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Vierter Wahlkreis. a)te Genossen des vierten Kreises nahmen ven Bericht vom Preußischen Parteitag in Kellers Festsälen, Koppenstraße, ent- * gegen. Genosse Haaelbusch referierte. Das Stattfinden des 2. Preußentages im vorigen Jahre ist durch die Reichstagsauf. lösung verhindert worden. Der diesjährige Parteitag der preu- ßischen Sozialdemokratie hatte daher fast die gleiche Tagesordnung zu erledigen. Es ist unmöglich, das ganze Material aus den vortrefflichen Referaten wiederzugeben. Insbesondere das Referat des Genossen Legten bot vortreffliches Material zur Be- urteilung der Lage der preußischen Staatsarbciter. Das Referat des Genossen Hirsch über das S e I b st v e r w a l- .ungsrecht der Gemeinde bietet für die in den Kom- munea tätigen Genossen reichhaltiges Material. Im nächsten Jahre werden es 100 Jahre seit Erlaß der Städteordnung. Die Städteordnung ist nicht gerade das Ideal einer Gemeindever- fassung; daß aber das Bürgertum in 100 Jahren nicht imstande war, die geringsten Verbesserungen zu schaffen, beweist dessen Un° fähigkeit. Aufgabe der Sozialdemokratie»st es, das allgemeine Wahlrecht für die Gemeinde zu erobern, um die heutige Vor- Herrschaft des Besitzes, besonders das Grundbesitzcrprivileg, zu zertrümmern. Ein Schritt auf dem Wege zur Befreiung des Proletariats bedeutet die Schaffung der Landesorganisation durch den Preußentag. Grotz-Berlin   hat einem Auftrage des vorigen Parteitages gemäß einen Entwurf für die zu schaffende Organi- sation vorgelegt. Vom Genossen Arons ist hierzu der Antrag gestellt worden, statt der vorgeschlagenen Landeskommission einen besonderen Vorstand für Preußen zu wählen. Preußen umfaßt nun aber nahezu sieben Zehntel aller Einwohner Deutschlands  . unsere Organisationsverhältnisse liegen ähnlich, so daß bald Kom- pctenzstreitigkeiten zwischen dem deutschen und dem preußischen Parteivorstand eintreten würden. Der Parteitag hat darum den Antrag Arons abgelehnt und im übrigen dem Entwurf zugestimmt. mit der Ausnahme, daß statt der vorgeschlagenen Verhältniswahl das bisherige Delegationssystem festgelegt wurde. Ganz unmöglich ist es, das Referat des Genossen Adler über dieTätigkeit des preußischen Landtages" vollständig wiederzugeben. Er legte seinem Referate selbst das Bibelwort zugrunde: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Der Sünden des preu- ßischen Landtages aber sind zu viele. Die Frage des Land- tagswahlrecht und der Landtagswahlen 1008. über die Genosse Arons referierte, beherrschte zweifellos den ganzen Parteitag. Manchmal haben bürgerliche Parteien ja den Versuch gemacht, das Wahlrecht zu ändern, aber immer dann, wenn sie in der Minorität waren. Der Wahlrechtsantrag des Zentrum? vom Jahre 1873 ist mit Hülfe der Konservativen und Nationalliberalcn auf 6 Monate vertagt worden. Diese Frist ist bis jetzt noch nicht abgelaufen.- Auch der jetzige Wahlrechtsrummel des Freisinns ist nichts als elende Heuchelei. ES ist kaum anzunehmen, daß dcc freisinnige Wahlrechtsantrag vor Schluß der Session zur Verhand- lung kommen wird, so daß der Freisinn glaubt, in ihm ein Agitationsmittcl für die kommenden Wahlen zu besitzen. Die wirtschaftliche EntWickelung hat es dahin gebracht, daß gerade der Freisinn der größte Feind der Arbeiter ist. Er ist der Vertreter des mobilen Kapitals und trachtet danach, die Beamtenstellen zu besetzen. Beispiel: Dernburg  . Während früher die Liberalen ihre ganze Kraft gegen die Zollwucherer gebrauchten, sehen sie heute ihren Hauptfeind in der modernen� Arbeiterbewegung. Trotzdem gibt eS leider noch Parteigenossen, die dieser Sippschaft nachlaufen. So beantragte der Genosse Bernstein  , wir müßten bei der Wahl einen Einfluß auf die Zusammensetzung des Landtages ausüben, was weiter nichts bedeutet als Stärkung des Freisinns. Die Mittel zur Erringung des gleichen Wahlrechts hat der Parteitag nicht genannt, sondern den Parteivorstand mit den nötigen Macht- befuanissen ausgestattet. Wir sind auf uns selbst angewiesen. Durch Agitation und Organisation werden wir das gleiche Wahl- recht auch für Preußen erringen. In der Diskussion drückt Gc- nosse Blaß seine Verwunderung darüber aus, daß der Referent die Resolut, on betreffend die Polen   in der Berichterstattung nicht erwähnt hat. Auch der vierte Kreis hat einmal einer Resolution. die sich mit der Agitation unter den polnischen Arbeitern befaßt, zugestimmt, bisher ist aber nichts geschehen. Der Aktionsausschuß soll für die polnischen Arbeiter eine Protestversammlung gegen die Enteignungsvorlage der preußischen Regierung veranstalten. Genosse H a ck e l b u s ch verweist die polnischen Genoffen an die zuständigen Stellen in der Partei. Agitationsmaterial ist vor- Haiden. Litfin führte aus: Zur Fe,t des PreutzentageS war de: Entwurf des Vereinsgesetzes offiziell noch nicht bekannt, sonst hätte auch schon der Preußentag gegen die Entrechtung Fremd- sprachiger Stellung genommen. Die ganze bürgerliche Welt er- wartete von dem Parteitag die Nennung der Mittel, mit der wir den Wahlrechtskampf führen werden. Diesen Gefallen tun wir dem Bürgertum nicht. Wir bestimmen nicht im Voraus ein Mittel, sondern wir werden, getreu unserer alten Taktik, unsere Maß- nahmen nach den gegebenen Verhältnissen einrichten. Die Ver- anstaltungen am 2b. November haben bewiesen, daß der Kampfes-- geist für das allgemeine Wahlrecht bei der entrechteten Masse vor- Händen ist. Eine weitere Diskussion wurde nicht beliebt. Fünfter Wahlkreis. Die Versammlung des Sozialdemokratischen Vereins tagte im Saale des MusikervereinShauseS. Den Bericht über den preußischen Parteitag erstattete Genosse Friedländer. Er sagte, der Parteitag habe völlig im Zeichen oeS Wahlrechtskampfes gestanden. Bei allen Punkten der Tagesordnung, in allen Aeutzerungen der Redner sei zum Ausdruck gekommen, was alle Herzen bewegte: Wie erringen wir das Wahlrecht zum preußischen Landtage. Der Redner ging auf die hauptsächlichsten Punkte der Verhandlungen des Parteitages ein und führte aus: In der Frage der Organi- sation standen sich zwei Anschauungen gegenüber, die eine, welche alles vermeiden wollte, was einmal zu Reibungen zwischen der preußischen und deutschen Parteileitung führen könnte, und die andere, vertreten durch den Genossen Arons und die, welche sich um ihn scharten, die eine selbständige Organisation und Leitung der preußischen Parteigenossen einführen wollte. Obgleich AronS in seinen Anträgen ein Sicherheitsventil anbringen wollte, welche- bestimmt war. Reibungen zwischen der preußischen und deutschen  Parteileitung zu verhindern, so genügte das der Mehrheit nicht. denn sie sagte sich. Preußen, der größte deutsche Bundesstaat. müsse hinsichtlich der Organisation anders behandelt werden wie die anderen Einzelstaaten, man müsse von vornherein jede Möglich- kcit eines etwaigen Konflikts zwischen der preußischen und der deutschen   Parteileitung ausschließen. Deshalb fanden denn auch schließlich die Vorschläge von Berlin   und Hessen-Nassau   Annahme mit der einzigen Aenderung, welche sich auf die den Wahlkreisen zustehende Zahl der Delegierten zum Parteitage bezieht. Nach­dem der Redner die Referate der Genossen Legien und Hirsch in ihrem wesentlichsten Inhalt besprochen hatte, kam er auf den Kernpunkt der ParteitagSvcrhandlungen: Der Kampf um das Landtagswahlrecht und die Landtagswahlen 1008. Auch bei diesem Punkt der Tagesordnung zeigte sich eine Teilung der Ansichten wie beim ersten Punkte. Die Diskussion setzte bedauerlicherweise so ein, daß die meisten Redner einen zu großen Wert auf die Frage legten: Wie kommen wir in das preußische Abgeordnetenhaus hinein, wie erlangen wir Mandate? Das heißt mit anderen Worten: Unter welchen Umständen sind wir in der Lage, die Frei- sinnigen zu unterstützen? Diese Redner, denen nachgewiesen wurde. daß nach Lage der politischen Situation die Freisinnigen gar nicht mehr liberal sein können, gingen von der Ansicht aus, die Wahl- rechtsfrage werde im preußischen Abgeordnetenhause gelöst. Das aber ist eine irrige Auffassung. Im Abgeordnetenhause herrscht, abgesehen von der waschlappigen Bourgeoisie, das preußische Junkertum. Die Machtstellung des Junkertums ist die Quelle wirtschaftlicher Vorteile für die Angehörigen der Junkerklasse. An die Krippe, aus der sie gespeist werden, lassen die Junker nie- mand heran. In diesem Punkte ist das Junkertum von jeher prinziplenfest gewesen, eS ist auch noch heut- so prinzipienfest, daß e» sich lein Recht, welches es besitzt, abhandeln läßt. Dem Junker- tum können Rechte nur abgerungen werden, und das ist unsere Aufgabe im Wahlrechtskampf. In der Diskussion auf dem Partei- tage schien es anfangs, als ob die Redner diesen Gesichtspunkt ganz außer acht ließen. Aber in der Nachmittagssitzung kam ein an- derer Ton in die Debatte, eine ganz andere Stimmung, die denn auch anhielt. Die Debatte war getragen von der Ueberzeugung, daß die Sozialdemokratie den Kampf für die Erringung des Wabl- rechts durchführen muß mit allen Mitteln, welche gesetzlich zulässig sind. Daß wir den Willen haben, in dieser Weise den Kampf zu führen, das ist auf dem Parteitage klar zum Ausdruck gekommen. Es ist gefragt worden, welche Kampfmittel wir anwenden wollen, aber es war der Wille des Parteitages, nicht über die Mittel zu diskutieren, aber die Parteigenossen zur Anwendung oller gcsctz- liehen Mittel zu verpflichten, wenn eS sein muß, auch des poli- tischen Massenstreiks. Das war der Kern der Parteitagsverhand- -angen. Nun ist es Sache der Parteigenossen, in der Praxis das auszuführen, was der Parteitag beschlossen hat. tBcifall.) Dem Referat folgte eine kurze Diskussion. Ritter sprach im Sinne des Referenten. Babiel sagte, er vermisse praktisch« Vorschläge über die Mittel und Wege, welche wir anwenden sollen, um das Wahlrecht zu erringen. Mit lapidaren Ausdrücken, mit kräftigen Worten rühren wir die Junker nicht. Gewiß werden wir nur gesetzliche Mittel anwenden, ober welche, darüber sei auf dem Parteitage kein Wort gesagt. Unsere Genossen in Oesterreich  haben Straßendemonstrationen für das Wahlrecht veranstaltet. Es frage sich, ob dies bei uns möglich ist. Der Parteitag hätte Wege zeigen müssen, auf denen wir das Ziel erreichen können. Redner steht auf dem Standpunkt, wir müßten aus die Straße gehen, um für das Wahlrecht zu demonstrieren, und wenn auch Kanonen aufgefahren werden, und wenn Opfer fallen sollten, das dürften wir nicht scheuen. Böttcher bemerkte zu dem Hinweis des Vorredners auf Oesterreich  : Die österreichischen Genossen hätten den Wahlrechtskampf schon seit mindestens 10 Jahren vorbereitet. Vor 10 Jahren hätten di« österreichischen Genossen auch noch nicht gesagt, welche Mittel später angewandt werden sollen. Nicht nur in den politischen, sondern auch in den gewerkschaftlichen Organi- sationen haben die österreichischen Genossen den Wahlkampf vor- bereitet. Sie haben nicht viel geredet, aber gehandelt. Wenn wir es ebenso machen, werden wir auch das Wahlrecht erringen. Friedländer sagte im Schlußwort: Babiel habe sich zum Sprecher der Gruppe gemacht, welche auf dem Parteitage fragte: Wie bekommen wir das Wahlrecht? Demgegenüber müsse gesagt werden: Wir brauchen uns nicht über die Wege zu unterhalten. denn wir haben den Willen, den Weg zu gehen, der zur Besiegung des Junkertums führt. Wir wissen, daß der Kampf mit dem Junkertum ein schwerer werden wird. Das Recht, auf die Straße zu gehen, haben wir. Ob wir davon Gebrauch machen, oder ob wir andere Mittel wählen, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Wir wollen nicht reden, sondern handeln. sBeisall.) Hierauf ging die Versammlung zur Erledigung von Verein?- angelegcnheiten über. Auf Antrag des Vorstandes wurde be. schlössen, das Ausschlußverfahren gegen Karl Matzke und den Töpfer Max Huhn zu beantragen, weil sich beide des Streik- bruchs schuldig gemacht haben und zwar Matzke beim Streik in der Hartungschen Fabrik, Huhn beim letzten Töpferstreik, wo er selbständige Arbeiten ausführte, obwohl die Ausführung selbstän- diger Arbeiten in einer Töpferversammlung ausdrücklich als Streik- bruch erklärt wurde. Huhn, der schon im Jahre 1899 Streikbruch verübte, hat während des letzten Streiks nicht nur selbständige Arbeiten ausgeführt, sondern sich zu derselben Zeit regelmäßig zur Streikkontrolle gemeldet und sich die Streikkarte abstempeln lassen, welche als Legitimation für die Streikunterstützung dient. Das ist in der Vorstandssitzung, welche sich mit dieser Angelegenheit beschäftigte, festgestellt worden. Sechster Wahlkreis. Die Versammlung des Wahlvcreins für den sechsten Wahlkreis and in denGermania-Prachtsälen" statt, in dem unteren Saal, ?er aber eigentlich nicht ausreichte, um der Masse der Genossen ge- nügend Platz zu bieten. Viele mußten sich mit Stehplätzen begnügen. In der Berichterstattung vom Preußischen Parteitag teilten sich die Genossen Fahrow und Albert Werth in der Weis«, daß der eine über die ersten drei Punkte der Tagesordnung, der andere über die Punkte 4 und b berichtete. Genosse Fahrow be. merkte einleitend, daß derVorwärts" ja einen sehr ausführlichen Bericht gebracht habe, so daß es nicht nötig sei, hier noch einmal auf alle Einzelheiten einzugehen. Der Redner schilderte kurz zu- nächst die Verhandlungen üher daS Organisationsstatut und dessen wichtigste Bestimmungen. Er äußerte seine Befriedigung darüber, daß der Antrag Arons, einen besonderen Landesvorstand der preußischen Partei einzusetzen, mit so starker Mehrheit abgelehnt worden ist, weil eine solche Einrichtung nur zu schädigenden Reibe- reien hätte führet können. Bemerkenswert sei eS, daß, wenn man sich die politische Stellung der Genossen, die für den Antrag stimmten, ansehe, man erkenne, daß es hauptsächlich um die in der Partei als Revisionisten bezeichnete Gruppe handele. Ebenso ab- sprechend äußerte sich der Redner über die von den Genossen AronS und Maurenbrecher vorgeschlagen«, aber ja ebenfalls abgelehnte Anstellung von Sekretären des Landesvorstandes. Ter Redner schilderte sodann kurz die trefflichen Referate der Genossen Adler und Arons über die Tätigkeit des Landtags und über die Land- tagswahlen und sprach zum Schluß in anfeuernden Worten übe: den Kampf um das Wahlrecht in Preußen. Nur aus eigener Kraft werde eS der Arbeiterschaft möglich sein, das Wahlrecht zu erobern. Die Hauptsache sei, die Empörung über die Unfreiheit und Ent­rechtung in den uns noch fern siebenden Klassengenossen zu wecken und zu schüren. Im übrigen müsse es genügen mit der Versiche- rung, daß all« möglichen und zweckmäßigen Mittel im Kampf um das Wahlrecht angewandt werden sollen. Töricht wäre es, diese Mittel lange vorher genau anzugeben. Man müsse den gewählten Körperschaften das Vertrauen schenken, daß sie zu rechter Zeit die rechten Mittel angeben werden. Dann soll jeder Genosse dem Rufe folgen. Der Redner wies auch auf die übermächtige Stellung hin, dl« die Polizei in Preußen noch einnimmt, die viel dazu bei- trage, daß das Volk erkenne, wie unterdrückt und entrechtet es ist, Wir hätten zu verlangen, daß die Organe der öffentlichen Sicher- heit zu unserem Schutze austräten, nicht uns bevormunden und überall kommandieren. Die hier und da noch vorhandene über- mäßige Furcht müsse beseitigt weichen. Gelte eS. das Wahlrecht zu erobern, so dürfe und werde kein Genosse zurückstehen. Dann müsse der Sieg schließlich errungen werden. Genosse Werth schilderte kurz die wichtigsten Punkte aus den Referaten der Genossen Legien und Hirsch über die Lage der Staatsarbeiter in Preußen und über die Selbstverwaltung in den Gemeinden Er wies auf die ungeheuerlichen Mißstände hin, die hierbei erörtert worden sind, sowie darauf, daß an ihre Be- seitigung nur zu denken ist. wenn die demokratischen Grundsätze erst einmal im preußischen Staatswesen zum Durchbruch gekommen sind. Auch die Ausführungen dieses Redners klangen in die Mahnung aus, unermüdlich zu agitieren und zu organisieren, um den Kampf für das Wahlrecht mit ganzer Kraft siegreich durch- zuführen. Den Vorträgen, die lebhaften Beifall fanden, folgte eine rege Diskussion, die sich bis gegen Mitternacht hinzog. Genosse Reh. bein   führte unter anderem aus, daß ihm die Art, wie auf dem Preußentag gegen die Revisionisten losgezogen worden sei, nicht er- freut habe. Man solle bedenken, daß sie ebenso gut wie die andern» Genossen daS Parteiinteresse im Auge hätten. Was den Antrag Arons über den Landesvorstand betreffe, sso stehe er, Redner, selbst auf dem Standpunkt der Mehrheit des Parteitages. Im übrigen sei viel zu viel über die Freisinnigen gesprochen worden. Er be- grüße es, daß der Genosse Wurm in seinem Referat sich auch in dieser Hinsicht auf den Standpunkt der materialistischen Geschickts- auffassting gestellt habe. Das habe er beimVorwärts" vermißt- Wurm habe erklärt, daß die Freisinnigen keine anderen als kapi- ralistischc Interessen vertreten könne»!. DaS wäre vernünftig. Auch beim Preußentag habe derVorwärts" zu sehr an die arohe Glocke geschlagen. Er kenne den Verfasser und wisse, daß dieser sich gern für den Offizier der Arbeiterschaft halte, aber von einem solchen nichts anderes als die Lffiziersbeine habe. Der Redner sssrach ferner über Straßendemonstrationen und Massenstreik und meinte, daß diese Dinge bei den herrschenden Rechts- und Polizeivcrhält- nissen und bei der Unaufgcklärtheit der großen Masse vorläufig noch auf lange Zeit unmöglich seien. Das einzige, was man tun könne, sei, erst einmal die indifferenten Massen zu Verstand zu bringen. Tie Ausführungen Rehbeins, die wiederholt mißbilligende Zwischen- rufe hervorgerufen hatten, wurden von den folgenden Rednern meist scharf zurückgewiesen. Genosse Fiedler meinte, daß man Rehbein wohl in einzelnen Dingen recht geben könnte und daß der Parteitag vielleicht nicht all das erfüllt bat, was er erfüllen sollte. Ter Redner billigte jedoch die gefaßten Beschlüsse, lieber die Mittel des Wahlrechtskamvfes zu entscheiden, könne man ruhig de: Intelligenz der dazu berufenen Genossen überlassen. Genosse Ernst bemerkte, er stimme mit Rchbcin darin übcrein. daß man in jedem Winkel des Landes unablässig agitieren müsse. Wenn man aber solche Reden halte, wie Rehbein hier, so werde es nie gelingen, die Massen zu gewinnen. Dazu sei auch Begeisterung nötig. Gut sei es, daß wir noch Stürmer und Trängcr hätten, sonst würde die Partei altersschwach werden. Wenn Rehbein nun und mit Recht die Freisinnigen als einen politischen Kadaver bc- zeichnet habe, so verstehe man nicht, warum er seinerzeit gesagt, man solle die bürgerliche Masse nicht vor den Kopf stoßen.(Rehbein: Habe ich nie gesagt.") DerVorwärts" habe in der Wahlrechts» frage die freisinnigen Herren immer wieder und wieder gedrängt, bis ihre Heuchelei zusammengebrochen sei. Tic Haltung des Zentralorgäns sei ganz gerecht. Unsere Taktik im Wahlrechts- kämpf aller Welt klarzulegen, sei nicht angängig. Tie Situation werde ergeben, was zu tun ist. Das Volk werde in seinem Drängen sein Recht fordern und erkämpfen. Einen besonderen Vorschlag zum WahlrechiSkampf. der aber keine» Anklang fand, machte Genosse Lösche. Er meinte, man solle in den Kreisen, die im Reichsrag sozialdemokratisch vertreten sind, bei der Landtagswahl die wasch- lappigen Frcisinnslcute einfach hinauswählen. Genosse Bahn er- klärte diesen Vorschlag für undiskutabcl. Er wandte sich dann gegen den Genossen Rehbein und dessen allzu viele Bedenken hin- sichtlich der Mittel, die vielleicht im Wahlrechtskampf angewandt werden könnten. Zu den leitenden Genossen, die die schwere Ver. antwortung auf sich genommen haben, müsse man auch Vertraucu haben. In gleichem Sinne äußerten sich noch die Genossen Büß, L u k o w und W i l» p p. Nachdem dann Rehbcin nochmals das Wort erhalten hatte, um namentlich einige seiner Meinung nach irrtümliche Auffassungen richtig zu stellen, wurde die Debatte ge- schloffen. Genosse Fahrow bemerkte in seinem Schlußwort, daß. wenn Rchbein immer wieder sage, daß die Revisionisten zu grob behandelt würden, so stehe im schärfsten Widerspruch dazu die Tai- fache, daß derselbe Rebbcin hier Genossen der anderen Richtung in schmutziger Weile persönlich angegriffen habe. Wenn man auf der einen Seite anständige Diskussion verlange, müsse man sie auf de: anderen auch selbst üben. Die Rede WurmS habe Rehbein denn doch nicht recht verstanden. Aus der Versammlung wurde der Wunsch nach Aufklärung über die gegen den Genoffen Pawlowitsch gerichteten Vorwürfe laut. Genosse E r n st bemerkte dazu, daß Pawlowitsch den Vorstand nm eine Untersuchung der Angelegenheit ersucht habe. Der Vor- stand sei dazu jedoch nicht in der Lage und habe dem Genossen anheimgegeben, selbst Mittel und Wege zu finden, um den Verdacht zu beseitigen. Der Vorstand könne aber unter keinen Umständen zugeben, daß dem Genoffen Pawlowitsch Dinge vorgeworfen werden. für die keinerlei Beweis vorliege. Der Redner wies im Anschluß hieran auf die schmachvollen Zustände hin, die es möglich machen. daß ehrliche Leute fortgesetzt unter Polizeiaufsicht gehalten und von Spitzeln umgeben werden. Genosse K r ö h n stellte einen An- trag, der Entlarvung von Spitzeln innerhalb der Wahlvereine zum Ziel hatte. Ernst bemerkte dazu, daß der Vorstand sich in de: nächsten Sitzung mit dieser Frage befassen werde und ersuchte Kröhn. seinen Antrag als Anregung gelten zu lassen, womit sich dieser Genosse einverstanden erklärte. Nach einigen kernigen Worten des Vorsitzenden Genossen Brunn er über den bevorstehenden WahlrechtStamps wurde die Versammlung mit kräftigen Hochrufen auf die Sozialdemokratie geschlossen. Hud der frauenbenegung. Die Hausfrauen und die Politik. Alle« in der Welt ist Selbstzweck und zugleich Mittel zum Zweck. Wenn wir unsere Kinder gut erziehen, so wachsen sie sich und uns zur Freude heran. Sie werden aber zugleich dadurch so aus­gerüstet, daß sie den Kampf mit den, Leben bester bestehen können. Dasselbe gilt für die Haushallsführung. Die Hausmutter, die die ihr zur Verfügung stehenden Mittel, so bescheiden sie auch seien, so auszunutzen, mit so viel Rachdeilken, Liebe und Sorgfalt zu Hand- haben weiß, daß Mann und Kinder gut ernährt und velchflcgt sind, die hat damit nicht nur die Voraussetzungen geschaffen, auf denen das Behagen und Glück der Familie beruht, die hat ihre Angehörigen zugleich auch kampftüchtiger gemacht. Wer einmal im Sonnenlichte der Kultur wandelte, der verlangt nach mehr. Der läßt sich nickl mehr genügen an der dumpfen Enge verräucherter und niedriger Gelasse, der will keinen Fraß, sondern ein Mittagessen, der braucht Bücher lind Bilder, weiße Gardinen und blanke Stuben. Findet er'S daheim, so wird ihm das nicht etwa in satte Zu- friedenheit versinken lassen, sondern es wird ihn mit Krait und Friiche überströmen und ihm Mut geben zu neuem Kampf um die Erhaltung dieser Güter und um die Ernngung neuer. Denn ein Auf und Ab ist daS Leben und wer nicht höher schreitet, sinkt tiefer. So liegt in der Hand der Frauen und Mütter eine große Ver- antwortung. Kein Hemmschuh sollen sie dem Manne sein, sondern em Antrieb. Die Hausfrau empfindet es am meisten, wenn Milch und Butter, Eier und Fleisch, Kartoffeln und Mehl, Holz und Kohle teurer und teurer werden. Sie wird es in sorgendem Sinn zuerst und am schmerzlichsten fühlen, wenn Zug um ?ug mit dem Nachlassen der Arbeitsgelegenheit Lohn und Lebens- allung niedergehen. Und wie den rcichsländischen Textilarbeite­rinnen schneidet es ihr am tiefsten ins Herz, wenn sie HauS und Kinder 1012 Stunden sich selbst überlassen muß. Aber wir haben gesehen, daß da ein enger Zusammenhang ist zwischen der Tüchtigkeit der Hausfrau und dem Lebens- und Kampfes- mut des Mannes. Und wer von uns Frauen mit offenen Augen i>: die Welt sieht, der kennt auch den Zusammenhang, der von der anderen Seite her zwischen Lebensbaltniigs-, Lohn- und Arbeitsbedinguiigen und der gewerkschaftlichen und politischen Organisation und Stärk: der Arbeiterschaft ist. Die starke Gewerkschaft wird in der Lage sein, Lohn- und Arbeitsbedingungen, wenn nicht zu diktieren, so doch mitzubestimmen. Die starke politische Organisation köinite eS ver­hüten. daß die Wucherpolitik eines kleinen BevölkerungSbruchteils den Massen das Brot verteuert und daS Leben erschwert, Mit alledem ist der Frau der Weg gewieseu, den sie zu gehen hat. Sie darf sich nicht daran genügen laffen, in Küche und Haus das mit den vorhandenen Mitteln Beste zu erreichen. Sie muß dem Manne eine Kampfgenossin werden. Schütter an Schulte: muß fie mit ihm um die Vsrbeiierung der Dasemsbedingungen ringen. Der Kampf gegen die Brotverteuerer, um Verkürzung der Arbeitszeit. Erhöhung der Löhne, der Kampf um Licht und Luft in den Häusern und in den Geistern, das find die nächsten Aufgaben, die ihrer gemeinsam mit dem Manne warten. Kommerzienrat Bolle und der Frauenverein. Bazar des Frauenvercins der Gesellschaft zur Verbreitung des Evangeliums" verkünden die aufgeklebten Plakate an der Ein- gangStür der Patzcnhofer Brauerei in der Turmstraße. Wir schreiten durch den Garten und treten, nachdem wir Pf. Ein- trittsgeld bezahlt haben, in den hcllcrlcuchteten. mit Girlanden aus Tannengrün geschmückten Saal. Es wimmelt darin vvi, Kindern in allen Altersstufen, während die Erwachsenen, durchweg