Röf} wir die Steuern auf die leistungsfähigen Schultern legen wollen. Sollen wir da nichts weiter machen als wieder i n- direkte Steuern? Nicht wir sind die Schrittmacher der So- zialdemokratie, sondern'diejenigen, welche sagen: Keine direkten Steuern im Reich, alleö auf die indirekten Steuern!(Sehr richtig! bei den Rationallibcralen.) Wenn eine ReichSucrmogenssteuer von V* Proz. eingeführt wird, so macht das bei einem Vermögen von 1 Million Mark bOV M., die der Millionär für die Flotte beiträgt. Kann man da von einer ungeheuren Last spreche»?(Sehr wahr! links.) Auch könnte man. wenn es nötig wäre, bei größeren Vermögen mehr erheben, ohne daß man von einer unerträglichen Belastung sprechcn könnte. Jedenfalls ist die Vermögenssteuer dem Ausbau der Erb- schaftssteuer vorzuziehen. Zum Schluß noch ein Wort über den Prozeß Moltke-Harden: Mein Freund Bassermann hat über das ungesetzliche Verfahren der Wiederaufnahme des Prozesse» durch den Staatsanwalt ge- sprachen. Gerade das ist es, wodurch das Volk weit stärker erregt wird, als die Herren von der Regiermng sich denken. Mein Freund Bassermann hat das einstimmige Empfinden der Partei zum AuS- druck gebracht. Weiter hat er gefragt, warum die Grasen Lynar und Hohenau mit Pension entlassen worden sind. Auch darauf ist keine Antwort erteilt worden. Der Herr Kriegsminister sprach mit großer, seinem vornehmen Wesen alle Ehre machender Erregung von den Buben aus Zivilkreiscn, welche die Soldaten belästigen. und er sprach den Wunsch aus, daß mit eisernem Besen ausgekegrt werde. Er schloß mit den Worten:„Wenn in der Armee sich solche Leute finden, müssen sie heraus l" Dann aber kamen nur Entschuldigungen für die beiden Offiziere: es fei noch nichts er- wiesen, der einzige Zeuge sei der Zeuge vollhabd, gewiß kein klassischer Zeuge. Aber der KriegSministcr mußte wissen, daß dies nicht mehr der einzige Zeuge loar. Ich bedaure, daß, als der Herr Kriegsminister am Freitag sprach, er noch nicht mußte, waS 24 Stunden vorher in der kriegsgerichtlichen Verhandlung in Potsdam ermittelt war. Ich habe hier in der Tasche Briefe vom Grafen Hohenau, die derselbe auf Schloß Wilhelms höhe geschrieben hat.(Bewegung.) Ich habe auch das Bildnis des Grafen Hohenau, da» er dem Manne zum Andenken gewidmet hat, mit der stolzen Uniform der Garde- kürafsiere.(Hörtl hört! Anhaltende Bewegung.) Ich verweise weiter daraust daß der Platzmajor von Hülsen im Harden-Proze unter seinem Eid ausgesagt hat. daß die Versehlungen und Ver- gehen de» Grafen Lhnar in der Armee bekannt Ivnren.(Hört! hört!) Und ebenso, daß dieselben Verfehlungen dem Grafen Kuno Moltke nachgesagt wurden. Auf diese eidlichen Aussagen eines vor- nehmen Offiziers hat der Richter die Beweiserhebung eingestellt. weil der Wahrheitsbeweis erbracht fei. (Hört! hört?) Ich könnte dem Herrn Kriegsminister Namen nennen von vornehmen Gardekavallcrieoffizieren, die bereits lange vorher, che das Verfahre» gegen Hohenau eingeleitet wurde, Mit- tcilunge» davon gemacht haben!(Hört! hört!) Und wenn nun der Herr striegSminister erklären mußte, daß ihm von allem nichts bekannt sei, so bedaure ich, daß man ihm im Irrtum gelösten hat über das, was in Kavallerieregimentern oder Garderegimentern zu zynischen Liedern Veranlassung gegeben hat, die die jungen Herren sangen, wenn Graf Kuno Moltke zum Liebesmahl kam. (Hörtl hört!/ Ich bedaure das, weil ich nicht möchte, daß unter dem Herrn Kriegsminister, besten lauteren und geraden Sinn wir alle hochschätzen(Bravo !) und dem wir nicht den mindesten Vor- wurs machen möchten, die Meinung aufkommt, als wenn die Ge- rechtigkcit Halt mache vor hohen Gardcoffizieren und Flügel- adjutanten des Kaisers. Wir wollen Wahrheit und Gerechtigkeit. gleiches Recht für alle,(Lebhaftes Bravo!) und wenn die Artikel der„Zukunft" auf schwere Verfehlungen hindeuteten, so sollte man den Verfasser deshalb nicht steinigen, weil er den Mut gehabt hat, Schäden aufzudecken, die, so ekelhaft sie sind, doch nur geheilt werden lönnen, wenn sie erkannt werden. Ich wiederhole, wir wollen Gerechtigkeit für alle.(Lebhaftes Bravo?) Reichsschatzsekretär v. Stengel: Auf die Ausführungen des Herrn Paasch« kann ich deö näheren nicht eingehen, da der Bundesrat zu der Frage der direkten Steuern inzwischen nicht wieder Stellung genommen hat. Wir reden ja im Monat Januar noch ausführlicher darüber. Gegenüber Herrn Bebel verwahre ich mich dagegen, die Achtung deö Reichstags ver- letzt zu haben. Ich schulde aber auch Achtung dem anderen ge- setzgebenden Faktor, dem Bundesrat, den ich hier vertrete. Es ist ein Mißverständnis, daß ich gesagt haben soll, bei den großen Erb- schalten ginge die Steuer nicht ein. Ich habe nur darauf hinge- wiesen, daß bei diesen großen Erbschaften die Feststellung der Steuer sich über Jahre hinzieht. Generalleutnant Sixt v. Arnim: Ich bin leider nicht in der Lage, auf die Rede deS Abg. Paasche einzugehen, da ich in meiner amtlichen Stellung keine Kenntnis von de» betreffenden BorgSogea bekommen habe. Der KriegSminister wird es lebhaft bedauern, daß er durch dringende Arbeiten heute verhindert«st. hier zu erscheinen. Er hätte et trotzdem ermöglicht, wenn et hätte ahnen können, daß nach seinen eingehenden und loyalen Darlegungen am Freitag Herr Paasche von neuem auf diese Dinge eingehen wollte. Zweifellos wird er auch die erste Gelegenheit ergreifen, darauf zu antworten. Abg. Lattmann(wirtfch. Vg.): Es wäre die Pflicht des Abg. Paasche gewesen, bevor er sein Material hier vorbrachte, es dem Herrn Kriegsminister vorzulegen! lLebhaftcr Beifall rechiS, Widerspruch bei den Rationalliberalcn.) Seine Ausführungen klangen so, als ob der Kriegsminister von diesen Dingen etwas gewußt hätte.(Lebhafter Widerspruch bei den Nationalliberalen.)<Bo werden die Vorwürfe in der Oeffent» lichkeit aufgefaßt.(Lebhafter Beifall rechts, Lärm und Wider- spruch bei den Äationalliberalen.) Mir liegt ek fern, anzunehmen, daß irgend welche Familienrücksichten die Veranlassung zu dem Vorgehen des Abg. Paasche waren.(Großer Lärm bei den National- liberalen, Zuruf: U n v e r s ch ä m t h e i tk) Auch wir verlangen Wahrheit und rücksichtsloses Vorgehen gegen Schuldige: aber was Herr Paasche heute getan hat, ist von den Nationalliberalen bei anderen Gelegenheiten verurteilt worden.(Lebhafter Beifall rechts, Lärm bei den Nationalliberalen.) Unter großer Erregung des Hauses wendet sich der Redner polemisierend gegen die Sozialdemokratie. Redner verliest ein längeres Zitat von Heinrich Heine , das sich gegen den Bhzanti- nismus und die Liebedienerei vor dem Volke wendet und ruft den Sozialdemokraten zu:„So urteilt Ihr Genosse Heine".(Zuruf bei den Sozialdemokraten:„ES ist ja von Heinrich Heine l" Stürmische Heiterkeit.) Die Sozialdemokraten haben kein Recht, sich als Vertreter des ganzen Volkes aufzuspielen. Wir freuen un» der jungdeutschen, nationalen Arbeiterbewegung.(Beifall rechts.) Hierauf vertagt sich das Hau?. Es folgen persönliche Bemerkungen. Abg. Bastrrmann(natl.): Der Herr Slbg. Kreth hätte, ehe er meine Aeußerungen vom vergangenen Donnerstag kritisierte. sich das Stenogramm meiner Rede ansehen sollen. Das. was er mir in den Mund legte, habe ich nicht gesagt. Ich habe die Fälle Gädke und Liebknecht überhaupt nicht besprochen, sondern nur das Verhalten der Staatsanwaltschaft in diesen Fällen kritisiert und fest- gestellt, daß et sich nicht decke mit dem VollSbewuhtsein und mit Anschauungen deutscher Gerichte.(Sehr wahrl links.) Ich habe im Falle Haiden nur festgestellt, daß das Verfahren dcS Staatsanwalts. das eine vollständige Wiederholung der ersten Instanz bedeutet, von hervorragenden Juristen als ungesetzlich bezeichnet worden ist. Im Falle Gädke habe ich gesagt, daß es sonnenklar und jeder menschlichen Billigkeit entsprechend sei, daß man gegen einen Mann, der viermal in einer Sache freigesprochen ist, nicht Gefängnis beantragen darf, wie es der Herr Staatsanwalt getan hat. Ebenso habe ich das Verhalten deö Staatsanwalts im Fall« Liebknecht kriti- ziert, weil er Zuchthaus beantragte, und das Reichsgericht ist meiner Auffassung beigetreken, indem eS auf Festung erkannt hat. Ich befind« mich in diesem Falle lieber in der Gesellschaft des Reich»- gericktS, als in der des Abg. Kreth.(Heiterkeit und Bravo ! links.) Abg. Bebel(Soz.) stellt gegenüber dem Abg. Paasche fest. daß der Wortlaut und Sinn der von dem Abg. Paasch« aus dessen Rede zitierten Stelle über die Verkleinerung der Brötchen genau übereinstimmt mit dem, was er(Bebel) selbst über diesen Punkt ausgeführt hat. Gegenüber dem Herrn Reichsschatzsclretär bemerke ich, daß sein« Ausführungen über die Erbschaftssteuer im .Hause sehr sästver verständlich waren. Da der stenographische Be- richt, als ich sprach, nock? nicht erschienen war, habe ich mich auf bürgerliche Preßgerichtc bezogen, die also offenbar auf einem Miß- Verständnis beruhten. Weiter habe ich nicht verlangt, der Herr Staatssekretär möge auf Einzelheiten der neuen Steuern ein- gehen, sondern ihn nur anfge'ordert. un« die Objekt« zu nennen. Abg. Kreth(k.)(persönlich): Herr Bassermann sagt, er be- findet sich lieber in der Gesellschaft des Reichsgerichts als in meiner: daS beruht auf Gegenseitigkeit. Herrn Gothein erwidere ich, daß ich eine großzügige EtatSrede nicht halten wollte.(Große Heiterkeit links und Zuruf: Kann er auch nicht!) Abg. Paasche(natl.)(persönlich): Herrn Bebel zu erwidern, l/abe ich keine Veranlassung. Der Abg. Lattmann hat mir vorge. warfen, ich hätte von meinen Angriffen, wie er sagt, den Kriegs- minister nicht vorher benachrichtigt. Erstens dürfen wir erwarten, daß die Chcss der Ressorts bei der Etatsberatung hier anwesend sind. �Lebhafter Beifall bei den Nationalliberalen.) Zweitens habe ich gestern dem KriegSminister gesagt, daß ich nicht mit allen seinen Ausführungen einverstanden bin und morgen daraus zurück- kommen werde.(Hört! hört! bei den Nationalliberalen.) Weiter hat Herr Lattmann gesagt, er lasse es dahin gestellt, ob mein Vor- gehen durch Familienrücksichten veranlaßt sei. Man sucht niemand hinter de», Ofen, wenn man nicht selbst dahinter war. Ich verbitte mir derartige Unterstellungen sehr entschieden.(Lebhafte Zustimmung bei den Nationalliberalen.) Abg. Lattmann(wirtsch. Vg.)(persönlich): Ich habe von meinen Ausführungen nichts zurückzunehmen. Nächste Sitzung: Mittwoch l Uhr. Tagesordnung: Fortsetzung der Etatsberatung. Schluß Uhr._ parlamentarifchca. Die Kömmisslo» für das Gesetz über Bestrafung der MajestittS- brlcidiguug bielt am Dienstagvormittag ihre elfte Sitzung ab. Ein Antrag Müller-Meiningen will zunäckist da» Strasininiiiium herabsetzen da- durch, daß er eine untere Grenze der Freiheitsstrafe in den ein- schlägigen 95. 97, 99 und l0t überhaupt ivegläßt. Ferner soll an Stelle von Absatz 2 der Borlage, welcher lautet: .Die Beleidigung ist nur dann auf Grund der KZ 95, 97, 99 und!01 strafbar, wenn sie böswillig und mit Bor» b e d a ck, t begangen wird", folgende Fassung treten: .Die Beleidigung ist nur dann auf Grund der ZZ 95, 97, 99 und 101 strafbar, wenn sie in ehrverletzender Absicht öffentlich oder in Anwesenheit de» Beleidigten mit Ueberlegung gegangen wird." Endlich soll jede Beleidigung nur auf Antrag der Justiz- Verwaltung verfolgt iverden. I u n ck(natl.) beantragt, statt der Worte.böswillig" und .mit Vorbedacht" in der Vorlage.mit Ueberlegung" zu sagen und die.Absicht der Beleidigung" ausdrücklich als Enordernis aufzustellen� Die Verfolgung soll a» G e n e h m i g u n g der Justizbehörde» gebunden sein. Der Antrag G i e s e(k.) führt in die Vorlage nur die.mildernden Umstände' ein, welche angenoinmen werden sollen, wenn die Be- leidigungen nicht böswillig und mit vorbedacht ausgesprochen wurden. Die Antragsteller begründen ihre Anträge. Müller- Meiningen verweist auf England, wo seit 1S8S kein MajestälSbelridiguiigsprozeß mehr vorgekommen ist, die monarchische Gesinnung darunter aber nicht gelitten hat. Dahin sollte man auch in Deutschland kommen, weswegen er wünsche, daß die ehr- verletzende Absicht immer erst festzustellen sei. Auch müsse die Ueberlegung festgestellt sein. G i e s e ist entgegen Müller der Meinung, daß sich die.Ueber- legung" nie feststellen lasse. Im übrigen spricht er sich gegen den letzten Absatz der Regierungsvorlage au», welche den Fürstlichkeiten daS Recht gibt. Privatbeleidigungsklage anzustrengen, wenn ein Prozeß wegen Majestätsbeleidigung nicht eintrete. ES ent- spräche nicht der Würde der Majestät, daß sie auf Grund der gewöhnlichen Beleidigungsparagraphen klage. I u n ck hält eine Einschränkung deS Begriff».MajestätS- beleidigung" in objektiver Beziehung nicht für angängig: deshalb müsse man die Einschränkung in subjektiver Hinsicht versuchen. DeS- ivegen wolle er die Bestrafung an die Voraussetzung der Ueberlegung gebunden missen. Mit der Herabsetzung deS Straf- Minimums und dem Wegfall der Privatklageberechrigung der Fürsten sei er einverstanden. Abg. Heine begründet kurz den sozialdemokratischen Stand- Punkt, der die Sonderbestimmungen über Majeslärsbeieidigungen ganz verwirft. Man tue damit den Fürilen kaum einen Dienst: denn, wie e« einem Manne von gulem Geschmack keinen Spaß machen könne, einen BeleidiaungSprozeß zu führen, so doch wohl auch den Fürsten nicht. Hier komme man aber nun mit dem StaarS- oder öffentlichen Interesse. Wenn man sich aber daraus zurückzieht, so findet man auch objektiv eine enge Grenze für die Majestätsbeleidigung: man braucht sich nur Z 1Ü6(Gotteslästerung) zum Muster zu nehmen. Dort wird bestimmt, daß nur strafbar ist, wer öffeuttich Gort in beschimpfender Weise lästert und damit öffentliches Aergernis erregt. Die Fürsten haben keinen Anspruch darauf, besser behandelt zu iverden als Gott..Bös- Willigkeit" kominl in, Sirafgesetzbuch nur«iiiige Male vor und wird dort ausgelegt als.feindliche Absicht". Im politischen MajesräiSbeleidiguiigSprozeß wird aber gerade die sogenannte eindliche Absicht zu einer großen Gefahr. Im übrigen ist eS notwendig, daß man erst den Begriff„Be- l e i d i g u n g" festlege, bevor man hier reformieren könne. Denn die anferbibaisten Urteile kranken an der geschraubten, widersinnige» Auslegung des Begriffes„Beleidigung". Solange man das nicht ändere, werde man auch mit dem neuen Gesetze schlechte Erfahrung machen. Nieberding anerkennt, daß Heine mit der Bezugnahme anf Z 196 einest neuen Gedanken in die Materie gebracht, will aber, olangc nicht formulierte Anträge vorliegen, darüber»ich: reden. Er polemisiert dann gegen Müller und die anderen Antrag- teller, besonders gegen diejenigen, welche das Privatklagerecht ei»- chränken wollen. Heines Bemerkungen zu den Anträgen seien richtig: die Regierung habe daS Wort Vorbedacht gewählt, weil eS noch schärfer die Absicht der Beleidigung voraussetze, als das Wort„Ueberlegung". Vorbedacht setzt voraus, daß der Vorsatz zur Beleidigung schvn von langer Hand her besteht, während.Ueberlegung" auch erst im letzten Augenblick«intreren kann.'Wollte die Kominission aber daS Enlgegenkomnien der Regierung durch die Wahl d«S WorreS»lieber- legung" einschränken, so fei er damit einverstanden.— Gegen Heine bemerkt er. daß die Regierung schon dadurch den er-sieii Schritt zur rechtlichen Gleichstellung der Fürsten mit dem Volke mache, daß die Verweisung ans den Privatllageweg in der Vorlage enthalten sei. Darauf könne die Regierung nicht verzichten: dieser Schutz sei hauptsächlich für die kleineren Fürsten und zum Schüye gegen die nichtöffentlichen Beleidigungen, sonst würde man dem Pöbel(!) Gelegenheit geben, die Fürsten in nichtöffenUichcn Versammlungen unaestrast zu beleidigen! R o e r e n(Ztr.) beantragt, den Absatz 2 der Vorlage so zu ■äffen: .Die Beleidigung ist nur dann auf Grund der§§ 05, 97, 101 strafbar, wenn sie 1. mit Vorbedacht und 2. entweder durch beschimpfende Aeußerungen geschieht oder akS Beleidigung im Sinne der§§ 186 und 187 sich darstellt." Müller» Meiningen polemisiert gegen Nieberding und behält sich Stellungnahme zu Roerens Antrag vor. Regier,, ng«k»ininissar Tischendorf begründet noch näher die Wahl der Worte„böswillig" und„mit Vorbedacht". Böswillig sei eS. wenn die Beleidigung zu dem Zweck der Beleidigung aus- gesprochen wurde. Slrasfrei würde in Zukunft jeder bleiben müssen, der eine Majeslätsbeleidigung ausspreche, weil er damit bezweckt, einen guten Witz zu machen, oder weil er hofft im Gefängnis Unterkommen zu finden. Starz(Dem.) schließt sich Müller-Meiningen an; er will jede Verfolgung an Genehmigung gebunden wissen. Heine konslatierl mit Befriedigung, daß nach den Erklärungen der Regierung ei» Redakteur oder Redner, denen in der Eile ein Ausdruck eiuschlüpft. der sich als Beleidigung gualifizieren lasse, nicht mehr als MajeslätSbeleidigcr bestraft werden solle. Trotzdem müsse er dabei beharren, daß wirkliche Besserung nur eintreten wird. wenn nur Beschimpfungen bestraft werden. Er erinnert daran. daß Stedakleur Quarck bestraft wurde, weil er vom„polternden Ton" der Thronrede ge- sprochen. und Liebknecht, weil er gesagt, die Sozialdemokratie stehe so hoch, daß niemand sie beleidigen könne. RoereuS Einwurf, daß dann üble Nachrede unbestraft bleibe, treffe nicht zu, denn jeder Klatsch werde in der Regel auch mit Schimpfivorten begleitet. Auch der Begriff.Oeffentlictikeil " gebe leinen erheblichen Schutz: man habe doch schon die Versammlung eines Klubs von 15 Mit- gliedern, in der lein Gast anwesend war, deshalb für.öffeuttich" erklärt, iveil bei dem MonatSbeiirag von 20 Pf. jeder Mitglied werden köiiiie.--- Nieberding gibt zu. daß in falsch verstandenem Eifer viele MajestätsbeleidiguiigSprozeße angestrengt würden, die besser unterblieben! Aber auch die Preüe solle mehr Rlistaiid zeigen, dazu sollte einmal aus der Mitte des Parlaments aufgefordert werden. I u u ck will nicht so weit geben wie die Regierung. Wenn jemand mit Ueberlegung eine Majestätebcleidigung begehe, müsse er bestraft werden. Wagner und B r» n st e r m a n n sprechen sich für die Regierungsvorlage aus. desgleichen G i e s e. der meint, man solle doch dankbar annehmen, waS die Regierung biete... Heine bemerkt gegen Nieberding, daß an die sozialdemokra- tische Presse und Redner eine Mahnuna zum Anstand nicht zu ergehen brauche: dort ssude man keine Beichimpfuiigeu. Wenn Ver- uneilunge» erfolgen, so nur infolge äußerst gelüustelter Auslegung. Redner führt Beispiele hierfür an. Unler allen Umständen sollte der Wahrheitsbeweis niemals abgeschnitten werden. Nach kurzen Benierkuiige» R o« r e n S und Osanns(natl.), der die sozialdemokratische Presse angreift, im Gegensatz zu Junck aber nicht päpstlicher als der Papst sein will, wird die Verhandlung auf Mittwoch vertagt._ Sozial« Verhältvisse der keamtev und Arbeiter Im lüclchspoitdienlt. Der soeben dem Reichstage zugegangene Verwaltungsbericht der Reichsposi für daS Jahr 1906 enthält auch einige Angaben über die Verhältnisse der fest und vorübergehend Angestellten. ES werden 67 709 Beamte nachgewiesen, davon 16 703 weiblichen Ge- schlechts. Von den Beamtinnen beschäftigten die Fernsprechämter allein 11642. AIS Unterbeamte erscheinen 113 95! Personen auf- geführt: außerdem sind noch 24 300„außerhalb deS Oeamtcit» Verhältnisses stehende Personen" vollbeschäftigt gewesen. Der größte Prozentsatz aller Beamten, nämlich 34.6 Proz., hat eine sieben- bis achtstündig« tägliche Dienstzeit. Der Nachtdienst beträgt jedoch für die meisten acht bis elf Stunden. Em erheblicher Unterschied in der Beschäftigungsdauer der oberen und niederen Beamten macht sich beiiierkbar Von den obersten Beamten haben etwa SO Proz. sieben- bis acht- stündigen TogeSdienst. Dagegen hat von den Unterbeamteu der größte Prozenisatz, nämlich 33 Proz., neun» bi» zehn- stund igen Tagesdienst. Während von den oberen und mittleren Beamten nur 1.5 Proz. mehr alS zehnstündigen TageS- dienst zu leisten haben, sind eS von den Unlerbeamten 21,7 Proz. Die längste tägliche Dienstzeit: 12— 14 Stunden, haben die Beamten der Bahnpostämter(Fahrdienst). Eine außerordentlich lange Dienst- jeit haben auch die Briefträger, vor allem die Land- > r i e f t r ä g e r. Da gerade diese Beamtenkategorie die schlechtesten Besoldung«- und AvaneementSbedingungen bot. so handelt auch die ReichSpostverwalinng nach dem Satz:.Da« Pferd, welche« den Hafer verdient, bekommt ihn nicht". DaS bestättgt auch die Zusammen- jtellung über die wöcheiittichen Dienstleistungen. Die große Mehr- zahl der oberen Beamten leistet wöchentlich unter 46 Dienslstunden, dagegen beträgt die Leistung der übergroßen Mehrheit deS Unter« beamtenpersonal» mehr als 60 Dienslstunden. Von den weiblichen Angestellten hat keine mehr als 48 Stunden wöchentlich Dienst. Von den Telephondamen bat über die Hälfte bis 42 Dienststunden zu absolvieren. Auch das ist noch zu viel in Anbetracht der außerordentlich nervenzerreibenden Tätig- 'eit dieser Beamtinnen. Von den Damen hatten über 3000«inen 7— vstündigen Tagesdienst. Da brancht sich der Telephonbenutzer nicht zu wundern, wenn seine»Anschlußdame" mal versagt und ärgerliche Antworten gibt. Jeder Beamte soll in einem Zeittaum von zwei Wochen mindestens einen oder zwei halbe Tage frei haben: alle vier Wochen ist ein ganz freier Sonntag zu gewähren. Das ist gewiß nicht zu viel. Ueber da» Miudesimatz der Sonntagsruhe hinaus hatten an Sonntagen dienstfrei von den oberen Beamten 100 Proz., von den mittleren Beamten 74.4 Proz., von den Beamtinnen 04,6 Proz.. von den Unter beamten nur 58,8 Proz. I Wieder sehen wir eine Zurücksetzung der Unter- beamten, die also neben schlechter Beioldnug und langer Arbeitszeit auch die geringste Sonntagsruhe genießen. Die meisten oberen und mittleren Beamten haben jährlich über 100 Rudeschichten, die meisten Unterbeamten erhalten nur bis 60. Wir verlangen natürlich nickt eine Verschlechterung der Anstellnngsverhältniise des oberen und mittleren Beamtenpersonals, sondern wir fordern eine bessere Be- rücksicktigung der schlecht besoldeten und schwer geplagten Unter» beamten. Sehr schlecht präsentiert sich.Vater Staat" als Arbeitgeber, wenn man die Lohnzahlungen an die nicht im Beamte nverhältnlS, aber von der ReichSpostverwalwng voll beschäftigten Perionen betrachtet. Den 3946 AuShelferinnen im Beamtendienst wurde im Sommer 1907 für bis stebenitündige Schichten ein Durchschnittslohn von 2.50 M. gezahlt I Die 125 Markenverläuferinnen wurden mit 2.34 bezahlt: 8864 zu Stell- verweluiigen angenommene Perionen, die dieselbe Arbeitszeit hatten wie die Unterbeamteu. erhielten sogar nur 2.26 M. pro Tag!' ll40 andere AuShülfSpersonen bekamen für 7*/, biS lOstündige (14 hatten noch längere) Schicht nur 2,38 M. Durchschnitts- lohn. Den 3999 SonntagSauShelfern, die sieben bis zehn Stunden im Dienst waren(93 sogar nock länger), gab die Reichöpostverwaltung ganze 2,20 SR, Für SonntagS- arbeiten I Diese Lödne stehen' sicherlich oft sogar noch unter dem an den betreffenden Orten festgeletzten ortsüblichen Tage- lohn. Die Reichspost bat, abzüglich der einmaligen Ausgaben. unterhalb deS letzten Jahrfünfts ihren Ueberschuß von 42,2 auf 59.2 Millionen Mark erhöht. Man sollte eS nicht für möglich halten, daß bei solche» Ueberschüffen die Arbeiter mit den genannten Jammerlöhuen abgespeist würden: und doch geschieht es. Von den 178 904 Beamten. Unterbeamteu und Stellvertretern erkrankten 74 511 und starben 785. Auf 1000 kamen 416.5 Krankheit«- und 4,4 Sterbefälle. Die oberen Beamten weisen die geringste Krankheitsziffer(8.03 pro 1000) auf, aber die höchste Sterbeziffer(9,7). Die letzte Zahl erllärl sich unschwer ans dem höheren Alter der Oderbeamten. Die höchste Krankheitsziffer(503,7) entfiel auf die Unlerbeamten im Post-, Telegraphen- und Fernsprech- dienst, während die Landbriesträger und Postboten im Landbestell»
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