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Mr. 13.

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10. Jahrg.

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Fernsprech- Anschluß Amt I, tr. 4186.

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Die Nothstandsinterpellation

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Sonntag, den 15. Januar 1893.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

werke, sind die höchste Leistung der königlich preußischen Weise Ausdruck, während Herr von Kardorff es Sozialpolitik, die eins ist mit der Sozialpolitik des auch bei dieser Gelegenheit Gelegenheit fertig brachte, eine der Sozialdemokraten hat ihren Zweck im vollsten Maße Reichs. Rede über die Goldwährung zu halten. Die ganze Bru­erfüllt, über Erwarten der Interpellanten. Es galt die Und wie hat diese Sozialpolitik im Laufe dieser talität des Fabrikanten- Prozenthums kam in der Rede des Frage des Nothstands auf die Tagesordnung des öffent- Nothstandsdebatte sich selbst gerichtet! Die Antwort des Abg. Möller zum Ausdruck. Diese Herren können es der lichen Lebens zu bringen fie ist auf der Tagesordnung. Herrn Staatssekretärs von Bötticher zeigt, daß die Re- Regierung nicht verzeihen, daß sie nicht zwischen die strei­Es galt die Zustände im Saarrevier zu beleuchten sie gierung des Deutschen Reichs von den sozialen Problemen tenden Arbeiter schießen und hauen läßt. sind beleuchtet. Es galt ferner, die Vertreter der Reichs- und Aufgaben der Gegenwart keinen Begriff hat. Es ist Eine gründliche Nachlese hielt hierauf Drees ba ch. regierung zu einer sozialpolitischen Programmaussprache zu fein außerordentlicher Nothstand vorhanden. Und die Re- Indem er noch einmal die sämmtlichen in der Debatte an veranlassen die Aussprache ist erfolgt. gierung hat deshalb keine außerordentlichen Maßregeln zu gere gten Punkte durchging, geißelte er besonders die bru Und im wesentlichen ist alles so gekommen, wie wir es treffen." Das war, seiner Hülle entkleidet, der Kern der talen Drohungen und stellte dem Verlangen nach einem vorausgesehen hatten, nur daß die Beleuchtung der Ver- Antwort, deren Unzulänglichkeit deren Unzulänglichkeit und Armuth Herr neuen Sozialistengesetz die stolze Erklärung entgegen, daß, hältnisse und der Absichten eine hellere, ja grellere war, als v. Bötticher so wohl empfand, daß er sie zweimal zu be- wie unsere Partei mit dem alten" Kurs und seinem wir voraussehen konnten. Daß der Nothstand eine bedroh richtigen suchte. Nothstand ja, aber der gewöhnliche Sozialistengesez fertig geworden sei, wir auch bereit seien, liche Höhe erreicht hat, das ist im großen und ganzen vom Nothstand, fein außerordentlicher, der das Eingreifen des den Kampf mit neuen Ausnahmemaßregeln aufzunehmen. Reichstag anerkannt worden, und die einzelnen Ab- Reichs nöthig macht. lengnungen haben nur dazu gedient, die Person der Ab- Damit ist gesagt: das Reich wird nichts thun Rede vorgebrachten Zahlen, mit denen bewiesen werden Die vom Herrn Minister nach Dreesbachs trefflicher leugner unvortheilhaft zu kennzeichnen. Ein Anstoß ist ge--es läßt die Dinge ihren Lauf gehen. Die Hochfluth des sollte, daß der Verkehr steigt, die Industrie blüht und die geben, und die Interpellation wird wohl praktische Resultate Elends mag steigen, steigen, mag alles zu verschlingen Arbeitslöhne höher wie je feien, werden wohl noch Gegens haben wenn auch irgend Genügendes nicht zu erhoffen ist. drohen die Regierung des Deutschen Reichs sieht es stand einer späteren Betrachtung sein. Auf alle Fälle tann Ueber die Zustände im Saargebiet ist Tageshelle ver- nicht- steht da mit verschränkten Armen, fatalistisch von unsere Partei mit dem Berlauf der dreitägigen Debatte breitet worden. Für jeden, der die Debatten, und nament Tag zu Tag lebend, aus der Hand in den Mund lebend lich die Darlegungen des Handelsministers von Berlepsch komme, was tomme. vollauf zufrieden sein. dem Inhalte wie dem Tone nach mit Aufmerksamkeit ver folgt hat, ist es sonnenklar, daß das bureaukratisch- Nein, so weitsichtig sind die Staatsmänner von heute militärische, oder sagen wir genauer: das unteroffiziers- nicht. Sie haben nicht, gleich Metternich, begriffen, daß mäßige Verwaltungssystem der königlich preußischen Kohlen- die Sündfluth kommen wird. Bergwerke die Schuld an dem unheilvollen Streit trägt. Nun sie wird wohl auch nicht nach ihnen kommen. Nicht rein materielle Gründe waren es, welche die Arbeiter Verharren die Regierenden in ihrer Verblendung, so werden in den hoffnungslosen Streit trieben, sondern viel mehr sie die Sündfluth noch erleben. moralische: fittliche Empörung über das schroffe Vor- Einstweilen hat die deutsche Reichsregierung sozial­gehen und Auftreten der Behörden. Der bei Begründung politisch abgedankt. Ser Jnterpellation scharf gerügte Utas":" Erst anfahren, dann unterhandeln!" ist zwar von dem Handelsminister be stritten worden, allein er ist Thatsache. Das Herold'sche Telegraphenbureau hat den ufas am Montag allen Beitungen gemeldeter findet sich in den Morgenblättern

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Nach uns die Sündfluth."

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des Dienstags, und er findet sich in allen Berichten un politische Lebericht.

Korrespondenzen aus dem Saarrevier. Und der Herr Handelsminister selbst hat, gewiß unfreiwillig, das System

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Berlin , den 14. Januar.

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Wir werden darauf aufmerksam gemacht, daß der Ab­geordnete von Pfetten in seiner Rede am Donnerstag, kurz vor Schluß der Sizung, nicht von einem Nothstand der Großgrundbesitzer gesprochen hat, sondern nur die mißliche Lage des Klein- und Mittelbefizes an Grund und Boden erörtert habe. Das Mißverständniß ist auf Konto der großen Unruhe zu sehen, welche während der Rede des ge­nannten Herrn im Hause herrschte.

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Die Bismarck - Reptilien verhöhnen den neuen Reichs tanzler ob seiner jüngsten Kommissionsrede und lassen natürlich zwischen den Zeilen lesen, daß der Ex- Kanzler doch ein anderer Kerl sei. Nun wir haben gewiß keinen Grund, den neuen Reichskanzler zu vertheidigen, aber das müssen wir doch sagen, in seiner auswärtigen Politik hat er mindestens so viel Geschick bewiesen, wie sein genialer" noch schärfer charakterisirt als jener Utas wir meinen Aus dem Reichstag . Die Diskussion über die Noth- Herr Vorgänger, wobei wir allerdings bemerken wollen, seine Bemerkung, daß die Bergleute vor dem Streik stands- Interpellation wurde heute zu Ende geführt. Der daß wir von der Kunst der Hohen Politik" verteufelt gar teine Beschwerden an die an die Berg- Sozialpolitiker des Zentrums, Herr Hize, leitete die Dis- wenig halten ebenso wenig wie von der gesammten verwaltung gerichtet hätten. Gerade wie in fussion mit einem richtigen rednerischen Eiertanz ein. Die Bunft der hohen Politiker. Herr v. Caprivi hat freilich der Armee!" riefen die Sozialdemokraten dem Herrn Bentrumspartei hat bei den Arbeitern des Saarreviers so feine Depeschen gefälscht, mit feinem Napoleon toufpirirt, Handelsminister zu. Die Soldaten beschweren sich auch sehr an Kredit verloren, daß jedes unvorsichtige Wort den keine Raubkriege eingefädelt, solche Erfolge" hat er nicht sie schießen sich lieber todt. Und die Bergleute Bruch zu einem unheilbaren machen kann. Andererseits nicht aufzuweisen, dafür hat er aber auch niemals solch fireifen lieber, gehen mit ihren Familien lieber ins Glend. aber will das Zentrum es auch nicht mit der Regierung dummes Beug geschwaßt, wie von dem Bischen Herze " Die Bergleute haben sich gar nicht beschwert!" Besser, verderben. So spickte denn Herr Hitze seine Rede mit so gowina" und von unserer nationalen Mission in packender, ergreifender hätte der Herr Handelsminister nicht viel Wenn und Aber, daß am Schlusse derselben Niemand Samoa ". Und auch einen Erfolg der auswärtigen die Breite der Kluft, die zwischen den Behörden und Ar- hätte sagen können, was der verehrte Herr eigentlich wollte. Politik hat Herr von Caprivi zu verzeichnen: man beitern des Saarreviers gähnt,- besser, packender er- Das Beste an der Rede war der verständige Appell an die glaubt dem Wort des deutschen Reichs­greifender nicht das tiefe Mißtrauen der Bergleute gegen Regierung, sich die beabsichtigten Maßregelungen noch ein- anzlers ein Erfolg, deffen der Ex- Kanzler sich nie­die Bergverwaltung zum Ausdruck bringen können. Und die mal zu überlegen. Demselben Verlangen gab auch der mals zu erfreuen gehabt hat. Dies nicht dem Einen zu töniglich preußischen Werke des Saarreviers find Muster- nachfolgende Redner, Dr. Hirsch, in entschiedenster Lob, aber dem Anderen als Ohrfeige.

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Feuilleton.

Nachbruc verboten.)

Haus Nuzingen.

Soziale Studie von H. de Balzac . Deutsch von Curt Baake .

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Weißt Du, wie Du es anzustellen hast, wenn Du in England nicht als improper" gelten willst?" wandte sich Bigion an Finot."

Nun?"

" Geh' in die Tuilerien und sieh Dir da den mar­mornen Feuerwehrmann an, den der Bildhauer Themistocles getauft hat. Versuche dann wie die Statue dieses Feld herrn einherzuschreiten, und Du wirst nie improper" sein. Der strengen Anwendung des ehernen Gesetzes des improper" hatte es Godefroid zu danken, daß sein Glück vollständig wurde. Und zwar ging das so zu:

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Advokat, kurz eine wahre Blume der Verderbtheit. Er einen männlichen Tiger und erbot sich zu einer Wette, daß spielte und fluchte, liebte den Bunsch und Näschereien, war Paddy im Grunde eine gezähmte Tigerin wäre. schmähsüchtig wie ein Feuilletonist und so dreist und frech Die Beschreibung wurde boshaft ausgelegt und drohte wie ein Pariser Gassenjunge. dem Chefredakteur improper" zu werden; der Superlativ von improper" ist nämlich der Galgen.

Er war eines edlen englischen Lords Ruhm und Nugen gewesen; er hatte ihm schon siebenmalhunderttausend Frauks im Wettrennen gewonnen. Der Lord hatte den Bengel sehr gern: sein Tiger war eine Merkwürdigkeit; kein Mensch in London hatte einen so kleinen Tiger. Auf einem stürmen­den Renner sah Joby wie ein Falte aus. Und dennoch gab er ihm den Laufpaß.

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Mylord wurde wegen seiner Vorsicht von Mylady sehr belobt. Toby aber konnte, nachdem sein bürgerliches Ges schlecht in der britannischen Zoologie einmal bestritten war, nirgends mehr eine Stelle finden.

Zu jener Zeit blühte Godefroid im Schatten der fran­ zösischen Botschaft in London , wo er Toby's, Joby's, Paddy's Toby hatte nicht genascht, nicht gestohlen, nicht gemordet, Abenteuer erfuhr. Er bemächtigte sich des Tigers, den er nicht lästerliche Reden geführt; seine Haltung hatte zu weinend bei einem leeren Konfiturentopfe gefunden, denn feinem Tadel Anlaß gegeben, er war gegen Mylady nicht die Guineen, womit der Lord sein Unglück vergoldet, hatte unverschämt gewesen, hatte kein Loch in die Taschen der das Kind längst ausgegeben. ersten Rammerfrau Mylady's gebohrt, noch sich von den Godefroid de Beaudenord brachte also bei seiner Rücks Gegnern Mylords beim Rennen bestechen lassen; er hatte kehr den schönsten Tiger Englands mit nach Hause des Sonntags fein Vergnügen besucht, turz, er hatte über- und wurde durch ihn so bekannt, wie Couture hier durch haupt nicht das Geringste verbrochen. seine schönen Westen. So fiel es ihm nicht schwer, in den Klub Grammont, wie er heute heißt, aufgenommen zu

Ja, er hätte alles dies thun, ja sogar ohne gefragt zu Er hatte einen Tiger( kleiner Reitknecht) nicht einen sein, Wylord anreden können, Mylord hätte ihm selbst Groom, wie Leute sagen, die vom Sport keine Ahnung dieses schwerste aller häuslichen Verbrechen verziehen.

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haben. Sein Tiger war ein kleiner Frländer, Namens Mylord würde Vieles von Toby ertragen haben, so Paddy, Joby, Toby Ihr könnt Euch einen Namen für große Stücke hielt Mylord auf ihn.

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werden.

Er hatte, ohne seinem Ehrgeiz wehe zu thun, auf die diplomatische Laufbahn verzichtet, er war kein unruhiger Kopf, und alle Thüren standen ihm offen.

Kerle, wie wir, würden sich schwer gekränkt fühlen, ihn aussuchen, zehn Jahr alt, drei Fuß hoch und zwanzig Sein Tiger lenkte einen Tilbury, vor dem zwei Pferde wenn ihnen nur lächelnde Gesichter entgegenträten; es giebt Daumen breit. Er war so schlank wie ein Wiesel, hatte hintereinander gespannt waren, während er auf dem zweiten für uns keine größere Wonne, als der bitteren Fraße eines stählerue im Gin gehärtete Nerven, war flink wie ein Eich- ritt; seine Beine reichten dann nicht auf die Gabel hinab, Neidischen zu begegnen. Godefroid aber liebte es nicht, ge= fäßchen und der beste, unübertroffene Fahrer Londons und er glich mit einem Wort jenen Engelstöpfen, welche haßt zu werden. Lassen wir jedem seinen Geschmack! und Paris . Sein Eidechsenauge war so scharf, wie meins, die italienischen Maler um das Bild Jehovahs aus- Rommen wir lieber auf die Grundlage seiner Existenz, auf er ritt wie der alte Franconi, hatte blondes Haar wie eine ftreuen. sein Leben in materieller Hinsicht zu sprechen.

heilige Jungfrau von Rubens und rothe Backen. Verstellt Da lieferte ein englischer Journalist eine reizende Be Seine Wohnung, in der ich oft genug beim Dejeuner war er wie ein Kavalier, verschlagen wie ein ausgedienter schreibung dieses kleinen Engels, fand ihn zu hübsch für saß, besaß den Vorzug eines wunderbar ausgestatteten