten, und da hat er zwischen sich und Herve eine scharfe Linie gezogen. Nach meiner Meinung gibt es überhaupt in der ganzen deutschen sozial- demokrattschen Partei nicht eine» einzigen Parteigenossen, der auf dem Standpunkt Hernes stünde. Der Angeschuldigte Liebknecht hat wiederholt in seiner Rede dargetan, welche grundsätzlichen Differenzen ihn von dem Standpunkt Herves trennen. Ich habe selbstverständlich Dr. Liebknechts Broschüre, sobald sie erschien, gelesen, nicht nur mit Interesse, sondern auch mit Neugierde, weil ich mir sagte: Willst doch mal sehen, ob in dieser Broschüre Liebknecht Anschauungen vertritt, die denen Herves ähnlich sind. Da habe ich nun, wie ich mit großer Genugtuung konstatiere, gefunden, daß in der Broschüre von Herveistischen Anschauungen so gut wie nichts zu finden ist.— Präs.: Sie haben in Stuttgart erklärt, daß die deutsche Partei sehr weit von Herve abrücke, und nichts mit seinen antimilitaristischen Tendenzen zu tun haben wolle, weil man sonst mit dem Strafgesetzbuch in Konflikt kommen würde.— Zeuge Bebel: Das habe ich ausgeführt.— Präs.: Erinnern Sie sich, daß auf dem Stuttgarter Kongreß schließlich eine Resolution an- genommen wurde, die, wie mir scheint, das Resultat eines sorgfältigen Kompromlsses war. Diese Resolution überläßt den einzelnen Nationen für den einzelnen Fall die Ent- schcidung. Welche Stellung hat denn nun der Angeklagte zu dieser Resolution eingenommen? In Essen soll er gesagt haben, diese Resolution sei ganz gut, denn sie sei ein Fortschritt gegen- über dem bisherigen Standpunkt der Partei.— Zeuge Bebel: Das hat Dr. Liebknecht allerdings gesagt. Nach meiner Auffassung ist diese Anschauung jedoch eine irrige. Wir haben in Stuttgart vier Tage lang über die Frage des Antimilitarismus gestritten. Es handelte sich um einen Antrag von einem Teile der fran- zösischen Delegation, der eine Resolution durchdrücken wollte, die annähernd den Standpunkt vertrat, den Herve in seinen Schriften bisher vertreten hat. Wir haben darauf rund heraus erklärt, daß wir Deutsche unter keinen Umständen irgend etwas-akzeptieren würden, was auch nur annähernd dem Standpunkte Herves ent- spricht. Während der Beratungen sind wir nun den Anders. denkenden, besonders den französischen, insofern entgegen- gekommen, als wir eine Liethe von historischen Ereignissen der letzten zehn Jahre, insbesondere die Faschodafrage und die Marokkofrage in der Resolution aufführten und charak» terisierten und sagten, eS müsse so werter gearbeitet werden, wie die Proletarier in den verschie» denen Ländern bei diesen Fällen gearbeitet haben. An dem entscheidenden Punkt, auf den es ankam, an dem haben wir unter allen Umständen festgehalten. In dem Schluß- satze der Stuttgarter Resolution heißt es ausdrücklich, daß im gegebenen Falle es. jeder einzelnen Nation überlassen bleiben muß, welche Schritte sie bei einer Kriegsgefahr zu unternehmen gedenkt. DaS war für uns die conditio sine qua non, ohne welche wir der Resolution nicht zugestimmt hätten. Mögen die Franzosen machen, was sie wollen, daran sind wir nicht gebunden. — Präs.: Der Abg. V a n d e r v e l d e hat als Berichterstatter der militärischen Kommission in Stuttgart ausgeführt, der Unter- schied zwischen Ihnen und Baillant bestehe lediglich darin, daß Sie alle Mittel fordern, ohne sie zu nennen, während Baillant sie aufzählt.— Zeuge Bebel: Daß Vandervelde das ausgeführt hat, ist richtig; aber die Interpretation erkenne ich nicht an.— Präs.: Welche Stellung hat denn schließlich Herve zu der Resolution in Stuttgart eingenommen?— Zeuge Bebel: Zu meiner großen Verwunderung hat er für die Resolution gestimmt. Er hat zwar eine Motivierung seiner Abstimmung in einer Erklärung gegeben, in der er die deutsche Partei in einer für einen Franzosen un- gewöhnlich unhöflichen Weise angegriffen hat. Ich war anfangs geneigt, auf diese unhöflichen Aeußerungen namens der deutschen Partei zu antworten. Ich unterließ es aber, weil ich mir sagte: Du legst dem Herve vielleicht viel au viel Bedeutung bei.— Präs.: Ich habe hier eine Erklärung, die Sie der Magdeburger „Volts. stimme" geschickt haben. In der Magdeburger..Volksstimme" war ausgeführt worden, daß Sie sich gegen, Hervö gewandt hätten und daß damit auch der Standpunkt Liebknechts, der sich dem Stand- Punkt HerveS nähere, gerichtet fei. Sie haben sich dagegen ver- wahrt und erklärt, daß Dr. Liebknecht gar nichts mit dem Standpunkt Herves zu tun habe, und infolge- dessen Ihre Verurteilung des Hcrveschcn Standpunktes den Dr. Liebknecht nicht mitgetroffen hätte.— Zeuge: Das habe ich allerdings erklärt und das ist mein Standpunkt.— Verteidiger H a a s e: Ist es richtig, daß Liebknecht auf dem Bremer Partei- tage erklärt hat: Da wir nicht in der Lage sind, Kasernen- agitation treiben zu können, so müssen wir die Agitation in die Zeit legen, wo uns die Gesetze nicht daran hindern.— Bebel: Zweifellos hat er das gesagt. Ich kann nur sagen, wir haben bei unserer Taktik keine Gefahren für Dr. Liebknecht befürchtet, sondern für andere, die wir nicht zum Opfer deS§ 112 St.-G.-B. machen wollen. Es wäre ja wunderbar für einen Juristen, wenn er sich für eine Kasernenagitation er- klären würde. Er kennt doch die geradezu brutalen Urteile, die die Militärgerichte fällen, wenn bei irgend einem Soldaten eine sozialistische Zeitung gefunden wird. Die sogenannten Kastenrevisionm sind ja eine ständige Einrichtung geworden.— Bert. H a a s e: Und hat Herr Liebknecht nicht in Mannheim betont, daß selbstverständlich die antimilita- Tätigkeit der Sozialdemokratie sich� nur innerhalb de» Jawchl.-
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten