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Bert.: Sie hatten also niemals den Eindruck, als wenn Lieb- knecht mit seinen Ausführungen ein hochverräterisches Unternehmen plane? Bebel: Bei hochverräterischen Angelegenheiten kann ich ja mitreden, da bin ich ja sachverständig.(Heiterkeit.) Mir ist selbstverständlich niemals der Gedanke gekommen, als ob Liebknecht hochverräterische Absichten habe. Vert. Haase: Hat Liebknecht jemals öffentlich oder Ihnen gegenüber privatim darüber gc- sprachen, daß er den Plan hege, durch die revolutionäre Aufklärung der Arbeiter in Frankreich und Deutschland einen Angriff Frankreichs auf Deutschland anzuzetteln und dann diesen Angriffskrieg Frankreichs für politische Zwecke auszunützen? Bebel: Davon habe ich nie etwas gehört und auch in der Broschüre steht meiner An- ficht nach nichts davon. Liebknecht: Herr Bebel, würden Sie nicht, wenn ich Ihnen gegenüber eine derartige Aeußerung getan hätte, gesagt haben, daß ich sofort ins Irrenhaus gehöre? Bebel: Wenn auch nicht ins Irrenhaus, so würde ich Ihnen doch allerschärfsten Widerspruch entgegengesetzt haben. Nach meiner Meinung ist das ein für einen Parteigenossen unmöglicher Stand- punkt. Liebknecht: Nicht nur unmöglich, sondern auch kindisch und läppisch. Vert. Haase: Und hat Liebknecht viel- leicht versucht, die deutschen Proletarier im Gebrauch der Waffen soweit auszubilden, dag sie sie selbständig zu führen in der Lage sind? Bebel: Ein solcher Gedanke ist nie ausgesprochen worden. Wenn mir das jemand sagte, würde ich ihm allerdings erwidern: Sie gehören ins Irrenhaus. Vert. Haase: Hat Liebknecht Ihnen gegenüber die Aeutzerung getan, daß er die Kommandogewalt des Kaisers zertrümmern will. Bebel: Von der Kommandogewalt des Kaisers ist unter uns niemals ein Wort gesprochen worden. Ver- leidiger Haase: Liebknecht stellt in seiner Broschüre als sein Programm hm: die Erziehung des Volkes zur allgemeinen Wehr- haftigkeit und zur Entscheidung der Frage über Krieg und Frieden durch das Volk. Sind das neue Gedanken, die Liebknecht ausge- sprachen hat, oder sind das nicht vielmehr alte Gedanken? Bebel: Diese Forderungen stehen in unserem Programm und haben seit 18üg Geltung. Vert. Haase: Gehört diese Forde- rung nicht zu denjenigen Forderungen der Sozialdemokratie, die bereits an den Gegenwartsstaat gestellt werden und die nach An- ficht der sozialdemokratischen Partei verwirklicht werden können/ ohne daß der gegenwärtige Staat seinen Charakter als Klassen- staat verliert? Bebel: Diese Forderung gehört zu unseren sogenannten nächsten Forderungen, die samt und sonders im heutigen bürgerlichen Staatswesen verwirklicht werden können. Eine Reihe dieser Forderungen sind ja in den verschiedensten Staaten schon verwirklicht worden. L i ebik n e ch t: Ist Ihnen bekannt, daß eine Um- wälzung der bestehenden Heeresorganisation nicht nur von Sozial- demokraten, sondern auch von Angehörigen anderer Parteien er- strebt wird? Bebel: Es haben sogar deutsche Offi- z i e r e sich für eine solche Umwälzung ausgesprochen. Ich erinnere nur an den Generalleutnant a. D. v. d. Linden, der in einer Broschüre sich zwar für ein kleines stehendes Heer ausgesprochen hat, im übrigen aber sich mit einem Milizsystem begnügen will, wie es unseren Anschauungen entspricht. Noch mehr sind solche Stimmen im Ausland laut geworden, sogar auf Ministersesseln. Ich erinnere nur an den italienischen Minister Zanardelli . Dann erinnere ich an den französischen Artilleriehauptmann G a st o n Mach, der sich ohne jede Einschränkung für ein Miliz- Heer ausgesprochen hat. Liebknecht : Gibt es in Deutschland politische Parteien, die, genau wie die Sozialdemokratie, die Ent- scheidung über einen Krieg dem Volke übertragen wissen wollen? Bebel: Das war früher eine allgemeine bürgerlich-demokratische Forderung, die wir in unser Programm übernommen haben. Wir machen auf Originalität keinen Anspruch. Präs.: Angeschuldigter, Sie sprechen in Ihrer Broschüre von einer Wehrlosmachung der Armee, was verstehen Sie darunter? Liebknecht: Ich denke mir diesen Vorgang als Resultat einer inneren organischen Entwicke- lung. Nach meiner Meinung muß jedem Menschen, wenn er ein Kulturmensch ist, wenn er ein ehrlicher anständiger Mensch sein will, wenn er ein Christ sein will, das Blut der Empörung ins Gesicht steigen, wenn ein Krieg ausbricht. Und diese Worten ausdrücken. Mit einer Armee, die von solcher Empörung macht aber jeden Krieg unmöglich, wenn sie eine allgemeine ist. Die Konstatierung dieser sozialen Erscheinung wollte ich mit jenen Worten ausdrücken. Mit einer Armee, die von solcher Ermpörung getragen wird, kann kein Mensch einen Krieg führen und wenn er das legitimierteste Kommando in Händen hat. Präs.: Sie nehmen also für sich und Ihre Partei in Anspruch, darüber zu ent- scheiden, ob im Kriegsfalle Gehorsam geleistet werden soll oder nicht. Sie meinen, eS wäre der Fall denkbar, in dem eine Armee nicht Order zu parieren hat, sondern sagt: nein, es wäre eine Schmach, jetzt zu folgen. Meinen Sie nicht, daß dieser Erklärung der Soldaten gegenüber von anderer Seite Widerstand geleistet würde? Liebknecht: Für mich ist dieser' Vorgang nur denkbar als Resultat einer historischen Entwichelung in dem Sinne, daß die Zersetzung des Militarismus eine allgemeine ge- worden ist. Wenn das der Fall ist, dann bedarf es keiner gewaltsamen Einwirkung mehr, um einen Krieg zu verhindern. Präs.: Wenn nun im Interesse der öffentlichen Sicherheit die Anwendung der Armee nach Maßgabe der verfassungsmäßigen Bestimmungen für notwerodig erachtet wird, dann sollen Ihre theoretischen Erörterungen auch Geltung haben? Liebknecht: Selbstverständlich vollzieht sich diese organische EntWickelung noch viel rapider.-> Vert. H e z e l; Ich deantrage nunmehr, aus dem Buche Immanuel Kants Zum ewigen Frieden" die Thesen 3 5 zu verlesen. O b e r r e'i ch S a n w a l t Dr. Orshausen widerspricht dieser Verlesung: Was soll denn die Berufung auf ein wissenschaftliches Werk, das vor 100 Jahren erschienen ist? Das Gericht beschließt nach kurzer Beratung, beide Thesen zu verlesen. These 3 lautet: Stehende Heere sollten mit der Zeit ganz aufhören, denn die stehenden Heere sind einl Anreiz zum Kriege. Die Völker kennen mit den Rüstungen keine Grenzen. These S lautet: Kein Staat soll sich in Verfassung und Regierung eines anderen Staates gewaltsam einmischen. Ober­reichsanwalt Dr. Olshausen: Der Angeklagte hat im Laufe der Verhandlungen dem Reichskanzler Fürsten Bülotd den ver- steckten Vorwurf des Staatsstreiches gemacht, indem er auf eine Aeußerung des Fürsten Bülow iit dem Silvesterbrief an den Generalleutnant v. Liebert anspielte. Er wollte damit zu er- kennen geben, daß auch Fürst Bülow vor der Gewalt nicht zurück- schrecke und eventuell verfassungswrdrige Mittel anwende. Zur Beurteilung dieser Auffassung des Angeklagten bitte ich, den be- treffenden Passus au�dem Sllvesterbriefe des Reichskanzlers, nach demReichsanzeiger", zu verlesen. Das Gericht beschließt diese Verlesung. Ter Passus lautet:Entgegen der bisherigen allge- meinen Zluffassung, daß die Reaktion von der Linken nur in Gc- meinschaft mit der Sozialdemokratie bekämpft werden könne, habe ich die feste Ueberzcugung, daß die wahre Reaktion und die wahre reaktionäre Gefahr bei der Sozialdemokratie zu suchen ist; auf die wildgewordenen Spießbürger der französischen Revolution folgte der Degen BonaparteS, der kommen mußte, um daS französische Vaterland aus den Banden der Jakobiner zu befreien." Liebknecht : Ich möchte be- merken, daß diese Worte in den Silvesterbrief nicht die Bedeutung der Worte eines Reichskanzlers haben, sondern wie aus den g e- hässjgen Worten gegen die Sozialdemokratie hervorgeht, diktiert sind von einem rücksichtslosen Haß eines Agi- tators gegen die Sozialdemokratie. Die Worte haben nicht die Bedeutung der Worte eines Reichskanzlers, der über den Vor- teiea stehen soll. Damit ist die Beweisaufnahme geschlossen. OberreichZanlvalt Dr. O l s h u s e n ergriff zur Begründung der Anklage das Wort: Wer die Ausführungen des Angeklagten gehört hat, mutz diesen Prozeß für eine höchst eigentümliche Sache halten. Der Angeklagte hat davon gesprochen, daß gegen ihn drei schrift- liche Anklagen vorliegen. Eine vierte Anklage entnimmt er den Aeußerungen des Vorfitzenden und eine fünfte einem Zwischenruf von mir. In Wahrheit hat er schon meinen Antrag aus Beschlag- nähme seiner Schrift ganz falsch charakterisiert. Es ist schon ein eigentümliches Verfahren für einen Angeklagten, der selbst Rechts- anwalt ist, einen Antrag auf Beschlagnahme einer Schrift mit der Anklage selbst zu identifizieren. Seine Schrift ist mir vorgelegt worden von einer Seite, die ein erhebliches Interesse an ihr hatte, selbstverständlich nicht einer Privatperson oder einem Geheimrat aus dem Kriegsministerium, sondern von einer zuständigen Behörde und ich bin daraufhin vorgegangen, obwohl die Schrift schon einige Monate lang verbreitet wurde. Natürlich habe ich de» Beschlagnahme- antrag möglichst beschleunigt und deshalb nur hervorgehoben, was dazu dienen konnte, den Antrag zu begründen. Aber die Stellen, die i ch hervorgehoben habe, halte ich auch heute noch für die wesentlichsten der A n k l a g e, insofern sie die Durch- führbarkeit der Hervsschen Jnsurrektionstaktik in Ausnahme- fällen, etwa im Fall eines Krieges zwischen Deutschland und Frankreich oder bei einer Intervention in Rußland schon jetzt zulassen. Damit war die hochverräterische Handlung im Sinne des§ 81 gegeben. Die Anklageschrift selbst ist so klar gefaßt und exponiert wie nur möglich. Die ganze Broschüre war angeklagt, nicht etwa als ob jedes einzelne Wort und jeder Satz eine Vorbereitung zum Hochverrat enthielten. Aber der Angeklagte hat ja selbst auf den Zusammenhang der Schrift als eine Einheit hingewiesen. Da ich sonach nicht ick der Lage war, einzelne Teile herauszugreifen, habe ich kurz den Inhalt der markantesten Stellen angegeben, wobei wörtliche Zitate in An- führungsstriche gesetzt und meine Schlußfolgerungen deullich davon getrennt wurden. Nach der Inhaltsangabe der Schrift bin ich dazu übergegangen, ein Resümee des strafrechtlichen Charakters zu geben. Es lautet: Trotz des Inhalts dieses Schlutzkapitels, in dem Verfasser den Worten n a ch sich auf den Boden des Gesetzes stellt, muß man»ach dem Gesamtinhalt der Schrift die Ueberzcugung gewinnen, daß Angeschuldigter bei deren Abfassung daraus ausgegangen sei, durch ihren verhetzende» Ton die bereits innerhalb der Sozialdemokratie bestehende Abneigung gegen den sogenannten Militarismus bis zum fanatischen Hasse zu steigern, durch die von ihm gegebenen Ratschläge die allmähliche Zersetzung und Zermürbung des militärischen Geistes herbeizuführen. dieses alles aber nur zu dem Zweck, um nach weiterer Vorbereitung und Schulung des dafür im ganzen jetzt schon reisen Proletariats. insbesondere auch nach weiter« Ausbildung in de» Waffen und namentlich auch in der Herstellung solch«, gegebenen Falls im Falle eines unpopulären Krieges wie nicht anders möglich unter Anwendung von Waffengewalt gegen die noch treu gebliebenen, noch nichtroten" Teile des Heeres diese niederzukämpfen und die verhaßte bestehende Militärverfassuug zu zertrümmern. Dabei handelt es sich nicht um theoretische Ausführungen, vielmehr ist der Zweck der Schrift einaktuell politischer"; es handelt sich aber auch nicht etwa um An- regungen und Ratschläge, die für die Fälle gegeben werden, deren Eintritt nach Ansicht des Verfassers gar nicht vorauszusehen ist; sie werden vielmehr gegeben für be- stimmte Eventualitäten, deren Eintritt allerdings nicht, wie seitens der französischen bezw. anarchistischen Antimilitaristen für eine unmittelbar bevor st ehende Zeit in Aussicht genommen wird, wohl ab« für eme fernere und jedenfalls herannahende, ja auch für bestimmte Fälle, deren Eintritt allerdings teils zwar nicht wahrscheinlich ist, teils aber Wohl im Laufe der Zeit zu erwarten ist. wie ein Krieg zwischen Frankreich und Deutschland , der bei einer im Sinne des Antimilitarismus günstigen Kriegsursache wohl eine ! geeignete Situation schaffen könne, weshalb der Eintritt eines olchen Zeitpunktes durch revolutionäre Aufklärungsarbeit zu fördern ein würde. Die Abfassung und Herbeiführung der Verbreitung einer solchen Schrift stellt sich als eine ein hochverräterisches Unternehmen nämlich die gewaltsame Aenderung der Verfassung de? Deutschen Reiches vorbereitende Handlung dar. Der Eröffnungsbeschluß hat sich diesem Standpunkt der Anklage- schrift im wesentlichen angeschlossen- Juristisch unterliegt es also nicht dem geringsten Zweifel, daß die ganze Schrift, so weit sie den Tat- bestand des§ 83 darstellt, Gegenstand der Anklage ist. Der An- geklagte hat von der Wunderbarkeit dieses Prozesses gesprochen. So einfach wie dieser Prozeß prozessualisch verläuft, sind wenige vor dem Reichsgericht. Ein dünnes Aktcnbündel enthält alles Material, auch das dem Untersuchungsrichter vom Berliner Polizei- Präsidium gelieferte. Die. einzige Wunderbarkeit könnte darin be- stehen, daß die Verteidigung diese Schriftstücke nicht gefunden hat. Der Angeklagte hat eine schwere Anschuldigung gegen den Reichskanzler erhoben. Erfteulicherweise ist sie vollkommen widerlegt worden. Wer den betreffenden Absatz des Briefes des Reichskanzlers vom Silvesterabend an General Liebert durchliest, weiß, daß darin nur eine Schilderung der notwendigen Folgen des Treibens der Sozial- demokratie gegeben ist. Aber der Reichskanzler, der nach dem Reichs- beamtengesetz mein unmittelbarer Vorgesetzter ist, und nach dem Stellvertretungsgesetz vertritt ihn der Staatssekretär im Reichs- justizamt hat ebensowenig wie dieser etwnz�von meinem straf- rechtlichen Vorgehen gewußt. Die Verantwortung dafür trage ich ganz allein. Natürlich bin ich nicht Beamter der Polizeibehörde, sondern der Staatsanwaltschaft. Deshalb habe ich daS Material nicht allein sammeln, sondern es mir von interessierter Seite zvtragen lassen müssen. Der Angeklagte erhob gegen uns den Vorwurf der Klassenjustiz. Das muß ich entschieden zurückweisen. Der Angeklagte und ich gehören ja beide derselben Klasse, dem Juristenstande an und eS ist mir nicht besonders angenehm, gegen ein Mitglied der deutschen Rechtsanwaltschaft wegen Vorbereitung zum Hochverrat einzuschreiten. Auch irrt der Angeklagte, wenn er glaubt, daß wir ihn herausgegriffen hätten, um ein Exempel zu statuieren. Da überschätzt er die Bedeutung seiner Persönlichkeit. Wenn mir etwas vorgelegt wird, prüfe ich es auf einen strafbaren Tatbestand, und nach dem Ergebnis dieser Prüfung stelle ich meine Anträge. Wenn zufällig ein Beamter diese Schrift verfaßt hätte, was ich allerdings für unmöglich halte, so hätte ich mich ebensowenig von der Strafverfolgung zurückschrecken lassen. Der Angeklagte hat ferner der Anklagebehörde msinuiert, sie beabsichtige vor allein, ihn von der Rechtsanwaltschaft zu entfernen. DaS lag mir vollkommen fern. Ich betrachte nur die strafrechtliche Seite, was die Folge für den Beruf des Angeklagten ist, kunimert mich nicht. Vielleicht schließt ihn das Urteil ohne weiteres aus dem Anwalts- stände aus, vielleicht ist ein weiteres Verfahren vor dem Ehren- gerichtShof für Anwälte notwendig. Auch ist es mir nicht eingefallen, wie der Angeklagte behauptete, die sozialdemokratische Partei hier unter An- klage zu stellen. Mit der Partei habe ich nichts zu tun, sie interessiert mich gar nicht. Ich habe nur zu untersuchen, ob der Angeklagte mit seiner SchriftMilitarismus und Antimilitarismus" sich der Vor­bereitung zum Hochverrat schuldig gemacht hat. Ich glaube, daß ich es mir und dem Amte, das ich vertrete, schuldig war. diese Ver- dächtigungen des Angeklagtilli zurückzuweisen. Der OberreichS- anwalt erörtert dann eingehend die juristischen Voraussetzungen der Anwendbarkeit des§ 86 unter ausführlicher Besprechung der bisher über diesen Punft gefällten ReichSgerichtsurteite. Er greift dabei zurück auf de» HochverratSprozeß gegen Ferdinand Lassalle , der gegen diesen im April 1831 vor dem preußischen StaatsgerichtShof geführt wurde und mit der Freisprechung Lassalles endete. Auf Grund der damaligen Verteidigungsrede Lassalles, der die Anklage gegen sich als Anklage wegen Vorbereitung zur Vorbereitung des Hochverrats kennzeichnete, schrieben dieLeipziger Volkszeitung" und Vorwärts", die Anklage gegen Liebknecht sei gerichtet. Nun sei es ja die Aufgabe einer Anklage, gerichtet zu werden, aber doch von diesem Gerichtshof und nicht vomVorwärts".(Große Heiterkeit!) Der Oberreichsanwalt erörtert dann die Voraus- setzungen, unter denen das Reichsgericht den Z 86 an­gewendet habe. Es habe verlangt, die Bestimmtheit eineS hochverräterischen Unternehmens und das bestimmte In- aussicht nehmen der Gewaltanwendung. Er prüft weiter, ob in der Schrift des Angeklagten diese Voraussetzungen er« füllt seien. Der Angeklagte selbst habe als dilogische und psycho« logische Konsequenz seiner Agitation den Militärstreik und die Aktivierung der Truppen für die Revolution gezeichnet. An einer anderen Stelle habe er, um über sein hochverräterisches Ziel keinen Zweifel zu lassen, als Endziel die vollkommene Beseitigung des Militarismus und als Mittel zu diesem Zweck die allmähliche Zer- setzung und Zermürbung des Militarismus angegeben. Ein erfolg- reicher Mililärstreil solle als Folge der von ihm betriebenen Aufklärungsarbeit in bestimmt in Aussicht genommenen Füllen eintreten. Ein solcher Militärstreik sei an sich ja noch keine Gewalt- samkeit, aber natürlich würde der Staat dagegen mit rechtmässiger Gewalt vorgehen, und da die Militärstreikenden sich dann nicht willenlos wie Schafe hinschlachten lassen würden, würde das Moment der Ge- walt sich ohne weiteres ergeben. Der einzige Zweck des Angeklagten sei gewesen, in der Jugend Haß gegen den Militarismus zu säen. Als Fälle, bei denen dieser Haß zum Ausbruch kommen könnte, habe er selbst die Intervention in Rußland und den Krieg zwischen Deutschland und Frankreich als in ab- sehbarer Zeit möglich ins Auge gefaßt. Jn� der Tai könne niemand, der sich der Situation im Früh­jahr vorigen Jahres erinnere, leugnen, daß ein Krieg mit Frank- reich zu den realen Möglichkeiten gehörte, so günstig auch die äugen» blickliche Situation sei. In der Schrift stehe zwar, daß der u n» g ü n st i g st e Zeitpunkt zu einer revolutionären Aktion die Zeit des Ausbruches eines Krieges sei. Das sei aber offenbar ein Druckfehl«, denn nach dem ganzen Zusammenhang müsse es heißen: der günstigste Zeitpunkt. In dem Kapitel über die Waffentcchnit habe der Angeklagte dann ausdrücklich das Proletariat aufgefordert, sich in der Herstellung und Verwendung der Waffen zu üben, sodaß über die Absicht des Hoch- Verrats und die Gewaltsamkeit seiner Mittel kein Zweifel bestehen könne. Was die Frage des Strafmaßes anbetreffe, so lautet zwar Absatz 2§ 83 auf mildernde II m stand e. Davon könne ab« beim Angellagtcn nicht die Rede sein. Gewiß sei seine Schrift nach ihrem Umfange� und nach ihrer engen Schrift nicht geeignet, agi- tatarisch unter den Arbeitern zu wirken; aber das sei dem An« geklagten vielleicht nicht einmal zum Bewußtsein gekommen. Es war zweifellos seine Absicht, eine möglichst große Masse des Volkes zu beeinflussen. Im übrigen setzte der Z 86 Strafen von einem bis zu drei Jahren Zuchthaus oder Festungshast aus. Es ist nun eine eigentümliche S a ch lck g e, daß der§ 20 des Strafgesetzbuchs bestimmt, daß die Zuchthausstrafe nur dann verhängt werden könne, wenn festgestellt ist, daß die Handlung aus ehrloser Gesinnung entsprungen sei. Gegen die Einführung dieses Paragraphen in das Strafgesetzbuch hat seinerzeit der damalige preußische Justizminister Leonhard lebhafte Einsprache erhoben, weil dadurch in Wahrheit die Festungsftrafe an die erste Stelle rückte und das Zuchthaus nur subsidiär bei ehrloser Gesinnung anwendbar wurde. Aber Leonhard hat sich schließlich mit dieser Bestimmung abgefunden und dann ausgeführt, daß gewisse Handlungen, name n t- lich im Kriege der Hochverrat, für einen Deutschen ohne weiteres ehrlos sind. Diesen Ausführungen hat damals der gesamte Reichstag zugestimmt. Ich habe keine Bedenken, hier zu sagen, daß die Handlung des Angeklagten ehrlos ist, weil er, ein Mann in reiferen Jahren, ein Jurist, der selbst früher den Waffenrock trug und noch jetzt im Militärverhältnis steht, nicht in dieser Weise gegen den Militarismus hätte hetzen dürfen. Danach würden die Konsequenzen zu ziehen sein, daß, wenn das hohe Gericht den Angeklagten für schuldig hält, auf eine Zuchthausstrafe zu erkennen ist. Wohl weiß ich, daß der Vater des Angeklagten und der Ab- geordnete Bebel wegen Vorbereitung zum Hochverrat seinerzeit hier tu Leipzig zu Festungsstrafe verurteilt woroen sind. Ich will aber nicht nachprüfen, ob dieses Urteil milde oder hart war. Nach meiner Ucberzeugimg verdient der Angeklagte das Zuchthaus, sobald das hohe Gericht, die Ueberzengung von seiner Schuld gewonnen hat. Straf- verschürfend kommt in Betracht die Gehässigkeit der Agitation des Angeklagten, die sich nicht größer denken läßt, und die Gefährlichkeit feines Unternehmens. Deshalb beantrage ,ch eine Zuchthausstrafe von S Jahren, den Verlust der bürgerliche» Ehrenrechte für 8 Jahre und Unbrauchbarmachung der Schrift in ihrem ganzen Umfange. Weiter beanttage ich, wenn der Gerichtshof aus diese Zuchthansstraje oder überhaupt auf eine längere Strafe erkennt, den Angeklagten sofort in Hast zu nehmen. Zwar wird das Urteil sofort rechtskräftig, ich kann aber nicht eher einschreiten, als ich nicht die Ausfertigung des Urteils in Händen habe. Ich kann keine Verantwortung dafür über- nehmen, daß nicht sofort Maßnahmen ergriffen worden, uns des Verurteilten zu sichern. Nach einer kurzen Pause erhält der Verteidiger Rechtsanwalt Haase daS Wort: Wer unbefangen gestern der Verlesung der inkriminierten Schrift zugehört hat, hat nicht zu der Auffassung kommen können, daß hier zemand spricht, der Hochverrat vorbereiten will. Es ist mir daher unverständlich geblieben, tvie diese Anklage in den Kopf des Staatsanwalts gekommen ist. Ich kann höchstens annehmen, daß er einer Hypnose oder Suggestion des- jenigen interrssiertc» Beamten unterlegen ist, der ihm die Schrift zur Verfolgung unterbreitete und ihm den Inhalt so falsch wiedergegeben hat, wie er in dem Antrage des Oberreichsanwalts auf Beschlag- nähme der Schrift wiederzufinden ist. Darum hat auch der Ober- reichsanwalt die größte Hülste seines Plaidoyers zur Recht- fertigung seiner eigenen Maßnahmen gebraucht, ohne daß ihm jedoch diese Rechtfertigung ge- lungen ist. In dem Antrage auf Beschlagnahme der Schrift hat der Oberreichsanwalt behauptet, daß der Angeklagte Frank« reich zu einem U e b e r f a l l auf Deutschland habe hetzen wollen, um dadurch eine günstige Gelegenheit für seine anti« militaristtschen Pläne zu gewinnen. In Wahrheit weiß jeder. der die Broschüre auch nur oberflächlich gelesen hat, daß sie im wesentlichen der Aufgabe gewidmet ist, die Proletarier zur äußersten Kraftanstrengung aufzurütteln, damit sie den Krieg verhindern. Der Oberreichsanwalt hat ferner behauptet, der Angeklagte hätte gesagt, das Proletariat sei reif, die antimilitaristische Aktion zu unter- nehmen und die Beseitigung des Heeres sei ganz nähergekommen. Jrf Wahrheit hat der Angeklagte wiederholt hervorgehoben, daß der Mili- tarismuS die Erbsünde des Kapitalismus sei und erst durch das Fege- fcuer des Sozialismus gesühnt werden könne. Die Anklageschrist behaup ret weiter, mit Hülfe der gewonnenen Truppenteile und des übrige» Proletariats habe der Angeklagte den trcngebliebenen, den noch mcht roten Teil des HeereS im Falle eines Krieges überwinden wollen. Davon steht ab« kein Wort m der Schrift. Aus der Vision des An- geklagten, daß einst die Waffentechnik so furchtbare Mordwerkzeug«