Nr. 267. 21. Jahrgang.3. KcW Ks Jotiiiürlo" Knlim pslksdIMIonnerstag. II Dovember 1907.Huö der Frauenbewegung.Gknosßunku!Die wachsende Bedeutung der Dienstbotenbewegung und dieAufgaben, welche sie an uns stellt, läßt eine besondere Beratungals dringend notwendig erscheinen. Die Unterzeichnete beruft dahereine außerordentliche Frauenkonferenzfür Dienstag, den 19. November, nach Berlin, GcwerkschaftShauS,Engel-Ufer 15, Saal 3, ein. Die Konferenz wird vormittags9 Uhr eröffnet.Provisorische Tagesordnung:Die Dienstbotenbewegung.»j Agitation und Organisation. Refcrentin: GenossinKöhler- Düsseldorf.d) Der Stellennachweis. Referensin: Genossin Z i e tz-Hamburg.o) Der freie Dienstvertrag. Referentin: Genossin Baar-Berlin.Alle Genossinnen, welche als Delegierte an dem Preußen-tage teilnehmen sollen, werden ersucht, sich gleichzeitig auch einMandat für die Frauenlonferenz übertragen zu laffen-Durch Zirkular an die Bertrauenspersonen sind die Genossinnen inPreußen bereits aufgefordert worden, in der nämlichenWeise wie zu den Parteitagen der deutschen Sozial-demokratie für ihre Vertretung auf dem Parteitage zusorgen. Die Dienstbotenvereine, welche auf dem Bodender modernen Arbeiterbewegung stehen, werden aufgefordert, ihreVertreterinnen zu der Konferenz zu entsenden. Des weiteren solltensich auf ihr die Genossinnen solcher Orte vertreten lasten, wo dieBewegtmg unter den Dienstboten in Fluß kommt und die Gründungeiner Organisation vorbereitet wird. Die Wahlen der Delegiertenhaben in der üblichen Weise zu erfolgen.Genossinnen I Die Wichtigkeit der bevorstehenden Tagung der-langt, daß Ihr sofort mit gesteigerter Rührigkeit an die Arbeit geht,um eine zahlreiche und sachverständige Beschickung der Konferenz zusichern.Mit sozialdemokratischem GrußOttilie Baader,Vertrauensperson der sozialdemokratischen Frauen Deutschlands,Berlin SW 68, Lindenstr. 3,Das kranke Kind.Ein Berliner Zimmer im Ouergebäude einer Mietskaserne.Bunte Gardinen schmücken das einzige große Fenster. Längs derRückwand stehen zwei Betten mit Wäschestücken beladen, davor einKinderbett. Aus den durchwühlten Kissen taucht das Köpfchen einesetwa vierjährigen Kindes hervor. Das abgezehrte, gerötete, vonschmerzhaften Zuckungen bewegte Gesicht verrät eine schlvere Erkrankung.Die Augenlider sind fest geschlossen und der kleine Mund krampfhaftzusammengepreßt. Am Fenster steht die Nähmaschine. Eine etwa40jährige hagere Frau mit schwarzem, an den Schläfen leicht er-grantem Haar, steppt weiße Leibwäsche, feine, kostbare Spitzen-Hemden. Es dämmert bereits. Leise kriechen die Schatten desAbends heran. Im Vorderhaus blinken schon die Lichter. Müdestützt die Frau den Kopf in die Hand und blickt sinnend in dieDämmerung. Drei Kinder, zwei Mädchen im Alter von acht undzehn Jahren, der Knabe etwas jünger, die hinter der Maschin« mitder Herstellung von Hampelmännern beschäftigt sind. richtensich jetzt ebenfalls auf. Die Jüngere, mit dem hellenFlachököpfchen und dem schmalen Gesichtchen schmiegt sich an dieSeite der Mutter.„Mutti!"„Was ist denn. Elschen?" Zärtlich fährtdie Frau mit der Hand über den blonden Kinderscheitel.„Wannkommt denn Vater zurück?"„Bald, Kind, gleich wird er kommen."„Ich Hab' so Hunger, Mutti."„Ich auch! Ich auch rufen diebeiden anderen wie aus einem Munde. Uebcr das Antlitz der Frauhuscht ein herber, bitterer Zug.„Ja. Kinder, habt noch etwas Gc-duld, wenn Vater kommt, essen wir."„Ein Stückchen Brot, Mutter,bis Bater kommt, dauert'ö noch zu lange!" betteln alle drei.„Ihrmüßt mich nicht quälen. Lieblinge, ich geb'S Euch gerne, wenn ichkann. Wenn wir aber jetzt schon davon essen, reicht es nicht für denAbend, und die Suppe muß für Vater bleiben, der hat den ganzen Tagdraußen in der Kälte schwer gearbeitet. Klebt mal noch weiter", fügtsie beruhigend hinzu:„Vater kommt ja gleich, nachher essen wir.Jetzt verdient er ja wieder Geld, dann wird's nächste Woche besser."Die Frau zündet die Lampe an und stellt sie auf dos Fensterbrett.Sic wirft noch einen kummervollen Blick in das Bettchen, dannnimmt sie ihre Arbeit wieder auf.„Wir haben schon drei Dutzendfertig. Mutter!"„Das ist nett. Ihr seid auch brav."„WirdOttchen wieder gesund?" fragt der Knabe leise.„Wir wollcnshoffen!" Es klingt gerade nicht zuversichtlich. Es klingelt. Mariechcnöffnet und führt nach einigen Augenblicken eine statt-liche, elegant gekleidete Dame inS Zinnner. Diese hält sich ihrstark parfümiertes Battisttüchlein an die Nase, die schlechteZimmerluft scheint ihr den Atem zu rauben. Frau Braun ist auf-gestanden und bemüht sich, mit ihren schwachen, angestrengten Augendie im Halbdunkel stehende Dame zu erkennen. Doch diese beginntsofort in freundlichem Tone:„Frau Braun, ja? Ich konune vomVerein„Nächstenhülfe". wir verteilen alljährlich zu WeihnachtenGaben an arme Kinder. Sie sind uns als würdig und besondersbedürftig empfohlen worden. Aber der Form halber mußman schon mal vorsprechen. Ihr Mann war lange krank'und ist jetzt arbeitslos?"„Ja!" erwidert die Gefragteetwas erstaunt:„krank war er vier Monate und arbeitslosbis jetzt, heute hat er nun zur Aushülfe auf der Straße an-genommen. So lange habe ich's mit den Kindern allein durch-geschleppt!" Die Fremde nickt befriedigt. Jetzt erblickt sie das Kindim Bettchen.„Ist der Kleine krank?" fragt sie teilnahmsvoll.„Ja-wohl, sehr, sehr krank, Diphtheriris!"„Diphthe--?" Der Damebleibt das Wort in der Kehle stecken. Sie rafft hassig ihr Kleidhoch und geht rückwärts nach der Tür.„Und Sie lassen die anderenKinder dabei, und Wäsche, Wäsche nähen Sie auch noch in dieserStube?" Auf dem Gesicht der Sprecherin Prägt sich grenzenlofesEntsetzen aus.„Ich muß. meine Dame, ich muß arbeiten."„Dasglaube ich schon," fällt die Dame der Frau erschöpft ins Wort, sieist schon dicht bei der Korridortür angelangt.„Aber bedenken Sie, liebeFrau, es ist doch gewissenlos, so das Leben seiner Mitmenschen aufs Spielzuletzen. Sowas müßte einfach verboten werden!"„Wo soll ich dennarbeiten," verteidigte sich die Heimarbeiterin:„die Küche haben wirvermietet, Sie können sich überzeugen, meine Dame!" Sie öffnetdie Küchentür. Die Dame aber ist schon draußen auf dem Flur.Die gespreizten Finger abwehrend ausstreckend ächzt sie:„Nein,nein, ich gehe nicht mehr hinein. Das ist ja entsetzlich I Hierkann man noch obendrein für sein gutes Herz sein eigenes Lebenriskieren. Für wen arbeiten Sie denn?"„Na, für'Friedländeru. Sohn in der Xstraße." Die Dame ist schon unten auf dem erstenTreppenabsatz. Im schrillsten Diskant klingt es noch herauf:„FürFriedländer. und da lauf ich meine ganze Wäsche! O Gott, ichsterbe l"—_Gerichts-Leitung.Das Sparsystem der Eisenbahnvenvaltung.Vor dem Oberlandesgericht K ö l u ist ein Prozeß zu Ungunstender Eisenbahnverwaltung entschieden worden, der ein grelles Lichtauf die SicherheitSzustände der Eisenbahn wege undder von ihnen berührten Straßen betrifft. Die Eiscnbahnverwaltungwurde verutteilt, einem Kaufmann de» Schaden zu ersetzen, der ihmdadurch entstanden war, daß auf der Brohl-Andcrnacherstraße seinFuhrwerk durch Zusammenprallen mit der Eisenbahnschranke zer-trümmert wurde. Das Gericht stellte fest, daß der sechs Meterlange Uebergang nur durch eine einzige, noch dazu neun-zehn Meter von der einen Schranke entfernt stehendeLaterne erleuchtet wurde. Bei dunklem Wetter konnte mankaum das Licht der keineswegs hellbrennendcu Laterne sehen.Der als Zeuge vernommene Bahnwärter bekundete, daß erschon im Jahre 1905 um eine Vergrößerung derBeleuchtung eingekommen sei. Das Gesuch wurde jedochvon dem Vorgesetzten mit dem Bemerken abgelehnt, daß dieBeleuchtung früher ausgereicht habe und auchjetzt noch genügen würde. Es sei noch bemerkt, daß derKaufmann bei dem Vorfall nur durch das Scheuen de? Pferdes, dassich-uff dem Gleis befand und die inzwischen geschlossene Schrankedurchbrach, vor dem Zermalmtwerden durch den heranbrausendenZug gerettet wurde.Billige WursttUm Fleisch- und Wurstdicbstähle im angeb-lichen Werte von 100000 Mark handelte es sich bei einerAnklage, die den Hausdiener Gustav K r u s ch k e, dessen SchwagerGastwirt August Schneider und die Ehefrau des letzteren unterder Anklage des wiederholten schweren Diebstahls bczw. schwererHehlerei vor die dritte Strafkammer des Landgerichts I führte.Das Ehepaar Schneider betrieb in der Kronenftr. 72 eine Schankwirtschaft, die außerordentlich gut ging und den Besitzern so vielabwarf, daß diese bcabsicktigten, demnächst in den beneidenswertenStand der Rentiers überzutreten. Die Schncidersche Schank-Wirtschaft war wegen der großen, guten und billigen Fleisch-Portionen, die man dort erhielt, in der ganzen dortigen Gegendbald berühmt. Es aßön piclc Leute, Hausdiener und andere kleineLeute dort zu Mittag, außerdem wurde viel an die in der Nähebefindliche Feucrwehrwachc und an die Schutzmannschaft außerdem Hause verkauft. In demselben Hause, Kronenstr. 72, betreibtHerr Karl Kisch ein außerordentlich umfangreiches Geschäft mitFleisch- und Wurstwarcn, bei dem etwa 8 Flcischcrgesellcn be»schäftigt sind. Als Herr Kisch sein Geschäft nach der Kronenstr. 72verlegte, war auch Schneider anfänglich fein Kunde, dieser hörteaber bald mtt seinen Einkäufen auf. Der große Vorratskcllcr desHerrn Kisch grenzt teilweise an den Keller des Schneider. Seitdem Jahre 1904 bemerkte Herr Kisch zu seinem Erstaunen bei ver-schicdenen Bilanzen, die er vornahm, daß sein Gewinn ein ganzunverhältnismäßig kleiner im Gegensatz zu dem großen Aufschwungseines Geschäftes war. Diese betrübende Wahrnehmung wieder-holte sich mehrere Male und Herr Kisch kam zu der llebcrzeugung,daß er in unverschämter Weise bcstohlen werden müsse. Er sahsich veranlaßt, sein ganzes Personal, darunter auch solche Leute,die schon geraume Zeit bei ihm tätig und ganz unverdächtig waren.zu entlassen. Er versicherte dann sämtliche Zugänge und Fensterseines Kellers durch Eisenstäbe und Schlösser, paßte selbst auf undließ durch Kriminalbeamte aufpassen— es blieb aber alles ohneErfolg. Schließlich wurde ein gegen den Angeklagten lautwerdender Verdacht immer stärker. Der KriminalwachtmeistcrWolter und der Kriminalschutzmann K l ü tz übernahmen dieRecherchen und durch diese wurde der Verdacht gegen Schneidernoch vergrößert. Einige Angestellte des Kisch desuchten dasSchneiderschc Lokal und bemerkten, daß daselbst Fleischwaren teurerArt, Pariser Lachsschinken und Würste verkauft wurde», diezweifellos aus dem Kischschen Geschäft herrührten. Nachdem mandiese Gewißheit gewonnen hatte, quartierten sich die Kriminal-bcamten Wolter und Klütz einige Nächte in dem Kischschen Kellerein und harrten in der Dunkelheit der Dinge, die da kommenwürden. Zwei Nächte hindurch war das Warten vergebens, abeifin der Nacht zum 1. Dezember kam es zur Katastrophe. Die Be-amten hörten ein Geräusch und plötzlich befand sich Schneider indem Kifchschcn Keller und machte sich an die dort aufgehängtenWürste und Speckseiten heran. Es wurde festgestellt, daßSchneider bereits eine Molle mit Fleischwaren sich zurecht gelegthatte, die etwa�bO Pfund schwer war und daß der HausdienerKruschke dem Schneider bei den nächtlichen„Einkäufen" Helfer-dicnste leistete. In dem Schneiderschcn Keller wurden noch vieleFleifchwaren und Würste, daneben aber auch mancherlei Gerätvorgefunden, welches Eigentum des Herrn Kifch war. Schneidertrat später mit der Behauptung hervor, daß er in der Nacht zum1. Dezember sich in einem D ä m in e r z u st a n d c befunden habenmüsse, denn er wisse absolut nicht, wie er in jener Nacht in denKeller gekommen und habe jede Erinnerung an die Vorgänge ver«lorcn. Er hat sich dann freiwillig zur Beobachtung seines Geistes-zustandcs in die Charite begeben, aber ein ihm günstiges Resultatnicht erzielt. Sowohl der Oberarzt Dr. B r a a tz als auch derGerichtsarzt Medizinalrat Dr. Stürmer kamen zu dem Gut-achten, daß Schneider durchaus nicht unter den§ 51 Str.-G.-B.falle, sondern in höchst raffinierter Weise schauspielere und simu-liere, dabei aber wiederholt in charakteristischer Weise aus derRolle gefallen sei und sich verschnappt habe.— Der Zeuge Kischberechnete seine durch die Diebstähle erlittenen Verluste auf100 000 Mark. Nach seiner Behauptung hat er in den letztenJahren bei einem Umsatz von jährlich über 1 Million keinengrößeren Gewinn gehabt als bei einem Umsatz von 300 000 Mark.Nach Festnahme des Angeklagten habe er in zwei Monaten mehrverdient, als im Laufe eines ganzen Jahres vorher.Der Gerichtshof verurteilte Kruschke zu zwei JahrenZuchthaus, Schneider zu vier Jahren Zuchthausund Frau Schneider wegen Hehlerei au sechs MonatenGefängnis._Nicht so— aber anders.Weil er ohne polizeiliche Erlaubnis Plakate an Häuser, alsoöffentlich angeheftet habe, war der Genosse Engler aus Dortmundauf Grund der§z 10 und 41 des alten preußischen Pretzqesetzes zueiner Geldstrafe verurteilt worden. Nach der Judikatur ist der§ 10des genannten Gesetzes durch§ 30 des Reichsgesetzes soweit ausrechterhalten, als dadurch verboten ist, ohne polizeiliche Erlaubnis Be-kanulmachungen, Plakate. Aufrufe, öffentlich anzuschlagen, anzuheften,auszustellen, sowie öffentlich und unentgeltlich zu verteilen. AlSPlatate sah im vorliegenden Falle das Gericht kleine rote Zettel an,die die Aufschrift trugen:„Wählt Maurer Th. Bömelbnrgl�DaS Landgericht meinte ferner, ß 43 Absatz 6 der Gewerbe-ordnung mit seiner Vestiminnng über daS Verteilen von Druck-schriften zu Wahlzwecken komme E. nicht zugute, weil in dem An-heften kein Verteilen zu sehen sei.Aus die Revision des Angeklagten hob daS Kammergericht daSUrteil auf und verwies die Sache zu nochmaliger Verhandlung undEntscheidung an das Landgericht zurück, iveil— ein falscher Para-graph angewendet worden sei. Nicht§ 10 des preußischen Preß-gesetzeS, sondern dessen§ S, der ebenfalls noch Rechtskraft habe,käme in Betracht. Danach seien vom öffentlichen Anschlagen, An-heften und Ausstellen überhaupt ausgeschlossen Anschlag-zettel und Plakate, welche einen aitdercn Inhalt haben als An-lündigungen über gesetzlich nicht verbotene Versammlungen,über öffentliche Vergnügungen, üher gestohlene, verlorene odergefundene Sachen, über Verkäufe oder andere Nachrichten für dengewerblichen Verkehr. Das vom Angeklagten angeklebte Plakat habeaber einen anderen Inhalt. ES hätte überhaupt nicht, alsoauch nicht mit polizeilicher Erlaubnis öffentlich angeschlagen werde»dürfen. Angeklagter habe ein Ztecht darauf, daߧ 9 und nicht§ 10angewendet werde. Deshalb müsse die Sache an das Landgerichtzurückverwiesen werden._Wafferstands-Nachrichtender LandeZanslalt für Gewässerkunde, mitgeteilt vomBerliner Wetterburcau.WasserstandM e m e l. TilsitP r e g e l, JnstervurgWeichsel. ThornOder, Natibor„ krossen. FrantsurtWarthe, Schrimm. LandsbergNetze, VordammElbe, Leitmcritz, Dresden, Barby» Magdeburg')+ bedeutet Wuchs,— Fall.—') Unterpegel.Brunnen-Str. 17-18.H. Greifenhagen Nachf.Veteranen-Str. 1-2.Hervorragend billig!Ein grosser Posten»«Wert dl, 2.00per MeterDonnerstag, Freitag, Sonnabend:Letzte Tage unseresPrels-flussdireiaensBeteiligung beim Einkauf von S Mk. an.Ferner verabfolgen wir beim EinkaufDoppslts Rabatt- Barkar• mit Ausnahm« einiger Artikel.