Wenn Herr Lecomte nicht allein so diel Ehrgefühl hat, so hättenihn die anderen als Ehrenmänner dazu zwingen müssen. Dereinfachste Beweis das Grafen Moltke wäre für ihn doch die Zeugen-Vernehmung der Herren Fürst Eulenburg, Gras Hohenau undLecomte gewesen,— wenn er sich unschuldig gefühlt hätte. HerrGraf Moltke hatte den Staatsanwalt ersucht, ex okücio«Wguschreitcn. Der Staatsanwalt hat es abgelehnt.der Beschwerde darüber ist der Kläger in allen Instanzen ab-gewiesen worden. Ihm wurde überall gesagt:„Diese Sache machen Sic gütigst allein!"(Heiterkeit.) Ich denke mir, daß die königlich p r c u st i s ch eStaatsanwaltschaft, wenn einem Manne, der vor ganzkurzem noch Staotkom Mandant von Berlin war, eineBerfehlung gegen die Strafgesetze vorgeworfen wird, es für gebotenerachtet, die öffentliche Klage zu erheben. Wenn die Staatsanwalt-schaft hiervon abgesehen hat, so geschah es wahrscheinlich, weil derStaatsanwalt mit der Sache nichts zu tun haben will, weil sienicht geeignet erscheint, die Antoritiit des Staates dafür einzu-setzen! Es gibt allerdings auch noch die Möglichkeit, daß nach An-ficht der Staatsanwaltschaft ja gar keine Beleidigung vorliegt.Ter Kläger ist ein ganz eigentümlicher Herr und eigentümlicherFreund seiner Freunde! Er hat einen intimen Lebensfrcund, denFürsten zu Eulenburg. Man sollte es nicht für möglich halten,dah für diesen Orest dieser Pyladcs niemals vor den Richter zubringen ist.(Heiterkeit.) Fürst Philipp Eulenburg zeugt nicht,lveil er sich vor der Gesetzesbestimmung fürchtet.welche auf Meineid Zuchthaus setzt!Das ist cS, warum er hier nicht erscheint und warum er denZeugen Bollhardt nicht sehen will. NlleS andere istSchein, Spiel, Komödie!Ter Viertelsachverständige, der gestern nur. ein Viertclgutachtenabgeben konnte, sagt, der Privatklägcr sei eine ideale, Überschwang-liche Natur. Das ist ganz unglaublich! Die ganze Verhandlunghat doch wohl so viel ergeben, daß Graf von Moltke nicht ganzrein ist, die Charakteristik, die Herr Haiden von ihm gegeben, voll-ständig zutrifft und die menschlichen Eigenschaften des Privat-klägers daö abfällige Urteil des Herrn Haiden rechtfertigen. Ichglaube, ich kann beinahe die Behauptung auf-stellen.bast Fürst Eiiltiilmrg eiv Päberast ist.Das kann man nach dem Zeugnis des Zeugen Bollhardt doch wohlannehmen und Herr Harden ist im Recht, wenn er den Kaiseraus solcher Umgebung befreien will. Es soll der Sänger mit demKönige gehen, aber es soll nicht der Päderast mit dem Königegehen.(Heiterkeit.) Ich habe auch den Brief des Vaters derFrau vs Elbe hier vor mir, in welcher dieser seiner Tochtermitteilt, dah nach der Meinung des Grafen Kuno v. Moltke seineFrau„wie ein Mürcben" an seiner Seite gehen soll. WcrsolchenCharakter hat, muß aus der Umgebung Sr.Majestät entfernt werden! Wer dies anstrebte, tat eingutes Werk! Um den deutschen Kaiser sollen undmüssen ganze Männer sein, denn sonst kommen wirzu dem verwerflichsten HöflingStuin im Deutschen Reiche und da-vor wolle uns der Himmel bewahren. Herr Graf Moltke soll eine„ideale, übcrschwängliche Natur" sein! WaS soll Europa denken,wenn man so etwas liest! Unser großer Nationaldichtcr Schillerhat nicht gedichtet die„Würde des Klosetts", sondern die Würde derFrauen!(Heiterkeit.) Empörend ist es, daß gesagt werden kann,ein Mann, der die Frauen als Klosetts bezeichnet, ist ein deutscherMann!(Mit lauter Stimme): Nein! Nein! Nein! Unsere Frauenunsere Mütter, unsere Töchter sind durch solches Wort geschändet!Wenn solches Wort von einemZuhälter seiner Dirnean den Kopf geschleudert wird, dann erhält ereine Ohrfeige? Nein! meine Herren! Ziehen Sic einenscharfen Grenzstrich zwischen Männern wie Eulenburg. Hohenau,Tekiltkc und den Ddännern Deutschlands! Dann entsprechen Siedem allgemeinen Empfinden! Solche Männer in der Umgebungder allerhöchsten Person sind gefährlich. Man sagt: der Privat-klüger und Fürst Eulcnburg seien durch ideale Bestrebungen der-knüpft. Mögen sie musizieren, so viel sie wollen, aber aus der Nähedes Monarchen sollen sie fortbleiben! Denken Sie an die Taschen-tuchepisodc! Wenn der Privatkläger das ominöse Taschentuch sobehandelt hätte, wie seine Frau und seine Frau lieber wie dasTaschentuch, dann hätten wir den ganzen Prozch nicht.(Heiterkeit.)Ist ein Mann, der seine geistige Nahrung aus den„Mitteilungen des Geistes Emanuel"schöpft, befähigt und berechtigt, in der Nähe der höchsten Persondes Landes, von der das Geschick des Deutschen Reiches abhängt.einen Einfluß auszuüben? Der Indizienbeweis der Päderastie istin diesem Prozeß geführt, kein Mensch wird das bestreiten, alsokönnen Sic es auch nicht in Ihrem Urteil. Wie sich der HerrKläger in der Verhandlung selbst verhalten hat. brauche ich Ihnennicht zu sagen. Ich will auch nicht näher auf das Zeugnis derFrau v. Elbe, des Zeugen Bollhardt und auf das Gutachten desDr. Hirschfeld eingehen. Nur über eins will ich sprechen, und zwarüber dasjenige, was Herr Platzmajor v. Hülsen gesternhier gesagt hat. Ich habe nicht geglaubt, daß nach der Ver-nchmung des Herrn v. Hülsen der Herr Gegner den Mut hat.einem Gericht gegenüber noch zu behaupten, daß der Herr Grafnoch— Gedankenstrich— versucht hat, sich als unschuldig zu bc-zeichnen. Das ist ein Wagemut, für den ich eigentlich kein vorGericht anwendbares Eigenschaftswort finde.Einige Dutzend Male habe ich im Laufe der Verhandlung anden Kläger die Frage gerichtet:WcShalb sind Sie nicht mehr Stadtkommandant?Ausreden, nichts als leere Ausreden erhielt ich zurAntwort. Als ich das erste Mal diese Frage stellte und der HerrGraf nicht eine ausreichende und aufklärende Antwort gab,'wareigentlich schon daö Urteil gefällt. Das aber will ich Ihnen hiersagen, wenn mir der Herr Graf antwortet: das sind militä-r i s ch e Dinge, über die ich nicht sprechen darf, so sage ich. es istein starkes Stück, mir so etwas zuzumuten. Wenn ein Schul-b u b e. der aus der Schule kommt und sich unterwegs geprügeltbat, Ausreden in dieser Form macht— so, na— ich will denSatz gar nicht zu Ende sprechen. Diebewußte Unwahrheitist auch in diesem Falle von dem Grafen Moltke gesagt worden.Er weiß ganz genau, daß es nicht„militärtechnische" Dinge sind.er will nur das Wort nicht aussprechen. Da war der Herr v. Hülsen,den wir gestern hier gesehen haben, ein richtiger Soldat. GlaubenSie mir, es ist.Herrn v. Hülsen nicht leicht geworden, das harteWort hier auzusprechen. Er mußte sagen, daß Fürst Eulenburgwegen homosexueller Dinge aus dem Amte entfernt worden ist, sounangenehm ihm es auch war. Als dann Herr Platzmajor v. Hülsenruf meine Frage bezüglich des Grafen Moltke antwortete:„Na, essind so dieselben Dinge!" da sagte ich mir, dann ist ja alles er-ledigt und der Prozeß ist aus. Wenn ich sehe, wie seit Monat:»ein deutscher Schriftsteller, der nur seine politische Pflicht getanhat. verfolgt wird mit wissentlichen Unwahrheiten, so habe ichMühe, mich zu halten, man lüge doch nicht ganzDeutsch-l a n d a n! IAußerdem ist mein Herr Gegner leider von seinem Mandantenfalsch informiert. Von ihm rührt jene in den Zeitungen publizierteErtlärung her, in der es heißt: Die maßgebenden Instanzen habensich von der Grundlosigkeit der erhobenen Verdächtigungen über-zeugt. Der.Herr v. Hülsen hat uns das Gegenteil gesagt, und dahat Herr Graf Moltke eine derartige Erklärung vom Stapel ge-lassen. Wollen Sie mir nun die Frage beantworten: Werkämpft hier mit unreinen'Waffen— ich muß baSWort sagen, ich kann nicht anders—,wer ist hier derjenige, der lugt?Fürst E u l e n b u r g hat in der Presse verbreitet, dah der Friedens-siifter Herr v. Berger ohne Auftrag von ihm oder vomGrafen Moltke gewirkt habe. Der Herr Fürst Eulen-bürg Durchlaucht erzählt dem deutschen Volkdamiteine faustdicke Lüge.Warum lügen die beiden Herren das deutsche Volk so an? Weildie Wahrheit das Bekenntnis ihrer Schuld wäre! Die Herrenwerden doch dem Gericht nicht vorreden wollen, sie hätten beim Er-scheinen unliegriindeter Vcrleunidiingen erst einen Vermittler zuHarten geschickt, um ihn zur Einstellung seiner Angriffe zu be-wegen» Das dürfen S i c keinem deutschen Gerichtvorreden, das glaubt höchstens ein Dien st mann,wenn er dafür bezahlt wird.(Heiterkeit.) Nun zur Er-klärung des Privatklägers über die Gründe seiner Entlassung. GrafMoltke behauptet, ein deutscher Mann und Soldat müsse sein Amtniederlegen, wenn er angegriffen worden ist, um sich dann erstzu verteidigen. Wenn jemand v c r l e u m v e t ist und ein gutesGewissen hat, dann braucht er sein Amt nicht ohnew e i t e r e s n i e d c r l e g c n. Ist derdeutsche Reichskanzlerkein deutscher Mann, kein Edelmann, steht er nicht an einer Stelle,wo jeder Anhauch vergiftend wirken muß? Dieselben Beschuldigungensind auch gegen den deutschen Reichskanzler Fürsten Bülow— ichglaube mit absolutestem Unrecht— erhoben worden. WaL bat ergetan? Er wäre ja verrückt, wenn er deswegen sein Amt nieder-gelegt hätte. Er hat cL nicht getan, warum? Er ist unschuldig,er hat sich nicht zu fürchten. Dem Reichskanzler Fürst Bülow hates die Staatsanwaltschaft auch geglaubt, daß er unschuldig ist, undweil sie es ihm geglaubt hat, deswegen hat sie die öffentlicheKlage für Bülow erhoben und für Moltke abgelehnt. Nichtein deutscher Edelmann und Soldat mußte so handeln wie derKlager, sondernein Schuldiger.Wir schonen noch immer den Privatkläger: ich glaubte sicher, erwürde schon am zweiten VcrhandlungStage die Klage zurücknehmen.Der Kläger widerspricht sich selbst, wenn er auf der. einen Seiteerklärt, seine Entlassung habe mit sexuellen Dingen nichts zu tun,und dann den Wunsch daran knüpft, Harden solle recht hart der-urteilt werden, weil er an dem Verlust des Amtes schuld sei.Glauben Sie denn, daß die bloßen Artikel der„Zukunft" die Amts-entlassung dcs Fürsten Eulenburg und des Grafen Moltke ver-entlaßt hätten, wenn sie nicht wahr wären? Diese Meinung iväreja beinahe eine Majestätsbeleidigung. Für den Kaiser ist die An-nähme absolut beleidigend und die Annahme ist deshalb absolutfalsch, daß so ernste Entschließungen, wie die Entfernung derTräger alter Namen aus ihren Aemtern, ohne genügende Prüfunggefaßt werden. Für mich ist die Frage: sind Fürst Eulcnburg undGraf Kuno Moltke so aufgetreten, daß das Vorgehen des Schriftstellers Harden berechtigt war, für mich ist diese Frage b e-reits entschieden, und zwar von allerhöchsterStcllcdurchSe. Majestät denKaiser. Ich berufe michauf Sc. Majestät, um dessen Meinung über den Grafen KunoMoltke zu hören. Er denkt über ihn so, daß er trotz alles dessen,was der Verteidiger an dem Kläger rühmte, ihn aus seiner Stellungund aus seiner Nähe entfernt hat. Das ist das Urteil, das schongefällt worden ist in dem Beleidigungsprozeß Moltke kontra Harden.Alles was die Gegenseite gegen die Tendenz des Angeklagten undgegen die Berechtigung seiner Artikel gesagt hat, ist durchausfalsch— alles was in den Artikeln steht,«st durchaus wahr, undzwar erweislich wahr! Wenn maneinen Päderastcn einen Piiberasten nennt,so ist das doch keine Pcrfidie, wie von der Gegenseite behauptetwurde. Herr Harden hat von Herrn Lecomte gesprochen und vonanderen Päderasten, und es ist doch merkwürdig, daß, lvcnn jemandruft: Päderast!, nun Herr Graf Moltke die Tür aufmacht undfragt: wer hat mich hier gerufen?(Heiterkeit.) WaS geht denGrafen Moltke die aktive Homosexualität des Herrn Lecomte an?Weshalb stellt er den Strafantrag, wo es sich um Herrn Lecomtehandelt? Ich bin am Ende. Der gegnerische Kollege hat gesagt:Heraus mit der Sprache! Ich sage:Heraus mit de» Männern!Was der Kläger mit dem Prozeß eigentlich will, will ich Ihnensagen: Er will appellieren gegen das UrteilSr. Majestät? Tort ist er verurteilt: denn es ist eine Ver-urteilung, wenn der Kaiser den Privatklägcr unter solchen Um-ständen, wo dieser so schwer beschuldigt wurde, nicht hält, sondernihn zur Disposition stellt. Der Kaiser muß doch seine triftigenGründe dafür gehabt haben. Beleidigend für Se. Majestät ist derGedankengang, aus dem heraus der Kläger sich rechtfertigen will.Ter Gegner hat gesagt: Die intellektuellen Leute fürchten sich,«ndas politische Leben einzutreten, und hat das Gericht ersucht, durchsein Urteil den Männern wieder den Mut zu stärken. Ja. stärkenSie den deutschen Männern den Mut, stärken Sie den deutschenBürgern, die Schriftsteller sind, den Mut. die Wahrheit zu sagen.Stärken Sic auch den anderen Bürgern den Mut, indem Die ihnendie Zuversicht geben, daß, wenn sie in den Raum dcs DeutschenReiches eintreten, sie in einen reinlichen und sauberen Raum ein-treten I Geben Sie durch Ihr Urteil Ausdruck, daß Sie Leute,die den Anschauungen und Betätigungen des KlägcrA�buldigen, nichtals führende Männer für das deutsche Volk anerkennen wollen.Wenn Sie Herrn Harden verurteilen, werden Sie deutsche?Nänncrnicht ermutigen, sich mit Politik zu beschäftigen: dann werdendiejenigen, die da glauben, daß es wahr ist, was Harden gesagt hat,sagen: Wenn man in Teutschland die Wahrheit sagt, wird manbestraft! Nun sagen Sic durch Ihr Urteil: Im Deutschen Reichdarf ein deutscher Mann die Wahrheit sagen!Justizrat Dr. v. Gorbontritt den Worten dcs Vorredners in längeren Ausführungen entgegen.Ich habe dem Herrn Harden keineswegs Freude an der Zote vor-geworfen. Freude an Stichelei,Spekulation auf die Sensationslüsternheit seiner Leserhabe ich Herrn Harden mit meinen Worten vorgeworfen. Wennder Graf Moltke Sr. Majestät sein Ehrenwort gibt und er wirddann zur Disposition gestellt, so ist es angesichts des Be-griffes der Ehre eines Offiziers unmöglich,daß Majestät damit einen Schuldspruch aus-sprechen wollte. Weshalb die Staatsanwaltschaft die Er-Hebung einer öffentlichen Klage abgelehnt hat, will ich sofort mit-teilen. In dem betreffenden Beschluß steht wörtlich:„Wenn denMitgliedern der Tafelrunde homosexuelle Dinge vorgeworfenwerden, so handelt eS sich um Dinge aus dem allcrintimstenPrivatleben der dazu gehörigen Herren, welche natürlich einöffentliches Interesse nicht beanspruchen können."Graf Moltkeerhebt sich, sichtlich in großer Erregung, und macht unter Zuhülfc-nähme eines Konzepts folgende Ausführungen:Würde ich hier stehen, wenn ich nicht vor Gott und den Menschensagen könnte, ich fühle mich nicht s ch u l d i g i Ich be-greife es nicht, weshalb man mir immer wieder die Frage vor-wirft, weshalb ich nicht mehr Stadtkommandant bin. Denken Sirdenn, ich kann olS Kommandant in Uniform hier sitzen und mirseit zwei Stunden Lügenhaftigkeit und andere Beschuldigungenvorwerfen lassen? Dann soll ich hinausgehen und soll verlangen,daß ein Mann auf der Straße mich grüßt, mirmit Achtung und Respekt begegnet? Ncini Das gehtnicht und das ist die ganz einfache Lösung dieser Frage. JederSoldat weiß, daß dies nicht geht!(Mit zitternder Stimme): Ichbin selbst nur ein einfacher Soldat, ich besitze keine rhetorischeGewandtheit, ich bin nicht gewöhnt, mich vor einem Forum gegenVerdächtigungen und dem Vorwurf der Lügenhaftigkeit zu wehren.Aus der Kabinettsorder vom 84. Mai geht nur hervor, daß ichzur Dispositiongestellt worden bin. nichts weiter. Wenn mir hier gesagtwird, es sei angeblich noch eine geheime Order vorhanden, so er-kläre ich das für unwahr. Eine solche Order, in der mir einePervcrsion vorgeworfen wird, existiert nicht.Ich bin in allen Ehren entlassen»vorbe».Es ist hier vorgebracht worden, daß die Staatsanwaltschaft dieErhebung der öffentlichen Klage abgelehnt hat. Ich werde eineandere Erklärung für diese?lblehnung geben:Die Staatsanwaltschaft hat einen Skandalvermeiden wollen, der bis an die Stufen zmn Thronheranreichen würde,nicht zum Segen des Vaterlandes. Das Mißtrauen und die An-ficht, die durch diesen Prozeß in das Volk eingedrungenist, daß„oben" alles versumpft sein soll, ist schwer wieder auszutrotten.(Mit lauter Stimme): Ich hätte es wahrlich bequemergehabt, wenn ich mich von Anfang an zurückgezogen und michum nichts gekümmert hätte, aber ich wollte es nicht, ich wollte michgegen diese Angriffe verteidigen. Wenn ich hierherkam, so tatich es, ummeine in den Schmutz getretene Ehreals alter Soldat mir wieder selbst herzustellen.(WiederholtesBravo! im Zuhörerraum. Der Vorsitzende rügtdiese Kund g-ebun gen auf das energischste.) AlsBeweis führe ich an, daß ich dcs Königs Rock, den ich so gernund mit vollem Stolz 42 Jahre getragen habe, in dem ich geblutethabe für das Vaterland, ausgezogen habe, um überhaupt hier er-scheinen zu können, denn als Soldat durfte ich hier nicht stehen,als Soldat durfte ich mich hier nicht beschimpfen lassen, ein Offizierdürfte sich hier nicht so angreifen lassen. Deshalb mußte erst derRock herunter.(Mit bor Erregung fast heiserer Stimme): DasGcflüstcre, das Geranne, das nun entstanden ist, das heimlicheTuscheln, daS entsteht, wenn man mich sieht, das gibt mir recht.Das durfte ein Offizier in Uniform sich nicht bieten lassen. Heute,am Geburtstage deS seligen Feldmarschalls SNoltke,sollte ich in Uniform die Linden entlanggehen, woeS mir von den ZcitungShändlern gellend entgegengcrufen wird,wie manden Namen Moltke in den Schmutz zieht.Damals herrschte Jubel an diesem Tage Unter den Linden, undheute— man möchte heute rufen kreuzige ihn— wo man damals Hofiannah rief. Unter diesen Umständen eine Uniformtragen, geht einfach nicht, nachdem ich durch Schuld jenesMannes in aller Leute Munde gekommen bin.DaS ist das Motiv, weshalb ich den Rock ausgezogen habe, undich bin Sr. Majestät dankbar, daß er mir dazu verholfenhat, meine Ehre reinzuwaschen. Ich betone es noch-mals: niemals hat die Freundschaft zwischen mir und dem FürstenEulcnburg einen erotischen Zug gehabt. Ich erkläre ferner hiernochmals: wenn ich vor Gericht eidlich als Zeuge vernommenworden wäre, so hätte ich unter meinem Zcugeneidc ausgesagt:„Ich habe nicht gewußt, daß seitens deS Grafen Hohenau oder deranderen Herren irgend eine homosexuelle Veranlagung vorliegt."—Ich habe 42 Jahre dcs Königs Rock mit Stolz getragen undniemand hat daran zu tasten gewagt und mir auch nur das geringstenachsagen können, dieser Mann, der dort sitzt(weist mit der Handauf Harden)— dieser Mann hat es gewagt und ihm ist e Zgeglückt, mich in meiner Ehre zu kränken. ImIn- und Auslände ist mein Name in aller Munde. Ich habe dosfeste Vertrauen zu einem preußischen Gerichtshof, daß er meineEhre zu wahren, wissen wird und lege alles vertrauensvoll in IhreHände!(Vereinzelte Bravorufe im Auditorium.)In längerer Dupllk führtJusttzrat Bernsteinnochmals auS, daß, wenn man anerkennt, daß sich Dinge creigncihaben, die uns in den Augen herabsetzen, man doch nicht den-jcnigen bestrafen kann, der diese schmählichen Mißstände beseitigenwill. Diese Mißstände sind doch da und existieren doch und manmutz doch dankbar sein, daß jemand die Eiterbeule aufzustechenwagte. Von einer geheimen Ordre deS Kaisers ist gar keine Red:gewesen, wenigstens nicht auf Seite deS Herrn Harden. Di-sittliche Entrüstung, die in dieser Beziehung gegen Herr» Hardenaufgewendet wurde, hätte doch gegen Herrn Major v. Hülsensich richten müssen, der doch viel mehr angedeutet hat.als Harden. Und der Major v. Hülsen ist auch eindeutscher Offizier. Der Kläger wendet sich mit Emphasegegen Herrn Harden, weil ihn dieser durch den Borwurf der Homo-sexualität beleidigt habe. Tann hätte er sich doch an den Dr. Hirsch-seid mit seiner Entrüstung wenden müssen, der wissenschaftlichdas bestätigte, was Herr Harden behauptete. Und wenn der Klägernoch zehnmal beweglicher spricht: er hat Dinge behauptet, die nichtwahr sind und deren Unwahrheit er kannte! Wenn das irgendwiebezweifelt wird, dann bitte ich, in die Beweisaufnahmenochmals einzutreten und den Freihcrrn Alfred v. Bcrgcrals Zeugen zu vernehmen, der bekunden wird, daß in bezug aufdessen Vermittelungsbemühungen und in bezug auf die Kenntnisdes Klägers über die Bedeutung der Hardenschen Artikel, FürstEulcnburg und Graf Kuno Moltke bewußt die Unwahrheit gesagthat. Herr Harden hat lediglich auS politischen Gesichtspunkten ge-handelt und nur das angedeutet, was er andeuten mutzte.G»af v. Moltke:Ich stehe für mich allein und kann nur für mich allein kämpfen.Hier stehe ich, ich kann nicht anders I Ich muß den Vorwurfder Unwahrheit mit aller Entschiedenheit noch.in a l s z u r ü ck w c i s e n. Ich habe keinen anderen Ausweg gc.funden, gegen Herrn Harden vorzugehen, als, nachdem ich denRock ausgezogen?abe, mit Hülfe dcs Gerichts. Die kleinen Spitzenund Andeutungen habe ich in den ersten Artikeln wohl gemerkt.aber ich habe den Zusammenhang der Dinge erst in dem Artikelvom 1?. April erkannt, so daß ich dann erst den Weg der Privat-klage beschreiten konnte. Man fragt hier immer wieder: Warumist der Graf Kuno v. Moltke nicht mehr Stadtkommandant vonBerlin? Ich habe meinen Rock ausgezogen wegen der Vcrlcum-düngen und Verdächtigungen in den Artikeln der»Zukunft" undnichts anderes!Justizrat Dr. v. Gordon bedauert in einer nochmaligen Er-klärung unter anderem auf das Tiefste, daß der Chef des Militär-kabinctts v. Hülsen-Haeseler nicht vernommen wurde, denn durchdessen Bekundungen würden die Behauptungen der Gegner überdas Ausscheiden aus dem Dienst einfach widerlegt werden.Justizrat Bernstein plädiert nochmals auf Freisprechung. DaHarden erklärt, daß er noch längere Ausfuhrungen zu machen,habe, wird eine Paus« bis 5 Uhr gemacht.Nach Wiedereröffnung der Sitzung um S llhr nimmt da?Wort der PrivatangeklagteHorben:Meine Herren Richter! Sie haben mich in diesen Tager,leidenschaftlich gesehen, vielleicht mitunter mehr als es angemessenwar. Entschuldigen Sie mich einstweilen, Sie werden hören, wasmich dazu trieb. Ich bitte um die Erlaubnis, mich zunächst einenAugenblick, che ich auf das eingehe, was den Kern meiner Schluß-rede bilden soll, mit der Erklärung zu beschäftigen, die der HerrPrivatkläger vor einigen Stunden gegeben hat. Meine Aufgab-als deS Angeschuldigten ist. ruhig zu prüfen: WaS ist daringesagt. Was ist dadurch an ocm Ergebnis diqer Beweisaufnahmegeändert. Der Herr Privatkläger hat gesagt: heute ist derGeburtstag Moltke s. Der Schatten des Mannes schwebtüber allem. Das wußte ich von der ersten Stunde dieser Aktion an.Dtzescr Name und noch eine Reihe anderer preußischer Namenschwebten als Schatten darüber. Ich lasse es dahingestellt, wieweit der Privatklägcr eine persönliche Gemeinschaft mit dem großenMarschall, dem Stolz Deutschlands, gehabt hat. Ein Bluts-verwandter ist er nicht. Dieser Marschall Moltke, derdann eines Tages der große Marschall werden sollte, hat einesTageS in seiner Jugend, wie Sie aus seinen Briefen wissen, eineLeiche aus der Ferne nach Teutschland siebracht, die Leiche einespreußischen Prinzen, wenn ich nicht irre, hieß er Heinrich.per Bruder Friedrich Wilhelms III. Dieser preußischePrinz wargeschlechtlich pervertiertgewesen und war deshalb vom Hofe verbannt worden. Undes war ein Moltke, Hellmut der Große später, der diese Leiche