Korrespondenz erfahren hat. die Broschüre wird gerichtlich beschlag- nahmt werden, so hat sie sich einen Bären anföiuden lassen, der ihr als solcher schon dadurch hätte kenntlich sein dürfen, dah ein gericht- liches Beschlagnahmeverbot nur auf Grund gerichtlicher Ein- sichtnahme, nicht auf Grund vor dem Erscheinen der Broschüre erteilter m i l i t ä r i s ch e r Anweisungen zulässig ist; 5. der«Vor- wärts' würde sich durch einen wahrheitsgemäßen Bericht in einer Broschüre genau so wenig strafbar machen, wie er und andere Zeitungen bislang durch ihren der Wahrheit entsprechenden Bericht sich strafbar gemacht haben. Die Angst vor einer Verbreitung der Wahrheit bis in die entlegensten Hütten durch die Broschüre treibt die reaktionären Blätter zu absonderlichen Ansichten. So wahr eS ist, daß wahrheitsgemäße Berichte über Gerichtsverhandlungen nicht wie Parlaments- berichte selb st dann straffrei sind, wenn ihr Inhalt ein strafbarer ist, so wenig gilt bislang selbst noch in Deutschland als Rechtssatz: wahrheitsgemäße Be- richte über Gerichtsverhandlungen find straf- bar, auch wenn ihr Inhalt straflos ist. Die Presse der herrschenden Klasse ruft nach dem Kadi schon vor Erscheinen der Broschüre, weil der herrschenden Klasse vor der Wahrheit bangt. Uns kann's recht sein. Die Broschüre wird erscheinen und selbst- redend straflos verbreitet werden.— „Hebung" der Eingeborenen. Einer der Journalisten, die DernburgS Ostafrika-Bummel mit- gemacht haben, Herr Zimmermann, verbreitet sich in der „Weser-Ztg." über die Mittel zur Lösung des Dernburgschen Problems, die Eingeborenen zu heben,„d. h. zur Erhöhung ihrer Arbeitsleistung und ihrer Produktionslast' beizu- tragen. DaS Rezept sei einfach: Man müßte auf die Steigerung ihres Gel dbedarfs hinarbeiten. Und zwar durch drei Mittel: durch rücksichtslose Ein- treibung der Hütten st euer, durch Verkauf von B o r d e r- ladern. Pulver und Blei, und schließlich durch den Verkauf von � Spirituosen! Die allgemeine Durchführung der H ü t t e n st e u e r— die ja in erster Linie eine Erhöhung der Arbeitsleistung, speziell auch durch Arbeit für die Ansiedler, herbeiführen soll— sei allerdings mit dem Risiko von Aufständen verbunden. Aber das schade nichts, denn die einmal niedergeworfenen Stämme pflegten sich nicht wieder zu erheben. fFür Südwestafrika traf das keineswegs zu!) Der Verkauf von Vorderladern werde ja das Selbstgefühl der Eingeborenen heben, was nicht unbedenklich sei, aber die sehr begehrte Ware werde teuer bezahlt werden, also gleichfalls den Geldbedarf der Eingeborenen steigern. Der Verlauf alkoholischer Getränke sei nicht gerade moralisch, aber die Eingeborenen berauschten sich ja auch ohnehin in selbstgebrauten Getränken. Natürlich müsse durch eine angemessene Spirituosensteuer dafür gesorgt werden, daß die Getränke nicht zu billig abgegeben würden, da ja sonst die Eingeborenen für den Fusel nicht genug Arbeit leisteten. Also Steuern. Gewehre und Schnaps sollen die Ein- geborene» zur Mehrarbeit zwingen! Die Alkoholpest zer- r ü t t e t zwar die Eingeborenen, und Steuerdruck und Feuerwaffen werden die Gefahren blutiger Aufstände vermehren— aber was schadet das? Je mehr Kolonialkriege, desto bessere Ge- s ch ä f t e machen unsere Militärlieferanten und sonstigen Kolonial- iuteressenten I_ Göttliches Recht und kapitalistische Presse. In den Tagebnchblättem der Königin Viktoria , die neulich km Verlage Karl SiegisinundS erschienen sind, findet sich eine lustige Episode. Die.Times" hatte sich über die Krönung des Königs Wilhelm von Preußen im Jahre 1301 lustig gemacht. Unsere Leser werden das begreiflich finden, wenn wir ihnen als Stil« probe einen Passus auS der Ansprache de? Königs an die Mitglieder beider Hänser des Landtages hersetzen. Da heißt es:.Die Herrscher Preußens empfangen ihre Krone von Gott ! Ich werde deshalb nwrgen die Kr o n e v o m Tische des Herrn nehmen und auf mein Haupt setzen. Dies ist die Bedeutung des Königtum» von Gottes Gnaden und darin liegt die Heiligkeil der Krone. welche unantastbar ist." Ueber den Spott der„TimeS" war die Königin Viktoria in ihren dynasti- schen und verwandtschaftlichen Gefühlen gekränkt und ersuchte den Minister des Auswärtigen. Lord Palmer st on. beim Heraus- gcber der regierungsoffiziösen„Times" zu intervenieren. Palmerston willfahrte der Königin. Mr. Delane, der Herausgeber, meinte, er hätte während der Krönungsfeierlichkeit nichts Unwillkommenes gebracht,„hätte der König nicht diesen erstaunlichen Anachronismus vom„Göttlichen Recht " geäußert." Er hätte ohnedies alles getan, „um solche Feierlichkeiten verständlich und den Bericht darüber für diejenigen nicht zu langweilig zu machen, welche so wenig an„Göttliches Recht " glauben, wie Ew. Lordschaft ganz getreuer Diener John I. Delane." Lord Palmerston aber tröstete die Königin über diese Ant- wort, indem er dieser auseinandersetzte: „Die„Times" ist ein großes kaufmännisches Unternehmen, toenn auch natürlich mit gewisser politi» scher Richtung, doch hauptsächlich mit dem Zweck, das große darin angelegte Kapital sich gut verzinsen zu lasse n." Und darin hat Lord Palmerston recht behalten bis auf unsere Zeiten, und nicht nur für die„T i m e S". Nur das eine hat sich geändert, daß die bürgerliche Presse jetzt ihre Geschäfte macht nicht mehr gegen das„Göttliche Recht ", sondern m i t dem„Gött- lichen Recht". Aber sonst ist Geschäft Geschäft geblieben!— „Post"- Fink? Der frühere Sekretär der freikonservativen Partei. Redakteur der„Post" und Mitarbeiter an dem Pamphlet des Korbmachers Fischer gegen die Sozialdemokratie, Fink, verduftete, wie wir neu- lich in Erinnerung brachten, nach Ostasien , nachdem die ihm zur Last gelegten Scheck- und Wechsclfälschungen gerichtlich festgestellt waren. Der Leiter des„Ostasiatischen Lloyds", einer deutschen in Schanghai erscheinenden Zeitung, heißt C. Fink. Die „Kölnische Zeitung " bezeichnet ihn in einem Feuilleton der Nummer , vom 16. Oktober als„den ausgezeichneten Leiter der vor- nehm st en deutschen Zeitung Asiens ". Wir möchten nicht an- nehmen, daß dieser ausgezeichnete Leiter der vornehmsten deutschen Zeitung Asiens mit dem oben gekennzeichneten Fink identisch ist. Vielleicht äußert sich die„Post" hierüber, die seit 16 Jahren ängst- lich den Namen ihres geistig bedeutendsten Redakteurs verschwieg? Die sächsische Thronrede. Die Thronrede, mit der am Donnerstag der sächsische Landtag eröffnet wurde, hat alles gehalten, was unser Dresdener Korre- spondent in seinem gestrigen Arttkel von ihr erwartete: Der König läßt seinen getreuen Ständen sagen, daß seine königliche Pflicht ihm gebietet,„nichts unversucht zu lassen, um die Freude aller seiner Untertanen an den staatlichen Einrichtungen zu befestigen und um die berechtigten Wünsche zu befriedigen, welche auf eine angemessene Beteiligung aller Schichten der Bevölke- rung am Staatsleben gerichtet sind." Friedrich August fügt hinzu:.Zugleich wünsche ich die im Volke vorhandenen Kräfte in möglichst weitem Umfange sowohl für die Selbst- Verwaltung wie für die Volksvertretung zu verwerten.... Ich hoffe dadurch meinem Volke neue und dauernde Bürgschaften für den inneren Frieden und die äußere Wohlfahrt zu geben. Indem ich Ihnen die diesen Zwecken dienenden Vorlagen zugehen lasse, hege ich das Vertrauen, daß sie ohne Unterschied der Parteistellung Meine» darin bekundeten ernsten Willen anerkennen und mit allen Krästen zu dessen Verwirklichung beizutragen bereit sein werden." So wird die Karikatur einer Wahlreform eingeführt, die in den Angehörigen der größten Partei Sachsen alle? andere als Freude an den staatlichen Einrichtungen erwecken muß und ihre berechtigten Wünsche total unberücksichtigt läßt. Bis auf dem Punkt über dem i ist die Voraussage eingetroffen. daß die Steuerzuschläge verewigt werden sollen, trotz der großen Rolle, die die Verheißung auf Fortfall der Zuschläge in der Agitatton bei den ReichstagSwahlen vom Januar gespielt hat. Die Thronrede sagt dazu:„Meine Regierung hat sich... zu meinem lebhasten Bedauern... nicht imstande gesehen, an eine Er- Mäßigung der Sätze des geltenden Einkommensteuertarifs heran- zutreten."... Sonst verheißt die Rede u. a. Erhöhung der Beamten- und Lehrergehälter. Erhöhung der WohnungS- geldzuschüsse wegen der„andauernden P r e i S st e i g e- rung zahlreicher Lebensbedürfnisse" sowie eine Re- Vision des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Berg- a r b e i t e r. Ocftcrmcb. Die Eisenbahner. Wien , 17. Oktober. (Abgeordnetenhaus.) Das Haus ver- handelt über den Dringlichkeitsantrag der Tschechisch-Radikalcn. in welchem die Regierung aufgefordert wird, mit allen Mitteln dahin zu wirken, daß die Vertrags-Arbeits- und Lohnverhältnisse der österreichischen Eisenbahnangcstellten einer Regelung unter- warfen werden. Italien . Zur Streikbewegung. Die werten Kapitalisten Italiens sind in ungnädiger Lannc. Sie grollen dem Ministerpräsidenten Giolitti. weil dieser nicht den törichten Streich beging, mit der berühmten festen Faust zuzupacken und sich— zuungunsten der Arbeiter selbstverständlich— in den Eisenbahnerstreik einzumischen. Stach der Ansicht jener hätte sofort ein Ministerrat einberufen, hätte vom Eisenbahnrat die Bestrafung der Ausständigen ge» fordert werden müssen. Daß— wie gesagt— Giolitti es klüglich vorzog, in die sogenannte Autonomie der Staatseisen- bahnen nicht einzugreifen, das kreiden ihm die Konser - vativen schwer an. und ihre Organe begeifern den Kabinett- chef mit Gift und Galle. Auch der Eisenbahnrat ist den biederen Reaktionären nicht„energisch" genug gewesen: Statt— in seiner Mittwoch. sitzung— ins Blaue hinein rigorose Maßnahmen zu beschließen, hat er die Entscheidung vertagt, um erst einmal authentische Nachrichten aus Mailand und Turin abzuwarten. Das paßt den reaktionären Draufgängern auch nicht m ihren Kram, und sie suchen scharf zu machen und die Situtation zu- zuspitzen, indem sie gegen die Negierung den Vorwurf der „Feigheit" erheben und deren Verhalten als„Ver- schleppungstaktik" charakterisieren.— Die Kaufleute von Bologna haben sich gar zu einer Pro- testversammlung nebst dem obligaten Entrüstungstelegramm an Giolitti aufgeschwungen, in welchem sie ihrem Unwillen darüber Luft machen, daß die Stadt„von der Regierung gegenüber den Tumulten der Umstürzler(I) schutzlos ge- lassen" worden sei. Wenn die guten Leute sich klar machten, wie sehr es gerade in ihrem ureigensten Interesse liegt, daß die Re- gierung Ruhe und Besonnenheit bewahrt, dann könnten sie sich ihr törichtes Gerede für minder ernste Dinge und Situationen aufsparm. Turin , 17. Oktober. (W. T. B.) Die von den Arbeitgebern verhängte Sperre ist seit heute früh aufgehoben. Die Leiter der Arbeiterkammer und anderer Arbeitcrkörperschaften hatten gestern abend eine Kundgebung erlassen, in der die Arbeiter aufgefordert werden, heute früh die Arbeit wieder aufzunehmen. In einer Ver- sammlung, in der die radikaleren Elemente in der Mehrheit waren. war dagegen beschlossen worden, den Ausstand fortzusetzen. Die Arbeit ist indessen heute früh fast überall wieder aufgenommen worden. Die Zahl der Ausständigen dürfte nicht mehr als 4000 betragen, so daß der Ausstand als beendet angesehen werden kann. Nach amtlichen Feststellungen der Stadtbehörden wurde gestern in 213 Betrieben gearbeitet, während 200 geschlossen waren; es arbeiteten 22 649 Arbeiter, während 25 593 wegen Ausstand oder Aussperrung feierten.__ kommunales. Stadtvcrordnctcn-Vcrsammlung. 28. Sitzung vom Donnerstag, den 17. Oktober, nachmittags 5 Uhr. Ter Vorsteher Dr. Langerhans eröffnet die Sitzung nach ölb Uhr. Gewählt und konstituiert ist der Ausschuh für die Vorlage betr. die Festsetzung von Fluchtlinien auf dem Gelände der G i l k a- Bötzowschen Erben. Nachdem eine Anzahl von Rechnungen gemäß dem Antrag des Rechnungsausschusses dechargiert ist. berichtet Stadtverordneter Nelke(A. L.) über die Ausschußverhandlungen zur Vorlage wegen Verkaufs des bekannten Lessinggrund st ücks Alexandcr- straße 61 und Königsgraben 19, dem Eilberschen Fonds gehörig. Der Ausschutz hat die Vorlage abermals abgelehnt, weil er 500 000 M. für zu niedrig hält und 550 000 M. als Minimalpreis ansieht. Stadtv. Kyllmann(Fr. Fr.) tritt für die Annahme der Vorlage ein. M«n solle doch nicht so feilschen und markten, auch nicht so kleinlich sein, die Provisionen sparen zu wollen, deshalb sitze die Stadt eben auf ihren Grundstücken so fest. Stadtv. Brunzlow(A. L.) empfiehlt nach dem AuSschußvorschlagc zu beschließen. Ob der betr. Kauflustige sich nach dem 30. September»och an sein Gebot gebunden halte, sei zweifelhaft. Stadtrat Marggraff beruhigt den Vorredner über den letzteren Punkt. Der Betreffende sei auch jetzt noch bereit, 500 000 M. zu zahlen. Stadtv. Borgmann(Soz.): Es ist nicht das erstemal, daß wir gegenüber Magistratsvorlagen den Preis für ein zu verkaufendes Grundstück höher gesetzt haben. Meine Freunde sind überhaupt gegen die Veräußerung dieses Grundstücks, namentlich aber unter den augenblicklichen Umständen. Die Gegend, in der das Grund- stück liegt, ist so in der EntWickelung begriffen, daß man gar nicht wissen kann, was die nächste Zukunft, was vielleicht schon das nächste Jahr bringen wird. In allernächster Zeit wird dort die Untergrundbahn vorübergehen, dieses große neue Verkehrsmittel. Wir haben das Grundstück seinerzeit in sehr desolatem Zustande übernommen und cS mit großem Aufwände von Mitteln in einen guten Zustand versetzt; wir ziehen heute etwa 18 000 M. Miete daraus. Andererseits, wenn wir daS Grundstück nach 5 oder 6 Jahren für 100 000 M. mehr als heute verkaufen können, würde der Fonds doch einen noch höheren Zuschuß erhalten. Wir unserer« seits werden gegen den Ausschußantrag und gegen die Vorlag' stimmen. Der Ausschuß an trag wird mit Stimmengleich- heit, die Borlage selbst gegen wenige Stimmen abgelehnt. (Heiterkeit.) Die Vorlage wegen Vermietung der Kandelaber der öffentlichen Straßenlaternen für Anbringung von R e k I a m e s ch i l d e r n ist von dem eingesetzten Ausschüsse mit kleinen Modifikationen einstimmig angenommen worden. Ohne Debatte tritt die Versammlung den Ausschutzvorschlägen bei. Für die Vorlage betr. Erwerb von L ä n d e r e i e n in der Gemarkung Sputendorf zu Rieselzwecken war ein Ausschuß niedergesetzt worden, namens dessen heute Stadtverord- netcr K y l l m a n n referiert. Der geforderte Preis sei als ein angemessener, wenn auch nicht billiger zu bezeichnen. Ob das Geld aus dem Etatsüberschuß von 1906, wie die Vortage wolle oder aus Anleihen entnommen werden solle/ sei streitig. Der Kämmerer habe sich gegen den letzteren Vorschlag sehr gewehrt, die Mehrheit habe ihn auch abgelehnt. Heute nehme ein Antrag Dave jenen Vorschlag in etwas modifizierter Form wieder auf. Stach längerer Debatte, an der sich die Stadtverordneten Dave, Borgmann, Mommsen, Dr. Paul und Roscnow beteiligten, nimmt die Mehrheit die Vorlage m i t dem Antrag Dave an. Von den Stadtvv. Dr. A r o n s u. Gen.(sozialdcm. Fraktion) ist der Antrag betr. die Einsetzung eines ständige» Ausschusses für soziale Angelegenheiten eingebracht. ES wird Ausschußberatung des Antrages beantragt. Stadtv. Dr. Arons(Soz.): Sozialpolitische Aufgaben sind in steigendem Maße überall an die Gemeinden herangetreten; überall hat man anerkennen müssen, daß zur Vorberatung und Erledigung dieser Gegenstände eigene Institutionen geschaffen werden müssen. Solche bestehen als soziale oder sozialpolitische Kommissionen oder Deputationen in einer großen Anzahl großer und kleiner Kon:- munen. Die statutarischen Zweckbestimmungen für diese Kom- Missionen sind sehr verschieden getroffen. In Fürth ist bestimmt, daß die Kommission an der Hand der sozialpolitischen Zeitschriften, Berwaltungsbcrichte usw. soziale Fragen bearbeiten, also eine rein theoretische Arbeit leisten soll. In München besteht ein Ausschuß für die sozialen Fragen, welcher Anträge und Gutachten auf dem Gebiete der sozialen Wohlfahrtspflege zu stellen bezw. zu erstatten hat. Sehr häufig, wenn auch nicht immer werden bei diesen Bc- ratungen Gebiete berührt werden, für deren Behandlung andere VcrwaltungS-Deputationen und Ausschüsse schon bestehen. Der Oberbürgermeister Beutler in Dresden , wo auch eine solche Depu» tation, und zwar auf Antrag dcS Magistrats, eingerichtet worden ist, hält dafür, daß eben die soziale Seite aller solcher Vcrival» tungsfragen diesem Ausschusse zur Prüfung vorbehalten bleiben soll. Welche Aufgaben würden für Berlin einem solchen Ausschuß zu überweisen sein? Da kämen neben den Verkehrs- und Bau- ordnungen vor allem die Behandlung des Wohnungswesens in Be- tracht. Da wäre zu denken an die Möglichkeit der Einrichtung eines Wohnungsamtes, eines städtischen Wohnungsnachweises, so- wie einer städtischen Wohnungsinspektion, ferner an Fragen der kommunalen Boden- und Vcrkchrspolitik, an die Möglichkeit der Förderung dcS KleinwohnungöbaueS, sei es durch die Stadt in eigener Regie, sei es durch Unterstützung von Genossenschaften. Ferner die Besprechung der Arbeitsordnungen für die städtischen Arbeiter. Viele Schwierigkeiten sind entstanden dadurch, daß man Forderungen dieser Arbeiter für schlechthin unausführbar erklärt hat; der Zorn der Arbeiter über diese Stellungnahme würde nicht so herausgefordert worden sein, wenn Gelegenheit geboten gewesen wäre, sich über solche Forderungen in einem sozialen Ausschuß zu unterhalten. Ferner gehört hierher das große Arbcitslöscnproblcm, das von Zeit zu Zeit hier in Berlin recht deutlich unS vor Augen tritt und auch uns bald wieder, wenn die jetzige günstige Konjunk- tut vorbei ist, beschäftigen wird. Der Ausschutz hätte in dieser Beziehung vorhandene Statistiken und die im Auslände auf diesem Gebiete geschaffenen Institutionen zu studieren. Ferner das weite Gebiet der Säuglingsfürsorge, auf dem wir nach dem Ausspruch unseres Oberbürgermeisters erst in den Anfängen stehen; dann die Frage der Kinderhorte usw., wo man bisher alles der privaten Initiative überlassen will, ein Vorgehen, das durchaus nicht von vornherein geboten ist. Sodann Begutachtung über die Unterstützung von Vereinen durch die Stadt; weiter die Frage dcS Verhältnisses der Stadt zu den Vororten. Hier würde ein der« artiger Ausschuß besonders die Frage der Zweckverbände zu prüfen haben. Die Notwendigkeit der Regelung einer großen Zahl von hierher gehörigen Fragen wird ja täglich brennender, wie ein erst heute in der Deputation für das Fortbildungsschulwcscn verhau» delter Antrag von Reinickendorf beweist, der zwar abgelehnt werden mutzte, der sich aber zur Beratung in einem solchen Ausschutz gut geeignet hätte. Ferner die Errichtung einer Rechtsauskunftsstelle, die von außerordentlicher Bedeutung sein würde, wie das Beispiel von Essen beweist, wo neben zahlreichen sehr frequentierten pri- vatcn Stellen auch eine kommunale Stelle besteht, die von einem Juristen geleitet wird und sich sehr starken Zuspruches, namentlich aus den Arbeiter-, Handwerker- und Kleingewerbetreibenden- kreisen erfreut. Diese meine Aufzählung macht durchaus keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Der Antrag geht ja nur auf einen ständigen Ausschuß, während die große Mehrzahl der anderen Ge- meinden bereits besondere Deputationen geschaffen haben. Wir hätten selbstverständlich nicht» dagegen, halten es aber zunächst für zweckmäßig, mit dem Kleineren anzufangen, das sich dann ja ruhig auswachsen kann. Wird auf Grund dieser unserer Anregung Positives geschaffen, dann werden sich ja auch Verwaltungsauf» gaben ergeben, die ein Ausschuß nicht mehr lösen kann, sondern die eine Deputation, ein Verwaltungsorgan zur Ausführung er- fordern. Ich bitte Sic, unseren Antrag anzunehmen.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Rosenow(N. L.): Meine Freunde meinen, dah die von Herrn Arons gestellten Aufgaben von den bestehenden Verwaltnngs- deputationen bereits erfüllt werden. Es wäre auch schlimm bestellt, wenn es nicht so wäre. Ernst ist uns aber die Sache auch; wir wollen die angeführten Punkte und Wünsche in einem Ausschuß prüfen und nicht ohne weiteres Nein sagen.(Zurufe von den Sozialdemokraten: Nach den Wahlen!— Heiterkeit.) Stadtv. Mommsen(Fr. Fr.): Auch wir stimmen der Ausschuß- ooratung zu. Im übrigen aber sollte man einmal bedenken, was geschähe, wenn das erreicht wäre, was Herr AronS will. Dann hatten wir an Stelle des Magistrats und der Ausschüsse einen Oberausschuß, einen ganz großen Oberbürgermeister über Berlin . Es gäbe keine Vorlage mehr, die nicht zunächst dem sozialen Wohl- fahrtSauSschuß überwiesen werden müßte. ES hat in Berlin aber an sozialem Sinn auch bisher nicht gefehlt.(Zuruf: Aber wie!) lieber das Wie läßt sich streiten, aber durch de» Ausschutz wird cS doch nicht anders.(Sehr richtig!) Ucbrigens ist die Zahl und der Umfang der stündigen Ausschüsse durch die Geschäftsordnung fest- gelegt, und auf die Formulierung einer genauen Umschreibung der Aufgaben der gedachten Kommission bin ich neugierig. Stadtv. Preutz(soz.-fortschr.): Die Tendenz des Antrages Arons ist uns durchaus sympathisch, ebenso die vortreffliche Be. gründung desselben. Daß in unserer Kommunalpolitik immerhin noch ein Platz für soziale Angelegenheiten ist, ist ja anzuerkennen, aber ich weiß nicht, ob diese Versammlung die richtige Adresse für den Antrag war, oder ob nicht dafür erst ein Appell an die Wählerschaft erfolgen sollte. Die vom Verein für Sozialpolitik efordcrte große Reform des kommunalen Wahlrechts wird uns ja öffentlich durch die neue Aera beschert werden.(Heiterkeit.) So- lange keine sozialfortschrittliche Mehrheit in einer Versammlung wie dieser vorhanden sein wird(Ironische Zurufe)— eS ist ja auch noch nicht so weit—, befürchte ich, daß ein solcher ständiger Ausschuß sich zu einem Beerdigungsausschuß für sozialpolitische Angelegenheiten auswachsen wird. An Stelle der Mehrheit würde ich den Antrag annehmen, es wäre event. der beste Weg, um eine soziale Angelegenheit zu verzögern. Stadtv. Kassel : Die Motive für den Antrag haben wir ja erst heute gehört. Gegen den Antrag, wie er vorliegt, hatten wir die
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