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immer das große Wort fuhren.(Sehr richtig!) Wie die National- liberalen ihre liberale Politik auffassen, das beweist die auf ihrem Parteitag angenommene Resolution zur preußischen Polenpolitik. Die Nationalliberalen wagen es. im Namen des gesamten Volkes zu reden. Wer gibt ihnen das Recht dazu? Zum gesamten Volke gehören wir doch auch(Sehr richtig!), dazu gehört auch das Zentrum mit seinen Millionen und Abermillionen Anhängern, die auch aus begreiflichen Gründen von der Polcnpolitik nichts wissen wollen. Aber die Nationalliberalen sind kraft ihrer alten Liebe zu Unterdrückungs- und Ausnahmegesetzen, für alle Unterdrückungs- maßnahmen zu haben. Das ist der berühmte Liberalismus des Serrn Bassermann. Jetzt plant man sogar ein Enteignungsgesctz gegen die Polen.(Pfui!) Es ist traurig und mehr als traurig, daß es die preußische Regierung in mehr als 100 Jahren nicht der standen hat, den Polen   die nötige Sympathie für ihr neues Heimat land einzuflößen.(Sehr gut!) Wenn die Polen   heute diese Sympathien nicht besitzen, dann ist die Regierung daran schuld, d so schlecht ist, daß die Polen   alle Ursache haben, mit ihr unzufrieden zu sein. Eine so ungeheure Maßnahme wie die Enteignung, ist kaum irgendwo anders dagewesen. Das mögen russische   Mahregeln sein, ungarische Matzregeln, aber Deutschland  , das bekanntlich an der Spitze der Kultur stehen will, Preußen, daß die Inkarnation der Kultur sein will, sollte sich schämen, derartige Maßnahmen zu ergreifen.(Sehr richtig!) Hätte ich je das Unglück, in diesem Staat Minister zu werden und man wollte mir so etwas zumuten. dann würde ich das Portefeuille in die Ecke schmeißen und sagend sucht Euch einen schlechteren als wie Ihr mich glaubt halten zu können.(Heiterkeit.) Bassermann sagt weiter, das Ansehen Deutschlands   habe durch die Wahlen gewonnen, der Zweifel anderer Völker, ob Deutschland  den Ansturm der internationalen Sozialdemokratie hintanhalten könne, sei für alle Zeiten zerstört. Das heißt, wir sind ein für allemal so kaput, daß wir gar nichts mehr machen können.(Heiter keit.) Der Ausfall der Wahlen habe den Frieden gesichert. Man sollte eine solche Behauptung kaum für möglich halten. Umgekehrt die Völker Europas   würden sich auf Geheiß ihrer Regierungen läng in den Haaren gelegen haben, wenn sie nicht die Sozialdemokratie fürchten zu müssen glauben.(Sehr richtig!) Kein anderer als Herr v. Liebert war eS, der vor 2 Jahren, als die Marokkofrage so brenzlich wurde und wir dagegen Verwahrung einlegten, daß man wegen Marokko   die Völker aufeinanderhetzen wollte, den klugen Ausspruch tat, heute sprechen bei einem großen Kriege die Massen auch ein Wort; so ohne weiteres kann man einen großen Krieg nicht mehr anfangen!(Hört! hört!) Er hatte recht. Als ich vor drei Jahren den Reichskanzler einmal fragte, ob er denn glaube. daß die Völker Europas   sich einen großen europäischen   Krieg mit all den furchtbaren Erschütterungen und gewaltigen Zerstörungen ge- fallen lassen, ob da nicht die Gefahr bestehe, daß die letzte Stunde der heutigen Gesellschaftsordnung geschlagen habe, da erwiderte Fürst Bülow  : Das wissen wir ganz genau, und deshalb machen wir es nicht.(Große Heiterkeit.) Die Tatsache, daß jetzt seit vier Monaten die Vertreter der gesamten Kulturmächte im Haag zu sammensitzen und beraten, wie sie angeblich den Frieden sichern sollen, daß sie in Wirklichkeit aber rein gar nichts gemacht haben, diese Tatsache bedeutet die Bankerotterklärung der bürgerlichen Gesellschaft und unserer bürgerlichen Regierungen.(Sehr gut!) Man spricht von einer Wahlniederlage. Nun, man hat uns 40 Mandate genommen, das ist recht unan- genehm, wir hätten lieber 40 neu gewonnen. Aber unsere Stimmen sind auf 3� Millionen angewachsen, jeder vierte über 25 Jahre alte Mann ist Sozialdemokrat, und mit diesem Resultat können wir ganz zufrieden sein.(Sehr richtig!) s�ch zweifle sehr, ob die Herren da oben zufrieden sind.(Heiterkeit.) Wie kann man sagen, wir seien die Friedensstörer, wir wollen die Völker aufeinanderhetzen, wie kann man ein derartiges Wort aussprechen angesichts der Haager Konferenz und angesichts der geradezu erschreckenden Tat fache, daß schon in dem Augenblick, wo die Konferenz noch nicht ein- nml abgeschlossen ist, und wo die Protokolle noch nicht einmal unter» zeichnet sind, schon alle großen Staaten Rüstungen, namentlich zu Wasser, inszenieren, daß jedem, der das liest, ein Schauder über die Haut laufen muß? Da muß man sich fragen; ist es denkbar. daß die Völker Europas   solche Schafsherden sind, daß sie sich der- artiges bieten lassen? Wer die Rüstungen der Völker sieht, und sich die Frage vorlegt, wie soll das enden, der muß doch eigentlich zu dem Glauben kommen, wir leben in einer vollkommen verrückten Welt.(Große Heiterkeit.) Gespannter als jetzt ist die Situation nie gewesen. Bei der Begründung seiner Interpellation im Reichstage im November v. I. hat Bassermann sich bitter über die auswärtige Politik Deutschlands   beschwert, und sehr deutlich darauf hin- gewiesen, daß nicht der Reichskanzler, sondern eine höhere Stelle die auswärtige Politik macht, und daß das Zustände seien, die auf die Dauer nicht bestehen bleiben dürfen. Heute sieht er den Himmel voller Geigen, obwohl es um kein Haar besser, sondern im Gegen teil noch schlimmer geworden ist. Eine Haupt- und Kardinalfrage hat Bassermann in Wiesbaden  nur sestreift. das ist die Frage der Wahlreform in Preußen. Man hätte erwarten sollen, daß er, wenn er die Frage an schnitt, auch sagen würde, waS er eigentlich will. Er hat freilich einige kleine Andeutungen gemacht, er meinte zunächst, die Sache gehe den deutschen   Parteitag nichts an, darüber habe ein preußischer nationalliberaler Parteitag zu reden, er fügt aber hinzu und das ist das Entscheidende die einfache Uebertragung des Reichs Wahlrechts auf Preußen gehe nicht an.(Hört! hört!) Ja in aller Welt, warum denn nicht? Preußen bildet doch sieben Zehntel vom Deutschen   Reich, und wenn die preußischen Staatsangehörigen zum Reichstag auf Grund des allgemeinen, gleichen, direkten und ge- Heimen Wahlrechts wählen, warum dann nicht auch zum preußischen Landtage, zumal da doch die Bayern  , die Württemberger, die Ba- denser, die Elsaß-Lothringer heute bereits das allgemeine, direkte. gleiche und geheime Wahlrecht haben? Weshalb wir Preußen nicht? Weshalb wir nicht, die wir schon 1848 das allgemeine, gleiche, ge- Heime, wenn auch indirekte Wahlrecht hatten?(Sehr gut!) Ist es eine Haltung für einen Parteiführer, in einer so außerordentlich wichtigen Frage in einer so ausweichenden Weise sich auszusprechen, wie es Herr Bassermann tat? Das ist ja einfach ein Skandal, er war verpflichtet, darzulegen, was er will, aber das konnte und wollte er nicht, weil er ganz genau weiß, daß er dann mit einem großen Teil seiner Freunde in Konflikt kommen würde. Auf dem- selben Parteitag sprach sich der Abgeordnete Schiffer für das Plural- Wahlrecht aus. Hiernach würde z. B. jemand, der 60 Jahre alt ist, 2 Stimmen bekommen; ob er gerade entsprechend gescheit ist. das ist eine andere Frage. Ein anderer hat den Doktor mit Ach und Krach gemacht, der kriegt 8 Stimmen, ein dritter, der großen Besitz hat, 4 Stimmen, aber der große Haufen der Arbeiter. Klein- bürger und Bauern kriegt nur eine Stimme. So etwas wagt man dem preußischen Arbeiter zu bieten(pfuil), den deutschen   Arbeitern, die Bülow als die gebildetsten Arbeiter der Welt bezeichnet hat. Wir sind nicht so anmaßend, so etwas zu sagen, aber wenn es ein Bülow sagt, dann kann es ja wohl wahr sein.(Heiterkeit.) Aber dann soll e» auch die Konsequenzen ziehen, und nicht die gebildetsten Arbeiter der Welt hinter die weniger gebildeten zurücksetzen. (Heiterkeit und sehr gut!) Haben wir doch sogar das Ungeheure erlebt, daß der russische   Zar, der größte Despot Europas  , der seinem eigenen Bplke das Letzte verweigern mächte an Rechten und Frei- heiten, dem finnländischen Volke, dessen Schutzherr er ist, vor einem Jahre das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht für alle Finnen vom LI. Lebensjahre an gab. Männern und Frauen. (Hört! hört» Auf dem nationalliberalen Parteitag meinte Herr Dr. Fried- berg, wie es denn denkbar sei, daß das preußische Herrenhaus und die preußische Regierung das allgemeine, gleiche, direkte und ge- Henne Wahlrecht gewähren. Ja, wenn die preußischen Junker überhaupt nur das Beste vom Besten sind, wie sie behaupten, so eigentlich der Rahm von der ganzen Suppe(Heiterkeit), dann mußten sie auch soviel Einficht und Intelligenz haben, um dem preußischen Volke nicht das zu verweigern, was andere Völker be- reits besitzen, und wenn der erste Staatsmann der preußischen Regierung erklärt, Preußen in Deutschland   voran, und der deutsche Arbeiter ist der gebildetste der ganzen Welt, dann kann er doch un- niöglich gegen das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahl- recht für Preußen sein. Obenein sind wir ja nach dem bekannten Ausspruch des deutschen   Kaisers, den Bülow ohne weiteres akzep- tiert, bei den Wahlen niedergeritten. Ja, warum gibt man uns dann nicht das Wahlrecht, das doch dann nicht mehr gefährlich ist? (Heiterkeit und Sehr gut!) Wir sagen also: Her mit dem Wahl- recht, wir Niedergerittenen, versucht noch einmal, uns niederzu- reiten, wir lassen es daraus ankommen, Ihr dürftet aber eventuell dabei eine sehr schlimme Erfahrung machen!(Sehr gut!) Wie kommt der preußische Adel   es ist ja die Creme des Adels, die im Herrenhause sitzt dazu, sich so gegen das allgemeine Wahl- recht zu sträuben, während doch die Herren in der bayerischen Ersten Kammer, darunter der Königliche Thronfolger, sich dafür erklärten? Ja, Prinz Ludwig hat sogar verlangt, daß jede neue Landtagswahl auf Grund der Resultate der letzten Volkszählung zu erfolgen habe.(Hört, hört!) Er hat sich besonders cne- fisch für das geheime Wahlrecht ausgesprochen, er hat erklärt, das ge- Heime Wahlrecht sei ein Schutz der Schwachen gegen die Starken, vielfach würden gerade abhängige Leute veranlaßt, anders zu wählen, als sie beabsichtigen, es gebe gewissenlose Menschen genug, die ihre Untergebenen zwingen, ganz anders zu wählen, als sie wählen müßten.(Hört, hört!) Das erklärt ein bayerischer Prinz. Ja der Tausend, wenn der Aussicht hätte, König von Preußen zu werden(Stürmische Heiterkeit), dann kriegten wir morgen das all- gemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht mit der Bcstim- mung, daß nach jeder Volkszählung die Wahlkreise neu eingeteilt werden. Das würde eine Freude werden.(Heiterkeit.) Leider stehen die Dinge nicht so. Prinz Ludwig ist ja wahrhaftig ein roter Demokrat einen Sozialdemokraten will ich ihn nicht nennen, das würde er vielleicht selbst als Beleidigung ansehen.(Heiterkeit.) Wie steht es nun bei uns? Man sagt, man müsse sich über- legen, wann die Wahlreform kommt. DieFrankfurter Zeitung  " hat schon im Sommer gepredigt, man solle erst den neuen Landtag noch auf Grund des alten Wahlgesetzes wählen. Das heißt, dann hätten wir glücklicherweise bis 1013 zu warten, bis wir auf Grund eines neuen Wahlgesetzes wählen könnten, und wer weiß auf Grund welchen Gesetzes. Dann würde im nächsten Jahre die ganze Bourgeoisie erklären: wir wollen kein allgemeines Wahlrecht, un- sere Wähler wollen davon nichts wissen, wir stimmen getreu der Meinung unserer Wähler. So wird das preußische Volk auch weiter an der Nase herumgeführt. Interessant ist es, daß die Kon- servativen, die heute Gegner des allgemeinen Wahlrechts sind, vor genau 43 Jahren unter Führung des Geheimrats Hermann Wagener die Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Landtagswahlrechts befürwortet haben. Damals hatte das Dreiklassenwahlsystem eine oppositionelle Kammer geschickt, und die Konservativen glaubten, wenn man jetzt das allgemeine Wahl recht gibt, dann würde das Volk nicht Liberale, sondern Konserva tive in die Kammer schicken.(Hört, hört!) Das elende Wahlsystem besteht seit 1849, da können wir noch lange warten, bis es zusammenbricht. Soll etwas zusammen- brechen, dann mutz man ihm die Wurzeln untergraben, dann muß man ihm die Stütze nehmen.(Sehr richtig!) Auch für eine Reform der Strafgesetzgebung hat sich Herr Bassermann ausgesprochen. Als diese Rede gehalten wurde, da war der Prozeß Liebknecht  noch nicht zu Ende, aber Bassermann kennt ja auch den Z 86. Was man jetzt gegen unseren Genossen Karl Liebknecht   getan hat, das hat man vor 3S Jahren gegen seinen Vater und mich getan. Genau dasselbe Verfahren, ein Tendenzprozeß damals, ein Tendenzprozeß heute, damals ein Geschworenengericht, heute der höchste Gerichts- iof des Deutschen Reichs. Nicht, daß ich die ehrliche Ueberzeugung der Richter anzweifle, aber das Urteil zeigt, daß es ausgegangen ist von Männern, die gegnerischer politischer Anschauung sind, und die sich in ihren Vorurteilen gar kein Bild machen können, daß eS Leute gibt, die eine andere ehrliche Ueberzeugung haben können. (Stürmischer Beifall.) Der§ 86 ist der größte Kautschukparagraph, aber gerade bei politischen Vergehen, da braucht man Kautschuk- Paragraphen, da dürfen keine festen Grundsätze aufgestellt werden, da soll der Richter nach seiner Ueberzeugung urteilen können, und wenn dann die Ueberzeugung durch politische oder religiöse Vor- urteile anders lautet, als sie nach juristischen Gründen lauten sollte, dann kommen Urteile zustande, die das Erstaunen aller derer hervorrufen, die die Dinge mit anderen Augen ansehen. Das Ällertraurigste ist, daß es gegen diese Urteile keine Berufung gibt. Der Gerichtshof hat gesprochen, der Verurteilte muß die Strafe absitzen.(Lebhafte Pfuirufe.) Ach, verehrte Anwesende, entrüsten Sie sich nicht. Wer die Dinge richtig versteht, der wird sie auch be- greifen; ich habe mich über das Urteil nicht gewundert, denn ich weiß, wie dehnbar der Z 86 ist. und ich weiß auch, daß im obersten Gerichtshof Deutschlands   das Richterkollegium zehnmal gesiebt ist, um so zusammengesetzt zu werden, wie es zusammengesetzt ist, aus Männern, an deren politischer Ueberzeugung und an deren juristi- chen Grundsätzen man an den höchsten Stellen nicht die geringsten Zweifel hegt. Aber so gut wie der alte Liebknecht und ich damals die Geschichten überwunden haben, so wird sie auch der junge Lieb- knecht überstehen. Wir waren damals ja auch wegen Hochverrat verurteilt, und dasselbe Deutsche Reich, gegen das wir Hochverrat geübt hatten, besteht heute noch.(Heiterkeit.) Wer von der Sozial- Demokratie ißt, der blamiert sich an ihr.(Heiterkeit.) So ist es bei allen Prozessen gegangen; der Prozeß von 1872 hat kolossal agitatorisch gewirkt, und der diesmalige Hochverratsprozetz hat die fieiche Wirkung, und Liebknechts Ansehen ist nicht nur in den Augen seiner Freunde, sondern auch seiner Gegner ganz gewaltig gewachsen(Sturmischer Beifall) durch die tapfere und geschickte Art, wie er seinen Richtern und vor allem dem Reichsanwalt ge- dient hat.(Zuruf: Der würdige Sohn des Alten!) Das ist dem grauköpfigen Reichsanwalt in seinem Leben noch nicht Passiert, daß Jer so heimgeschickt hat wie unser Freund und G* nosse Karl Liebknecht.  (Stürmischer Beifall.) Also ich sage, an derartige Aenderungen der Strafgesetz lebung denkt Herr Bassermann und seine Freunde nicht. Ich ürchte überhaupt die Herren, wenn sie Geschenke bringen; ich ürchte, die liberale Revision wird in letzter Instanz eine re- aktionäre Revision des Strafgesetzbuches und der Strafprozeß- Ordnung werden, und die ganze Blockpolitik bringt es nur dahin, daß noch reaktionärer als bisher regiert wird. TaS einzige, was durch die Blockpolitik erreicht wird, wird eine gewaltige Ver- mehtung und Erhöhung unserer Ausgaben für Militär-, Marine- und Kolonialzwecke und infolgedessen eine gewaltige Erhöhung der Steuern sein.(Sehr richtig!) Das ist ja auch der Zweck. den Bülow erreichen will. Bassermann sprach von direkten Steuern, da man mit indirekten nicht mehr auskomme. Die erste direkte Steuer wird die bekannte Wehrsteuer sein, die Krüppel- teuer, wie sie scherzweise genannt wird.(Pfuil) Ach. ich freue mich darüber, ich bin nicht dafür, aber ich bin nicht entrüstet. Wenn dann Tausende von denen, die bei den letzten Wahlen für den Block gestimmt haben, davon betroffen werden; ich gönne es ihnen.(Beifall.) Die Hurrastimmung von der letzten Wahl ist schon heute wieder verflogen, es sprechen eine Menge Anzeichen dafür, und auch die Hurramehrheit war keine Mehrheit; man hat wohl eine Mehrheit von Block-Abgeordneten, aber keine Mehrheit von Block- Wählern. Die Antiblockparteien haben zusammen 6 090 600 und die Blockparteien nur 4 938 660 Stimmen, und wenn das Verhältniswahlrecht bestände, d. h. wenn die Abgeordneten bestimmt jvürden nach der Zahl der auf die einzelnen Parteien entfallenden Stimmen, dann würde unsere Partei statt 43 Ah- geordnete 114 haben, und die anderen um so viel weniger. (Hört! hört!) Wir haben keinen Grund, trübe in die Zukunft zu sehen: ini Gegenteil, ich bin niemals so hoffnungsfreudig gewesen wie jetzt, wo wir angeblich die Niedergerittenen sind. Wir haben keinen Grund, anzunehmen, daß unser Stern im Sinken De» griffen ist; aber eins haben wir nötig, wir müssen lernen, lernen und immer wieder lernen. Wer nicht lernen will, der gehört nicht vor die Front, den schicken wir nach hinten zur Bagage.(Sehr gut!) Namentlich die Jüngeren sollen sich Kenntnisse aneignen, und sich mit geistigem Nüstzeug versehen. Man hat in Stuttgart  uns Deutsche   damit foppen zu können geglaubt, daß man uns eine Zahlmaschine nannte. Ein altes Wort sagt: Zum Kriegführen gehört dreierlei, einmal Geld, das zweite Mal Geld und das dritte Mal Geld! Dies Wort gilt auch für den Kampf der Parteien. Und machen es nicht andere Parteien genau so? Sie nehmen sich uns zum Vorbild, aber sie können nicht an uns heranreichen, denn um dies zu können, muß man Zuversicht, mutz man Begeisterung haben.(Lebhafte Zustimmung.) Auch die Verhältnisse arbeiten uns in die Hände. Schon machen sich die ersten Anzeichen einer wirtschaftlichen großen Krisis bemerkbar; da werden Hunderttausenden, die bisher glaubten, sie brauchten im politischen Kampf nicht mitzuwirken, die Augen übergehen; sie werden begreifen, daß sie etwas Besseres zu tun haben, als in den Tag hineinzuleben und andere für sich arbeiten zu lassen. Hinter dem Ofen zu hocken, seine Pfeife zu rauchen und sein Glas Bier zu trinken, das macht sich sehr hübsch, aber immer das zu tun, das ist ein elendes Gewerbe für einen freien Mann.(Sehr richtigl) Es heißt: Selbst arbeiten, für die höchsten Ziele der Menschheit, die zugleich die höchsten Ziele für seine Familie sind, zu kämpfen, und darum rufe ich Ihnen allen zu: Vorwärts, vorwärts und abermals vorwärts! (Stürmischer, minutenlanger Beifall.) Eine Debatte schloß sich dem Vortrage nicht an. Die bereits mitgeteilte Resolution fand einstimmige Annahme. Der Referent erklärte ausdrücklich, daß, wenn in dem letzten Absatz von dem Wahlrecht für alle über 20 Jahre alten Staatsangehörigen die Rede ist, ganz selbstverständlich auch die Frauen mit darunter zu verstehen sind._ 13. Generalversammlung des Deutschen  Tabakarbeittr-Derbandes. B i e l e f e l d, IS. Oktober. Zweiter BerhandlungStag. Lormittagssi tzung. Baum- Pirna erstattet den Bericht der MandatSprüfungs- kommission. Die Kommission hat alle Mandate 72 für gültig befunden. Müller- Berlin kritisiert scharf die Handlungsweise der Wahlprüfungskommission, die einem Wahlprotest nachgegeben habe. der grundlos war, wie die Nachwahl bestätigt habe, denn die Kol- legen, die in der ersten Wahl gewählt worden waren, wurden in der zweiten Wahl wieder gewählt. Redner wundert sich, daß die Maudatsprüfungskommission sich auf denselben Standpunkt gestellt habe wie die Zentral-Wahlprüfungslommission. Nach längerer Debatte wird der Antrag angenommen, die Berliner   Wahlange- legenheit zur nochmaligen Prüfung an die Mandatsprüfungskom- Mission zurückzuverweisen. Dann wird die Diskussion über den Bericht des Vorstandes fortgesetzt. Seidel- Görlitz teilt mit, daß Sortierer aus Bünde   ihm er- klärt hätten, daß die Frage der Verschmelzung bei ihnen nicht an- geregt worden sei vor Veranstaltung der Urabstimmung, diese sei also über Hals und Kopf vorgenommen worden. Bezüglich der Anstellung von Ortsbeamten rät der Redner, örtliche Beiträge zu erheben. Habermann- Offenburg   befürwortet den Antrag Offen- bürg, noch einen Gauleiter für Baden   anzustellen. Gegenüber Elm betont Redner, daß Politik" betrieben der Vorstand in Baden keineDraufgänger- «be, vielmehr hätten die badischen Mitglieder den Vorstand, der immer gebremst habe, drängen müssen, daß er die Lohnbewegung in Baden zur Vereinssache mache. Wenn die Sortierer immer wieder so sehr auf ihre Unterstützungsformcii pochten, sei eine Einigung ausgeschlossen. Die Sortierer, die m Baden dem Deutschen Tabakarbeiterverband angehören, befinden sich im Verband sehr wohl, die Zersplitterung ist also nicht not- wendig. Es ist Pflicht sämtlicher Tabakarbeiter, sich in einer ein- zigen Organisation zu verbinden. v. Elm wendet sich gegen die Ausführungen DeichmannS, der herausfordernd geredet habe, und geht auf Einzelheiten der Unterhandlungen ein. Wenn nicht die Gauleiter sich bei Lohnbewe- gungen in Verbindung mit den Sortierern setzten, der Vorstand tue es nicht, obgleich ein Paragraph im Statut darauf hinweise. Man sei es gewöhnt, daß der Vorstand, der es verstanden habe, mit erstaunlichem Ungeschick 2000 Mitglieder in Dresden   aus dem Ver- band zu treiben, in hochfahrender Weise auftrete. Man versteht es nicht, sich in die Situation der Sortierer zu versetzen. Sie sind der Ansicht, daß sie, trotzdem die Zigarrenarbeiter immer die ideale Seite der Verschmelzung hervorheben, in ideeller Beziehung nichts gewinnen würden. Prinzipiell kann man für die Verschmelzung sein, wie ich, aber wenn man im Vorstand eines Verbandes sitzt, hat man alle Verhältnisse zu berücksichtigen. Manche Einrichtungen sind besser ausgebaut im Sortiererverband wie der Arbeitsnachweis. Die Sortierer fürchten, daß der Vorteil ihres Arbeitsnachweises verloren gehe bei der Verschmelzung. Auch die Arbeitslosenunter- stützung hat für die Sortierer mehr Gewicht als im Deutschen  Tabakarbeiterverband, wo die Arbeitslosenunterstützung mehr in Anspruch genommen wird. Aehnlich verhält es sich mit der Kranken- Unterstützung. Der Idealismus bei den Tabakarbeitern im Deut- schen Tabakarbeiterverbande steht nicht höher als bei den Sor- lierern, das zeige sich, wenn Tabakarbeiter dem Verband den Rücken kehren, wenn die Kranken- usw. Unterstützung verringert werden soll. Redner wendet sich gegen den Vorwurf, er sei gar kein Sozialdemokrat mehr. Die Verschmelzung sei eine Frage der Zeit, das gegenseitige Vertrauen müsse gefördert werden. Müller sagte, ich hätte den Bericht, der vonDraufgäntzerpolitik" sprach, berichtigen müssen. Zu Berichtigungen gehört Zeit. Ich habe»nt Berichtigungen schlimme Erfahrungen gemacht, auch beimTabak- arbeiter" bezüglich der Hanauer   Angelegenheit. ES mag ein Fehler sein, daß ich nicht den betreffenden Bericht berichtigt habe, da er unvollständig war. D e i ch m a n n sagte, Elm ist selbst ein solcher Draufgänger; sein Verhalten in einer Versammlung in Bünde   be- tätigt dies. Ich habe genau dasselbe in Bünde   siesagt wie in der Hamburger Versammlung. Wenn es notwendig ist, dränge ich die Arbeiter vorwärts zum Kampfe, auch zum Streik. Gxäbn er»Hanau  : Ich hätte gewünscht, in dieser General- Versammlung würde die Verschmelzung mit den Sortierern voll- zogen. Aber die Einwendungen, die wegen der Unterstützungsein- chtungen gemacht worden sind, bestätigen schon, daß es nicht dahin kommen wird. Was in anderen Verbänden möglich ist. das ist auch möglich bei Tabakarbeitern und Sortierern; wie man sich dort ver- einigt hat, so kann man es auch hier. Aber die Absicht der Ver- einigung wird hier hintergangcn. Wenn man vorgibt. Arbeiter zusammenführen zu wollen, dann muh das für einen Führer, der äuge Jahre in der Bewegung ist, ein leichtes sein. In Hanau   hol ich die ehemalige Lokalorganisation der Goldarbeiter dein Metall- arbciterverband angeschlossen. Da lagen die Verhältnisse verschic- denartiger aiS zwischen uns und den Sortierern. DieDraufgängerpolitik" hat sich bewährt im Kampfe gegen die Tabaksteuerprojekte. Aber die Gauleiter haben die Verhält- nisse bei ihren Maßnahmen berücksichtigt. Es wird oft gesagt, nach- dem eine Zahlstelle begründet worden ist, komme auch bald eine Lohnbewegung. Das komme jedoch nicht immer vor, die Verhält- nisse drängten manchmal dazu. Wo die Löhne äußerst niedrig tehen, muß man die Arbeiter unterstützen, wenn sie endlich zu einer sorderung höherer Löhne drängen. In Gießen   haben die Fabri- ante» auch erklärt, die dortige Lohnbewegung sei durch bezahlte Agitation hervorgerufen. S ch s e r- Bicleseld: Die Sortiererapgelegenheit ist anders zu behandeln als Grävner das will. Kollege v. Elm zehrt noch von der Zeit des Hamburger AuSstandeS. darum kann auch er sich schwer überwinden, die Verschmelzung zu fördern. Aber die Ver-