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Nr. 281. 24. Jahrgang.

5. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt. Sonntag, 1. Dezember 1907.

Gerichts- Zeitung.

Boykott erlaubt, aber strafbar.

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Der Berteidiger erwiderte, daß, wenn die Ausführungen des Ober- Staatsanwalts Anerkennung fänden, damit auf diesem Ge­biet der wesentliche Unterschied des Rechtsstaates von dem Polizei­staate aufgehoben sei. In diesem genüge das subjektive Ermessen stellen, daß die zur Bestrafung vom Gesetz vorgeschriebenen Tat­der Polizei zur Bestrafung, im Rechtsstaate müsse das Gericht fest­bestandsmerkmale objektiv vorhanden seien. Präsident Lindenberg die Revision ist verworfen. Das subjektive Der Senat beriet nur einige Minuten. Dann verkündete der Ermessen des Polizeiorgans sei maßgebend. Werde dieses Ermessen schifanös gebraucht, so könne man sich bei der vorgesetzten Behörde beschweren. Man soll nicht glauben- fügte er mit erhobener Stimme hinzu ,, baß, weil boykottiert wird, die Herren das Recht haben, die Ruhe und Ordnung auf der Straße zu stören." Die Majestät des Schußmanns steht also nach der staatsrecht lichen Auffassung des Kammergerichts höher als die des Gerichts.

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Bum§ 20 bes Preßgefehes.

Jst Preußen ein Polizeistaat oder ein Rechtsstaat? Das war Die Streitfrage, um die am Donnerstag vor dem ersten Straffenat des preußischen Kammergerichts gekämpft wurde. Für den Kreis Liebenwerda( Probing Sachsen) hat der Landrat eine der bekannten Polizeiverordnungen erlassen, welche in ihrer Anwendung sich dar­ftellen als Fußangeln für Streit- und Boykotipoften. Danach ist unbedingt Folge zu leisten den Anordnungen von Polizeibeamten, die zur Erhaltung der Sicherheit, Reinlichkeit, Bequemlichkeit und Ruhe des Verkehrs auf der öffentlichen Straße ergehen.§ 366 Biffer 10 des Reichs- Strafgesetzbuchs bedroht den mit Strafe, der solche Verordnungen übertritt. Wegen Uebertretung dieser Ver­ordnung in Verbindung mit der zitierten Strafvorschrift war der Genoffe Former Ernst Starke in Bodwis vom Landgericht Torgau zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Die sozialdemokratische Ar­beiterschaft von Bockwis hatte den Wirt Herrmann, der sein Lokal Durch eine Notiz in unserem Düsseldorfer Parteiblatt fühlte den Arbeitern zur Abhaltung von Versammlungen verweigerte, sich ein Fabrikbefiber aus einem dortigen Vororte be­boytottiert und Starke stand eines Tages gleich anderen Genossen leidigt und lief zum Kadi. Die in Betracht kommende Nummer in der Nähe des Lotals Poften, um Passanten vom Boykott zu unter- hatte Genosse Pfeiffer, der Geschäftsführer der Druckerei, ver­richten und sie in ruhiger Weise vom Besuch des Lokals abzureden. tretungsweise gezeichnet, weil ein Redakteur für einige Tage be­Der Gendarmeriewachtmeister Bagel beobachtete die Boykottposten, urlaubt war. Genosse Pfeiffer konnte aber nun nachweisen, daß namentlich aber Starke, den er als Führer der Sozialdemokratic" er die betreffende Notiz, die aus einer anderen Zeitung über­bon Bockwitz und als Rädelsführer" betrachtete. Von ihm hatte nommen war, erst gelesen hatte, als das Blatt fertig war. Das der Beamte auch die Meinung, daß er in Bockwik sehr gefürchtet Gericht kam zu einer Freisprechung, und zwar auf Grund des fet", und daß sich die Leute nicht leicht getrauten", ihm entgegen§ 20 Absatz 2 des Preßgesezes. In der Begründung des Urteils zu handeln. Er fah, wie mehrere Personen angesprochen wurden, hieß es, eine Bestrafung nach§ 21 des Preßgesekes, der von der und hörte einige sagen, daß sie lieber in ein anderes Lotal gingen, pflichtgemäßen Sorgfalt des Redakteurs handelt, hätte nur er­weil schon wieder Boften da ständen. Gr wies schließlich Starke folgen können, wenn eine öffentliche Klage erhoben worden sei, weg und erneute feine Anordnung, als Starte bald danach im aber nicht bei einer Privatklage. Sämtliche Kosten muß der Mücken des Lokals wieder auftauchte. Wegen Nichtbefolgung diefer Privatkläger tragen. zweiten Aufforderung erfolgte die Verurteilung durch das Land­gericht. Das Gericht erachtete den angeführten Tatbestand nicht nur, sondern auch weiter als" festgestellt", daß Pagel sich sagte, Der Bergmann Götte soll in einer Generalversammlung des das Publikum werde belästigt, und daß er ferner befürchtete, es Bergarbeiterverbandes einen dem Verbande nicht angehörigen Fönnte zu Streitereien, Sachbeschädigungen und Schlägereien Bergmann beleidigt haben. Der Beklagte bestritt die Beschuldi­kommen. Das hätte Bagel verhindern wollen, feine Aufforderung gung. Beweise wurden nicht erbracht. Troßdem verurteilte ihn sei also zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Nuhe auf der das Schöffengericht Oberhausen zu 50 M. Geldstrafe. Dieser Tage öffentlichen Straße ergangen. Die Beseitigung dieses Rädels- fand vor dem Landgericht Duisburg Berufungstermin statt. Aber führers" Starke habe übrigens nicht nur diesen Zwed gehabt, mals fonnte ein Beweis für die Beschuldigung nicht gebracht sondern sei zu seiner Erreichung auch erforderlich gewesen. Starke werden. Darauf ersuchte der Borfitende den Angeklagten, er solle hätte folgen müssen. Unerheblich sei, daß eine Störung noch nicht beweisen, daß er den inkriminierten Ausdruck nicht getan habe. borlag. Der Angeklagte und sein Verteidiger wendeten sich entschieden da Die von Starte hiergegen eingelegte Revision vertrat Rechts- gegen, daß dem Angeklagten die Beweislaft obliege. Die Sache antvalt Dr. Herzfeld vor dem Kammergericht. Er verwies u. a. felbst verfiel der Bertagung. Es ist weit mit der Justiz ge­auf die bekannten Urteile des Reichsgerichts und Kammergerichts| tommen, wenn sie annimmt, ein Angeklagter müsse seine Unschuld, ( 2. Senat) über die Zulässigkeit des Boykotts und des Bostenstehens nicht die Klage die Edyuld beweisen. zur Durchführung von Boykotts, welche in einem Schadenersatz­prozeß und einem Strafverfahren wegen groben Unfugs ergangen find. Vor allem hob er aber hervor, daß Breußen kein Rechtsstaat, Wissenschaftliche Ueberzeugung hat dem Bolenbak den Bortritt fondern ein Polizeistaat wäre, wenn das subjektive Ermessen des Polizeiegekutivbcamten auch für die strafrechtliche Beurteilung maßgebend sein sollte. Es sei unmöglich, auf der einen Seite mit dem Reichsgericht zu sagen, Boykottpostenstehen und das Ansprechen des Publikums in ruhiger und höflicher Weise ist nicht rechts­widrig, und auf der anderen Seite zu erkennen, diese Handlungen tverden bestraft, wenn der Gendarm sie für rechtswidrig und für eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung hält.

Der Ober- Staatsanwalt beantragte die Berwerfung ber Ne­vision. Es sei festgestellt, daß der Gendarm die Störung der Sicher heit und Ruhe auf der Straße besorgt und deshalb seine Anord­nung gegeben habe, und dies genüge.

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Geh- Pelze

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Zur Unparteilichkeit der Gerichte.

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zu laffen.

Das Gericht nahm an, eine Ueberschreitung liege nicht vor; auch der Kreisarzt vermochte die schweren Schädigungen, die der Ange­flagte in feinen Zeugnissen als vorhanden hingestellt hatte, nicht zu erkennen. Die Revision des Angeklagten, der u. a. mit Fug Reichsgericht verworfen. und Recht Verkennung des§ 293 rügte, murde am Freitag vom Die gegen die Polen geübte Germani­sierungsjustiz hat das eine Gute, Leuten, die bislang die Justiz als der Justiz aufzuklären. politisches Machtinstrument nicht betrachteten, über die wahre Natur

Freispruch durch das Reichsgericht.

Der seltene Fall, daß das Reichsgericht sofort ohne Zurück­weisung in die Vorinstanz das verurteilende Erkenntnis aufhob und auf Freisprechung erkannte, ereignete sich am Freitag. Die Stellenbefizersfrau Flora Schulze und ein Mitangeklagter waren am 8. Juli von der Strafkammer in Sorau wegen Ehebruchs zu Gefängnis verurteilt worden. Der gesetzliche Tatbestand lag aber nicht vor, da die Ehe nicht wegen des Ehebruchs geschieden ist, dieser vielmehr nur im Scheidungsurteile mit erivähnt war. Ghebruch ist nach dem Strafgesez nur dann strafbar, wenn wegen desselben die Ghe geschieden ist. Daß das fünf gelehrte Richter übersahen, ist ein Beweis für die Entbehrlichkeit des gelehrten" Richtertums.

Detektivbureau und§ 35 der Gewerbeordnung. Durch eine Novelle ist die Bestimmung in die Gewerbeordnung hineingekommen, daß bei der Polizei Anzeige zu machen hat, wer die gewerbsmäßige Erteilung von Auskünften in persönlichen An­gelegenheiten betreibt. Herr Fischer, der Inhaber eines Detektiv. bureaus, hatte es unterlassen, feinen Gewerbetrieb der Polizei an­zuzeigen. Er bestritt prinzipiell die Anwendbarkeit der Vorschrift auf Detektivbureaus. Das Landgericht Berlin verurteilte ihn je doch und das Kammergericht verwarf feine Revision mit folgender Begründung: Ein Detektivunternehmer, der Nachforschungen für Private und Behörden anstellt, indem er Personen beobachtet, und der dann dem Auftraggeber über das Ergebnis Auskunft erteilt, der betreibe das Gewerbe der Auskunftserteilung im Sinne des § 35 der Gewerbeordnung. Das sei aber vom Angeklagten fest­gestellt. Er hätte deshalb sein Gewerbe bei der Polizei anmelden müssen. Das treffe auch für Personen zu, die das Gewerbe schon vor dem Erlaß der Novelle zur Gewerbeordnung betrieben. Sie hätten eben beim Infrafttreten der Nobelle die Anzeige machen müssen.

Wafferstands.Nachrichten

ber Landesanstalt für Gewässerfunde, mitgeteilt bom Berliner Wetterbureau.

Bafferstand Memel, Tilfit

Bregel, Insterburg Weichsel , Thorn Dder, Ratibor

Stroffen Frankfurt Barthe, Schrimm Landsberg Rege, Bordamm Elbe, Leitmeriz

So etwa läßt sich als Ergebnis eines jetzt von dem Reichs­gericht endgültig entschiedenen eigenartigen Beleidigungsprozesses gegen den praktischen Arzt Dr. Stanczyk feststellen. Vom Land­gerichte Schneidemühl ist am 31. Mai der Arzt Dr. med. Stanczyk wegen Beleidigung zweier Lehrer zu 200 M. Geldstrafe verurteilt worden. Zwei Schüler waren wegen Widerhaarigkeit gezüchtigt worden. Der Angeklagte, der mit dem Schulstreif sympathisiert, wurde von den Vätern veranlaßt, ein ärztliches Attest über die Gesundheitsschädigungen" auszustellen. Er tat dies in der Weise, daß er in den Schriftstüden seine Ansicht dahin niederlegte, die Lehrer hätten mit roher Gewalt ihr Züchtigungsrecht überschritten. Estreiben.

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2

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14

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21+8

Kaub

97 7

-62+4 Köln

129+40

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Nedar, Heilbronn

24

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57+5 75 Main

, Wertheim Mosel , Trier

103

1

99-23

3) Unterpegel.

ganz schwaches

)+ bedeutet Wuchs, Fall.

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Die Memel hatte gestern bei Schmalleningten Eisgang.

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Hausfrauen! Arbeiter! Bürger! Boykottfreie Bäckereien!

In die letzte Liste sind folgende Bädereien als bewilligt nachzutragen:

Brüffelerstr. 37, Weiß. Brunnenstr. 41, Hanke. Bugenhagenstr. 3, Mehls. Buttmannstr. 5, Fr. Hanke. Cabinerstr. 20, Harden. Deminerstr. 23, Gliese. Eindenerstr. 49, Bernau . Faldensteinſtr. 8, P. Hanke. Friedrichsfelderftr. 17, Schön. Gleimstr. 9c, Ernst. Graunstr. 5, Schenk.

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22, Dohrmann. 28, Safrenz.

37, Müller.

Grünthalerstr. 61, Bår. Gubenerstr. 49, Sehrberg. Heidenfeldstr. 21, Haag. Hennigsdorferstr. 13, Baulifat. Hochstr. 47, Bunzel. Hussitenstr. 20, Ruhwedel. Kopenhagenerstr. 49, Sturth. Storförerstr. 2, Surel. Linienftr. 156/157, Remmnit. Lychenerstr. 110, Schulze. Lynarstr. 27, Nappmann. Memelerstr. 77, Stachowski.

Müllerstraße 152, Huschle. Basteurstraße, Huth. Nostizstr. 2, Köppe.

9, Berger. Banfftr. 45d, Frankenstein. Bring Eugenstr. 20, Taut. Püdlerstr. 11, B. Hante. Ramlerstr. 36, Boefer. Ritterstr. 114, Lange. Rüdersdorferstr. 52, Köhnke. Schwedenstr. 11, Fr. Hanke. Seeftr. 68a, Daume. Soldinerftr. 71, Fr. Hanke. Sprengelstr. 4/5, Wagenknecht. Stralsunderstr. 56, Rancza. Swinemünderstr. 80, Bruß. Tegelerstr. 23, Dahlte. Utrechterstr. 8, Körsten. Warschauerstr. 64, Lüd. Wrangelstr. 9, Enke. Bionskirchstr. 2, Henze.

Baumschulenweg. Stiefholzftr. 254, Leupold. Charlottenburg . Stanalftr. 15, Heine. Reinickendorf

- Weft. Berlinerstr. 104, Reiß. Nixdorf.

Bodeftr. 25, Haböd. Fuldaftr. 10, Betrich. Harzerstr. 119, Kiritädter. Rottbuser Damm 101, Roemer. Lenauftr. 14/15, Dhlhoff.

Nummelsburg.

Neue Bahnhofstr. 27, Hanis. Prinz Albertstr. 3, Jušt. Türrschmidtstr. 40, Teuber.

Steglth. Martsteinftr. 1, A. Fischer. Schützenftr. 1, Sadbarth Tegel.

Schulftr. 1, Leniz. Treptow

. Elfenftr. 108, Koldik. Weikensee. Friefedeftr. 23, Thiele.

Die Bewilligung seit der letzten Liste zurückgezogen refp. durchbrochen haben:

Bernauerstr. 47, Brettschneider; neu| Lippehnerstr. 8, 8iebell. übernommen und die Bewilligung Palisadenstr. 20, Sennast.

aufs schroffite abgelehnt!

Chodomiediftr. 25, Hentschel

Chriftburgerstr. 35, Tant.

Dunderstr. 75, Hanke.

90,

Elbingerstr. 27, Fiedler.

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90, Trapp.

Glogauerftr. 26, Schwarzer. Greifenbagenerstr. 15, Mierasch. Jablonstiftr. 39, Helbig. Liebenwalderstr. 1, Voley. Charlottenburg

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Bappel- Allee, Ede Gneiststraße, Hanke. Spreeftr. 11, Bella Nacht.

Ritterstr. 15, Günther.

Schliemannstr. Hanke. 31,

Stargarderstr. 2/3, Hant

Stettinerftr. 38, Hubert. Stolpischestr. 7, Hante. Wattstr. 21, Hofrichter. Adlershof . Bismardstr. 21, Rämisch. Radiceftr. 37, Noat.

Nieder- Schönhausen. Blankenfelderstr. 1, Zugwurst. Rummelsburg

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Türrschmidtstr. 31, Pfennig.

Weißenfee.

Heinersdorfer Weg 24, Robert Engel. . 56, Boh.

Hausfrauen! Arbeiter!

Unterstützt die um ihre Menschenrechte

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kämpfenden Bäckergesellen!

Die Lohnkommission der Bäcker. Bureau: Auguftstr. 36. F.-A. III, 1243.