Mr. 281. 24. Jahrgang.
4. Beilage des„ Vorwärts " Berliner Volksblatt. Sonntag, 1. Dezember 1907.
Die fozialpolitische Unfruchtbarkeit des schweizerischen Bundesparlaments. fangen müffen eben für die neue Militärorganisation möglichst er zu dem Schluſſe fommt, daß bei vorsichtiger Finanzgebarung
Als sich nur zwei Jahren die bürgerlichen Parteien von der äußersten Rechten bis zur sogenannten demokratischen Linfen zu fammenfanden, um das Bundesparlament von dem fleinen Fähn lein der sieben sozialdemokratischen Vertreter zu säubern, da wußte man kaum genug Worte zu finden, um die Arbeiterschaft der Huld und Freundlichkeit der bürgerlichen Parlamentarier zu versichern. Die Arbeiterfreundlichkeit dieser Herren wurde in bengalische Bes leuchtung gejezt und wer sich vom Glanze ſolcher Manöver noch blenden ließ, weil er sich nicht bewußt war, was dahinter steckt, der mochte glauben, daß nun die Aera einer neuen fruchtbaren Sozialpolitik auf eidgenössischem Gebiete gekommen sei. Freilich die Arbeiterschaft, wenigstens soweit sie politisch und gewerkschaftlich organisiert ist, ließ sich nicht betören, sie stand fest zur Fahne der Sozialdemokratie. Sie hat es längst verlernt, offnungen auf die bürgerliche gesetzgebende Vertretung des Bundes zu setzen. Und es bam, wie vorauszusehen war. Die schönen Versprechungen waren nicht nur bald, sondern allsogleich vergessen. Statt der Arbeiterfreundlichkeit wurde nicht nur einmal, sondern wiederholt die erbittertste Arbeiterfeindlichkeit heraus gekehrt, und auf dem Gebiete der Sozialpolitik bot das Parlament bas Bild absoluter Unfruchtbarkeit.
verwaltung gestanden haben, in die Klasse der Angestellten eingereiht Erfreuliche Perspektiven für die Sozialpolitik der Zukunft er werden können! Der Vertreter des Bundesrates warnte vor den öffnete die Behandlung der finanziellen Lage des Bundes. Der finanziellen Konsequenzen eines Entgegenkommens. Die Bundes- Bundesrat hatte über die Finanzlage einen Bericht erstattet, worin reserviert werden! der Bund auch ohne die Eröffnung neuer Finanzquellen imstande sein werde, die Kosten der neuen Militärorganisation und die der schweizerischer Transportanstalten zu befassen, welches eine Besserung jährlich, auf sein Budget zu nehmen. Die Berechnung des Bundes Der Ständerat hatte sich mit einer Petition des Personals Kranken- und Unfallversicherung, zusammen etwa 12 Millioner der Gehaltsverhältnisse des Wärterpersonals der großen Bahnhöfe rates beruht auf der Annahme, daß die Zölle, wie dies in den letzten verlangt. mußte zugeben, daß ein Teil dieser Wärter unter den Privat- berträge im Jahre 1907 alljährlich um etwa anderthalb Millionen Der Berichterstatter der ständerätlichen Kommission Jahren der Fall gewesen ist, bis zum Ablauf der neuen Handelsbahnen beffer gestellt war, aber gleichwohl beantragte er zunehmen werden. Es liegt gewiß schon darin etwas außerordent Abweisung der Petition, und der Nat beschloß gemäß diesem lich Betrübendes für das arbeitende und besißlose Volk, daß ein Antrage! Mangels Kompetenz", so lautete die Motivierung", Staatsbudget, um sich einigermaßen im Gleichgewicht halten zu hinter der sich natürlich Mangel an gutem Willen berbirgt. fönnen, sich auf die eine wesentliche Verteuerung der notwendigsten Wer soll denn zur Revision eines eidgenössischen Besoldungsregles Lebensmittel und anderer Gebrauchsgegenstände bewirkenden Zollments tom petent sein, wenn nicht die eidgenössischen Räte?! schranken stüßen muß. Noch trostloser aber wird die Sache durch Bum dritten bezeugten die Räte ihre Arbeiterfreundlichkeit" den Umstand, daß der Vertreter des Bundesrats die Erklärung ab bei Behandlung der Bundessubvention an den Kanton Bern für die gab, man müsse in nächster Zeit mit Bezug auf die Ausgaben außer doppelspurige Anlage des Berner Alpendurchstichs( Lötschberg ). Es ordentlich vorsichtig sein, und daß er direkt vor allzu weit gehenden tam eine Subvention von 6 Millionen in Frage, an deren Ge- Wünschen in bezug auf die Kranken- und Unfallversicherung warnte. währung verschiedene Bedingungen technischer Statur gefnüpft Es soll also in Zukunft in sozialpolitischer Beziehung noch weniger wurden. In der sozialdemokratischen Bresse war nun im Hinblid geschehen als bisher, und was bisher geleistet wurde, das war geauf die ungeheuerlichen Mißstände beim Bau des Simplon- und des wiß wenig geraig! Ridentunnels, welche bekanntlich zu Streiks und in deren Gefolge Bundesparlament noch zu erwarten hat, das zeigte sich bei Be Welch liebevolle Behandlung die Arbeiterschaft von unserem zu militärischen Truppenaufgeboten geführt haben, berlangt worden, daß die Gewährung und Bezahlung der Subvention auch von der handlung der Vorlage betreffend Ergänzung der Bundesverfassung Erfüllung gewisser Forderungen, die die Arbeitsverhältnisse, die bezüglich des Rechtes der Gesetzgebung über das Gewerbewesen. Entlöhnung, die Arbeitszeit, Stranten- und Unfall fürsorge und die Nach den Ausführungen des Kommissions referenten, eines Mitsanitärischen Einrichtungen zugunsten der Arbeiter betreffen, ab- gliedes der Regierung des Kantons Bern , stellt man sich die Gehängig gemacht werde. Ge fiel aber nun den„ arbeiterfreundlichen" werbegefeßgebung für die Schweiz vornehmlich als Ausnahmegeseb Herren gar nicht ein, auch nur von diesen Forderungen Notiz zu gebung gegen die Arbeiterschaft vor, um die Art und Weise, wie in nehmen, geschweige denn, fie ernsthaft in Betracht zu ziehen. Adler. den letzten Jahren unser gewerbliches Leben geschädigt und mißdings tragen an dieser Ignorierung berechtigter Forderungen der handelt worden ist durch die oft mutwillig, gewöhnlich von Dritten Arbeiterschaft die Hauptschuld die beiden sozialdemokratischen Ver- inspirierte und organisierte Hervorrufung von Arbeitsverweige treter. Der eine schwieg sich nämlich vollständig aus, und der rungen und Streits zu beseitigen. andere beschränkte sich darauf, die Oftalpenbahn, an der er als Präfident eines Komitees hervorragend interessiert ist, in empfehlende Erinnerung zu bringen. Wie sehr gerade hier gewisse Vor kehrungen am Blaze gewesen wären, beweisen die zahlreichen Klagen über Uebelstände in den Arbeitsverhältnissen der am Tunnelbau beschäftigten Arbeiter, die jetzt schon laut werden. Wenn das große Kulturwerf fertig ist, dann wird man wieder, wie es bei Er. öffnung des Betriebes durch den Simplon geschehen ist, großartige Feierlichkeiten veranstalten, wobei die Arbeiter, die tagein, tagaus im Schweiße ihres Angesichts Gesundheit und Leben aufs Spiel gesetzt haben, mit einem Glase Wein, einer Wurst und einer Medaille abgefertigt und mit dem Anblid prafsender Potentaten und ihrer liebedienernden Schranzen beehrt werden, die mit der Der Nationalrat hielt an der Fassung fest, daß Arbeiter, die ganzen Geschichte gerade so viel zu tun haben, wie ein Esel mit der während 3 Jahren ununterbrochen im Dienste der Bundes-| Anlegung eines Gemüsegartens.
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In der letzten außerordentlichen Herbstsession der eidgenössischen Nate scheint man ganz besonders das Bedürfnis gehabt zu baben, fich für die Stimmen verblendeter Arbeiter dankbar" zu erweisen und das sozialpolitische Unvermögen an den Tag zu legen. Drei Verhandlungsgegenstände boten nämlich hierzu günstige Gelegen heit. Da stand zunächst auf der Tagesordnung das Gesetz über die Organisation der Telegraphenverwaltung. Der Verband des Personais der eidgenössischen Telegraphenverwaltung poftulierte hierzu, daß auch die Angestellten dieser Verwaltung wie bei der Poft verwaltung und den Bundesbahnen auf Amtsdauer gewählt werden, daß Angestellte mit ständiger Beschäftigung nach einjähriger Dienstzeit in die feste Anstellung vorrücken und daß die Linienarbeiter unter die Angestellten eingereiht werden. Es sollte damit vor allem der unhaltbare Zustand, daß Leute, die seit 20 und 30 Jahren im Dienste der Telegraphenverwaltung stehen, immer noch als Tagelöhner behandelt werden, ein Ende haben. Die Eingabe des Personals fand teine Gnade. Ebensowenig ein Vermittlungsantrag des Genoffen Dr. Brüstle in, nach welchem die Probezeit auf ein Jahr und an Stelle des Fakultativums das Obligatorium der definitiven Anstellung festgesetzt worden
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Provinz Deutschlands " bezeichnet. Man mag sich zu dieser Wertung Ein Berner Professor hat vor Jahren die Schweiz als„ geistige der geistigen Verhältnisse der Schweiz so oder anders stellen, das eine steht gewiß außer Frage: in bezug auf eidgenössische Sozialpolitik ist die Schweiz wohl eher eine ruffifche als ein deutsche Provinz.
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