Direltorcn Keschsossen haben, die Börse nicht zu eröffnen� Wann die Börse die Geschäfte wieder aufnehmen soll, wird nicht niitgcteilt. Der Gouverneur von Oklahoma proklamierte einen achttägigen Bankfeiertag.— Die Bankers Trust Company in Cansas City ist geschlossen; ein Direktor ist verschwunden. Auch die Getreidebörse in Dliluth ist vorläufig geschlossen.— Das New Dorkcr Clearing- hoiise setzte den Zinsfuß für Zertifikate auf 6 Proz. fest. Von heute liegen noch folgende Meldungen vor: New Aork, 28. Oktober. Die scharf hervortretende Geld- knappheit beherrschte heute das gesamte geschäftliche Leben. Die Maßnahmen der Ausgabe von Clearinghouse-Zertifikaten ist in vielen großen Städten aufgenommen worden und die hervorragenden Finanz- lcute schließen sich überall zusammen zu dem Zwecke, die Geldknapp- heit zu erleichtern. Der Tag verlief im ganzen ruhig ohne neuen Ausbruch von Aufregung. Die Bath Trust Company von Bath sMaine), welche Depositen im Betrage von einer halben Million Dollar hat, schlössen ihre Schalter. Der Gesamtbetrag deS Goldes, für dessen Einfuhr Vorbereitungen getroffen sind, beläuft sich auf 27 500 000 Dollars. New Jork , 28. Oktober. Alle Banken der Stadt O k l a- h o in a wurden durch eine Bekanntmachung des Gouverneurs wegen des Mangels an Geld zeitweilig geschlossen. Viele Bankiers des Territoriums Oklahoma , von Arkansas und des nördlichen Texas ziehen eine ähnliche Maßnahme in Erwägung, weil die Banken von Kansas City und Saint Louis sich weigern, Bargeld zu senden. Ein optimistisches Urteil. Beim Festmahl, das sich jeder Generalversammlung des Bochumer Vereins anschließt, bemerkte Generaldirektor Baare, daß er für die Zukunft kein ungünstiges Bild aufrollen könne und daß zu be- sonderen Beunruhigungen keine Veranlassung vorliege. Wenn auch der Bedarf im allgemeinen etwas nachgelassen habe, so dürfte man daraus nicht einen derart kolossalen Zurückgang erwarten, daß ein tvenig hoffnungsvoller Blick in die Zukunft gerechtfertigt fei. Der Stahlwerksverband regele genau wie das Kohlensyndikai die Preise nach oben und unten." In der weiterverarbeitenden Industrie seien Bestrebungen auf einen Zusammenschluß im Gange, und man werde dort wohl allmählich einsehen, daß ein Zusammenschluß unter Be- seitigung gewisser Sonderiutcressen besser sei, als gar kein Zu- sammenschluß. Der Minderverbrauch an Formeisen treffe den Bochumer Verein weniger, da seine Beteiligung im Stahlwerks- verband hierin verhältnismäßig gering sei. Auf der anderen Seite wäre staaker Bedarf an rollendem Material vorhanden. Alle diese Tatsachen rechtfertigten seine Auffassung, daß man mit einem gewissen Vertrauen in die Zukunft blickcm dürfe. Der Leiter des Bochumer Vereons galt bisher als ein vor- sichtiger Beurteiler der Wirtschaftslage. Ob die Zukunft das vor- stehende, immerhin sehr optimistische Urteil rechtfertigen wird, erscheint uns aber doch noch fraglich. Heringe sind billiger geworden. Während 1906 eine Tonne Heringe noch 45,00 M. kostete, kostet sie in diesem Jahre nur 83.00 Mark. Diese erhebliche Verbilligung ist auf die starke Zunahme des Angebotes und auf die Zurückhaltung des Verbrauches zurückzuführen. Sowohl die einheimische Heringsfischerei als die Einfuhr hat dazu beigetragen, das Angebot von Heringen am deutschen Markt zu er- höhen. In den Monaten März bis September 1907, für welche Zeit die Ergebnisse des Heringsfanges sich mit den vorjährigen dergleichen vergleichen lassen, wurden im Word- und Ostseegebiet zusammen Heringe im Werte von 490 165 M. gefangen gegen 316 999 M. in der Parallelzeit 1906. ES fand demnach allein beim deutschen Heringsfange eine Wertzunahme von 173 166 M. oder 55 Proz. statt. Dazu kommt nun noch das PluS, das durch die forzierte Jmporttätigkeit dem deutschen Verbrauch zugeftihrt wurde. In den ersten neun Monaten wurden 807,073 Faß gesalzene Heringe nach Deutschland eingeführt gegen 744 961 Faß in der Vergleichszeit 1906. Die Einsuhr hat also um 62 112 Faß oder um zirka 8 Proz. zu- genommen. Die Herkunftsländer der in Deutschland konsumierten Heringe sind Großbritannien , die Niederlande und endlich auch Norwegen. _ In der Strafsache gegen den Redakteur Hans Weber zu Berlin , Greifenhagenerstraße 52, geboren am 3. Juni 1874 zu Berlin , Dissident, wegen Beleidigung, hat die 4. Strafkammer des Königlichen Landgerichts I Berlin am 27. April 1907 für Recht erkannt: Der Angeklagte wird wegen öffentlicher Beleidigung durch die Presse zu einer Geldstrafe von 600 M., an deren Stelle im Nicht- beitreibungsfalle für je 15 M. 1 Tag Gefängnis tritt» und in die Kosten des Verfahrens verurteilt. Von dem in der ersten Beilage des„Vorwärts" vom 5. Januar 1907 befindlichen Artikel„Die Eisenbahner und die Rcichstagswahlen" ist derjenige Abschnitt, welcher mit den Worten beginnt:„Zum selben Thema wird uns aus Dortmund aus Eiscnbahnerkreisen geschrieben", sowie derjenige Teil der Platten und Formen unbrauchbar zu machen, auf welchen sich jener Ab- schnitt befindet. l�em Beteiligten, Eisenbahndirektions-Präsidenten Kieschke in Essen, wird die Befugnis zugesprochen, den verfugenden Teil dcS Urteils binnen Monatsfrist seit der an ihn erfolgten Zustellung des rechtskräftigen Urteils öffentlich bekannt zu machen. Die Bekanntmachung hat zu erfolgen durch den„Vorwärts" in der ersten Beilage, und zwar mit derselben Schrift wie der Abdruck des beanstandeten Artikels, und ferner durch die ..Nhciuisch-Wcstfälische Zeitung" in Essen, und zwar durch jede dieser Zeitungen je einmal. Die Nichtigkeit der Abschrift der Urteilsformel wird beglaubigt und die Vollstreckbarkeit des Urteils bescheinigt. Berlin , den 14. Oktober 1907. gez. Hofrichtcr, Landgerichts-Sekreiär, Gerichtsschrciber des Königlichen Landgerichts I Strafkammer 1. Soziales* Wie das Boll lebt. In der letzteii Sitzung des Gemeinderatcs in Weimar über- aschte der Herr Stadtrat Heller die Stadtväter mit einer Ausstellung, die, als sie in Weimar öffentlich bekannt wurde, zu lebhaften Diskussionen Veranlassung gab. Die städtischen Arbeiter sollen nämlich eine„mähige" Lohnaufbesserung erhalten. Damit nun die Herren Stadtväter die Sache etwas wohlwollend beurteilen, setzte sich der Herr Stadtrat hin und rechnete aus, w i e eine Arbeiter- samilie zu leben hat. Er brachte das Resultat seiner Forschungen auf Papier und ließ es vervielfältigen, damit— nach seiner Meinung— gar kein Irrtum unterlaufen konnte. Die Aufstellung ist nun so wunderschön geraten, daß sie wert ist, auch weiteren Kreisen vor Augen geführt zu werden. Hier ist sie: Budget einer Arbeiterfamilie in Weimar , die aus Mann, Frau und drei Kindern besteht. ES wird an- genommen, daß der Mann das ganze Jahr hindurch Arbeit hat und dafür 3 M. pro Tag, bezüglich 18 M. pro Woche Lohn er- hält. Die Frau beschäftigt sich mit Aufwartungen und bezieht dafür 12 M. pro Monat. — Der Verdienst der Familie beläuft sich also auf 52 mal 13-=- 936 M. und 12 mal 12— 144 M., in Summa 1030 Mark. Der Aufwand wird sich pro Tag folgendermaßen stellen: Frühkaffee: 5 mal 2 Pf. Semmeln 10 Pf.. 100 Gramm Kaffee 10 Pf., Milch 5 Pf. Zusammen 25 Pf. Frühstück: 5 mal 5 Pf. Brot 25 Pf.. 5 mal 5 Pf. Butter oder Fett 25 Pf. Zusammen 50 Pf. Mitragvrot: 2 Suppen mit Fleisch a 18 Pf.--- 36 Pf.. 3 Huppe» ohne Fleisch a 9 Pf.-=- 27 Pf.. Brot 10 Pf. Zu- fmnmeu 73 Pf. Im Selbstbereitungsfalle des Mittagsbrotes /a Pfund Fleisch mit Reis, Graupen oder Gemüse. N a ch m i t t a g s- K a f f e e(Vesper ausgeschlossen): 10 Pf. l Abendbrot:? mal 5 Pf. Brot---- 25 Pf., 5 mal 5 Pf. Zutat in Butter. Käse, Wurst oder Suppe und Kartoffeln bestehend ---- 25 Pf. Zusammen 50 Pf. Miete: 120 Wl pro Jahr; täglich 33 Pf. Schulgeld: für zwei Kinder einschließlich der Bücher: 14,60 M. pro Jahr; täglich 4 Pf. Wäsche. Kleider, Schuhe: 90 M. pro Jahr; täglich 25 Pf. Kranken- und Jnvalidenbeiträge: 9 M. die Frau und 12,90 M. der Mann: täglich 6 Pf. Licht und Heizung in fünf Monaten: 20 M.; täglich: 3 Pf. EinGlasBierproTag: 47,25 SM,; täglich 13 Pf. Steuern und Tageblatt: 3,25 M. pro Jahr; täglich: 1 Pf. AufwandproTag: 2,96 M. X 365: 1980 M. und 40 Pf." Also, der Herr Stadtrat rechnet noch ein Defizit von 4VPf. heraus! Abgesehen davon, daß eine ganze Anzahl notwendiger Ausgaben gar nicht berücksichtigt worden sind, stimmt die ganze Auf- machung auch bezüglich der angegebenen Summen nicht. Z, B. ein Pfund Kaffee für 50 Pf.? 1 Ferner: nach dem Steuerfuße sind in der Stadt Weimar für Gemeinde und Staat allein schon 13 M. Ab- gaben zu zahlen. Dabei rechnet der Herr Stadtrat für Steuern und Tageblatt zusammen 3,25 M. pro Jahr. Für fünf Menschen pro Jahr 90 M. für Wäsche. Schuhe und Kleidung? I Das ist ein Kunststück, das einer Prämie wert ist, die aber der Herr Stadtrat sicher nicht verdienen würde. Erklärend sagt der Herr nun noch dazu, daß eS kein Notschrei sein solle, die Aufstellung solle vielmehr nur den Zweck haben. eine wohlwollende Beurteilung der An- träge auf Lohnerhöhung der städtischen Arbeiter zu er- zielen. Eine große Anzahl der Arbeiterfamilien können aber noch nicht einmal mit einem Jahresverdienste von 1080 M. rechnen. Umsomchr ist deshalb diese Aufftellnug beachtenswert. Der Mann hat sich die größte gegeben, zu berechnen, wie es eine Familie mit solchen geringen Löhnen fertig bringen muß. auszukommen. Daß dabei dem Herrn das Malheur passiert ist, sich noch stark verrechnet zu haben, und zwar in dem Sinne, daß die Lage der Arbeiter- familien noch viel trauriger liegt, als wie es an diesem Budget ge- schildert wird, liegt an dem Umstände, daß die bürgerlichen Kreise gar kein Verständnis von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Arbeiterklasse haben. Freilich hält diese Unkenntnis sie nicht ab, desto mehr von dem„sorgenfreien Leben eines Arbeiters" zu fabeln. Eine Familie auch nur notdürftig mit 1500 M. zu ernähren, selbst wenn die Frau tüchtig mitschnftet und außerordentliche Ausgaben wegen Entbindungen, Krankheit usw. nicht sinlreten, ist ein Kunst- stück, das die Fähigkeit der Arbeiterinnen zum Beruf eines Finanz- Ministers klärlich erweist. Wie in Weimar sieht eS allenthalben. Und doch hat es der freisinnig- konservative Block in Preußen fertig gebracht, auch die direkten Steuern des Arbeiters durch eine Denunziationspflicht der Hauseigentümer und Arbeitgeber enorm zu erhöhen. Aus besseren Kreisen. Vor der Strafkammer des Landgerichts Nürnberg spielte sich ein interessanter Prozeß ab. Angeklagt war ein ehemaliges Kammermädchen namens Lina Hcrter, der Held deS Prozesses da- gegen war der Sohn Fridolf des millionenreichen Generalstabs- obersten Rieter ans der Schweiz . Der Herr Sohn hat im Jahre 1903 das im Hanse des Obersten bcdienstete Mädchen zur Berede- lung der Rasse der niederen Klasse verwendet. Als sich die Folgen in der Schwangerschaft des Mädchens zeigten, tat die Frau Oberst alles, um ihren Herrn Sohn„vor einem Makel zu bewahren". Das junge unerfahrene Mädchen wurde mit der Summe von— 1000 Frank abgefunden: weitere 4000 Frank sollte es ratenweise, je nach der Lebensdauer des zu erwartenden Kindes, erhalten, aber nur unter ganz sonderbaren Bedingungen. U. a. sollte das Mädchen niemals die Herkunft des Kindes verraten und das Mädchen selbst ihr Leben lang die Schweiz nicht mehr betreten dürfen. In dem schriftlichen Abfindungsvertrag war die andere Vertragspartei mit „Frau X. und ihr Sohn D." bezeichnet. Dem Mädchen wurde nicht einmal dieser Vertrag erfüllt. Es strengte darauf Vatcrschafts- klage gegen den Herrn Sohn an. Das Bezirksgericht in Winter- thur wies die Klage ab mit der Begründung, die Klägerin sei durch Vergleich bereits befriedigt. Das Obergericht in Zürich erklärte aber die Klage für zulässig, weil ein Vergleich, der vor der Ein- reichung einer Vaterschaftsklage abgeschlossen werde, nicht rechts- gültig sei. Um nun die Verhandlung vor dem Appellationsgerichts- Hof in Zürich zu vermeiden, suchte die Frau Oberst— der Herr Oberst weiß heute von der ganzen Sache noch nichts— wiederum zu vergleichen. Die Verhandlungen mit dem Mädchen begannen schon auf der Fahrt nach Zürich . Der Anwalt der Frau Oberst brachte durch allerhand Drohungen mit Verlesung von das Mädchen eventuell kompromittierenden Briefen seiner Mutter es zu einem Vergleich. Das Mädchen zog die Rcvisionsklage zurück. Sie erhielt 5000 Frank(4000 M.i. Hierbei wurde ihr erklärt, falls es ihr mal schlecht gehen sollte, könne sie sich immer wieder an die Frau Oberst wenden. Das Mädchen gründete sich mit dem Gelde in Zürich dann ein Geschäft. Bald mußte es aber wegen eines Unterleibsleidens sich zweimal operieren lassen und lange im Krankenhause zubringen. DaS Geschäft ging zugrunde. In der bittersten Not wandte sie sich dann an den Vater ihres lebenden Kindes bezw. an die Frau Oberst um Unterstützung nicht für sich selbst, sondern für da? arme Kind. Sie erhielt nicht einmal eine Antwort. Eines Tages fuhr die Kindsmutter nach Nürnberg , um eine dort erhaltene Stellung an- zutreten. In Lindau i. B. erblickte sie gelegentlich der Zollrevision den Bater ihres Kindes unter den Fahrgästen des gleichen ZugeS, in dem sie fuhr. Zwischen St. Margareten und Kempten suchte sie dann den Herrn in seinem Abteil 1. Klasse auf, um mit ihm eine gütliche Unterredung anzubahnen. Er hielt es aber unter seiner Würde, ihr Slntwort zu geben. Da ging das Mädchen zurück in ihren Abteil 3. Klasse, holte ihr dort fitzendes Kind und stellte eS dem Vater mit der Bitte vor, er möge sein Kind ansehen. Skun war der Teufel los. Der Herr Vater wollte„kein Kind" und„keine Mutter" sehen und kennen, drohte mit dem Ziehen der Notleine und warf schließlich die Mutter samt dem Kinde zum Abteil hinaus. Zufällig traf die Mutter den Vater ihres KindcS später nochmals in Nürnberg , wo der Herr als Praktikant in einem Industrie- etablisseinent tätig war. Sie bat ihn um Sicherstellung eines Geld- betrags für das Kind. Der hochwohlgeborene Vater wies der ver- zweifelten Mutter die Türe. Als eines Tages die Mutter in höchster Verzweiflung ihr Kind dem Vater auf die Türschwelle ge- setzt hatte, in einem Moment, wo der Herr die Treppe heraufkam, da stieg der Mensch herzlos über das weinende Kind hinweg in fein Zimmer, kam gleich wieder heraus, um— einen Schutzmann zu holen. Nicht genug damit, ließ der Herr Vater das Mädchen ein andermal wegen Bettelns und Landstreicherei verhaften. Ohne Erfolg. Die Polizei konnte selbst mit dem besten Willen keine recht- lichen Gründe zur Aufrechthaltung der Haft finden. Schließlich glaubte sich der Herr seiner Vatcrpflicht endgültig entziehen zu können, wenn er die Mutter seines KindeS wegen Erpressungsver- fuchs anzeigte. Das Gericht sprach das arme Mädchen nach vier» stündiger Verhandlung und nach einer vernichtenden Kritik deS Ver- teidigers an dem Verhalten der Oberstenfamilie bezw. an dem Obsrstensohn frei. So wurde der Herr Sohn des Herrn millionenrcichen General- stabsobersten„vor einem Makel bewahrt". Schulärzte in Lübeck . Die Lübecker Bürgerschaft nahm die Senatsvorlage auf An- stellung von 10 Schulärzten an. Zur Auslegung des Arbeitsvertrages. DaS Reichsgericht, das selten über Arbeitsverträge zu ent- scheiden hat. hat dieser Tage über das Recht des Prinzipals auf Einspruch gegen Verwertung der Arbeitskraft dcS noch nicht ent- lasscnen Angestellten in einem anderen Geschäft eine Entscheidung getroffen. Der Konfektionär K. zu Berlin befand sich seit dem 1. Januar 1905 bei der Firma lahmer u. Locweiihcim. die eine Tamenmäntclfabrik betreibt, als Konfektionär und Verkäufer gegen ein Jahresgehalt von 10000 M. und 2 Proz. Provision von den von ihm abgeschlossenen Geschäften, in Stellung. Nach dem Anstellungsvertrage sollte das Dienstverhältnis vom I. Januar 1906 ab von beiden Seiten vom ersten eines jeden Kalcndervicrtcl� jahres unter Einhaltung einer vierteljährlichen Kündigungsfrist kündbar sein. Im Mai 1906 nahm K. aber eine Stellung bei der Firma Isenburg u. Lewin, einer Konkurrentin seines Dienst- Herrn, für den 1. Juli 1906 als �konfektionär an. Er erklärte dem Inhaber seiner Dienstsirma, daß er jetzt eine Stellung gefunden habe, Ivo er jährlich 5000 M. mehr verdiene und bat um feine Entlassung bis zum 1. Juli 1906. Diese wurde ihm ver- weigert mit Rücksicht auf die bevorstehende Saison. Da K. nun nicht mehr arbeitete, erhob die Firma Sahmer u. Loewcnheim Klage aus Verurteilung des K. zur Nnterlassung jeder geschäftlichen Tätigkeit für die Firma Isenburg n. Levin für die Kündigungs- frist vom 1. Juli bis 30. September 1906. Am 4. Juli 1906 stellte K. die Arbeit bei der Klägerin ein und trat in den Dienst der Firma Isenburg u. Levin. Er meinte, daß er das Dienstverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist habe verlassen können, weil er nicht angemessen behandelt und beschäftigt worden sei. Nachdem das Landgericht Berlin die Klägerin abgewiesen hatte. stellte diese vor dem Kammergericht den Antrag, das erste Urteil abzuändern und festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet gewesen sei, während der Kündigungsfrist eine geschäftliche Tätigkeit b:i der Konkurrentin zu unterlassen. Diesem Antrage gemäß ent- sprach das Kammergericht unter Verurteilung des Beklagten, indem es sich hauptsächlich auf den ß 611 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezog. Gegen die Entscheidung des Kammergerichtes hatte der Beklagte das Reichsgericht angerufen. Der III. Zivilsenat desselben erkannte jedoch ebenso wie das Kammergericht auf Verurteilung des Be- klagten unter Zurückweisung seiner Revision. Er führt hierzu in der Urteilsbegründung aus, daß der Anspruch im vorliegenden Falle allerdings nicht auf den Z 60 des Handelsgesetzbuchs gestützt werden könne, weil der Beklagte bei Isenburg u. Levin als blosser Konfektionär weder für eigene noch für fremde Rechnung„Ge- schäfte machte". Wohl aber folge er aus§ 611 des Bürgerlichen Gesetzbuchs , weil der Handlungsgehülfe danach während der Dauer des Vertragsverhältnisses zur„Leistung der versprochenen Dienste" verpflichtet ist. Denn hierin liege, daß der Gchülfe während der Vertragsdauer verbunden ist, seine Arbeitskraft während der Ge- schäftSzeit zur Verfügung des Prinzipals zu halten. Er dürfe daher, solange er aus irgendeinem Grunde diesem die versprochenen Dienste nicht wirklich leistet, insbesondere, wenn er sie infolge un- befugten Verlassens seiner Stellung zu leisten unterläßt, nicht einem anderen Dienste leisten. Er verletzte damit daS dem Prinzipal zustehende ausschließliche Recht auf seine, des Handlungs- gehülfen, Arbeitslraft._ Wie man Arbeiter fesselt. Am 27. Oktober hatten wir mitgeteilt, daß der Entwurf zu der Wohlfahrtseinrichtung mit dem raffiniert ausgeklügeltem Prämien- system der Firma Bestchorn in Aschersleben infolge des Protestes der Arbeiter von der Firma zurückgezogen ist. Gestern hatten wir die Mitteilung über den Plan zu dieser Wohlfahrtseinrichtung wiederholt, weil sie nur in einem Teil der Auslage unseres Blattes enthalten war. Hierbei ist übersehen, auf die Zurückziehung dieses„Wohlfahrtseinrichtungs'-Entwurfs nochmals hinzuweisen. Wir holen das versäumte hiermit nach. ßcrichtQ- Zeitung. Polizei auf der Anklagebank. Die dreisten Gesetzwidrigkeiten der Polizei bei Streik- bewegungen sind endlich einmal in Osnabrück als solche vom Ge- richt gekennzeichnet. Dort streiken schon seit Monaten die Ar- beiter der Gasuhrenfabrik Kromschrödcr. Die Anteilnahme der Behörden an dem Wohl und Wehe der um ihr Brot kämpfenden Armut beschränkt sich, wie gewöhnlich, auf Razzia» gegen Streik- Posten und Anzettelung von Massenprozesseu gegen die streikenden Arbeiter. So wurde am Sonnabend vor dem OLnabrücker Schöffengericht gegen eine ganze Anzahl Streikposten verhandelt; zuerst gegen den Klempner Kohler und den Arbeiter Steffen. Sie waren beschuldigt, am 21. September„groben Unfug" verübt und einen Streikbrecher namens Klaus durch körperlichen Zwang zu bestimmen versucht zu haben, sich dem Streik anzuschließen. Der Polizeisergeant H. stellt den Vorgang wie folgt dar: Er habe bei der GaSuhrfabrik„Posten gehabt". Der Arbeiter Klaus habe ihn nach der Fabrik gefragt. Er habe dann gesehen, wie Köhler auf Klaus zutrat und mit ihm verhandelte. Als ihm, dem Polizei- sergcantcn, diese Verhandlungen zu lange dauerten, sei er auf die beiden zugegangen und habe Köhler aufgefordert, den Mann„unbehelligt" gehen zu lassen. Auf den erstaunten Vorhalt deS Ge- richtSvorsitzcnden, daß zu einem solchen Einschreiten der Polizei doch absolut kein Grund vorgelegen hätte, erklärte der Polizist. es sei den Beamten von ihren Vorgesetzten eine dahingehende Vorschrift erteilt. Köhler habe ihm erwidert, er wolle den Mann über die Lage der Dinge aufklären. daS fei fein gutes Recht. Er, der Beamte, habe dem Köhler dann bedeutet. daS fei jetzt in ge- niigendem Masse geschehen, er müsse ihm jetzt«ach der Wache folgen... Als er darauf Köhler„abgeführt" habe, sei Steffen zu dem Klaus getreten und habe die Verhandlungen mit diesem fortgesetzt. DrShalb sei er, der Herr Sergeant, mit Köhler umgekehrt und habe Steffen auch gleich mitgenommen! Ein Menschenauflauf sei nicht entstanden. Er habe auch in der Nähe andere Leute nicht gesehen; etwa 40 Meter entfernt hätten nur einige Frauen gestanden. Trotz dieser für die polizeiliche Wirt- schaft so bezeichnenden Bekundungen des einzigen Zeugen bc- antragte der Amtsanwalt(ebenfalls ein Polizist: Polizeisergeant Lemke) drei Monate Gefängnis und 15 M. Geldstrafe gegen beide Angeklagte. Steffen erwiderte auf die Frage, was er zu feiner Verteidigung sagen wolle, es sei kein Wunder, wenn die Polizei so gegen Streikposten vorgehe, sie werde ja vom Kontor der Gas- Uhrenfabrik auS kommandiert.— Das Urteil lautete auf kosten- lose Freisprechung. Das Gericht führte auS: Ten Arbeitern ist nach§ 152 der Reichs-Gewerbcordnung das Koalitionsrecht ge- währleistet und damit auch daS Streikpostenstchen erlaubt. Nach einer Reichsgcrichtsentscheidung bleibt auch die Einwirkung auf den Willen anderer straflos, vorbehaltlich der in§ 153 vor- gesehenen Fälle. Es liegt keine Spur von grobem Unfug oder körperlichem Zwang vor. Sodann kamen fünf Klempner an die Reihe, die ebenfalls vor der Fabrik Posten gestanden und auf eine„im Interesse eines ge- ordneten Verkehrs" ergangene polizeiliche Aufforderung den Fahr- dämm nicht geräumt hatten. Hierzu erzählten zwei Polizei- sergeanten, sie hätten von der Polizeidirektion Befehl gehabt» die vor der Krvmschröderschcn Fabrik auf dem Fahrdamm patrouillierende» Streikposten fortzuweisen. Das sei geschehen. und die Namen der„Leute" seien zur Anzeige notiert worden. Daß jemals ein Krawall oder auch nur eine Belästigung von Per- soncn stattgefunden, konnten die Polizisten nicht bekunden. Ter AmtSanwalt meinte, die Polizeidireltion fei zu einem solchen Bor- gehen berechtigt gewesen, da sie die Möglichkeit einer Störung des öffentlichen Verkehrs habe befürchten können. Das Urteil lautete auch in diesen Fällen auf Freisprechung. Die Anweisung der Polizeidirektion sei nicht dahin ergangen, jegliche Passanten fort- zuweisen, sondern nur die Streikposten. Eine solche Anweisung sei aber ungesetzlich.— Die„Hüter des Gesetzes" in Osnabrück sind nicht schlimmer wie irgend sonst im Rechtsstaate Preußen, bloß finden sie nicht überall und stets so gerechte Richter! Wann wird endlich gegen die Polizeibeamten strafrechtlich
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