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Cln altes Lieck! In derV o l k s z e i t u n g" veröffentlicht ein ungenannter Führer der Hirsch- Dunckcrschen Gcwcrkvercine einen Artikel unter dem Titel:Neue Ziele, neue Aufgaben". Dieser Titel klingt ja ganz viclverheißend, verheißungsvoller noch das klirrende Zitat: Hinweg die feige KnechtSgeberde! Zerbrich der Heimat Schneckenhaus I Zieh mutig in die Welt hinaus I Aber so tatenkühn auch diese Worte klingen, der ganze Artikel variiert mir das alte, abgesungene Lied, das vor einem Jahrzehnt die Nationalsozialen anstimmten, als auch sie die Welt zu erobern sich anschickten! Der Gewerkvercinsführer, der offenbar zu denen gehört, die dieser Tage einen Aufruf erließen, der zu energischer poli- tischer Betätigung in freiheitlicher Richtung aufforderte, ruft zur Gründung politischer Arbeitervereine auf. Dieser Führer derneutralen" Hirsch-Dunckerschen Organisation hat also endlich begriffen, dag die liberale Harmonieduselei vom Uebel ist. Ebenso richtig kennzeichnet er die Gruppen des ch ristlich en Arbeite rko n g resse s als Träger einer reaktionären Gr undgesinnung". Dann aber versagt seine Politische und soziale Einsicht. Denn auch die sozialdemokratische Partei, diese politische Orga- nisation des Proletariats, findet vor seinen Augen keine Gnade. Denn sie sei international, und dieseKinder- krankheit" des Internationalismus habeabgewirtschaftet". Folglich müsse die neue Arbeiterorganisation zwar in erster Linie freiheitlich sein, aber auchnational". Also genau daS, waS die Nationalsozialen als ihr Pro- gramnr formulierten I Es ist eigentlich unglaublich, daß ein G ö w e r k s ch a f t s- f ü h r e r gegen den Internationalismus eifert. Als ob nicht jeder große Streik, jede sozialpolitische Maßnahme die Not- wendigkeit internationaler proletarischer Tätigkeit be- weise. Ganz abgesehen davon, daß auch vom politischen Standpunkt aus die Jnternattonalität gerade für das Pro- letariat eine Pflicht der Selbsterhaltung ist. Wenn man die Gründung politischer Arbeiter- vereine, also proletarischer Klassenorganisationen, befiir- wortct, erkennt man dadurch nicht den Klassengegensatz gegen die besitzenden Klassen, die Ausbeuterschichten an? Wenn das aber der Fall ist, ist es dann nicht unlogisch und töricht, dennoch an jenem Pseudo- Patriotismus und chauvinistischen Nationalismus festzuhalten, der gerade eine Erfindung und ein Mittel der herrschenden Kapitalistenklasse ist, um das Volk darniederzuhalten und von dessen wahren Interessen abzulenken? Und ist es nicht ein kritikloses Nachsprechen der kapi  - talistischen Lügen, daß die Sozialdemokratie international im Sinne von antinational sei? Im Gegenteil: die So- zialdcmokratie ist die einzig wirkliche nationale Partei! Ihr Nationalismus ist nur positiv und kulturell aufbauend, statt negativ und z e r st ö r e n d wie der Hurra-NationalismuS der Herrschenden, der sich nur in der Unterdrückung der eigenen Volksmassen und der elenden Verhetzung der Völker gegeneinander betätigt I Das sollte ein einsichtiger Arbeiterführer, der einmal mit dem kapitalistischen   Dogma der Jnteressensolidarität der Klassen gebrochen hat, doch auch wirklich einzusehen vermögen! Aber wir wollen diese Inkonsequenz nachsichtig beurteilen. Mögen die freifinnigen Arbeiter getrostneutrale" politische Arbeitervereine gründen. Die Logik der Tatsachen wird sie dann schon weiter treiben. Sie werden dann begreifen, daß die nationalsoziale Parole eine Halbheit, ein Irrwahn ist, gut genug, um eine Gruppe von Intellektuellen ein paar Jahre in polifischen Illusionen zu wiegen, aber völlig untauglich für den ernsten, ehrlichen Befreiungskampf der Arbeiterklasse! Politische(leberlickt. Berlin  , den 30. Oktober 1907. Ausländerhatz. Ts scheint bald' so, als suche die Berliner   politische Polizei den parlamentarischen Verhandlungen über das Verbot fremder Sprachen in deutschen   Versammlungen praktischvor- zuarbeiten". Daß sie dabei mit den gewohnten Mitteln brutalster Unterdrückung vorgeht, das wird den mit ihrer Praxis Vertrauten nicht in Erstaunen setzen, und es eröffnet klare Aussichten auf das, was erst den fremdsprachigen A r- b e i t e r n droht, wenn die Pläne der Hakatistischen und der übrigen Scherfmacher gesetzliche Gestalt annehmen. Vor einigen Tagen waren eine Anzahl Russen und einige Deutsche verschiedenster Parteirichtungen, zum Teil auch ganz Parteilose, in der Großen Hamburgerstraße zusammen, um den wissenschaftlichen Vortrag eines russischen Gelehrten über Grundsätze der Staatsanffassungen anzuhören. Sollten die Veranstalter der Zusammenkunft es wirklich verabsäumt haben, die hohe Polizei durch Anmeldung zur Teilnahme ein- zuladen, so wahrscheinlich deshalb, weil sie und wohl mit Recht nicht annahmen, daß das Berliner   Polizeipräsidium sich für wissenschaftliche Vorträge interessiere. Wie wenig jedenfalls die Veranstalter der Zusammenkunft glaubten, durch die Unterlassung der Anmeldung etwas- Unrechtes zu tun, geht ganz klar daraus hervor, daß die Zusammenkunft auf der schwarzen Tafel des Lokals mit großer Schrift an- gekündigt war! Aber tut nichts: der Ausländer ist rechtlos: er wird, wenn'soben" beliebt, verhaftet und ausgewiesen. Ein Heer von Schutzleuten, ausreichend um sänitliche unentdeckten Mörder der letzten zwanzig Jahre zu ergreifen, drang ins Lokal ein, schleppte die etwa dreißig Anwesenden im Zuge zur Wache wie's einmal so Polizeistil ist. Er- gebnis: Ein halbes Dutzend Ausweisungen, Verhaftungen, Haussuchungen. Einer der Teilnehmer wird gar ins Untersuchungsgefängnis geschleppt und sitzt dort, wie wir hören, auch heute noch nach mehr als einer Woche! Aus welchem Grunde? Vielleicht erfährt man darüber bald etwas aus einem der unserer werten Polizei zur Verfügung stehenden Blättlein..,, PairSkammer und Wahlrechtsreform. Die bürgerlichen Parteien in der Zweiten Kammer dcS sächsischen Landtages sind bemüht, gleichzeitig mit der Wahlrechtsreform, über die sie sich völlig im unklaren find, eine Aenderung der Zusammensetzung der E r st e n Kammer zu er- reichen. Die treibenden Kräfte sind hierbei die Industriellen. Sie möchten die Wahlrechtsreform für die Zweite Kammer als zur Erreichung einer möglichst zahlreichen Jntereffenvertrewng in der PairSkammer ausspielen Deshalb stürmten alle bürgerlichen Parteien zugleich für eine Reform der Ersten Kammer unter Berück- sichtigung der kommerziellen Sonderinteressen vor. Die sächsische Erste Kammer ist allerdings noch ein wahrhaft mittelalterliches Gebilde. Die Vertreter werden zum größten Teil vom Könige auf Lebenszeit berufen oder von Nittergutsbesitzern ge- wählt. Rittergutsbesitzer beherrschen auch die PairSkammer, in der die Oberbürgermeister nicht aufkommen können, die übrigens auch meist im Strome der Reaktion mitschwinimeu. Dagegen gibt es für uns nur ein Radikalmittel, die völlige Beseitigung dieses Herrenhauses. Diesen unfern Standpunkt betonte auch Genosse Gold stein scharf durch Abgabe folgender Erklärung, die zugleich eine kurze, aber treffende Kennzeichnung der Ersten Kammer überhaupt enthält: Weil nur eine schleunige Abschaffung der Ersten Kammer der Privilegierten und die Schaffung einer aus allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlen hervorgegangenen wirk- lichen Volkskammer dem Wohle der weitesten Volkskreise dient und deren Forderungen entspricht, imd nachdem von feiten der Ersten Kammer bisher bei allen Gesetzesvorlagen eine besondere Feindseligkeit gegen die Partei des Proletariats zutage getreten ist, so besteht für mich keine Veranlassung, mich an den Detail- antragen der Parteien in der Zweite» Kammer über das Mehr oder Weniger einer Reform der Privilegicrten-Kammer zu beteiligen. Selbstverständlich werde ich gegen sämlliche Reformanträge stimmen." Die Bemühungen der Nationalliberalcn und Konservativen, die Wahlrechisreform als KoinpensationSobjelt für ihre Sonderinteressen in der Ersten Kammer auszuspielen, werden voraussichtlich keinen Erfolg haben. Staats mini st er v. Hohenthal   erklärte, die Regierung werde nicht eher einen Gesetzentwurf für die Refonn der Ersten Kammer ausarbeiten, bevor nicht die Wahlrechtsvorlage für die Zweite Kammer erledigt sei. Dabei würden sich ja ohnehin große Schwierigkeiten ergeben, so daß das Entgegenkommen aller Parteien nötig fei, wenn etwas zustande kommen sollte. VomErsatz Eulenburg" handelt ein Artikel derNeuen Gesellschaftlichen Korrespondenz", in dem behauptet wird, daß noch immer Männervon diesem Bunde  " fast täglich Gelegenheit haben, das Ohr des Kaisers zu erlangen, daßin der Berliner   Hofgesellschaft, in den Aniichambres Seiner Majestät des Deutschen Kaisers und Königs von Preußen noch mancher Hohenau   und Lynar(das sollen Gattungsnamen sein)" ein- und auslaufe,über den die ge- schminkten Bengel an der Kranzlerecke so genau Bescheid wissen, baß sie sich vor keinem Polizeikommissar und keinem Staatsanwalt fürchten. Die meisten von ihnen sind gekannt und gekennzeichnet. Es ist genau wie früher..." Es ist genau wie früher... So sagt der feudale Herausgeber derNeuen Gesellschaftlichen Korrespondenz". Er kann's wissen!_ Berufung im Prozcst Harden. Aus dem Bureau des Justizrats v. Gordon wird mit- geteilt, daß Graf Moltke gegen das freisprechende Urteil B e- rufung einlegen wird, sobald die genaue Abschrift der Urteilsbegründung in den Händen seines Rechtsbeistandes ist. Die Novelle zur Gewerbeordnung. Die Novelle zur Gewerbeordnung ist immer noch nicht publiziert. Inzwischen werden in einer Reihe von Blättern über den angebliche» Inhalt der Novelle Andeutungen gemacht, die im wesentlichen die von uns am 31. August registrierten reichlich unbestimmten Ans- lassnngen derBerliner Politischen Nachrichten" variieren. Wir haben mehrfach endliche Veröffentlichung der Novelle im Interesse der Ar- beiter verlangt. Die Veröffentlichung scheint zu unterbleiben, weil der Entwurf in der Tat nicht das geringste irgend Erhebliche für die Arbeiterklasse enthält. Die Mutmaßungen, welche Vor- schristen die Novelle vielleicht, möglicherweise oder wahrscheinlich ent- halten wird, sind für die Allgemeinheit belanglos. Ist der Entwurf der Gewerbeordnungsnovelle in der Tat so inhaltlos oder gar so reaktionär, daß er recht lange im Dunkeln gehalten werden muß? Gegen die Amtsgerichtsreformvorschläge, die wir sofort nach ihrer Veröffentlichung imReichSanzeiger" be- sprachen, hat die AnwaltSkammcr im Bezirke des Oberlandes- gerichtS in Frankfurt   a. M. in ihrer sehr zahlreich besuchten Jahresversammlung folgende Resolution einstimmig gefaßt: Eine Neuregelung des amtsgerichtlichen Verfahrens allein, ohne gleichzeitige Reform des ZivilprozesseS überhaupt und der Kosten- gesctze ist abzulehnen. Der imReichSanzeiger" veröffentlichte Entwurf eines Gesetzes betreffend Aenderungen des GerichtsverfassungSgesetzeS  , der Zivil- Prozeßordnung usw. ist nicht geeignet, eine Verbilligung und Beschleunigung des amtsgerichtlichen V e r- fahrens herbeizuführen. Es mag dahingestellt bleiben, ob bei einer anders ge- regelten Justizorganisation eine Erweiterung der amts- gerichtlichen Zuständigkeit nach sachlichen Kriterien gerechtfertigt erscheiiien köiinte; jedenfalls gefährdet unter den gegenwärtigen Verhältnissen, zumal in den Großstädten, die Erweiterung'der amtsgerichtlichen Kompetenz eine sachdienliche Behandlung der Prozesse. Das Drängen und die Unruhe eineS zahlreichen Publikums in meist unzureichenden Räumlichkeiten, die Ueberbürdung der Richter in der öffentlichen Sitzmig mit Geschäften subalterner Natur (Versäumnis- und Anerkenntnissachen, OffeiibariliigSverfahren usw.) verhindern vielfach schon jetzt, daß die RechtSstreitigkeiten mit der erforderlichen Ruhe, Sammlung und Würde behandelt werden. Nicht »niider steht einer raschen und sachdienlichen Erledigung der Prozesse der häufige Wechsel in der Person der zur Nechstprechnng be- rufeneu Richter entgegen. Hierzu kommt, daß die im Entwurf vor­gesehene Einschränkung der Vertretung durch Anwälte eine zweck- entsprechende und erschöpfende Jnstruicrung und damit eine richtige Rechtsprechung gefährdet. Die vom Entivurf vorgesehene Abänderung des§ 48 des Gerichtskosieiigesetzes bedingt ferner eine erhebliche Verteuerung der Rechtspflege. Würde diese Bestimmung zum Gesetz erhoben, so wären häufig die Parteivertreter genötigt, Prozesse, deren Streitstoff noch nicht zusammengetragen ist, vorzeitig zur Verhandlung zu bringen oder zur Vermeidung der Folgen deL Z 48 das Verfahren ruhen zu lassen. Im ersteren Falle wäre eine vorzeitige Entscheidung und damit eine häufigere Inanspruchnahme der zweiten Instanz die Folge; im zweiten Falle würde die Bestimmung ihren Zweck verfehlen. UeberdieS ist an den Gerichten der Großstädte, bei denen zahlreiche Kammern und Abteilungen gleichzeitig tage», eine Terminsverlegung häusig durch äußere Umstände geboten, auf welche Partei und An- walt ohne Einfluß sind."»-_ Kehre vor der eigenen Tür! DieDeutsche TageSztg." bat imVorwärts' einen Widerspruch zwischen seinem redaktionellen und seinem Inseratenteile bemerkt. Während an der Spitze seiner Beilage zum Boykott der Firma Jandorf aufgefordert werde, bringe er im Inseratenteile eine seitenlange Anzeige dieses Waren« Hauses. Da-Z Blatt des wackeren Knuten-Oertcl schwindelt! Seine Notiz bezieht sich aus die Nummer vom 20. Oktober. In dieser Nummer wird im redaktionellen Teil nicht zum Boylott der Firma Jandorf aufgefordert, vielmehr zur starlen Beteiligung an einem Extra-Zahlabend, an dem über den Boykott der Finna Jandorf erst beschlossen werden sollte. Solange der Boykott nicht verhängt war, konnte selbstverständlich auch die Expedition desVorwärts" der Firma Jandorf nicht die Aufnahme eines Inserats verweigern I Daß politische Blätter ohne Inserate nicht auskommen können, ist eine Tatsache, die von der Sozia ldemokratte am meisten bedauert wird. Schon L a s s a l l e hat ja bekanntlich aus diesen Ouell der Korruption für die bürgerliche Presse hingewiesen. Aber war es nicht gerade die bürgerliche Presse, die sich am meisten ent- rüstete, als seinerzeit das Scherlsche Projekt eines amtlichen I n s e r a t e n in o n o p o l S auftauchte? Gehörte damals nicht auch das Agrarierorgan zu den erbittertsten Gegnern dieses Projektes? llebrigenS hätte gerade das Oertel-Blatt alle Ursache, vor der eigenen Tür zu lehren! Dies fromme Blatt, das sich mit einem sittlichen Pathos, das Herrn Stöcker oder Herrn Harden zur Ehre gereichen würde, über daS Sinken der Geburtsziffer Berlins   entrüstet, verschmäht cS nicht, im Inseratenteile Annoncen Aufnahme zu gewähren, in denen die bekannten Schristen zur V e r- hütung der Konzeption usw. marktschreierisch angekündigt werden 1 Also künftig etwas weniger dreist verleumdet, edles Junkcr- organ I_ Koloniales. Herr Dernburg   ist also glücklich in Neapel   angekommen und hat sofort seine Befriedigung über die Vorzüge OstafrikaS   aus- gedrückt. Tröstlich ist, daß Herr Dernburg   versichert, mit..keiner großen Geldforderung" zurückgekommen zu sein. Hoffentlich weichen die Ansichten DcrnburgS, der ja als früherer Direktor einer Großbank mit sehr großen Summen zu rechnen gewohnt war, über das, was große Geldfordcrungen sind, nicht allzusehr von denen der Steuerzahler ab! Nur fürchten wir, daß, was in diesem Jahr eventuell für Ostafrika   nicht gefordert wird, reichlich kam- pcnsiert werden wird durch Forderungen für die herrlichste unserer Kolonien: für S ü d lv est a f r i ka. Ein minder schwerer Fall drei Jahre und siebe« Monate Gefängnis! Wie in der Nr. 233 mitgeteilt, hat das Kriegsgericht der 18. Division(Altona  ) den Musketier Georg B ä u m l c r der 12. Kompagnie des 84. Jnfanterie-Rcgiments in Schleswig   wegen in Trunkenheit begangener Exzesse, die sich als Ungehorsam, Wider- stand, Beleidigung und tätlichen Angriffs gegen Vorgesetzte qualifi- zieren sollen, zu der drakonischen Strafe von S Jahren und 7 Monaten Gefängnis verurteilt. Die der Anklag« zugrunde liegenden Vorgänge haben sich im Manövergelände in Mecklenburg  zugetragen, wo es war ein sehr kühler Abend die Soldaten sich an dem Wachtfeuer einen steifen Grog brauten, den B., ein Süddeutscher, nicht vertragen konnte. Nachdem er mit seinen Kameraden herumkrakcclt hatte, ließ ihn der aus seinem Schlafe gestörte Hauptmann in die Feuerwache abführen, wo sich mehrere Unteroffiziere befanden. Diesen gegenüber gebrauchte der Bc- trunkene Kraftausdrücke und gestikulierte heftig mit den Armen, so daß er die Vorgesetzten berührt haben soll. Durch diese Vor- gänge soll die militärische Disziplin so stark erschüttert worden sein, daß zu deren Wiederherstellung das Kriegsgericht auf das horrende Strafmaß erkennen zu sollen glaubte. Gegen das Urteil hat B. durch seinen Verteidiger. Dr. Schwenk- Altona, Berufung eingelegt. Die erste Instanz hatte die Ladung eines ärztlichen Sachverständigen abgelehnt. Zu der Verhandlung vor dem Oberkriegsaericht des 9. Armeekorps ist der Oberstabsarzt Dr. Richter als Sachverständiger geladen worden. Der Verteidiger rügt das Urteil der ersten Instanz in zwei Richtungen. Zunächst könne von einem tätlichen Angriff gegen Vorgesetzte keine Rede sein, weil der Angeklagte nur mit den Händen gestikuliert habe, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, wie auch der eine Unteroffizier denselben Eindruck gehabt habe. Dann müsse gerügt werden, daß das Kriegsgericht den Alkoholexzcß nicht als einen minder schweren Fall angesehen habe. Seine» Meinung nach habe B. sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande befunden, weshalb auf Freisprechung erkannt werden müsse. Der Sachverständige hält den Angeklagten für einen cholerischen, leicht aufgeregten Menschen, der wohl stark an- getrunken gewesen sei, sich aber nicht in dem vom Verteidiger an- genommenen Zustande befunden habe. Der Vertreter der Anklage beantragt kurz die Bc- stätigung des Urteils erster Instanz. Das Urteil sei zwar hart. aber gerecht, denn der Angeklagte habe schwere Disziplinverftöße im Dienste und vor versammelter Mannschaft begangen. Das Oberkriegsgericht ermäßigte das Urteil auf 3 Jahre und 7 Monate Gefängnis, indem es die Tat des An- geklagten als einen minder schweren Fall erachtete! Die badische Regierung im Kampfe mit ihren Eisenbahnangestellten. Der bekannte Fall Schäufele   scheint bei der Regierung dcS MusterländchenS zum System erhoben zu sein. Der Redaktion un- seres Karlsruher   Parteiorgans ist ein Erlaß auf den Tisch geflogen, welcher vom 30. September 1907 datiert ist und der Presse der Eisenbahnangestellten einen Maulkorb anlegen will. Ii» Organ des christlichen Eisenbahnerverbandes, demBadischen Eisenbahner", war daS geringe Entgegenkommen der General. direktion gegenüber den Güter- und Werftarbeitern in Offenburg  scharf, aber sachlich kritisiert. In ihrem Erlaß erklärte nun die Gcneraldirektion: Die Verwaltung kann nicht dulden, daß als Ergebnis von Versammlungen Resolutionen gefaßt und Beschlüsse der- öffentlicht werden, die in verhetzender Weise grobe Ungerechtig- leiten enthalten und einen der dienstlichen Ordnung widersprechenden Ton anschlagen." Man eröffnete also dem Schmied Müller, dem Vorsitzenden de  ? Eisenbahnerverbandes, daß ähnliche Resolutionen, wie die der Offenburger   Güterarbciter, künftig weder gefaßt noch im Badischen Eisenbahner" veröffentlicht werden dürfen. Im anderen Falle werde die Regierungihre Stellung zu dem Verbände ändern." Was das heißt, kennt man zur Ge- nüge. So geht man schon mit christlichen Arbeitern um! Das war der erste Streich: der zweite folgt sogleich. In den letzten Wochen forderten die Bureauassistenten eine er- hebliche Vermehrung der Assistentenstellen im inneren Dienste. Ihre Forderungen wurden sogar von der Gencraldirektion unterstützt und diese plädierte beim Eisenbahnministerium auf Schaffung von 140 neuen Bureauassistentcnstellen. Kurzerhand strich aber der Eisenbahnininister v. Marschall   die Hälfte dieser Stellen. Bei den Bureauassistenten machte sich darob berechtigte Empörung geltend und sie gaben in ihrem Organ der Auffassung Ausdruck, daß der Eisenbahnminister in vollständiger Unkenntnis der Sachlage die Streichung unternommen oder auch unter dem Ein- flutz des Finanzministers gehandelt habe. Diese bloße Konstatie- rung einer Tatsache veranlaßte den Eisenbahnminister, an den Re- dakteur des Beamtenorgans das ungeheuerliche Ansinnen zu stellen, den Verfasser des Artikels zu nennen! Der Redak- teur lehnte selbstverständlich die unwürdige Zumutung ab und er- klärte, die Redewendung gegen den Minister bedauere er, den sach­lichen Inhalt des Arttkels mache er sich aber zu eigen. Darauf ließ der Minister die drei Vorstandsmitglieder des Verbandes der Bureau-, Kanzlei- und Rechnungsbcainten vorladen und stellte sie vor die Alternative, entweder den Verfasser deS Artikels zu nennen oder mit der Möglichkeit ihrer Entlassung zu rechnen. So sieht der neueste Zeugniszwang aus, der in Baden großes Aufsehen erregt. Man ist auf den Ausgang der Sache, die sich noch in der Schwebe befindet, um so mehr gespannt, als der badische Landtag in einigen Tagen zusammentritt.