Herr Schubert gewiesen hat, dann müßten wir auch noch den Reichs- Zuschuß berücksichtigen und darüber noch eine besondere Rechnung aufstellen. Wenn unter anderem Breslau angeführt wird, so dürfte man dort vieles aus der Berliner Ruhegehaltsordnung als mustcr- gültig ansehen. Wenn Sie die Vorlage annehmen, wie sie liegt, so bin ich überzeugt, daß es keine Stadt in Deutschland gibt, die dasselbe gewährt wie Berlin . Aber der Beamte steht doch wesentlich anders da als der Arbeiter. Vor allem ist er an seine Stellung ge- bunden und hat kein Aoalitionsrecht. Und wie sieht es denn mit der Willkür aus, von der hier die Rede war? Sie haben für die nachherige geheime Sitzung zufällig heute zum ersten Male eine Vorlage, in der der Magistrat von seinem Rechte, kein Ruhe- geld zu bewilligen, Gebrauch macht. Und auch in diesem Falle kann von Willkür nicht die Rede sein. Die Vorlage wird darauf einem Ausschuß von 10 Personen überwiesen. Die Bebauung des nördlich der Bellermannstraße belegenen Geländes soll dadurch gefördert werden, daß die Stadt gemeinsam mit der Norden-Terraingesellschaft vor- geht. Nach der getroffenen Vereinbarung soll die Stadt die Straße 6a, Abt. XI B.-B. anlegen und die dazu von der Wollank- schen Familienstiftung und von den Eigentümern Goldwaffer und Neustadt abzutretenden Flächen im Enteignungsverfahren erworben werden; die Herstellung der Straßen lve, 106 und Iva sowie des Dammes der Bornholmerstraße zwischen Grünthalerstratze und Straße 5b will die Gesellschaft bewirken, doch soll die Stadt die vom Wollankschen Gelände hierzu erforderlichen Flächen auf Kosten der Gesellschaft enteignen und 112 Quadratmeter ehe- maliges Straßenland der Straße 10 der Gesellschaft unentgeltlich auflassen. Stadtv. Mertens(A. L.) befürwortet Ausschußberatung. Die Vorlage geht an einen Ausschutz von 1b Personen. Mit dem Ankauf der Grund st ücke Landsberger- st ratze 49 und 61 zum Zwecke der Verbreiterung dieser Straße hat sich der niedergesetzte Ausschuß einstimmig einverstanden er- klärt, nachdem es gelungen ist, den Eigentümer zu einer Er- Mäßigung seiner Forderung von 08 000 M. um 30 000 M. zu bebewegen. Ohne Diskussion wird dem Ausschußantrage zugestimmt. Die auf gesetzlicher Verpflichtung beruhenden Wohnungs- und Effekten-Desinfektionen sollen vom 1. April 1908 ab g e- bührenfrei ausgeführt werden. Stadtv. Dr. Wehl(Soz.): Wir werden die Vorlage en bloc annehmen. Sie hat uns mit besonderer Genugtuung erfüllt, denn solange es eine sozialdemokratische Fraktion hier gibt, haben wir jahraus, jahrein die Forderung auf gebührenfreie Desinfektion gestellt. Nach der Vorlage scheint der Magistrat nicht gern seinen Beschluß, gefaßt, sondern mehr der Volks st immung Rechnung getragen haben. Es wäre empfehlenswert, wenn der Magistrat auch in Zukunft recht oft der Volksstimmung Rücksicht einräumt, dadurch kann die allgemeine Wohlfahrt nur gefördert werden.— Bei dieser Gelegenheit möchte ich an den Magistrat zwei Anfragen richten. Zur Desinfektion muß der Arzt feststellen, ob eine ansteckende Krankheit vorliegt. Er tappt da oft im Dunkeln. Wir haben deshalb am 7. März d. I. gewünscht, daß in dem neu in der Fischerstraße gegründeten llntersuchungsamt eine Stätte für Untersuchung infektiöser Stoffe eingerichtet werde. Der Magistrat hat darauf am 27. März eine dementsprechende Vorlage zugesagt. Wie steht es damit? Weiter haben wir am 27. Juni gewünscht eine Entscheidung darüber, welcher Deputation die Verwaltung des städtischen Untersuchungsamtes zugewiesen werden soll. Stadtrat Straßmann: Das städtisch« Untersuchungsamt wird voraussichtlich der Deputation für Gesundheitspflege unterstellt werden. Bezüglich der Einrichtung einer Stätte für Untersuchung infektiöser Stoffe an diesem Amt wird der Magistrat Voraussicht- lich schon morgen einen Beschluß fassen. Die Magistratsvorlage wird darauf en bloc angenommen. Der Magistrat legt den Entwurf einer abgeänderten Hundesteuerordnung vor. Stadtv. Dr. Levy(A. L.) hat Bedenken gegen die Vorlage, insbesondere gegen§ 10, der die Anmeldung eines angeschafften Hundes innerhalb acht Tagen verlangt. Alle Bedenken würden sich am besten.in einem Ausschuß besprechen lassen, den Redner beantragt. Die Stadtvv. Galland(A. L.) und Imberg(N. L.) wünschen ebenfalls Ausschußberatung. Stadtv. Ullstein(soz.-fortschr.) begrüßt eS mit Freuden, daß die ganze Materie der Hundehaltung einmal durch die Steuer- ordnung geregelt werden soll. Die Vorlage geht an einen Ausschuß. Die Zghl der Beisitzer des Kaufmannsgcrichts soll von 200 auf 360 erhöht werden. Stadtv. Preuß(soz.-fortschr.) begrüßt cS mit Freuden, daß der Magistrat diese Erhöhung der Beisitzerzahl ohne Aenderung des Statuts vorgeschlagen habe. Darin liege eine Anerkennung, daß das Proportionalwahlshstem sich bewährt habe. Um so leb- haftcr wünscht er, daß dieses Wahlspstem auch auf die Gewerbe- gerichte ausgedehnt werde. Einen bezüglichen Antrag zu stellen, behält sich Redner vor. Stadtv. Gronewaldt'(51 L.) hält wegen der ZZerschiedenartig- kcit der Kaufmanns- und Gewerbegerichte eine Trennung auch des Wahlmodus der Beisitzer sowie der Räume und des Personals für geböten. Stadtrat Böhm: Ob die Verhältniswahl beim Gewerbegcricht einzuführen ist, wird im Magistrat erwogen. Der Ausschuß des Gewerbegcrichts ist zu einer Aeutzerung aufgefordert. Dann wird der Magistrat Beschluß fassen. Stadtv. Goldschmidt(N. L.): Diese Aeutzerung klingt ja durch- aus freundlich für den geäußerten Wunsch; sollte diese Folgerung unberechtigt sein, so kann ich das nur sehr bedauern. Ich hoffe, der Magistrat wird sich doch noch dafür entscheiden. Beim Kauf- mannsgericht hat man damit gute Erfahrungen gemacht, und der Oberbürgermeister hat einer Deputation von Gewcrkvereinlern und anderen nichtsozialdemokratischen Arbeitern seine Sympathie für die Forderung zu erkennen gegeben; hoffentlich gelingt es ihm. den Magistrat für seine Auffassung zu gewinnen. Die Räume für das Kaufmannsgericht sind allerdings unzureichend; eine räum- liche Trennung wünschte auch ich; einer prinzipiellen Trennung beider Gerichte würde ich aber mit aller Energie widerstreben. Dann bitte ich, den Termin für die nächsten Wahlen zum Kauf- mannsgerickst bald bekannt machen zu wollen; die Vorbereitungen für die Wahl in der großen Stadt zu treffen, ist nicht ganz leicht. Ferner sollten auch für die Gehülfcnbeisitzerwahlcn Wählerlisten aufgestellt werden. Der setzige Zustand ist unhaltbar. Jeder Be- liebige kan jetzt dem Gehülfen eine Bescheinigung ausstellen, auf Grund deren er wählen kann; es ist gar nicht ausgeschlossen, daß er in mehreren Bezirken wählt, wenn er sich mehrfach eintragen läßt. Auf diese Weise sind die Wahlen leicht zu fälschen. Das muß verhütet werden. Stadtv. Singer(Soz.): Herr Goldschmidt hat wenigstens in aller Offenheit gesprochen. Er will hier die Verhältniswahl, um parteipolitischen Nutzen daraus zu ziehen. Warum gibt die Fraktion des Herrn Goldschmidt nicht im Reichstag und im Landtag diese Anregung? Die Herren nehmen dort bezügliche Gesetze an, in denen von Verhältniswahl keine Rede ist.„Wer im Blockhaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen!"(Rufe: Au! Heiterkeit.) Zu prinzipiellen Erörterungen über die Frage der Proportional- wählen ist jetzt nicht die Gelegenheit; dazu ist es eine zu wichtige Frage, als daß sie so aus dem Aermcl geschüttelt behandelt werden kann. Wir sind schon auf Grund unseres Programms für die Ein- führung dieses Systems der Verhältniswahl; unsere Stellung zu der Frage ist also gegeben. Wir sind sogar ältere Anhänger dieses Systems, als die anderen Parteien. Sie können doch aber nicht erwarten, daß wir uns einfach da abschlachten lassen. wo die Gegner aus diesem Wahl sy st cm Vorteile haben, während dieselben Gegner dieses �System da nicht zu- Lerantw. Redakteur: Hauß Wcbrr, Berlin . Lnseratenteil verantw.: gestehen, wo sie dann im Nachteil wären; ich verweise nur auf Rheinland-Westfalen . Wir unsererseits sind bereit, heute einem Gesetz zuzustimmen, gleichviel ob dem Gesetz über die Gewerbe- oder die Kaufmannsgerichte, welches die Verhältniswahl einführt; aber hier den Magistrat aufzufordern, etwas durch Ortsstatut zu be- stimmen, wo der Vorteil dem Liberalismus zufiele, während anderswo der Liberalismus dafür keine Hand rührt, das machen wir nicht mit. Hier wollen Sie bloß eine Ihnen unangenehme Gegnerschaft verdrängen. Stadtrat Böhm: Ich habe die Stellungnahme des Magistrats nicht festlegen können und dürfen; es kommt eben auf die Sieschluß- fassung des Magistrats an. Die Bekanntmachung des Wahltermins wird voraussichtlich Mitte iDezember erscheinen; die Wahlen können dann in der ersten Hälfte des Februar stattfinden, wahrscheinlich am neunten. Ob auch für die Handlungsgehülfen Wählerlisten anzulegen wären, ist Gegenstand sehr eingehender Beratung bei der Vorbesprechung des Statuts gewesen. Wir haben davon Abstand genommen, weil einigermaßen korrekte Wählerlisten aufzustellen unmöglich ist. Der Modus, die Prinzipale zu fragen, genügt nicht, denn die Befragung müßte 6 Monate vorher erfolgen, und in- zwischen hat sich alles wieder geändert, da diese Kategorie sehr fluktuiert. Stadtv. Cassel(A. L.) spricht sich gegen den von dem Kollegen Gronewaldt gemachten Vorschlag aus, die Gewerbe- und die Kauf- mannsgerichte streng auseinander zu halten. Ob Bureaupersonal und Geschäftslokal für beide Gerichte die gleichen seien, sei un- erheblich. Dem Wunsche der Einführung der Verhältniswahl schließt er sich an. Herr Singer habe wieder das Gebiet der hohen Politik betreten. Redner hat dazu keinen Anlaß, denn hixr handele es sich um Einrichtungen für Berlin ; da müsse geprüft werden, was dafür zweckmäßig sei. Die Frage des Proportionalwahlrechts sei in der freisinnigen Partei nicht durch Programm festgelegt, manche hätten dafür Sympathie, manche nicht.(Zuruf:„Und wir wissen auch, warum!") Im ganzen Lande komme doch insgemein die Minorität immer zum Ausdruck; im Reichstage seien auch' ohne Proportionalwahlrecht alle Parteien vertreten. Etwas anderes sei es in den einzelnen Kommunen; in Berlin würde ohne das Proportionalwahlrecht nur eine bestimmte Partei die Beisitzer der Arbeitnehmer stellen. Gerade im Gewerbegericht wäre aber die Vertretung der Minoritäten notwendig. Wenn Herr Singer das System weiter durchführen wolle, so sei er ja durchaus berechtigt, dafür zu wirken. Unrichtig aber sei es, den Grundsatz an ei n e r Stelle fallen zu lassen, weil man ihn nicht auch an anderen Stellen durchsetzen könne. Stadtv. Goldschmidt: Ich kann Herrn Singer das Kompliment der Offenheit zurückgeben. Die Herren Sozialdemokraten nehmen ihr Programm also nur da auf, wo es ihnen nützt.(Große Heiter- keit bei den Sozialdemokraten. Zuruf des Stadtv. Hoffmann: „Das haben Sie im Spiegel gesehen!") Also bald so, bald so, wie's trefft! Herr Singer wird mir keinen Fall aus Rheinland-Westfalen nennen können; und wenn, so würde das nichts beweisen, denn diese Forderung steht nicht in unserem Programm.(Zuruf bei den Sozialdemokraten:„Sie haben ja gar keins!") Was soll man auf solchen Zuruf sagen? Nun, wir lachen ja ganz gern, wenn der heitere Herr Kollege Hoffmann einen Witz macht.(Stadtv. Hoffmann:„Ich bins ja gar nicht gewesen; aber es stimmt!" Erneute Heiterkeit.) Bei der Kaufmannsgerichtsvorlage haben wir im Reichstage für die Verhältniswahl gestimmt. Das Gerechtigkeits- gefühl zwingt uns, den vielen tausend Arbeitern, die nicht Sozial- demokraten sind, auch eine Vertretung im Gewerbegericht zu schaffen. Stadtv. Preuß: Ich habe in meiner Unschuld nicht entfernt geahnt, daß ich einen solchen Kampf der Wagen und Gesänge um die höchsten Prinzipien mit meiner Anregung entfesseln würde. Die Ausführungen des Kollegen Singer hatten heute etwas von dem, was man im Fechterjargon eine„brillante Finte" nennt. Ich bin selbstverständlich auch für die politischen Wahlen Anhänger der Verhältniswahl, sehe aber nicht ein, daß wir hier in der Lage wären, dies Prinzip in Reichs- oder Landtag zur Geltung zu bringen, während wir.es aber wohl für die Berliner Gewerbegerjchts- und Kaufmannsgerichtswahlen können. Für die Kaufmannsgerichte be- steht es bereits. Warum will Herr Singer das Prinzip, das er selbst als gerecht anerkennt, nur durch ein Staatsgesctz für alle und nicht durch ein Ortsstatut für Berlin ? Stadtv. Singer: Ich habe nicht vom Standpunkt des Gewinnes oder Verlustes an Mandaten gesprochen, sondern ich habe den parteipolitischen Standpunkt gekennzeichnet, den Herr Goldschmidt hier zugunsten seiner Partei geltend gemacht hat. Seine Aus- führungen erinnern an die Taktik des Reichsvcr- b a n de s gegen die Sozialdemokratie. Es ist eine unerhörte Kühn- heit, mir zu unterstellen, daß wir hier in Berlin gegen dieses Proportionalwahlsystem sind, weil wir hier Verluste haben ivürden. Nein; ich habe erklärt, wir sind für die Verhältniswahl; aber wir wundern uns, daß die Liberalen es nur da verlangen, wo sie Vor- teile davon haben würden. Wir können uns auf die Methode, die Sie hier anwenden, uns einen Strick zu drehen, nicht einlassen, und sehen in den Ausführungen der Herren Goldschmidt und Cassel nur Verlegenheitsreden. Herr Cassel hat ja den Beweis geliefert, indem er bemerkte, diese Forderung stände im liberalen Progrannn über- Haupt nicht. Eine solche Politik ist mit ehrlichen demokratischen Grundsätzen unvereinbar. Wird mir Herr Cassel die Frage, ob er der Sozialdemokratie freiwillig Sitze abtreten wird, wenn hier eine Mehrheit von freisinnigen Arbeitern in Berlin wäre, mit Ja bcant- Worten? Stadtv. Cassel: Wer heute abend hier eine Verlegcnheitsrede gehalten hat, das zu beurteilen überlasse ich Ihnen.(Heiterkeit und Sehr gut! bei der Mehrheit.) Daß ich erklärt hätte, ich sei in Berlin dafür, weil es unserer Partei so patzt, ist nicht richtig. (Widerspruch des Stadtv. Singer.) Sie haben das nicht bloß von Goldschmidt, sondern auch von mir gesagt. Wenn in Berlin eine Mehrheit von freisinnigen Arbeitern vorhanden ist, solche Möglichkeit aufzustellen ist sehr hypothetisch, denn sie existiert ja nicht, aber meine Haltung würde sich dann nach meinen früheren Aeutzerungen ergeben, wo ich ausführte, daß es gut sei, wenn die Leute, die dort Recht nähmen, wüßten, daß es nicht bloß Leute von einer Partei seien, die da als Richter sitzen. Die Frage selbst be- antworte ich mit einem entschiedenen Ja; denn so sehr bin ich nicht Parteimann, um nicht aus allgemeinen Gründen zu wünschen. daß in der Tat alle Gesinnungen unter den Richtern vertreten sind, die aus den Arbeitern berufen werden.(Lebhafter Beifall.) Stadtv. Ritter(Soz.): Herr Cassel meinte, feststellen zu müssen, daß ein richtiges Vertrauen zu den Gewerbcrichtern nicht sein könnte, wenn sie alle Sozialdemokraten sind. Hierin liegt zwischen den Zeilen der Vorwurf, daß die sozialdemokratischen Bei- sitzer parteiisch Recht sprechen. Ich lehne diesen indirekten Vor- Wurf als langjähriger Beisitzer energisch ab. Für uns ist die ganze Sache hier heute sehr überraschend gekommen, wir müssen uns die Beschaffung des Materials für den Gegen- beweis vorbehalten. Stadtv. Goldschmidt: Kollege Ritter müßte als Gelverbe- gerichtsbeisitzer doch solche Behauptungen sofort entkräften können; er will aber erst sich Material verschaffen. Aus sozialer Gerechtig- keit müssen die Arbeiter, die der stärkeren Partei nicht angehören, auch Vertreter im Gericht haben.(Stadtv. Singer: Ganz ein- verstanden!) Welche Wirkung mag sich nun Herr Singer davon ver- sprechen, daß er mich mit dem Neichsvcrband in Verbindung bringt? Ich habe mit ihm nichts zu tun. Nicht wir, sondern Sic stehen auf dem Standpunkt, die Einführung der Verhältniswahl nur von Fall zu Fall zu verlangen. Ich bezog mich bei meiner Rede auf die deutschen Gewerkvereine, und deren Zentralrat hat einmütig die Einführung der Verhältniswahl in allen Gemeinden gefordert. Sie fordern sie nur im Programm und wollen sie nur da. wo sie Ihnen nützlich ist! Das von dem„Abschlachten" ist schon früher einmal von dem Kollegen Koblenzer ausgesprochen worden. Den „Strick" haben Sie sich aus ihrer Aeutzerung selbst gedreht. Was Sie heute gesagt haben, wird die nichtsozialdemokratischcn Arbeiter aufmuntern, Ihnen bei den nächsten Wahlen mit aller Energie eine große Zahl von Sitzen abzu- MSlockc, Berlin . Druck u. Perlag: Vorwärts Buchdr.u.Berlaasanstalt I nehmen. Mit dem Kollegen Cassel erkläre auch ich, wir würden sofort für die Verhältniswahl stimmen. Lebhaft beklagen mutz ich die Art, wie sich Kollege Singer aus der Schlinge zielen wollte, in- dem er erklärte, die Freisinnigen könnten eine ehrliche demokratische Politik nicht mehr machen, sondcrm nur eine durch Hintertüren. Die„ehrliche demokratische" Politik, die die Sozialdemokratie treibt,' indem sie jeden Nichtsozialdemokraten boykottiert und von Werkstatt zu Werkstatt treibt, dafür bedanken wir uns!(Lebhafter Beifall. Große Unruhe.) Stadtv. Cassel: Ich habe den Vorwurf der Parteilichkeit gegen die sozialdemokratischen Beisitzer weder in noch zwischen den Zeilen meiner Worte gerichtet. Für jeden verständigen Menschen ist so etwas ausgeschlossen gewesen. Ich würde es als schweres Unrecht erkennen, sämtlichen sozialdemokratischen Beisitzern durch die Bank den Vorwurf der Parteilichkeit zu machen. Daraus wird die Vorlage des Magistrats angenommen. Die Ausführung des Virchow-Denkmals soll dem Bild- Hauer Fritz Klimsch nach seinem zweiten Entwurf für 80 000 Mark überrragen werden. Stadtv. Singer: Der vom Preisgericht gekrönte erste Entwurf hafte viel Opposition gefunden. Eine große Anzahl von Mit- gliedern konnten sich ein Virchow-Denkmal anders vorstellen, während der Künstler eine allegorische Darstellung gemacht hatte, die den Lebensinhalt Virchows versinnbildlichen sollte. Nach meiner Meinung konnte einem um dieWissenschaft so hoch verdienten Manne sehr wohl ein allegorisches Denkmal gewidmet werden, wenn tzas Symbol allgemein verständlich ist. Wenn der Künstler das Denkmal in der Gruppe oberhalb so eingerichtet hatte, daß Virchow als Herkules im Kampf mit dem Drachen dargestellt Wird, so war der Spott, der damals darüber ausgegossen wurde, ganz unberechtigt, denn hier war er als der starke Mann, als der Bezwinger einer Seuche dar- gestellt, womit er dem Volke einen großen Dienst geleistet hat. Um die Persönlichkeit eines Mannes in den Vordergrund treten zu lassen, wie es notwendig ist, dazu gibt es nicht nur das eine Mittel, die volle Figur auf den Sockel zu stellen. Wir haben doch lang- weilige Figuren in Berlin genug, die einmal den rechten, das andere Mal den linken Fuß vorstellen; öde geschmacklose Figuren, bald mit, bald ohne Mantel. Diese entsprechen weder dem Volks- bedürfnis, noch dem Volksgeschmack, sie sind nicht geeignet, ethisch zu erziehen und künstlerisch zu bilden. Unser Volk soll doch an diesen (Denkmälern Freude haben. In der Kommission haben wir den neuen Entwurf fast einstimmig gebilligt. Die obere Gruppe, die der Künstler in Bronze dachte, ist jetzt in Stein, und das Relief mit dem Portrait Virchows, das früher in Stein gedacht war, ist jetzt in Bronze, und der Kopf tritt jetzt in solcher Größe uns entgegen, daß er bezüglich der Aehnlichkeit volle Zustimmung fand. Daß die medizinische Tätigkeit Virchows den Borrang hat, muß ich bei aller Hochachtung vor seiner kommunalen Bedeutung unterschreiben; sein Lebensinhalt war der Dienst der Wissenschaft. Wir können den Entwurf jetzt mit gutem Rechte zur Ilusführung empfehlen. Ein größeres monumentales Denkmal verbot sich ja schon durch den kleinen Platz.(tSeifall.) Stadtv. Cassel: Ich kann diesen Ausführungen im einzelnen fast durchweg zustimmen. Wir haben dem Bildhauer Klimsch , dem genialen Preisträger, zu danken, der bewiesen hat, daß man ein hochstehender Künstler sein und doch auf Bedenken und Wünsche alle Rücksicht nehmen kann. Die Vorlage wird darauf angenommen. Schluß%9 Uhr._ Letzte JSaebnefoten und Depefchm Glänzender Fortschritt. Fllrstenwalde(Spree ), 27. November. (Privatdepesche deS „Vorwärts".) Bei den heutigen Stadtverordnetenwahlen wurden die Genossen Schön. Weiland und Wassermann mit 176 Stimmen Majorität gewählt. Während wir bei dieser Wahl 830 Stimmen auf unsere Kandidaten vereinigten, haften wir bei der letzten Wahl nur 398 Stimmen erreich«. Die Dresdener Stadtverordnetentvahlen. Dresden , 27. November. (Privatdepesche des„Vorwärts".) Bei den Wahlen wurden bisher 4 Sozialdemokraten neugewählt. Unsere Stadtverordnetenfraktion ist dadurch auf 14 Mann gc- stiegen. Ein Protest gegen die Ausrottungstaktik. Wien , 28. November. (W. T. B.) Abgeordnetenhaus. In einer Anfrage an den Präsidenten verweist Abgeordneter Glom- Kinski, der Obmann des Polenklubs, auf die im deutschen Reichs- tage bezw. im preußischen Landtage eingebrachten zwei anti- polnischen Borlagen, die in Wirklichkeit als antikulturell bezeichnet werden müßten und die geeignet seien, die Grundlagen des Rechts und der internationalen Beziehungen im Bewußtsein der Völker zu untergraben. Den Polen soll im Deutschen Reiche ihr natür- liches und verfassungsmäßig gewährleistetes Recht entzogen werden, sich in Versammlungen ihrer Sprache zu bedienen, und in den überwiegend polnischen Ländern Preußens soll die preußische An-» sicdlungskommission darüber entscheiden, ob und in welchen Gegen- den den Polen ihr Besitz von Grund und Boden samt Zubehör ge- lassen werden soll, ohne Rücksicht darauf, daß dieselben seit Jahr- Hunderten in ihrer Urheimat angesiedelt sind. Wir können uns nicht mit dem.Gedanken befreunden, daß es möglich wäre, für solche in der Geschichte eines Kulturvolkes unerhörten und der gesamten Zivilisation ins Gesicht schlagenden Borlagen eine Mehrheit der Vertreter des deutschen Volkes zu finden. Wir sind überzeugt, daß solche nie dagewesenen Maßnahmen, die zur Ausrottung eines Volkes führen müßten, dessen Schuld lediglich darin besteht, daß es auf seine natürlichen Rechte, seine Sprache, seinen Grund und Boden nicht verzichten kann und darf, ihren Zweck verfehlen müsse» und zur Erschütterung des lebendigen Organismus, auch des deut- schen Volkes und seines Bündnisses mit Oesterreich-Ungarn bei- tragen werden.(Lebhafter Beifall.) Als Repräsentant des pol« nischen Volkes in diesem Hause erachte es Redners Partei als ihre heilige Pflicht, gegen solche Anschläge der preußischen Regierung auf die angeborenen Rechte des polnischen Volkes, auf die ver- tragsmäßig gewährleisteten Rechte der österreichischen Staatsbürger im Deutschen Reiche, auf die Grundlagen der christlichen Kultur und des Rechts feierlichen Protest zu erheben und an alle berufenen Faktoren der Monarchie, sowie die Vertreter aller Volksstämme die Aufforderung zu richten, zu erwägen, wohin eine derartige Politik führen müsse. Namens des Polenklubs fragt Redner den Präsidenten, ob er diesen Gefühlen und Bedenken an geeigneter Stelle Ausdruck ver- leihen wolle.(Stürmischer Beifall und Händeklatschen.) Präsident Weißkirchner erwidert, die AiugelegenHeit gehöre nicht zu dem Wir- kungskreise des Reichsrates, und die Stelle, von welcher er spreche, verbiete ihm, sein persönliches Urteil über die fraglichen Maßnahmen zum Ausdruck zu bringen. Er halte aber dafür, daß der öfter- reichische Ministerpräsident verpflichtet sei, sich mit dieser An- gelegenhcit zu befassen. Der Präsident fordert den Abgeordneten Glombinski auf, sich in einer Interpellation an den Ministerpräji» den ten zu� wenden._(Lebhafter Beifall.)_ j jaul SiltgeiKCo�Lerlin gw. HierzuZBcilagen». Unterhaltungeblatt
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten