Einzelbild herunterladen
 
»m 3. Stiigijc iits Jumirts" Kerlim NslksdlÄ. 13. Gkvtralversammlllng des Aeutscheu TabaKarbeitkr- Verbandes. Bielefeld  , 14. Oktober. Nachmittagssitzung. B ä n s ch- Striegau ist für Erweiterung des Gauleitersystems. Sparsamkeit sei in diesem Falle nicht am Platze. Bezüglich der Gewinnung weiblicher Mitglieder solle man sich an die GeWerk- schaften anderer Berufe wenden, deren Mitglieder ihre Frauen und Töchter, die Tabakarbeiterinnen sind, veranlassen, dem Per- bände beizutreten. Die Fluktuation im Verband sei durch die Unterstützungseinrichtungen nicht beseitigt worden. Wenn die Sor- tierer allem so voraus wären, wie v. Elm eS darstellte, dann müßten sie in besserer Einsicht ein Opfer bringen und die Sonderbündelei aufgeben. Die Gehaltsfrage ist schwierig, aber man müsse die Ge- hälter unserer Beamten erhöhen. Nur eine Beitragserhöhung müsse vermieden werden. Stall- Ladenburg erklärt die süddeutschen Verhältnisse, die infolge der Ausnützung der traurigen Lage der Arbeiter im Oden- wald, überhaupt in entfernten ländlichen Orten durch die Fabri- kanten, schädlich für die ganze Industrie seien. Redner ist gegen Herabsetzung der Unterstützungen und gegen eine Erhöhung der Beiträge. Müller-Berlin  : Zwischen den Ausführungen Elms in der Leipziger   Generalversammlung und seinen heutigen Ausführungen bestehe ein Widerspruch. Von der Leitung des Sortiererverbandcs werde darauf hingearbeitet, daß es zu keiner Verschmelzung kommen soll. Selbst die Einräumung einer Sektionsbildung der Sortierer in unserem Verband genügt den Sortierern nicht mehr. Die Diskutierung der Frage im Sortiererverband habe ich der- folgt, sie bezog sich fast durchweg auf die Unterstützungseinrich- tungen. Das ist nichts weniger als zeitgemäß. Gegen den Aus- spruch v. Elms bezüglich der Draufgängerpolitik müsse protestiert werden; es sei nur gut, daß ihn Elm abgeschwächt habe. Wenn die Zigarettenarbeiter Sonderbündelei treiben wollten, könnten sie auch einen besonderen Verein bilden, sie denken aber solidarischer als die Sortierer. Redner wünscht, daß der Arbeitsnachweis den Gauleitern übertragen werde; das werde sich vorteilhafter für den Verband erweisen. Wenzel- Halle zweifelt an der Auslegung des Wortes Draufgängerpolitik durch Elms heutige Ausführungen; v. Elm habe sich auch in Düsseldorf   sehr unfreundlich gegen den Verband ausgesprochen. Der Vorstand des Sortiererverbandes habe nicht so gehandelt, wie er hätte handeln sollen, um eine Verschmelzung zu ermöglichen. Die Verschleppung rechtfertige den Abbruch der Verhandlungen seitens des Vorstands des Verbandes. Man dresche sonst nur weiter leeres Stroh. Redner wendet sich gegen den An- trag, der denTabakarbeiter" in lateinischer Schrift gedruckt haben will; ferner ist er gegen die Angabe der laufenden Beitragswoche imTabakarbeiter", die laufende Nummer desTabakarbeiter" gebe darüber Aufschluß. Die Frage der Uebertragung des Ar- beitsnachwcises an die Gauleiter sei beachtenswert, das erleichtere den Arbeitsnachweis und spare Zeit und Kosten. Eine Enquete über die Lohn- und Arbeitsverhältnisse sei neuer- dingö aufzunehmen, denn die Angaben der früheren Enquete seien überholt oder irreleitend, weil die Fabrikanten vielfach ihre Pro- duktionsstätten verlegt haben. Hoffmann- Leipzig   hatte früher Bedenken gegen das Gau- leitersystcm, er sei aber bekehrt worden durch Erfahrungen und Erfolge mit dem Gauleitersystem. Die Leipziger   Tabakarbeiter haben schlechtere Löhne als schlesische oder süddeutsche Arbeiter. Gegenüber diesen traurigen Verhältnissen müsse ein besoldeter Gauleiter angestellt werden, deshalb sei von der Zahlstelle Leipzig  der dahingehende Antrag gestellt, den er anzunehmen bitte. Der Sortiererverband betreibt eine Abtreibung der Verbandsmitglieder, wenn sie Sortierer sind. Dieser Fall liegt in Leipzig   vor. E b e r l e- Bremen: Kollege v. Elm hat heute einen außer- ordentlich milden Ton angeschlagen, das tat er nicht immer. Die Verschmelzungsfrage hat im Sortiererverband zur Urabstimmung geführt, die Verschmelzung ist abgelehnt worden. Dieses Resultat sei die Folge falscher gewerkschaftlicher Erziehung. Das Organ der Sortierer genügt einer zeitgemäßen Belehrung nicht. Auffällig sei die Urabstimmung sehr schnell vorgenommen worden, um wahr- scheinlich unsere Generalversammlung vor eine fertige Tatsache zu stellen. Das sei auch ein Zug. der die Motive der Führer im Sortiererverband klar lege. Die Einwände, daß die fachliche Stel- lung der Sortierer sehr verschieden von der der Zigarrenarbeiter sei, seien hinfällig. Das könne man mit größerem Rechte von Kautabak-, Zigaretten-, Rauch- und Schnupftabakarbeitern sagen. Die hier angeregte Anstellung von Ortsbeamten werde sich mit der Zeit nötig machen, man müsse sie daher im Auge behalten. Die Darstellung S t o l l s enthalte verschiedene Unrichtigkeiten, die E b e r l e richtig stellt. Ebenso sei die Taktik S t o l l s bezüglich der Lohnkämpfe nicht durchführbar, doch darüber werde beim 2. Tages- ordnungSpunkt weiter zu reden sein. Domeyer-Bremcn: Unbedingt hätte v. Elm sein Wort .Draufgängerpolitik" früher sofort berichtigen oder erklären müssen, denn niit dem Wort habe er den Fabrikanten eine Waffe in die Hand gegeben. Ferner habe der Vorstand, des Sorticrerverbandes die Urabstimmung mit der Bemerkung beeinflußt, die Verschmel- zung beider Verbände habe gar nicht die Bedeutung, die ihr mancher beilege. Redner bezieht sich auf weitere Aeußerungen aus Sortiererkrcisen, die die Absicht erwiesen, daß keine Neigung zur Verschmelzung bestehe. Arnhold, Vorsitzender des Sortiererverbandcs: Die Ver- schmelzungsfrage werde von recht mißverständlichen Gesichtspunkten aus behandelt. Dem Vorstand des Sorticrerverbandes seien ver- schiedene Vorwürfe gemacht worden, aber er teile die Ansicht, daß es besser wäre, wenn die Arbeiter der Tabakindustrie einheitlich organisiert sein würden. Die Sortierer stemmten sich nur mehr aus Zweckmäßigkeitsgründen dagegen; die Unterstützungseinrich- tungen des Sorticrerverbandes spielten eben dabei eine Rolle. Die Zigarettenarbeitcr haben früher keine Organisation gehabt, aber unser Verband besteht seit 1885, das ist also eine ganz andere Sache. Man hat versucht, indirekt in unsere Reihen Zwiespalt zu tragen durch Zeitungsartikel. Das hat uns veranlaßt, den ganzen Brief- Wechsel imOrganisator" zu veröffentlichen. Wo ich war, in Kon- ferenzen usw., qabe ich mich in dieser Angelegenheit zurückgehalten. ES ist iiicht richtig, daß die Mehrheit der Berliner   Sortierer für die Vorschläge des VerbandSvorstandcs gestimmt haben; im allge- meinen haben zirka Loog Sortierer dagegen gestimmt, nur knapp MV   dafür. Die Arbeitsverhältnisse liegen doch für die Sortierer anders als für die Zigarrenarbeiter. Wer sie haben ebenfalls das Bestreben, ihre Lebenslage zu verbessern. Man bestreitet, daß unsere Organisation eine Kampforganisation sei, aber die Lohn- bewegungen in unserer Branche beweisen das Gegenteil. Soll etwas Ersprießliches aus dieser Diskussion kommen, so rate ich, Beschlüsse hier nicht zu fassen. Dann können wir sehen, wie die Sache in einem Jahre liegt; hoffentlich kommen wir dann der Ver- einigung näher. Wir bestehen auch nicht auf dem Buchstaben'n unserem Eurem Verbandsvorstande unterbreiteten Vorschlage. AuS beiden Vorschlägen läßt sich etwas erzielen. Bitte, verschärfen Sie nicht die Situation durch Annahme der vorliegenden Anträge. D e i ch m a n n- Bremen: Wohl habe ich gesagt, daß sich über die Vorschläge des Sorticrerverbandes reden ließe, aber ich habe auch gesagt, daß aus dem Verhalten des Vorstandes des Sortierer- Verbandes hervorginge, daß er die Einigung wolle, weil er nicht annähme, daß die Vorschläge von den Mitgliedern seines eigenen Verbandes angenommen würden. Dazu kam der Wink auf das Vermögen des Sortiererverbandes. Es ist so kein Wunder, wenn sich die Mitglieder des Sortiererverbandes dann ablehnend ver« hielten. Eine Konferenz des Vorstandes, de? Ausschusses und der Gauleiter unseres Verbandes beschloß daher, die Verhandlungen abzubrechen, die Einigung aufzugehen. Das waren wir unserem Verbände schuldig. Kollege v. Elm hat seinem Verhalten eine Auslegung gegeben, die im Gegensatz zu seinem Auftreten steht. Sei auch der Bericht im«Tabakarbeiter" nicht einwandfrei, so hahe er doch eine Entgegnung notwendig gemacht, wie es schon Kollege Thieme in der Versammlung in Hamburg   getan habe. Auch in Mitgliederversammlungen habe man die Verantwortlichkeit für seine Aeußerungen zu berücksichtigen. Wir haben im Vorstand scharf darauf geachtet, daß nur vollberechtigte Mitglieder bei Lohn- bewegungen bezüglich der Unterstützung in Betracht kamen. Das hdt uns manche Einwendung zugezogen. Andererseits konnten wir oft nicht zurückweichen, weil ein Schaden für den Verband und die ganze Tabakarbeiterschaft daraus entstanden wäre. Redner erklärt die Lage der Bewegung in Gießen  . Theoretisch läßt sich die Füh- rung derartiger Kämpfe ganz hübsch ausmalen, aber in der Praxis stellt sich die Sache meist anders, hesonders bei der Bewegung in den Dörfer». Das Gauleitersystem ist nicht mit Haft durchgeführt worden; hätten wir dem Verlangen von vielen Seiten nachgegeben, dann wäre dieses System viel weitschweifiger geworden. Wir haben vorsichtig gehandelt. In einzelnen Fällen hätten wir vielleicht schneller handeln müssen. Hätten E I m und Arnhold den Sor- ticrern gegenüber sich so geäußert wie heute hier, dann würden die Sortierer sich wahrscheinlich zur Einigung geneigt erwiesen haben. Redner geht noch näher auf die Vorschläge des Vorstandes des Sor- tierervcrbandcs ein, kritisiert sie und stellt ihnen die Vorschläge unseres Verbandsvorstandes gegenüber und meint, der ideelle Wert der Verschmelzung und der Einigkeit stehe höher als die Unter- stützungssrage. Wenigstens sollten die Tabakarbeiter, die der mo- dernen Arbeiterbewegung angehören, einheitlich organisiert sein. Aber die Genossen, die auf Parteitagen usw. dahingehende Be- schlösse mitfasscn, halten sie nicht, geben ihre separatistischen Be- strebungen und Organisationen nicht auf. Das mutz vor der Oeffentlichkeit festgestellt werden. Redner geht dann auf den An- trag der Zahlstelle Dresden   ein und erklärt die ihm zugrunde lie- genden Verbältnisse. Die Generalversammlung möge entscheiden. (Beifall.) Gerichts-Leitung. Eine Schreckensszene auf dem Tegeler See  , welche am 9. Juli d. I. durch den Arbeiter Albert GöN herbei- geführt worden war. beschäftigte gestern das Schwurgericht des Landgerichts III. Wie noch erinnerlich sein dürfte, hatte sich am Abeno des 9. Juli d. I. auf dem Tegeler See   eine furchtbare Tragödie abgespielt, bei welcher sich der Arbeiter Götz gegen seine frühere Geliebte, die Näherin Frau Auguste Wolter, mit einer viehischen Roheit vergangen hatte. Die W. hatte sich von dem An- geklagten, der sie schon seit längerer Zeit in schwerster Weise mißhandelt hatte� losgesagt und war zu ihrer in Tegel   wohnhaften Schwester, einer Frau Arnold, gezogen. Am 9. Juli d. I. suchte sie der Angeklagte des Abends auf und überredete sie zu einer Bootfahrt nach Saatwinkel, wo der Bruder der Frau A. eine Schaustellerbude besaß. Auf dem Wasser packte Götz die Ahnungs- lose, um sie über Bord zu werfen. Es entstand ein heftiges Ringen, bei welchem beide in das Wasser fielen. Götz drückte die Frau Wolter unter Wasser, in der Absicht, sie zu ertränken. Die schon Besinnungslose wurde von Fahrtgenossen in das zweite Boot ge- zogen. In diesem Augenblick verübte Götz noch einen furchtbaren Racheakt. Er stieß der Frau W. den ausgestreckten Zeige- und Mittelfinger mit voller Wucht in die Augen. Götze wurde nunmehr erst überwältigt und der Tegeler Polizeibehörde übergeben. Gegen Götz wurde ein Verfahren wegen versuchten Morde» anhängig gemacht. Die Staatsanwaltschaft III nahm jedoch später an, daß der Angeklagte die Tat nicht nach vorheriger Ueberlegung voll- führt habe. Götz bestritt die Absicht einer Tötung. Er sei selbst von der Wolter wiederholt tätlich angegriffen worden. Diese habe ihn einmal mit einem Bierseidel mißhandelt, sodaß er an ver- schiedenen Stellen habe genäht werden müssen. Er sei auch der Ueberzeugung gewesen, daß die W. mit anderen Männern Verkehr gehabt habe, und deshalb habe cS so häusig Streit gegeben. Diese Behauptung des Angeklagten wurde von der als Zeugin ver- nommcnen Frau Wolter auf das Entschiedenste bestritten. Sie stellte das ganze Verhältnis zu dem Angeklagten und die Tat in folgender Weise dar: Als sie den Angeschuldigten kennen gelernt habe, wären ihr von ihm alle möglichen schönen Versprechungen für die Zukunft gemacht. Als dann der Verkehr nicht ohne Folgen blieb, habe der Angeklagte plötzlich behauptet, das Kind gehöre ihm gar nicht. In gänzlich unbegründeter Eifersucht habe Götz manches Mal auf sie mit Stöcken eingeschlagen und sie vielfach mit einem Kinderstuhl mißhandelt. Als sie schließlich der unmenschlichen Be- Handlung überdrüssig geworden sei und sie den Angeklagten ver- lassen wollte, habe dieser ihr alle Möbel zerschlagen und die Fenster- scheiden demoliert. Sie sei dann nach Tegelort zu ihrer Schwester gefahren, bei der sie längere Zeit gewohnt habe. Am 9. Juli wäre Götz in Tegelort erschienen und habe von ihr Geld und Nacht- quartier verlangt. Zugleich habe er versucht, sie wieder dazu zu bewegen, mit ihm weiterzuleben. Als sie beides ablehnte, habe Götz um einen Kahn gebeten, in dem er nach Saatwinkel hinüber- fahren wollte, um dort in dem Wagen eines Schaustellers zu über- nachten. Ueber die Tat selbst machte die Frau Wolter ihre Aus- sage in genauer Uebereinstimmung mit einer Reihe anderer Zeugen. Diese bekundeten, daß ihnen Götz schon vorher nicht geheuer bor  - gekommen sei, da er versucht habe, die Frau Wolter in den Wald zu locken. Auf Bitten des Angeklagten habe sich die Frau W., die sehr gutmütig sei, noch dazu herbeigelassen, einige Betten mit- zunehmen und auch seihst in dem Kahn mitzufahren, in dem ein Kutscher Schwendy, das Dienstmädchen Werner und zwei andere Männer Platz genommen hatten. Beim Landen in Saatwinkcl habe der Angeklagte versucht, sich gegen die Frau W. einer unzüch­tigen Handgreiflichkeit schuldig zu machen. Hierbei sei G. aber ausgeglitten und init den Betten in das Wasser gefallen. Nachdem man ihn wieder herausgezogen habe, erklärte der Angeklagte, er gehe nicht eher aus dem Kahn heraus, als bis ihm Frau W. zu- sichere, mit ihm zu kommen und nicht nach Tegelort zu fahren. Als sich die W. weigerte, packte sie der Angeklagte plötzlich und warf sie halöüberkopf in das etwa ein Meter tiefe Wasser. Die hinzu- eilenden Fahrtgenossen sahen nun, wie Götz die Wolter andauernd unter das Wasser brückte und sie zu ertränken suchte, indem er sich rittlings auf ihren Rücken schwang. Als es den Augenzeugen schließlich gelang, die Frau W. aus dem Wasser zu ziehen, stürzte sich Götz nochmals aut die Halbbewußtlose und stieß ihr mit den Worten:Wenn Du Ä 8 nicht krepieren willst, so will ich Dich so schimpficren, daß Dich kein anderer mehr ansehen soll!" die aus- gespreizten Zeige- und Mittelfinger in die Augen. Ein Assistenz- arzt aus dem Virchow-Krankenhause bekundete, daß die Sehkraft auf dem einen Auge der Wolter völlig erloschen, auf dem anderen stark beeinträchtigt sei. Der Gerichtsarzt Dr. Marx hatte den An- geklagten in dem Untersuchungsgefängnis auf seinen Geisteszustand untersucht. Die Beobachtung hatte jedoch nicht das geringste er- geben, was auf eine geistige Minderwertigkeit oder auf eine eventuelle Anwendbarkeit des§ 51 sprechen könnte. Die Geschworenen bejahten die Schuldfrage nach versuchtem Totschlag unter Zubilligung mildernder Umstände. DaS Gericht erkannte nur auf 1 Jahr und<Z Monate Gefängnis, rechnete dem Angeklagten auch noch die 3 Monate der erlittenen Untersuchungs- Haft auf die erkannte Strafe als verbüßt an. Ein an Raub grenzender Ucberfall auf eine Verkäuferin, be- chäftigte gestern das Schwurgericht des Landgerichts 1. Wegen versuchter räuberischer Erpcss ung mußte sich der Lljährige Ver- käufer Otto Warnke vor den Geschworenen verantworten. Am 5. August d. I. war die in dem Buttergeschäft von Schmaar in der Schwedterstraße, Ecke der Fürstenbergerstraße, angestellte 19jährige Verkäuferin Gertrud Gudel gegen 9 Uhr abends gerade im Begriff Küsse zu machen, als es plötzlich gegen die Flurtür in der Fürstenbergerstraße klopfte. Das Mädchen öffnete undfäh sich einem jungen Manne gegenüber, der sie mit höflichen Worten bat, ihm noch eine Mandel Eier zu verkaufen, obwohl das Geschäft schon geschlossen sei. Kaum hatte die Verkäuferin einige Schritte in den Laden zurückgetan, als der späte Kunde plötzlich auf sie zusprang und einen Revolver auf sie anschlug. Das Mädchen schrie laut auf, als der unheimliech Besucher sie anschrie:Die Kasse her oder ich schieße Sie über den Haufen!" Als die Verkäuferin jedoch weiter um Hülfe rief, entfloh der Räuber durch den Ausgang nach der Fürstenbergerstraße nach dem Arkonaplatz zu. Durch die lauten Hülferufe der bedrohten Gudel waren Hausbewohner auf- merksam gemacht worden, die sofort die Verfolgung des Flüchtlings aufnahmen und ihn auf dem Arkonaplatz festnahmen. Auf der Polizeiwache stellte es sich heraus, daß der jetzige Angeklagte Warnke der Attentäter war. Vor Gericht bestritt der Angeklagte, üerhaupt die Absicht gehabt zu haben, von dem Revolver Gebrauch zu machen. Der Hofbüchsenmachermeister Barella bekundete, daß der zu der Tat benutzte Revolver beinahe vollständig unbrauchbar gewesen war. Die Geschworenen bejahten nach längerer Be- ratung nur die Schuldfrage nach versuchter einfacher Erpressung. Das Gericht erkannte auf eine Gefängnisstrafe von 9 Monaten. Wie weit sind Berhandlungsberichte geschützt? Eine Anklage wegen Nachdrucks, die gestern vor der ersten Strafkammer des Landgerichts II   gegen den Schriftsteller Helmuth v. Gerlach zur Verhandlung anstand, hat schon verschiedene Stadien durchgemacht. Der Angeklagte war seinerzeit Chefredakteur der Verl  . Ztg." Er veröffentlichte in der Nummer vom 12. Oktober 1904 einen Leitartikel über dasPreußische Vcreinsunrecht". geißelte darin die unhaltbare Stellung des preußischen Vereins- gesetzes gegenüber den Frauen und druckte in dem Artikel zur Illustration ein einem Berliner   Blatt entnommenes Urteil des Kammergerichts ab. Dieses Urteil war von dem Schriftsteller I. Fränkel dem Blatt seinem Inhalte nach mitgeteilt und mit einer persönlichen Note versehen worden. Herr Fränkel verlangte von dem Angeklagten für den nachgedruckten Artikel ein Honorar von 3,40 M. und als diese Forderung abgelehnt wurde, rief er die Entscheidung des Strafgerichts an. Die Strafkammer des Landgerichts I   hatte seinerzeit die Einholung eines Gutachtens der literarischen Sachverständigenkammer angeordnet. Dieses Gut- achten ging dahin, daß die Fränkelsche Bearbeitung des kammer- gerichtlichen Urteils eineAusarbeitung wissenschaftlichen Inhalts" sei, deren Abdruck nach§ 18,2 des Nachdrucksgesetzes unzulässig sei. Herr v. Gerlach wurde daraufhin zu(59 M. Geldstrafe verurteilt. Auf die vom Rechtsanwalt Rosenberger eingelegte Revision hob das Reichsgericht das Urteil auf und verwies die Sache zu ander- weitiger Verhandlung an das Landgericht II. Das Reichsgericht bemängelte, daß die Strafkammer die Frage nicht geprüft habe, ob nicht§ 19 ad 2 Platz greife, wonach die Vervielfältigung zu- lässig ist,' wenn einzelne Auffätze von geringem Umfang in eine selbständige wissenschaftliche Arbeit" aufgenommen werden. Im gestrigen Termin bestritt der Nebenkläger die Anwendbarkeit dieses§ 19 ad 2 im vorliegenden Falle, während Rechtsanwalt Rosenberger meinte, daß, wenn man die Fränkelsche Wiedergabe eines kammergerichtlichen Urteils als Ausarbeitung Wissenschast- lichen Inhalts ansehen solle, dies doch mit dem Artikel des Herrn v. Gerlach erst recht geschehen müsse. Rechtsanwalt Dr. Fränkel macht demgegenüber darauf aufmerksam, daß Z 13 vonAuS- arbeitungen" wissenschaftlichen Inhalts, der§ 19 ad 2 dagegen von einer selbständigen wissenschaftlichenArbeit" spreche. Das sei ein großer Unterschied. Hier handele es sich um einen politischen Leitartikel, der als wissenschaftliche Arbeit nicht anzusehen sei. Das Gericht beschloß, zunächst ein Gutachten der literarischen Sachverständigenkammer einzuholen.' Ein schöngeistig beanlagter Seelsorger. In den letzten beiden Jahren hatte man besonder? an den Sommertagen an der Bitterselder Badeanstalt, wenn die Mädchen badeten, einen besser gekleideten Herm bemerlt, der häufig 13- bis lljährige Schulmädchen belästigte. Der Herr kam auf einem Fahr- rade aus der Richtung von Niemegk   her, trieb sich an der Bade- anstalt umher und verschwand nach der Beftiedigung seiner Gelüste. Nach wiederholten vergeblichen Versuchen gelang eZ einem Kommissar, den verdächtigen Mann zu stellen. Man erschrak aber nicht schlecht, als sich der Täter als der 48jShrige Pastor Emeritus Albert Blankenburg von Witttenberg entpuppte. Er erklärte dem Kommissar auf die Frage, weshalb er sich an der Anstalt immer umhertreibe, wenn die Mädchen baden, er seischön- geistig bcanlagt", schwärme für Kunst und halte gern Ausschau nach schönen Gestalten. Man nahm den Mann m Hast und stellte fest, daß er vorbestraft ist, weil er im Walde ein kleines Mädchen in nicht einwandfreier Weise photographiert hatte. Am Dienstag hatte sich nun der Pastor vor der S t r a f k a m m e r tu Halle   a. S. wegen Sittlichkeitsverbrechens zu ver- antworten. Zu der Verhandlung, die wegen Sittengefährdung hinter verschlossenen Türen stattfand, waren 19 größere Schulmädchen ge- laden. Der Pastor wurde unter Zubilligung mildernder Umstände zu einem Jahre Gefängnis verurteilt. Er sagte, daß die Kinder ihn verführt hätten._ Verband der Frtseurgehülfc« Deutschlands  . Zwetgverein vettia und Vororte. Donnerstag, de» 17. d. M., abends g'/z Uhr, Rosenthaler- stratze 11/12: Versammlung und Vortrag. eingegangene vruckfckriften. Rommiiuale Praxis. Wochenschrist sür Kommunalpolitil und GemeindesozialismuS. Herausgegeben von Dr. 81. Südekum. Verlag: Buchhandlung Vorwärts, Berlin   LW. 68. Soeben erschienen die Nummern 40 und 41. Beide behandeln in ihren Leitartikeln Rcsormvorschläg« für Ge- meindeordnungen. In freien Stunden-, Illustrierte Romanblbttothek sitr da» Volk. Wöchentlich erscheint ein Hest a 10 Ps. 12 Heller 15 CtS. Verlag; Buchhandlung Vorwärts, Berlin   SW. 68. Hcst 40 und 41, die soeben erschienen sind, enthalten die Fory'etzung der NovelleDie Pilger der Wildnis" von Johannes Scherr  . Ferner sind in den Heften die Fortsetzungen deS sranzösijchen SittenromansRosa und Ninette" von A. Daudet  , sowie eine Reihe unterhaltender und belehrender Notizen enthalten._ WittcrungSüversicht vom 16. Oktober 1907. Wetter-Prognose iür Donnerstag, den 17. Ottober 1907. Zeitweise etwas nebelig, sonst meist heiter und trocken, am Tage ziemlich warm bei mätzigen südöstlichen Winden. verlioerWetterdvrea»