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Christliche und antisemitische Aalscher. Ter antisemitische Abgeordnete Lattmann hat am Dienstag im Reichstag die dreiste Behauptung aufgestellt, unser Mann- heim er Parteiblatt, die«V o l k S st i m m e". habe gesckmeben: »Dem ch r i st l i ch e n Arbeiter muh das letzte Stück Brot aus der Hand geschlagen lv erden". Diese Behauptung ist, Wie das jeder Mensch mit normaler Urteilsfähigkeit sich sofort sagen muh, er st unten und erlogen. Als unsere Parteigenossen im Reichs- tage Datum und Nummer der Zeitung verlangten, tat Herr Latt- mann erst, als ob er für Zurufe völlig taub sei. Energisch gedrängt nahm er schließlich eine Druckschrift und reichte sie zögernd unseren die Treppe zum Rednerpult hinaufeilenden Genossen Hue und Lehmann mit den Worten hin:Da lesen Sie die Mannheimer »Bolkestimme*. Aber was Herr Lattmann für dieVolksstimme" gehalten haben will, war eine vomChristlichen Gewerks»aftö- kartell" in München herausgegebene Flugschrift mit dem Titel: Wer terrorisiert?" Herr Lattmann konnte die Nummer, in welcher dieser nichtswürdige und polizeiwidrig dumme Artikel gestanden haben sollte, schon um deswillen nicht angeben, weil sie rn der Sudelschrist wohlweislich auch verschwiegen war. Schon das hätte ihm verdächtig erscheinen und ihm Veranlassung geben müssen, der Angelegenheit nachzuforschen, ehe er, noch dazu unter dem Anschein, als lese er auS derVolksstimme" selber vor, davon Gebrauch macht«. Nach eingegangenen Erkundigungen hat unser Mannheimer Parteiblatt bei Gelegenheit eines Streiks der Hafenarbeiter einen der christlichen Führer, der zum Streikkomitee zugelassen zu werden verlangte, obgleich die Christlichen rein« organisierten Hafenarbeiter aufzuweisen hatten, und der nach Ablehnung seines in jeder Beziehung un- gerechtfertigten Verlangens allerlei Quertreibereien machte und den Streik, wie schon in einem ähnlichen Falle bei den Stukkateuren, beinahe zum Scheitern gebracht hätte, gesagt, daß solche Christ« liche nicht unter die ehrlichen Arbeiter gezählt zu werden verdienen, und datz mit dieser Gesellschaft aufgeräumt werden müsse. Wie man sieht, ganz etwas anderes, als was die christlichen Verfasser der Schviähschrtft und der Herr Lattmann gesagt und geschrieben haben. Nicht ohne Ironie ist der Umstand, dah derselbe Abge. ordnete, der hier leichtfertig Beschuldigungen nachbetet und dem die Ehre eines sozialdemokratischen Blattes keinen Pappenstiel »vert ist, dem Abg. Paasch« den Borwurf machte, daß er den Kriegsminister angefaßt habe, ohne diesen vorher pflichtschuldigst davon zu benachrichtigen. Der Kasus macht uns lachen. Vom preußischen Polizeistaat. Am 3. November hielt der Arbeiterverein in Flatow W.-Pr. tkne Versammlung ab, in der Genosse Tischlermeister Schlichtholz den Liebkncchtprozcss besprach. Am Schlüsse der Versammlung wurde mitgeteilt, daß in der nächsten Versammlung der Prozeß Horden besprochen werde. Darauf erhielt jetzt Genosse Schlichtholz folgendes eigentümliches Verbot von der Flatzwcr Polizeiver- waltung: Polizeivcrwaltung Flatow, den 25. November 1907. Flatow W.-Pr. In der am 3. d, MiZ. abgehaltenen Versammlung des Arbeitervereins wurde für die nächste Versammlung ein Vortrag über den Hardenprozeß in Aussicht gestellt. Im Interesse der Aufrcchterhaltung der öffentlichen Ordnung untersagen wir diesen Vortrag. Sollte mit demselben begonnen werden, so wird die Versammlung sofort aufgelöst werden. Unters-brift An Herrn Tischlermeister Schlichtholz, hier. Es mag ja recht nett sein, daß die Polizei glaubt, sich um illcS kümmern zu müssen. Sie sollte aber in erster Linie sich um Beobachtung des Gesetzes kümmern. Das preußische Gesetz gibt ihr kein Recht, eine Versammlung im voraus zu verbieten öder die Auflösung einer Versammlung wegen eines Themas, das ihr nicht gefällt, anzudrohen. Eine solche Drohung ist die strafbare Ankündigung eines bestimmten Mißbrauch« der AmtSgelvalt, falls der Polizeiobcrste die gesetzlichen Bestimmungen kennt oder durch Fahrlässigkeit diese Kenntnis sich anzueignen unterlassen hat. Die Versammlung wird trotz des Polizciukas stattfinden und eventuell ein staatsrechtlicher Kursus über die Grenzen der Polizeigewalt auch in Preußen durch Beschreitung des vcrwaltungSgerichtlichcn und strafrechtlichen Weges der Flatowcr Polizeivcrwaltung erteilt werden. Ter Wahlrcchtskampf in Sachsen . Am 4. Dezember soll in der Zweiten sächsischen Kammer die sogenannte Wahlreform der Regierung beraten werden. Die Sozial- demokratie des Königreichs Sachsen ruft da« Voll zu Rassen- Versammlungen am 7. und 8. Dezember auf. ManSverhrldentatrn. Am 20. September lag die 0. Batterie de« FeldartilleriereaimentS Nr. 31 in der Nähe des Dorfes Min- wersheim i. Elf. im Biwak. Der Wachtmeister Bruhns, die Sergeanten Heidcnreich. Kügow und der Unteroffizier L ist gerieten abends nach 10 Uhr in einer Wirtschaft dcS Dorfes mit zwei Dorfbewohnern in Streit, in dessen Verlauf List und Heiden- reich einen der Dorfbewohner namenS Schmitt verprügelten. Aber damit war die Kampfbegierde der Unteroffiziere nicht gestillt, Bruhns. List und Heidcnreich verfolgten Schmitt bis in das elter- liche Gehöft, überkletterten did Mauer, schlugen den oberen Teil der HauStür ein und mißhandelten Schmitt und feinen ihm zu Hülfe geeiltcn S7 Jahre alten Vater mit einer Mistgabel, die er zu seinem Schutz« ergriffen hatte. Während die Helden auf den am Boden liegenden älteren Mann einschlugen, kam Schmitts Nachbar. der 70jährige Stark zu Hülfe-, aber ehe er sichs versah, erhielt auch«r einen Schlag mit der Mistgabel, der ihn zu Boden streckte. Endlich wurde ein Offizier mit der Wache geholt, der die Unter- offizicrc verhaften lieh. Die beiden alten Leute erhielten erhebliche Verletzungen. Schmitt Ivar 11 Tag- arbeitsunfähig. Stark lag ü Tag« zu Bett, konnte einen Monat lang nicht arbeiten und geht noch heut» am Stscke. Die Strafe fiel recht gering auö. Das Kriegsgericht verurteilte den Wachtmeister BruhnS wegen unerlaubter Entfernung, vor- sätzlicher Körperverletzung und gemeinschaftlichen Hausfriedens- bruchS zu Bier Wochen und zwei Tagen Gefängnis, den Sergeanten Heidenreich zu sechs Wochen und zwei Tagen Gefängnis und den Unteroffizier List zu zwei Monaten, zwei Wochen und zwei Tagen Gefäng- n i s. Kügow erhielt nur drei Tage Arrest wegen uncr- laudier Entfernung._ Militärjustiz. »Im Interesse der Disziplin" erkannte vor einiger Zeit das Kriegsgericht der 17. Division gegen den Gefreiten R. vom 17. Dragoner- Regiment wegen Achwngsverletzung. Gehorsams- Verweigerung und tätlichen Angriffs auf einen Vorgesetzten aus ein Jahr drei Monate und eine Woche Gefängnis, während ein der Feigheit angeklagter Unteroffizier K. freigesprochen wurde. Wegen dcSniedrigen" Strafmaßes gegen R. und wegen der Frei- sprechung des Unteroffiziers legte der Gerichisherr und wegen des ihm zu hoch erscheinenden Strafmaßes legte R. Berufung ein, die vor dem OberkriegSgericht des IX. Armeekorps(Altona ) zur Verhandlung gelangte. Als das genannte Regiment sich im Manöver befand und in einen, mecklenburgischen Dorfe büvackierte, trank R., sich am Abend des 24. August d. I, einen gehörigen Rausch an, in «elcher Berfaffung er sich»stark" fühlte. Bon einem Unteroffizier autgefordert, sich tnS Quartier zu begeben, antwortete R,, der Unter- offizier- dieser hatte nicht umgeschnallt solle sich erst dienstlich ankleiden, bevor er Befehle erteile. Dann traf R. mit dem Unteroffizier K. zusammen, der ihm ebenfalls den Befehl erteilt«, er solle seinen Rausch ausschlafen. R, ergriff einen Stock und versetzte damit dem Unteroffizier vier Schläge, Der Angeklagte R. erklärte, er sei s o stark angetrunken gewesen, daß er sich des Vorgangs nicht zu erinnern vermöge, während der Mitangeklagte Unter- offizier den Vorwurf der Feigheit zurückwies mit dem Bemerken, er sei von dem eisten Schlage halb betäubt gewesen. Das Ober- kriegSgericht hob daS Urteil erster Instanz auf und verurteilte R. zu drei Jahren und einem Monat GefängaiS und den Unteroffizier wegen Feigheit zu vier Wochen Mittelarrest. Solche Urteile wirken weniger disziplinfördernd als antimilita- ristisch I_ Wieder ein Soldatenselbstmord! Der Musketier Meuschke von der 7. Kompagnie des 183. Re­giments in Altenburg hat sich am Freitag in der Arrestzelle an seinem Taschenluch erhängt. Offenbar wollte er sich e«ner mehr- jährigen Gefängnisstrafe entziehen, die ihm drohte, weil er beim Bnjonettexerzieren vor versammelter Mannschaft seinen Unteroffizier zu ersteche» versuchte, von dem er gepeinigt worden sein soll. Nur dem Dazwischentreten seiner Kameraden ist eS zuzuschreiben, daß er die Tal nicht ausführte. Meuschke war das Kind eines Altenburger Arbeiters und hatte bis zu seinem Dienstanlritt als Nähmaschinen- schloffer gearbeitet. Er ist im Zivil sehr solide gewesen. Also ein neues Opfer des Militarismus! Tasüberzählige" Militärleder. Unter der Stichmarke:Die Nebeneinnahme des Sergeanten". berichteten wir vor einigen Wochen über die Verurteilung eines beim Attillerie- Regiment zu Itzehoe (Holstein) als Regiments- Quartier- uieister fungierenden Sergeanten wegen Diebstahls von einer großen Ouantttät Sohlleder zu zwei Monaten Gefängnis und Degradation. Der Venirteilte hat nun«inen anderen Sergeanten, Sch. mit Namen, beschuldigt, ihn zu den Diebstählen verleitet zu haben, Sch., der sich in der letzten Sitzung des Kriegsgerichts der 18. Division(Altona ) wegen Anstiftung zum Diebstahl und Hehlerei(bei ihm ist eine kleine Ouantttät Sohlleder gefunden worden) zu verantworten hatte, will die Stiefelsohlen zu dem Zwecke an sich genommen haben, um den Beamten vom BekleidungSamte keine Unannehmlichkeiten zu bereiten, weil e« sich umüberzählige" Stücke handelte. Er habe übrigens dem Zahlmeister davon Mitteilung gemacht, was dieser zugibt. Auch der Zahlmeister ist ein gutmütiger Herr, der die Meldung nicht weiter gegeben hat, um den Beamten des BekleidungsamteS keine Scherereien zu bereiten, aber die Erlaubnis zum Verkauf de« Leders habe er nicht erteilt. Wie dieUeberzähligkeit" entstanden ist, vermag nicht ermittelt zu werden. Noch bunter wird die Sache durch die Aussage eines Sachverständigen, eines Majors, der hervor- hebt, daS BskleidungSamt hätte von der Sache in Kenntnis gesetzt werden müssen. Es habe aber in Abrede gestellt, 100 Sohlen zu viel geliefert zu haben, und es habe die Annahme des LederS ver- weigert, weil eS eben der Meinung war. ein Irrtum könne nicht vorliegen.(!) Die Sohlen seien daher Eigentum des Regiments gewesen. Trotz seiner lluschuldsbeteuerung wird der Angeklagte zu fünf Wochen Mittelarrest und Degradation verurteilt. Durch diese« Urleil ist das über der Herkunft der Sohlen schwebende mystische Dunkel noch keineswegs beseitigt. RooscveltsBotschaft". Gestern, Dienstag, wurden zu Washington Senat und Rc- Präsentantenhaus mit der üblichenBotschaft" des Präsidenten eröffnet. Im Weihliachtsmonat muß Rooscvclt dem Volk« natürlich einef rohe Botschaft" bescheren, und so hebt er denn an mit einem Hymnus auf die beispiellosen HülfSquellen, die dem Lande zu Gebote stehen, auf die Tatkraft, die industrielle Geschicklichkeit der Nation. Der Zweck dieser Stilübung ist kein anderer als: die Geldbesitzer aufzufordern, ihre Moneten doch nicht daheim auf- zusammrln, sondernin gesunden(!) Banken zu lassen!" Nach längeren halbdunklcn Ausführungen über die Eisenbahn- und die Trustfrage und versteckten Andeutungen über die Not- wcndigkcit, gelegentlich cinnial die Steuergesetzc zu revidieren (progressive Einkommen- nebst Erbschaftssteuer!) leistet sich die Botschaft" ein paar Sätze zur Sozialpolitik: Die natio. nale Regierung sollte(!) ein Mustcrarbeitgeber sein undcnt- sprechend" für ihre Angestellten sorgen... Ein Haftpflicht. gcsctz sollte(!) geschaffen werden... Arbeiter sollten(!) für alle Unfälle' in der Industrie eine sichere und bestimmte Eni- schädigung erhalten... Der Kongreß sollte(!) die Erweiterung des Gesetzes über die achtstündige Arbeitin Erwägung ziehen.. Sollten! sollte!! Viel energischer wird der biedere Teddy, wo er die Kehr» seite der abgegriffenen Medaille betrachtet: Es müßte ein Mittel geschaffen werde», um dem Uebcljtande der Streiks(und auch der Auösperruugcn) zu steuern: Die Notwendigkeit eines solchen Schrittes fei durch den füngften Tclegraphistenstreik erwiesen! Für die Frauen und Kinder sollen ein paar Brocken gegeben, an der Schule soll herumgebastclt, das Stronislistem ausgebaut und Vorsorge getroffen werde», daß nicht weite Flächen des Landes aus dem Besitz der Nation in die Hände Weniger übergehen! Nachdem noch allerlei sonstige Pflästerchen verheißen sind, kommt dieBotschaft" auf Heer und Flotte zu sprechen: ES seien zu wenig Offiziere und zu wenig Mannschaften vorhanden, die reguläre Armee also, desgleichen daö SanitätSkorPS, müsse ver- größert werden. Und nun zur Flotte: Wie die Haager Friedenskonferen, gezeigt hat, dürfen wir unsere Hofsnung, de» Frieden zu sichern, nicht auf irgend ein internationales Abkommen über die Beschränkung der Rüstungen setzen. ES würde daher höchst u n w e i s c sein, mit dem Bau unserer Flotte innezuhalten. Wenn wir ein Schlachtschiff im Jahre bauen, so würde das unsere Flotte nur in ihrer gegen- wäctigen Stärke erhalten. Das genügt aber nicht. Meiner Meinung nach sollten wir in diesem Jahre vier Schlachtschiffe bauen, wenn wir nicht auch für die nötige Mannschaft sorgen, für Dock», Kohlenstationen, Kohlenschiffc und HülfSschisse, ebenso für eine Menge Torpedoboote und Torpedozerftörer. Sowohl an der atlantischen wie an der pazifischen Küste sollten für unsere größten Häfen Vefesligungen der besten Art vorgesehen werden. Denn wir sollten immer bedenken, daß man die Flotte wirksam nur zur Offensive verwendet. Solange unsere Schlachtflotte nicht viel größer ist als jetzt,'sollte sie niemals so in Detachements zersplittert werden, daß diese im Falle der Not nicht leicht wieder zusammengezogen werden können. Sie sollte sich mal im Atlailtijchen Ozean aushalten und mal im pazifischen. Die Flotte der Vereinigten Staaten ist die beste Bürgschaft dafür, daß der Ehre und dcii Interessen der Nation nicht zunähe getreten wird; überdies sichert sie am besten den Frieden." Nach ein paar belanglosen Aeutzerungen bekannton Kalibers über dieauswärtigen Beziehungen"(zumal die mit Japan sollen ganz besonders innig und herzlich sein!!) erwähnt dieBot- schast" das Tarisabkommcn mit Deutschland , das vorläufig bis zum 30. Juni 1903 in Kraft bleiben soll, sagt ober hierüber nur. daß das Abkommen sowie der Bericht der nach Deutschland entsandten Kommtssion dem Kongreß zu seiner Information vorgelegt werden sollen und daß die sorgfältige Prüfung der tariflichen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland zur Abstellung einiger Mängel in der Zollabfertigung geführt habe, über die deutsche Exporteure sich'mit Recht beklagt hätten. Diese neuen Bestimmuiigeu über die Zollabfertigung seien auch auf einige ander: Länder ausgedehnt worden. DieBotschaft" schließt mit der Hervorhebung der freund. schaftlichen Beziehungen zwischen den Verewigten Staaten und Mexiko und mit der Bekanntgebung der Tatsache, daß auf Per- anlassung der Präsidenten beider Länder Vertreter der fünf mittelamcrikanischen Republiken zu einer Friedenskonferenz in Washington zusammentreten werden. Snglanck. Zur Flottenpolitik. London , I. Dezember.(Eig. Ber.) ES war vorauszusehen, daß die neue deutsche Flottenvorlage die englischen Wasserenthusiasten auf die Beine bringen würde. Die Agitation hat bereits begonnen, und sie wird sich in der nächsten parlamentarische» Tagung stark bemerkbar machen. Der.Zwei-Mächte-Standard", den dieTimes" neulich als einen dehnbaren Begriff bezeichnete, erhält jetzt eine neue Auslegung. In früheren Jahren wurde die englische Flotte auf eine Stärke gebracht, die einer deutsch -russischen Kombination die Spitze bieten konnte. Nach den Ereignissen der letzten Zeit kommt diese Kombination nicht mehr in Betracht; dafür tritt die Möglichkeit einer deutsch »amerikanischen Kombination in die Erscheinung: Die Seepolitiker verlangen nunmehr einen Flottenetat, der den deutschen und amerikanischen Seerüstungen gleichkommen soll. Die Auslegung, die dem Zwei-Mächte-Standard von Zeit zu Zeit gegeben wird, ist gleichzeitig ein deutlicher Kommentar zu dem schwierigen Texte der äußeren Beziehungen der Staaten. Sie zeigt die jeweilige Lage der Weltpolitil. So weit bis jetzt bekannt, wird der englische Flottenetat für das Finanzjahr 1008/09 den Bau eines einzigen Linienschiffes der Dreadnought-Klasse vorsehen, während Deutschland und die Ber - einigten Staaten in derselben Zeit fünf DreadnoughtS bauen l Wir dürfen also in den nächsten Monaten einer lebhasten Agitation der englischen Seepolitiker gewärtig sein. Die Lage in Irland . London , 80. November.(Eig. Ber.) In Eardiff wurde am Mittwoch eine große Versammlung abgehalten, in der Mr. John Redmond , der Führer der irischen Nationalisten, eine längere Rede hielt, um die Sympathie des walisische» Volkes für Irland zu gewinnen. Er führte etwa folgendes auS: Die Nachrichten, die über die Uneinigkeit deZ irischen Volkes verbreitet werden, sind falsch. Die Iren halten enger zusammen denn je und sie sind entschlossen, für Homerule weiter zu kämpfen. Der jetzige Sekretär für Irland , Mr. Birrell, ist einer der aufrichtigsten und besten Minister, die sie je hatten, aber er ist ein Engländer und versteht deshalb das irische Volk nicht. Neben Homerule, die das Hauptziel ist, verlangen die Iren eine Verbesserung deS Bodcngcsetzes vom Jahre 1903, um die Grundherren zum Verkauf zu zwingen. Die Iren sind besonders aufgeregt über die weiten Wiesenflächen in Gegenden, wo die Zwergbauern trotz der angestrengtesten Arbeit nicht leben können. Sie verlangen deshalb die Parzevierung der Weiden . Tie nächste Forderung ist die Errichtung einer irisch- nationalen Universität, die allen Konfessionen und Klassen offen stehen soll. Die Gerüchte über die Zunahme ungcsetz- licher Handlungen in Irland sind absolut grundlos. Die meisten Gefängnisgebäude Irlands sind leer; in Wexford wurde das Gefängnis sogar in ein Versammlungslokal ver- wandelt. Wohl aber sind die Iren unzufrieden und un- geduldig. Aber ohne diese Eigenschaften können Reformen nicht erreicht werden. In einem geduldigen Lande werden die vorhandenen Mißbräuche und Ungerechtigkeiten nie abgeschafft. Die irische Partei ist selbständig, und sie wird in der nächsten ParlamcntSsession energischer auf- treten. Dänemarl?. Eine Deputation der Dieustkuechte. Vor der vom dänischen Reichstag eingesetzten Kommission zur Reform deS GesiudercchtS erschienen am Sonnabend sechs Dienst- knechte als Vertreter ihres Verbandes, um die Forde- rungen vorzutragen, dt« die bis jetzt unter einem Ausnahmegesetz schmachtenden Landproletarier an die Gesetz- gebung stellen. Sie kamen aus Einladung der Kommission, die hiermit jene Organisation als die rechtmäßige Vertretung der Dienstleute anerkannte. Die Aeutzerungen deS Wortführers der Deputation, Karl Vestergaard, gestalteten sich zu einer ge- waltigen Anklage gegen die herrschende Klasse, die trotz der im allgemeinen demokratischen Entwickelung des Staatswesens- für die Dienstleute eine AuSiiabmegesetzgebung init geradezu bar- barilchen Bestimmungen geschaffen und erhalten hat. Die gleichen Freiheiten und Rechte, die alle anderen Staatsbürger genießen, so- wie Schutz denen, die sich nicht selbst beschütze» können, das war es, was die Deputation der Kommission als die wichtigsten Forde- rungen vortrug. Italien . NomS neue Stadtverwaltung. Rom , 1. Dezember. (Eig. Ber.) Die Wahl des BürgernieisterS hat die neue Majorität der römischen Stadtverordneten in nicht geringe Verlegenheit gesetzt. Wohl fehlte es ihr nicht an Persönlichkeiten, die Beweise hoher Verwaltungsfähigkeiten gegeben hattet!, aber diese befanden sich nicht in der Lage, eine Stellung, die ihre ganze Kraft beanspruchen ivürde. als E h r e n st>. l l e zu bekleiden. So ist man auf Ernrsto Nathan verfallen, der als früherer Großmeister des Freimaurerordens und als Israelit gleichsam als Fahne und Symbol des Antiklerikalismus gelten kann. Als Mensch genießt Nathan allgemeine Sympathie und Achtung. In der Jugend Mazziniauer. hat er sich in der Folge mit der Monarchie ausgesöhnt, ohne daß bei dieser Wandlung persönliche Interessen mitgesprochen hätten. In seiner äußeren Erscheinung ist der neue Bürgermeister Guiseppe Mazzini so ähnlich, daß man darin die Bestätigung jenes GerüchleS sieht. daS ihn als Sohn des großen Republikaners bezeichnet. Wie dieser, soll Nathan mehr Idealist sein, als Mann der Tat. Rom braucht aber als Stadt- Oberhaupt vor allem einen energischen Menscben mit klarer Bor« stellung von den praktischen Bedürfnissen der Stadt.... Auch bei den neuen Stadträten sind Zlveifel darüber ge» stattet, ob wohl überall der reckte Mann an de» rechten Platz ge- kommen ist. Von den 10 effektiven Stadträten sind ü Liberale, 2 Radikale, 1 Republikaner und 2 Sozialisten. DaS sind die Ge- nosscn Rossi-Doria und Montemartini. Rossi-Doria, der daS Rayon der öffentlichen Hygiene erhält, ist Dozent der GeburtShülfe an der hiesigen Universität; Genosse Montemartini ist Direktor deS NeichsarbeitSanüS. Beide gehören der reformistischen Richtung der Partei an. Die neue Stadtverwaltung hat eine schwere Aufgabe vor sich und muß mit administrativ ungeübten Kräften an diese Aufgabe herantreten. Die Klerikalen, die dank der Hülfe der Regierung die Stadtfinanzcn in günstiger Lage zurückließen, warten nun in ihrem Schmollwinkel ab, daß die Antiklerikalen an den Schwierig- leiten scheitern I Namentlich daö Wohnungsproblem, das sich unter klerikaler Verwaltung zu seinem heutigen Ernst auZgewachscu