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Scilagc zumVomärts" Berliner   Bolksblatt. Zlr.«. Sonnabrild-, den 7. Januar 1893. 10. Jahrg. Portales; A«K dem Rothe» Haus. Die vorsteherlose, die schreckliche Zeit ist für die Berliner   Stadtverordneten-Versammlung vorüber. Aas Philisterthum, welches allwöchentlich eininal von der Spandauerstrape aus Berlin   regiert, hat seine Spitzen für das laufende Jahr ernannt, und damit auch das komische Element rn dem ernsten stadtväterlichen Schauspiel zu seinem Recht kommt. den Kollegen Meyer II. männiglich unter dem Namen Biermeyer bekannt, zum Vorsteher-Stellvertreter auserkoren. Es war über- Haupt ein Kampf zwischen zwei Meyern, der am Donnerstag die Hallen des Rathhauses durchtobte. Der Eine davon ist allerdings richtig gemeyert�worden. Erst läßt er die famose Judenschutz- Petition in Rücksicht auf die freisinnigen Freunde ins Wasser fallen, und nachdem, er sich durch diesen Heroismus des Donnerstags- Präsidiums in Vertretung würdig gezeigt zu haben glaubte, hoben seine Freunde den andern Meyer auf den Schild. Armer Meyer I, es giebt keine Gerechtigkeit mehr, selbst auf dieWasser- stiefler" kann man nicht mehr bauen.Haust Du meinen Stryck. so hau ich Deinen Meyer", tönte der Schlachtruf der wild gc- wordenen Philister, und so kam es denn, daß Meyer I in der Versenkung verschwand, und Meyer II, der lustige Alexander und Entdecker derBezirksdemogogie" von den Vertreter» der Bezirksvereine, die er geschmäht, an den Vorstandstisch gesetzt wurde. Kirchliches aus Weißensee. Unter diesem Titel wird uns aus Weißensee geschrieben: Tie Weißenseer Kirchenpatrone, ins- besondere der sogen. Direktor derselben, Herr Amtsvorsteher Feldt- mann, haben wirklich Pech mit ihren'Pastoren. Nachdem der Pastor Härder die Konfirmanden das Evangelium auf eine ganz eigene Art gelehrt und sich den Folgen seiner Frömmigkeit durch die Flucht entzogen hatte, wurde unsere Gemeinde mit einem würdigeren.(?) Seelsorger versorgt. Derselbe, Füriau ist sein Name, versah das Amt wohl zirka zwei Jahre und heirathete während dieser Zeit die Nichte des Herrn Feldtmann. Ungefähr 14 Tage nach dem Eintritt in den Stand der heiligen Ehe wurde besagter Pastor nach Arnswnlde versetzt, wo ihm die Lust wohl schlecht bekommen ist, denn sein Weibchen kehrte eines schönen Tages zurück und der Herr Pfarrer hatte sich in Begleitung eines anderen weiblichen Wesens verflüchtigt. Trotzdeul ist Herr Feldtmann als Bevollmächtigter der Kirchen- Patrone, im Einverständniß mit denselben, bemüht, diese fette Pfründe durch den Pastor Belke aus Hohen-Schönhausen zu bc- setzen; hat aber die Rechnung ohne das Konsistorium gemacht, welches einen Herrn Lutze als den geeigneten Mann dazu erkoren hat und denselben glücklich zu machen entschlossen ist. Zu diesem Zweck findet am Sonntag bereits die zweite Probepredigt dieses Herrn statt. Nun ist es za interessant mit anzusehen, auf welche Art und Weise die Kirchenpatrone ihren Willen durchsetzen wollen, denn im amtlichen Anzeiger für Weißensee und Umgegend vom 4. Januar ist ein Artikel enthalten, der außer einer spalten- langen Petition an den Herrn Dr. Bosse nichts weniger als die Aufforderung enthält, daß die Weißensee'er am Sonntag alle nach der Kirche kommen sollen, um die Predigt des Herrn Lutze so- zusagen als Proteswersammlung mit anzuhören. Der größere Theil der Bevölkerung des Ortes, die ja überwiegend aus Arbeitern besteht. ist es ganz gleich. durch>ven, oder ob überhaupt die Pastorenstelle besetzt ist; aber dennoch wird sich ein großer Theil, auch der Arbeiter, jedenfalls am Sonntag in der Kirche einfinden, um der Seltenheit einer Protest- Versammlung an diesem geheiligten Ort mit beiwohnen zu können. WeihnachtSiiberraschnngen wenig erfreulicher Art werden olljährlich den Schaffnern der Berliner   Omnibus-Gesellschast zu Theil. Auch in diesem Jahre hat es an solchen Ueberraschungen nicht gefehlt. Die Direktion gewährt ihren Angestellten eine Weihnachtsgratifikation, und diese rechnen natürlich mit derselben, denn sonst würde es bei manchem am Weihnachtsabend recht trübselig hergehen. Für die Schaffner   ist im ersten Dienstjahre ein Geschenk von 10 M., für später ein solches von 20 M. aus­geworfen. Aber die Sache hat ihren riesigen Haken: die Ge- schenke gelangen nämlich nur an diejenigen zur Vertheilung, ghgen welche im Lause des ganzen Jahres keine Anzeige ein- gelaufen ist. Dadurch reduzirl sich die Gcschenksumine um ein ganz beträchtliches, denn ein Omnibusfchafsner, der während voller zwölf Monate nicht einmal angezeigt worden ist, ist ein ähnliches Ding, wie ein weißer Rabe. Unter den Schaffnern giebt es aber außerdem noch Unglücks- Männer, welche das Unglück mit konstanter Bosheit verfolgt. Sie fallen immer herein, da können sie es nun schon anfangen, wie immer sie wollen. Ein solcher Pechvogel ist der Schaffner des Wagens Nr. 141. In der Weibnachtswoche, wo der Verkehr kaum zu dewältigen ist, hatte er oas Unglück, einen Block Billetts (78 Stück ä 12 Pf.) zu verlieren. Die Direktion ließ sich für diese verlorenen Fahrscheine 12 M. bezahlen und als dann zum Ueberfluß nach Anzeige erstattet wurde, wurden ihn, noch 10 M. von der Weihnachtsgratifikation abgezogen. Dem Schaffner kosten also die verlorenen 78 Billets 22 M., während der Block einen Werth von etwa 2022 Pf. rcpräsentirt. Dem Schaffner vom Wagen Nummer 57 ist es nicht besser ergangen. Demselben wurden für 75 M. Fahrscheine gestohlen, der Dieb hat nicht ermittelt werden können. Eine Verwendung der gestohlenen Fahrscheine ist wohl ausgeschlossen, denn dieselbe» werden doch sofort annnllirt und die üvrigen Schaffner hiervon verständigt worden sein. Trotzdem werden dem Schaffner so lange 10 Mark von seinem Gehalt" abgezogen, bis die 75 Mark getilgt sind. Eine Weih- nachtsgratisikation hat derselbe auch nicht erhalten. Es will uns doch dünken, als ob diese Vergehen der Schaffner außergewöhnlich strenge geahndet würden. Ein Gehaltsverlust von 10 Mark monatlich macht für einen Omnibusschaffner schon ein kleines Vermögen aus. In den Fällen, in welchen der Ge- sellschaft pekuniärer Schaden nicht erwachsen ist, erübrigt sich doch diese drakonische Strenge. Immer nobel! Die Postverwaltung leidet bekanntlich an einem chronischen Ueberschuß und die Art und Weise, wie dieser Ueberschuß erzielt wird, ist schon häusig der öffentlichen Kritik unterzogen worden. Jetzt scheint die Post sich,� was Knauserei anbelangt, selbst übertroffen zu haben. Ein bürgerliches Blatt berichtet nämlich:. Zur Bewältigung des Weihnachts-Postverkehrs werden all- jährlich eine große Zahl Hilfskräfte bei der Packet- und Brief- post von der Postdehörde eingestellt. Die betreffenden Reflek- tonten waren in dem irrthümlichen Glauben, daß sie ihre dies- fallsige» Anstellungsgesuche an die Postbehörde unfrankirt ab- schicken dürften. Sie sind jetzt eines Besseren belehrt worden; denn diese für die Postdirektion bestimmten nicht frankirten Brief- sendungen sind wohl von dem Adressaten angenommen, die Brief- umschlüge aber zwecks Erhebung des Strafportos an die resp. Absender zurückgeschickt. Die Anzahl der zurückgesandten straf- fälligen Sendungen soll über 1200 Stück betragen." Wahrscheinlich wäre die Post zu Grunde gegangen, wenn ihr das Porto für diese 1200 Sendungen entgangen wäre. Im übrigen läßt auch diese Ziffer wieder einen recht erbaulichen Schluß auf die herrschende Arbeitslosigkeit zu. Der Polizeipräsident veröffentlicht folgende Warnung: Es sind vielfach Faßhähne aus Zinnlcgirungen zum Abfüllen von Getränken im hiesigen Gewerbebetriebe im Gebrauch, deren Bleigehalt auf die Getränke schädlich einwirkt, so daß durch den Genuß oder die Verwendung derselben bei der Zubereitung von Speisen und Getränken die menschliche Gesundheit gefährdet ist. Es ist zwar die reichsgesetzliche Regelung dieses Gegenstandes in Aussicht genommen, jedoch bietet weder das Nahrungsmittelgesetz, noch das Gesetz, betreffend den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen, zur Zeit eine geeignete Handhabe zu einem Ein- schreiten gegen diesen, die menschliche Gesundheit bedrohenden Brauch. Zur Abwendung von Gefahren, welche aus der Ver- wendung derartiger Faßhähne erwachsen können, läßt das Polizei- Präsidium in den Niederlagen solche Hähne behufs Feststellung ihres Bleigehaltes ankaufen und wird die Verkäufer derjenigen Faßhähne, deren Bleigehalt die durch die vorstehend angezogenen Gesetze festgesetzten Grenzen mehr oder weniger überschreitet, zur Warnung des Publikums in Zukunft öffentlich namhaft machen." Immer noch kein Roth stand. In bürgerlichen Blättern finden wir folgende Notizen: In fast erstarrtem Zustande wurde der 32jährige obdachlose Arbeiter Lohn gestern srüh nach der SanitätsivacheKönigstadt" geschafft; er war in der Prenzlauer Allee hingefallen und hat sich dabei eine Kopfverletzung zugezogen, in Folge dessen der Mann bewußlos liegen blieb. Gegen 4 Uhr Morgens wurde er aufgefunden und nach der obenerwähnten Sanitätswache gebracht, von wo aus L. nach Anlegung eines Nothverbandes nach dem nächstgelegene» Krankenhause überführt wurde. Gleichfalls erstarrt und bewußlos wurde ein älterer Mann, der in der Frankfurter Allee   fast zu derselben Zeit wie Lohn aufgefunden worden war, nach dem Krankenhause Friedrichshain  gebracht. Dort wurde in ihm der frühere Tafeldecker Müller festgestellt. M. war hingefallen und eingeschlafen. Ein dritter ähnlicher Fall wird aus Weißensee gemeldet. Unweit des Cafe Philadelphia   fanden vorübergehende Arbeiter gestern Morgen einen jungen, bisher noch nicht rekognoszirten Menschen, der erstarrt am Wege lag. Auch er wurde in das Krankenhaus am Friedrichshain   geschafft. Wahrscheinlich haben sich alle diese Leute nur aus Ver- gnügen oder aus Bosheit bei der Kälte auf der Straße zum Schlummer niedergelegt. DaS keusche Berlin  . Als vor einigen Jahren ein Lon- doner Blatt scheußliche Geschichten von englischen Lebemännern enthüllte, da schlug man sich im Reich der Gottesfurcht und frommen Sitte an die Brust und dankte Gott  , daß man nicht so sei wie die da drüben. Den Tugendhelden wird wohl etwas anders zu Muth werden, wenn sie die folgende für die Viel- seitigkeit unserer Großstadt recht bezeichnende Geschichte ver- nehmen. Mit einer entarteten Gesellschaft, so schrerbt nämlich ein Berichterstatter, beschäftigt sich gegenwärtig die Staatsanwalt- schaft. Den behördlichen Maßnahmen, die erst jetzt zu Tage treten, liegt der folgende Vorgang zu Grunde: Eines Abends vor Weihnachten   kehrte der Zigarrenhändler Herre mit seiner Gattin in die Blücherstraße 2 hinter den, Verkaufsladen belegene Wohnung zurück und war nicht wenig überrascht, als ein elf brs zwölf Jahre altes Mädchen sich in einer Schlafkammer zn ver- bergen suchte. Auch der 22 Jahre alte Kommis Braunsseld, dessen Schlafraum sich in der Wohnung befindet, war anwesend. Da das Kind das augenblickliche Stutzen der Eheleute zu einer Flucht benutzte, so eilte Herre ihm»ach und holte es bald ein. Kind und Kommis wurden mehreren auf der Straße be- findlichen Kriminalbeainten übergeben und dem Kriminal- Kommissariat eingeliefert. Hier entrollte sich ein tief- trauriges Bild, wie es nur das Leben und Treiben in einer Großstadt mit sich bringen kann. Braunsfeld war am Abend in dem in der Friedrichstraße belegenen Ausschank der von Tucher'schen Brauerei gewesen. Als er das Lokal verließ, trat eine Weibsperson an ihn heran, um ihm für zehn Mark das Kind zu überantworten. Braunsfeld hatte zu wenig sittlichen Halt, um die Alte mit Entrüstung zurückzuweisen und der Äe- Hörde zu überliefern, ging vielmehr auf den Kauf ein und nahm die Kleine mit sich. An der Ausübung eines Verbrechens ist er wahrscheinlich durch das unvermuthete Eintreffen seines Prinzipals gehindert worden. Das Kind gehört einer achtbaren Beamten- familie an und scheint in gewinnsüchtiger Absicht von der Frauens- verson an sich gelockt worden zu sein. Braunsfeld   ist zwar aus der Hast einlassen worden; dagegen schwebt ein Verfahren gegen die Unterhändlerin. Der geschilderte Vorgang läßt darauf schließen, daß auch andere Kmder dem lasterhasten Schacher an- heimgesallen sind. Wem fallen bei dieser Mittheilung nicht die Enthüllungen ein, die von derPall-Mall-Gazette  " seiner Zeit gebracht wurden? Wir glauben kaum, daß wir besonderen Grund hätten, auf unsere Tugend besonders stolz zu sein. Die Banthätigkeit in Berlin   ist im verflossenen Jahre nicht unwesentlich hinter derjenigen der Vorjahre zurückgeblieben. Die Zunahme an Neubauten bezifferte sich nach H. Fränkel's statislffchen Angaben in der Zeit vom 1. Oktober 1891 bis l. Oktober 1892 auf 383 gegen 442 bezw. 535 in derselben Zeit 1390/91 bezw. 1889/90. Die Zahl der Subhastationcn hat da- gegen eine bedeutende Zunahme erfahren. Dieselbe betrug in der Zeit vom 1. Oktober l391 bis 1. Oktober 1892 356 gegen 242 bezw. 133 in derselben Zeit 1890/91 bezw. 1389/90. Die Zahl der leerstehenden Wohnungen und Gelasse hat gleichfalls eine Steigerung erfahren. Am 1. Oktober 1892 standen leer 28 176 Wohnungen und 462 Gelasse gegen 20 713 Wohnungen und 473 Gelasse am I. Oktober 1391, und 14 671 Wohnungen und 370Gelasse am l. Oktober 1890. Die Zunahme der Bevölkerung Berlins  hat sich gegen die Vorjahre abgeschwächt. Am 31. Dezember 1392 betrug die Bevölkerungszunahme zirka 34 000 Seelen gegen 47 208 am 31. Dezember 1891, bezw. 49 376 Seelen am 31. Dezember 1890, bezw. 57 000 Seelen am 31. Dezember 1839. Wohnungswechsel fanden am 1. Oktober 1392 statt 99 197, an den vier Quartalen des Jahres 1392 im Ganzen 211 486. Die Zahl der vorhandenen Wohnungen einschließlich der Neubauten beträgt zur Zeit ungefähr 420 000; demnach hat im Laufe des vorigen Jahres die Hälfte der zur Miethe wohnenden Berliner   Bevölkerung die Quartiere gewechselt. Miethserhöhungen wurden 4694, Miethsermäßigungen 5091 gemeldet. Modernes Miethergliick. In elnem Hause der Swinemünderstraße sind am Dienstag Mittag gleichzeitig nicht weniger als dreizehn Mlethsparteien mit Einschluß und unter Führung des Hausverwalters unter Musikbegleitung mit Kind und Kegel, ohne die rückständige Wohnungsmiethe bezahlt zu haben, auf und davongegangen. Der Hauswirth, der im Pols- damer Viertel wohnt, halte, wie derBörs.-Cour." berichtet, sämmtliche Miether auf Exmission verklagt. Die bedrohten Miether hatten in letzter Stunde ihre sieben Sachen gepackt und rückten" in rührender Eintracht. Als der Hauswirth vorgestern in Begleitung eines Gerichtsvollziehers zum Zwecke der Exmissionsvollstreckungen vor dem Hause vorfuhr, begrüßte ihn am Thore ein großer Kranz mit der festlichen Inschrift:Herz- lich willkommen!" Der Wirth hat sofort gegen sämmtliche Flucht- linge, die.Haushaltungsvorstände" sowohl wie die Frauen, die Anzeige wegen'strafbaren Eigennutzes bei der Staatsanwaltschch eingereicht. Zigeunerbrate«. Unter dieser Spitzmarke schreibt ein Be» richterstatter: Die amtliche Ueberweisung des Fleisches von kranken oder krepirten Thieren an die Abdeckereien zum Zwecke der Vernichtung scheint keinen ausreichenden Schutz für Leber und Gesundheit des Publikums zu bieten, so lange nicht Be« stimmungen getroffen sind, welche die Vernichtung unter amt- licher Aufsicht bedingen, denn Unterschleife, wie sie vor einiger Zeit auf der Berliner   Abdeckerei in der Müllerstraße konstatirt worden sind, wurden soeben bei einer benachbarten Abdeckerei aintlich konstatirt. In der Nacht vom 4. zum 5. Januar be- gegncte ein Zahlmeister-Aspirant in Tempelhof   einem Schlitten, der von einem Pferde gezogen und von zwei Männern begleitet war. Das Pferd war bereits so abgetrieben, daß die beiden Be- gleiter den Schlitten schieben helfen mußten. Einer der Führe» bat den begegnenden Aspiranten um Zigarrelffeuer. Bereitwillig zündete letzterer ein Streichholz an, und nun sah er beim Schein desselben, daß er einen Zigeuner vor sich hatte. Ueberrascht rief er: Ihr seid ja Zigeuner  , gehört wohl zur Petermann'schen Bande?" Jo, sein wir Zigeiner von Petermann in Waißensee, soagen Sie uns gnädiger Herr, wo geht Weg nach Waißensee?" der Aspirant erwiderte:Wenn Ihr aus Weißensee seid, kennt Ihr den Weg gewiß besser wie ich, aber was habt Ihr denn da auf dem Schlitten?" und damit hob er die Decke von der Ladung, die in zwei fetten, aber tobten Schweinen bestand.Ja, sai» sich Schwein, Hot gekooft der Schlächter Richter in Waißensee, in der Langhansstraße, und wir fahren se ihm haiml Sehen Sie on Waagen, do fleht Firma dran!" Sofort schöpfte der Soldat den Verdacht, daß die Schweine gestohlen seien, mit Hilfe anderer Personen hielt er den Schlitten fest, ein Gendarm kam bald hinzu, die Schweine, die weder gehauen noch gestochen waren, wurden auf das Gehöft eines Landwirthes in der Nähe gebracht, aber während dies geschah, warf der zweite Zigeuner dem Pferde das Geschirr ab, ließ dieses und den Schlitten im Stiche und jagte davon. Der andere Zigeuner war aber festgehalten worden und wurde nach dem Amtsgesängniß gebracht. Alsdann warf sich der Gendarm in eine ihn, begegnende Droschke erster Güte und nahm die Verfolgung des geflohenen Zigeuners auf. So sehr aber die Droschke durch Berlin   jagte, gelang es nicht, den Flüchtling ein- zuholen. Nach Auskunft der Wächter in Weißensee   war der Flüchtige nur 5 Minuten vor dem Gendarmen angelangt und nach dem Gehöft des Hauptmanns Petermann zugeritten, er muß also das schon in Tempelhos stark erschöpfte Pferd furchtbar an« gestrengt haben. Da es bereits VjS Uhr Nachts war, konnten die Beamten nicht mehr in die Petermann'sche Behausung ein- dringen, aber durch die nur durch Lumpenreste verhangenen und hellerleuchteten Fenster zeigte sich ein frappantes Bild ein Zigeunerlager im Zimmer. DerHerr Hauptmann" tanzte im adamitischen Kostüm einen Zigeunertanz, und die Mitglieder seiner Familie und seiner Bande, Männlein, Weiblein und Kinderlein umtanzten ihn mit wilden Gesängen in der Zigeunersprache. Plötzlich verstummte der Chor, das Licht verlöschte, die Bande mußte die Beobachter gewittert haben. Am nächsten Morgen wurde der Arrestant in Tempelhof   ins Gebet genommen. Er nannte sich Karl Petermann, will in Schwerin   in Mecklen- bürg wohnhaft und mit seiner Familie bei seinem Bruder zu Besuch sein. Wie sich ergab, ist diese Angabe richtig, er wohnt in Schwerin  , ist aber für den Sommerbesuchsweise" abgemeldet, dagegen in Weißensee nicht angemeldet. Bemerkt zu werden ver- dient, daß etwa achtPetermanns" steckbrieflich wegen allerlei Vergehen verfolgt werden. Im Besitz des Arrestanten befand sich aber ein Brief, welchen der Abdeckereibesitzer Erd- mann in Trebbin   an den Zigeunerhauptmcmn Petermann gerichtet hat. In demselben schreibt der Absender, daß er zwei Schweine, die 18 Mark kosten, zur Verfügung habe, die sich P. holen könne. Es ist festgestellt worden, daß die Schweine dem Abdecker zur Vernichtung über- wiesen worden sind, und daß sie letzterer trotzdem an die Zigeuner verschachert hat. Ein Thierarzt vom Garde-Train-Bataillon hat die Kadaver sezirt und gesunden, daß die Thiere an hochgradigstem Rothlauf verendet sind, nicht allein Fett und Fleisch, sondern auch die Eingeweide waren hochgradig geröthet, so daß das Fleisch in hohem Maße gesundheitsschädlich ist. Abdecker Zittwitz in Britz   hat die Kadaver unter amtlicher Aufsicht vernichtet. Am Donnerstag Vormittag stellten sich schon zwei Zigeunerweiber mit Kindern auf dem Arme in Tempelhof  ein, sie wollten den Arrestanten sprechen und gaben an, aus den Schweinen habe nur Wagenschmiere gemacht, verde» sollen. Diese Versicherung wird amtlicherseits sehr skeptisch aufgenommen, es erscheinen nur zwei Möglichkeiten zulässig; entweder füttert der Hauptmann seine Bande mit Aas, oder aber die Schweine sollten zu dem Besitzer des Schlittens und von da in die Wurst wandern. Verhaftung eineS Redakteur?. Der Redakteur der Halb- MonatsschriftDas Recht der Feder" und Geschäftsführer der Deutschen Schriftstellergenossenschaft, Herr Martin Hildebrandt  , wurde heute Morgen um 8 Uhr in seiner Wohnung, Linkstr. 31, durch die Polizei verhaftet. Hildebrandt war auf Grund seiner Ketzerbriefe" zu einer sechswöchigen Gesängnißstrase verurtheilt worden und hatte zwei Tage vor Weihnachten seitens der Staats- anivaltschast die Aufforderung erhalten, die Strafe in Rummels- bürg anziitreten. Hildebrandt suchte um Strafausschub bis zum 13. Februar nach, die Antwort daraus bildete seine heutige Fest- »ahme. Das Schönste! Eine sonderbare Betrugsanzeige hat ein Gastwirth erstattet, der in eine Schaubude der Madaistraße trat und, nachdem er 20 Pf. Eintrittsgeld entrichtet hatte, sich die ausgestellten Bilder:c. besah. Eine dort anwesende Frau er- klärte, wenn er noch etwas Schöneres sehen wollte, so werde ihm auch die zweite Abtheilung gezeigt werden; er müsse aber besonders bezahlen. Der neugierige Wirth that dies auch und wurde hierauf von einer zweiten Frau in einen anderen Raum geführt. Hier besichtigte er gleichfalls die vorhandenen Herrlich- reiten. Dann wurde er gefragt, ob er das Schönste sehen wolle, und als er bejahend antwortete, wurden ihm noch 50 Pf. ab- gefordert. Dann hielt die Frau ihm einen Handspiegel vor das Gesicht und bemerkte dazu, daß er nun das Schönste sehe, was vorhanden sei. Hierin erblickt er eineVorspiegelung falscher Thatsachcn" und hat die Sache zur Anzeige gebracht. Wenn der Wirth eine Wwthin gewesen wäre, so wäre die Sache wahr- scheinlich zu allseitiger Zufriedenheit verlaufen. Betrügerischer Bankrott. Bei der Kriminalpolizei hatte ein Kaufmann B. in der Lübbenerstraße die Anzeige erstattet, daß ihm am Abend des Neujahrstages ein Geldbetrag von 10 400 Mark aus seiner Wohnung gestohlen worden, während er im Theater gewesen sei und sein Dienstmädchen mit seiner Er- laubniß eine Verwandte besucht habe. Gegen neun Uhr ist das Mädchen zurückgekehrt, hat sofort bemerkt, daß die sonst ver- schlossene Korridorthür eingeklinkt war, hat dann in der Schlaf- stube gesehen, daß die Betten auf der Erde lagen, daß alle Be- Hältnisse erbrochen und durchivühlt waren. Es fehlte jedoch nur eine Kassette, die auf dem Ofen gestanden hatte und nach An« gäbe des B. 10 400 Mark in Gold und Papiergeld enthalten hat.