1. Beilage zum„Vorwärts" Berliner Volksblatt.Ur. 7.Sonntag, den 8. Jannar 1893.19. Jahrg.Dom KergardeiterstveiK.Mit ganz besonderer Wuth verlästerte die nationalliberaleBerliner�„National-Zeitung" die streikenden Bergarbeiter desSaarre�iers. Ihr Zorn hatte zweifellos in der Erwägung seineUrsache, daß, falls die Arbeiter des fiskalischen Saarreviers Er-folg haben würden, die Bewegung sich aus die anderen ReviereRheinlands-Westfalens und damit auch auf die Privatbergwerke,die sich zum Theil wenigstens in nationalliberaleu Händen be-finden, fortpflanzen müsse. Einen ähnlichen Gedankengang wirddie Börsianerpreffe-„Berliner Tageblatt",„Kleines Journal»—gehegt haben, deshalb wohl ließ sie es diesmal durchaus desHonigs ermangeln, welchen sie sonst gern den Arbeitern um denlviuno streicht. Die Bewegung hat nun thatsäcblich in denübrigen Revieren Wellen geschlagen. Die Versammlungen,welche in Esten, Dortmund, Gelsenkirchen stattfanden.haben sämmtlich keinen Zweifel darüber gelassen, daßdie dortigen Bergleute ihren Kameraden von der Saar, wennirgend möglich, durch Erklärung des Streiks helfen wollen. Einallgemeiner Bergarbeiterstreik ist aber eine so große öffentlicheKalamität, daß, um ihn zu vermeiden, nothwendigerweise alleRücksichten auf die Empfindelei der Bureaukratie(der Berg-behörden ec.) und auf die Spekulanten in Montanwerthen schweigenmüssen. Kurz, es muß mit den Bergleuten verhandelt werden,und man muß ihren Beschwerden wohlwollend Rechnung tragen.Einen andern Weg giebt es nicht, um den Frieden zu schaffen,und wer die Hand zum Frieden verweigert, dem allein gebührtdie Verantwortung für all das Elend, was sich aus dem Berg-arbeiter-Streik bereits entwickelt hat und noch weiter entwickelnwird. Unserer Ansicht nach trägt die Schuld einzig und alleindas private und fiskalische Unternehmerlhum. Beiden Arten desKapitalismus ist das Wort„Leben und leben lasten» längstzum Ammenmärchen geworden. In der Bergbevölkerung pulsirtaber noch das Bewußtsein, daß der Arbeiter nicht eine Waaresei, die im Kalkül des Buchhalters genau so viel bedeutet wieSchmieröl oder Kohlenstaub, sondern daß der Arbeiter ein Menschist, der ein Recht hat auf den Boden, den er bearbeitet. Eswird nicht zum Schaden der Sozialdemokratie sein, wenn es demFiskus gelingt, die Bergleute davon zu überzeugen, daß auch derBergarbeiter heutzutage eben doch weiter nichts ist als eineWaare und zwar als eine sehr lästige Waare, und daß eineGesellschaftsordnung, die auch den Menschen als Waare be-handelt, naturnothwendig ersetzt werden muß durch den Sozia-lisnius.Die„Frankfurter Zeitung» bemerkt zu der neulichvom sogenannten„Bergmannsfreund», dem Organ der Gruben-Verwaltungen, gebrachten Lohntabelle:„Die Löhne sind verhältniß-mäßig nicht schlecht, wird man zugeben, und da auch die Preisefür die nothwendigen Konsumptabilien nicht sehr hoch sind(frei-lich nicht so billig als in der benachbarten Pfalz), so wirdmancher vrelleicht überhaupt jede Berechtigung zur Klage be-streiten. Run ist aber Thatsache, daß zwar im Oktober jeneoffiziell angegebenen Sätze gezahlt wurden, daß aber im Novembereine nicht unerhebliche Lohnreduktion erfolgte." Wir bemerktenschon in einer früheren Nummer des.Vorwärts», daß die Lohnangabt für eine Monatsperiode selbstverständlich keinen richtigenSchluß auf das Einkommen der Bergleute gestattet. Dazu ist derJahresdurchschnitt erforderlich.Die„Kölnische Zeitung» schreibt:„Nach unserem Be-richte ist in der Versammlung zu Bildstock milgetheilt worden,der Oberpräsident der Rheinprovinz habe Bescheid dahin ertheilt,daß er einer Abordnung der Bergarbeiter die erbetene Audienzgewähre, wenn nicht persönliche, sondern nur allgemeine Be-fchwrrden und Borschläge, zum Beispiel zur Arbeitsordnung, vor-gebracht würden. Ter Oberpräsident hat jedoch wörtlich folgen-den Bescheid ertheilt:„Falls in der erbetenen Audienz Beschwerden fiskalischer Bergleute über Maßnahmen ihrer vor-gesetzten Behörden vorgebracht werden sollen, lehne ich denEinpsang der Abordnung wegen Unzuständigkeit ab.»Die offiziöse„Norddeutsche A l l g. Ztg.» meint: Inder Bildstocker Versammlung scheint es überhaupt sonderbar zugegangen zu sein; die früheren Berichte über die dort von demRechtsanwalt Heyder aus Metz gehaltene Hetz» und Verleuindungs-rede werden durch folgende Details seitens des rheinischen Blattesergänzt:„Im Gedränge stehend und von mißtrauischen Leutenhier und da belästigt, habe ich versucht, die Rede Heyder's steno-graphisch aufzunehmen. Der Herr hatte den Mnlh, in Gegen-wart der Leute, die diesen frivolen Ausstand allen Warnungenzum Trotz angezettelt haben, mit folgender ungeheuerlicherFälschung des Thatbestandes aufzuwarten:„Liebe Freunde undGenossen, Glück aus!(Glück auf!) Mir ist schon langeSonukagspliurdcvet.E. C. Unsere Leser wissen, daß der Kampf zwischenden Meiern im Rothen Hause siegreich ausgefallen ist.Siegreich endet jeder Kampf, wenn er nicht unentschiedenbleibt wie zwischen berühmten Ringkämpfern, aber gewöhn-lich eilt der Eine geschlagen vom Schlachtfeld, während derAndere triumphirend sein Banner schwingt. Man hat es,namentlich in unserer sturmbewegten Zeit, nicht für einenbesonderen Vorzug gehalten, den edlen Namen„Meier» zutragen, aber bisweilen ist es sogar ein Unglück, wenn mannicht Meier heißt.-- Auf einer Station hält ein voll-besetzter Zug. Ein Spaßvogel eilt den Perron oderBahnsteig hinab, indem er fortgesetzt den Namen.Meier» vor sich hin brüllt. Ein Passagier ist unvor-sichtig genug, nach dem Begehr des Rufenden zufragen, und statt aller Antwort erhält er eine wohl-gezielte Ohrfeige. Heulend ruft nun der Geschlagene nachdem Stationsvorsteher, um diesem sein Leid zu klagen undeine Bestrafung des Schuldigen herbeizuführen. Schließlichfragt der Rothbemützte:.Ja, heißen Sie denn Meier?»„Nein», replizirt der Mann mit der geschwollenen Backe.Und ein richtig erlösendes Wort ertönt von den Lippendes Stationsvorstehers:.Na, dann geht Sie ja die ganzeSache nichts an!»Im Rothen Hause war es anders. Der Betroffenehieß Meier oder etwa gar Meyer, denn trotz der Putt-kamerschen Orthographie ist gerade bei der Schreibweisedieses Namens der denkbar weiteste Spielraum gelassenworden. Alexander heißt unser Meyer, der nunmehr imRothen Hause das Szepter schwingen wird, und mit seinemNamensvetter aus Macedonien hat er das Eine gemein, daßLetzterer die Tonnenbcwohner besonders auszeichnete, wäh-rend„unser Meyer" die Tonnen insofern sehr liebt, als sieihm den populären Namen„Biermeyer» verschafft haben.Der gordische Knoten bleibt ihm allerdings noch zu lösen,und die Zeiten müssen es lehren, ob die mehr oder wenigergelungenen Witze allein genügen, um das städtische Par-bekannt, daß der Streik von langer Hand vorbereitet war,aber nicht von Euch. Der Streik ist vorbereitet worden vondenen, die bereut haben, daß 1889 humane Ansichten an höchsterStelle zum Durchbruch gekommen sind. Man hat geglaubt. Euchden Kulturfortschritt wieder abringen zu können. Euch wiederherabzudrängen zu Heloten, zu weißen Sklaven, die jedem Vor-gesetzten gehorchen, wie die Sklaven in den Plantagen derPeitsche des Aufsehers. Man hat geglaubt, daß Ihr Euch diesenÄlngriff auf Eure Würde gefallen ließet. Es ist ganz eigenthüm-lich in Deutschland. Früher haben Beamte, die als Beamte sichfühlten, immer«ine gewisse Selbständigkeit gezeigt in der Be-Handlung der Geschäfte sowohl, wie im Verkehr mit Personen.Das hat sich in neuerer Zeit geändert. Es ist jetzt so, daßalles von oben und nur von oben kommt. Se. Majestät KaiserWilhelm II. hat in einer Rede in Breslau sich dahin aus-gesprochen, und gewünscht, daß man überall an jeder Stellearbeiten und Hand anlegen solle. Aber was geschieht?(StürmischeRufe: Gar nichts!) Man giebt Knappschastsorganisationen. DieKnappschaftsältesten kommen zusammen und wollen gehört werden.Aber das will nian nicht.(Heiterkeit und höhnische Rufe.) Mangetraut sich nicht. Euch die menschenwürdige Stellung zu geben,die Euch nach dem Berggesetz zukommt. Deswegen zwingt manEuch dazu, sie zu erkämpfen. Man zwingt Euch dazu, weil mandenkt, Ihr hättet nicht jenen Kulturmuth dazu, eine nienschen-würdige Stellung Euch zu erwerben. Wer soll denn nicht un-zufrieden sein?... Ihr müßt eine Audienz in Berlin erlangen,und wenn sie Euch verweigert wird, was ich nicht glaube, dannmüßte unsere ganze arische Rasse in Europa— die Semitenkönnen draußen bleiben— Protest einlegen gegen diesen Kultur-kämpf... Es sollen Schreckschüsse gefallen sein. Schreckschüssehin, Schreckschüsse her!(Lebhaste Bravorufe!) Wenn es nur Blutgäbe?(Höhnisches Lachem) Aber da fangen sie Euch nicht.»Weiter liegen folgende Nachrichten vor:T r i e r, 6. Januar.(Franksurter Zeitung.) Ein vor dieExpedition der„Neunkirchener Saar- und Blieszeitung» gestellterKrug mit Sprengpulver explodirte und demolirte die Fenster.—Den Bergleuten nützen derartige Mätzchen nicht; demnach wird,wenn die Nachricht überhaupt wahr ist. ein fanatischer Gegnerder Bergarbeiter das„Altentat" verübt haben, um gegen dieStreikenden Ausnahmemaßregeln herauf zu beschwören.Saarbrücken, 7. Januar.(W. T. B.) Heute sind8734 Mann angefahren. Auch diese Zahl giebt kein ausreichendesBild von der Gesammtlage, weil gestern Feiertag war, heute dieLöhnung ausgezahlt wird und morgen wieder Feiertag ist. Dieangeordnete Verhaftung Berwangers konnte gestern Morgen nichtvollzogen werden, weil Berwanger sich derselben durch Fluchtentzogen hatte. Der„Saarbrücker Zeitung" zufolge ständen der Haft-befehl gegen Berwanger und die Verhaftungen Warkens, Bachmannsund Krons in keiner Beziehung zum Ausstand. Die Verfolgung der-selben sei vielmehr wegen Unterschlagung von Vereinsgelderneingetreten. Berwanger solle 224S M., Warken 411 M., Krön1926 M. und Bachmann 131 M. unterschlagen haben. Die Vor-Untersuchung sei in vollem Gange.Aus Bildstock wird gemeldet: Gestern Nachmittag fand hiereine Versammlung von Streikenden statt, welche von etwa3000 Personen besucht war und von 2 bis 3'/, Uhr dauerte.Lambett(Wustweiler), Mohr(Schiffweiler), Schummer(Elvers-berg), Rechtsanwalt Heyder(Metz), Fox(Eppelborn), Wilhelm(Spiesen), Speicher, Engel und Backes(Dudweiler) hielten inderselben Ansprachen. Die Deputation, welche sich zum Ober-Präsidenten nach Koblenz begeben soll, besteht dem Vernehmennach aus dem Rechtsanwalt Heyder(Metz), Fox(Eppelborn).Andre(Schwalbach) und Schäfer(Hirzweiler).Saarbrücken, 7. Januar.(H. T. B.) Die Lage desStreiks ist dieselbe wie gestern. Eine kleine Zunahme der an-fahrenden Bergleute ist bemerkbar. Eine Deputation von dreiBergleuten und dein Rechtsanwalt Heyder reist heute zum Ober-Präsidenten nach Koblenz. Einige Mitglieder des Vorstandesdes Rechtsschutz-Vereins sind wegen Unterschlagung von Vereins-geldern verhaftet.Ueber die vorgestrige Versammlung der Bergarbeiter Essenswird der Berliner„Volks-Zeitung» unterm 6. Januar von dortberichtet:Heute Mittag fand hier im Kratz'schen Saale eine ungewöhnlich stark besuchte Bergarbeiter-Versammlung statt. Schon langevor Eröffnung der Versammlung erwies sich das Lokal als vielzu klein und Ihr Berichterstatter konnte nur noch mit Mühe einsicheres Plätzchen erober», während Hunderte von Besuchern um-kehren oder auf der Straße harren mußten. Ballmann- Essen,ein bekannter Führer aus dem 69er Ausstand, eröffnete die Ver-sanunlung und ivurde zum ersten Vorsitzenden des Bureaus ge-lament im Zügel zu halten. Seinem Vorgänger sind dieWitze meist mißlungen und der einzige, wirkliche Scherz,den er sich leistete, fand leider nicht den ungetheilten Beifallder Bevölkerung. Es war die Sache mit dem Kloset, undals eine besondere Gnade der Vorsehung muß es gepriesenwerden, daß damals wenigstens keine Cholera herrschte.Das neue Jahr ließ sich also für HerrnAlexander Meyer glücklich an. Es brachte ihm diehohe Ehre, die er so sehnlich erstrebte, und vielleichtist nunmehr der tobende Streit zwischen Lotterie-Kollektenrenund Bezirksvereinlern oder zwischen Wasserstiefeln und Waden-strümpfen für eine Zeitlang wenigstens beigelegt. Der brüllendeSee, dem Herr Stryck zum Opfer fiel, zeigt wieder jene an-genehme, spiegelglatte Fläche, die den kampfesunlustigenPhilister so sehr entzückt, die aber den Kundigen nicht überdie unheimlichen Strömungen täuscht, die tief unten ihrWesen treiben. So kann man nur wünschen, daß das BootBiermeyer's sanft und leise durch die Wellen streichen, unddaß es nicht gleich beim ersten Sturm an verborgenen Klippenzerschellen möge.Aber das neue Jahr! Das alte ging unter dentheoretischen Dissonanzen über die Judenflinten zu Grabe—dem neuen blieb es vorbehalten, diese Mordinstrumente inihrer praktischen Anwendung zu zeigen. Es war ein Glück,daß sich der eine der Soldaten, die bekanntlich auf einenFlüchtling schoflen, nur einen Latcrnenpfahl als Ziclobjektausgesucht hatte, sonst wäre man wohl heute nicht mehrdarüber im Zweifel, daß eine Judenflinte doch wohl alsein gefährliches Werkzeug im Sinne des Gesetzes zu be-trachten ist und daß die Verordnungen des Polizeipräsidiums,die das Schießen in der Neujahrsnacht betreffen, nur fürdie Bürger berechnet sind, die ihren eigenen Rock tragen.Heiter ist das Leben, namentlich in der Sylvesternacht, aberunangenehm sind doch die militärischen Bestimmungen, diedas abergläubische Bleigießen in etwas seltsamer Weiseillusttiren.ZViel erquicklicher sind die angenehmen Vorkommniffein der hiesigen jüdischen Gemeinde. Herrn Ahlwardt'sArm reicht weit, und sein Einfluß muß geradezulwählt, während der BerbandSvorsitzende Schröder und derbekannte Kaiserdelegirte B u n t e- Dortmund die Stelle deszweiten Vorsitzenden bezw. Schriftführers einnahmen. Ball-mann theilte zunächst mit, daß eine im benachbarten Altendorfangesetzt« Versammlung nicht stattfinden werde, weil die Behördeüber den Saaleigenthümer die Schanksperre verhängt habe.Zur Tagesordnung„Lohnfrage» und„Stellung-nähme zum Streik im Saarrevier» nimmt zunächstSchröder(stürmisch begrüßt) das Wort. Er führte u. a.aus: Mit den Kameraden im Saarrevier könne man nur Mit-leid haben, dieselben hätten den Ausstand wahrhaftig nicht vomZaune gebrochen. Dort, wie überall im Kohlenbergbau, feienFeierschichten, schlechte Löhne, rücksichtslose Behandlung an derTagesordnung, und wenn irgendwo im Kohlenrevier eine Ver-sammlung von Arbeitslosen stattfinde, dann stellten die ehemalsso gesuchten Bergleute dazu das größte Kontingent. Was dieZeitungsberichte über einen Durchschnittslohn von 4 M. undeinigen Pfennigen für die Bergleute des Saarreviers bettesse, sokönne dergleichen nur der größte Esel des neunzehnten Jahr-Hunderts glauben. Richtig sei ja, daß nach dem Streikvon 1339 im Saarrevier besonders hohe Löhne gezahltworden seien, aber inzwischen seien sie dort wie überallschwer beschnitten worden, und noch sei man nicht zuEnde. Die Arbeiterausschüsse im Saarrevier seien ganz undgar unfähig, für die Interessen der Bergleute irgend etwas zuthun; brächten sie Klagen vor, dann heiße es:„das gehört nichtzur Tagesordnung, sagt den Leuten lieber, sie sollten froh sein,daß sie überhaupt noch Brot haben.» Die Verwaltung der Eaar-bergwerke berufe sich immer darauf, daß sie weniger Ausbeutemache, als die Rührwerke, sie vergesse aber, daß nirgendwo dieBeamten so mit Gratifikationen bedacht würden, als eben dort.Redner fährt fort: Was uns im Ruhrrevier betrifft, so habe ichbereits am 15. Dezember vorigen Jahres dem Herrn Minister vonBerlepsch schriftlich die Bitte vorgelegt, die geplanten Ober-ältesten für den allgemeinen Knappschaftsverein nicht zu sanktio-niren, die Erregung im diesseittgen Revier habe bereits einenbedrohlichen Grad erreicht. Trotzdem sind diese zwölf Apostelgekommen. Was wir erreicht haben, ist, daß das neue Knapp-schaftsstatut vorläufig noch nicht genehmigt worden ist. Ich haveHerrn v. Berlepsch weiter unterbreitet, daß namentlich die Kohlen-Verkaufsvereine die Bergleute schwer schädigten und auch dieEisenindustrie- Arbeiter in Mitleidenschaft zögen. Soweit ist esschon gekommen, daß ein Mann, der 24 Schichten im Monatgearbeitet hat, mit 43 Mark seine Familie ernähren soll.Bunte: Es handelt sich zunächst darum, festzustellen, obwir den Streik im Saarrevier als berechtigt anerkennen, oder obdie„Rhein.-Westf. Ztg." und andere kapitalistische Blätter Rechthaben, wenn sie behaupten, der Streik. dort fei vom Zaun ge-brachen. Ueber die angeblich großen Löhne dort brauchen wirkein Wort zu verlieren. Derartige Durchschnittslöhne lassen sichleicht herausrechnen, wenn man die Direktorengehälter und dieAbzüge, die allein für die Knappschaft heute schon 6 M. betragen,einbezieht. Die„Rhein.-Westf. Ztg.» schrieb in diesen Tagen, imRuhrrevier sei Alles ruhig und fügte hinzu, es möchten also hierdie Bergleute wohl zufrieden sein.(Lachen. Pfui!) Früher hatman bekanntlich öfters behauptet, nach dem Stteik vom Jahre 1389seien die Bergleute träger geworden und leisteten weniger; jetztkommt die Harpener Bergwerksgesellschaft und schreibt in ihremJahresbericht, die Minderleistung der Arbeiter sei auf die neuerdin.'mehr in Aufnahme gekommene Abbaumethode mit Bergev-rnsatz zurück-zuführen. An derselben Stelle heißt es, bei sinkenden Löhnen stiegennmncrhin die Leistungen; man scheint also in dieser Beziehung zuspekuliren. Richtig ist ja, daß ein ordentlicher Mwan eher vorder Pritsche liegen bleibt, bevor er seine Familie verhungernläßt. Die Harpener Herren ttöstcn die Bergleute endlich mitder guten Ernte und den billigen Kartoffeln. Herr Dr. Reis-mann hat einmal gesagt, der englische Bergmann leiste mehr alsder deutsche. Ich bestreite das nicht, weil ich weiß, daß derselbedoppelt so viel verdient, als wir, und sich besser nähren kann.Doch es bedarf nicht vieler Worte; haben die Saar-Bergleuterecht, dann stehen wir zu ihnen, niag die„Rh.-Westf. Ztg.»schreiben, was sie will. Wir haben im letzten Jahre zusammenetwa sechs Wochen unfreiwillig feiern müssen, und die Löhnesind dabei fortgesetzt gedrückt worden. Da können wir ja aucheinmal die 6 Wochen hintereinander freiwillig feiern,schlechter kann es ja doch nicht werden.(Stürmischer Beifall.)Dem Kapital muß endlich beigebracht werden, daß der Arbeiterauch noch auf etwas mehr Anrecht hat, als auf Kar-toffeln(Bravo!). M ü h l e n b e ck- Essen: In den Zeitungenwerden die Arbeiter ermahnt, sich nicht beirren zu lassen, dieFührer machten die Bewegung, um sie dann für sich auszunutzen.unheimlich genannt werden. Uns ist nur einePerson bekannt, die, wenn auch auf anderemGebiete, in ähnlicher Weise allmächtig ist, aber derName Ahlwardt scheint auf die geheimen und öffentlichenKommerzienräthe einen ähnlichen Eindruck zu machen, alswenn man den römischen Säuglingen, wenn sie nicht ohneWiderstreben die Flasche annehmen wollten, drohte, daßHannibal vor den Thoren stände. Die schwerwiegendstenMillionäre suchten Schutz, obgleich sie nicht Schutzjuden,sondern Staatsbürger sein wollen. Man sieht bereitsAhlwardt's gierige, christlich- germanische Krallen in denwohlverwahrten Geldschränken und da ertönt denn ein viel-hundertstimmiges:„Saniiel, hilf!»— Der Vorstand derjüdischen Gemeinde befand sich in einer prekären Lage,und auch für ihn galt das alte Wort:„Wie man esmacht, ist es falsch." Herr Justizrath Meyer schüttelte denStaub von seinen Pantoffeln, indem er aus demVorstand der jüdischen Gemeinde ausschied, er fand leiderkeine Gegenliebe in der Berliner Stadtverordneten-Ver-sammlung, er unterlag hier, wie wir schon sagten,dem evangelischen Meyer, und nun geht es ihm„nachdem Spruch der Alten: Wer Alles will, wird Nichts er-halten!»So rast denn der wilde Streit zwischen Semiten undAriern auch im neuen Jähre rüstig weiter. Herr Ahlwardtsitzt in Plötzensce, und neuerdings soll man sich sogar dazuentschlossen haben, sein ehrwürdiges Antlitz auf einer Me-daille zu verewigen. Das ist ein genialer Gedanke, wie erlange nicht in der antisemitischen Bewegung aufgeblühtist. Jeder, der einen Juden auf dem Gewissenhat, erhält eine solche Medaille, und unter ihr schlägt dasdeutsche Herz noch einmal so tapfer. Natürlich dürften die«selben nicht umsonst verliehen werden, entweder fließt einangenehmer Beitrag in die unergründlichen Taschen desRektors aller Deutschen, oder aber es muß nundestens derVersuch gemacht werden, ihn anzudichten. Auf die Zu»stimmungsadressen von Primanern aller Lehranstalten wirddagegen in Gnaden verzichtet, weil ein Schulrektor schonganz von selbst des Beifalls aller Jungen sicher ist...,