schwercn Tagen entgegengehe. Die Folge dieser«Erkenntnis"ist. dah die bürgerliche Regierung sich noch mehr als bisher auf dieSozialdemokratie wirft. Die in der letzten Zeit besonders'häufigerhobenen Anklagen gegen die sozialdemokratische Presse liefernden Beweis.Noch Diel schärfer weht der Wind gegen die Russen. An de?Eisenbahnlinie zwischen St. Petersburg und Wiborg befinden sichzahlreiche Villenortc. wie z. B. Valkcafaari, Ollila.Nuolkala. Kellomäki. Terijoki, Raivola. Musta,m ä k i. U u s i k i r k k o u. er. m. Dort wohnen hunderttausendeSt. Petersburger Einwohner im Sommer, viele auch im Winter.Diese fremden Einwohner bilden für die örtlichen Bewohner einegeschätzte Einnahmequelle. Es ist nun ganz natürlich, daß viele,die sich in St. Petersburg nicht behaglich fühlten, hier Wohnungsuchten. Russische Geheimagenten trieben sich daher immer inScharen dort herum: Die Ermordung Herzen st eins wurde inTerijoki ausgeführt, und Arretierungen waren keine Seltenheit.Seit einiger Zeit nun aber ist es in dieser Gegend bis inkl. Wiborggenau so arg geworden, wie irgendwo in Rußland: Haussuchungenund Verhaftungen sind alltäglich. Ter Gouverneur von Wiborgtvill gar in Terijoki eine riesige Polizeimacht etablieren: Außerden jetzigen„Stützen der Gesellschaft" beabsichtigt er dort noch zuplacieren: 4 Polizeikommissare nebst Gehülfcn, 45 ständigePolizeiwächter, 15 zeitweilige, 15 berittene Polizisten und10 Geheimagenten! Und diese finnische Polizeimacht soll derrussischen nur Handlangerdienste leisten! Die Folge dieser Maß-nahmen ist natürlich, daß die Bewohner diese Ortschaften ver-lassen. Sowohl den Ortsbewohnern wie auch dem finnischenStaatssäckel geht dadurch eine hübsche Einnahme verloren; denndie Bahnlinie St. Petersburg— Wiborg ist bis jetzt die cinträg-lichstc Strecke der finnischen StaatSbahnen gewesen. In Anbetrachtder hier dargelegten Tatsachen hat die örtliche BevölkerungProtestversammlungcn abgehalten, die jedoch vergeblich sind, da jadie finnische Landesregierung mit der russischen unter einer Deckesteckt.Die Ernennung Schns rüttelte die bürgerliche Bevölkerungein wenig auf. Die Proteste waren und find aber recht markloö,da man in den Versammlungen keine Resolutionen gutheißenwollte, die von der Sozialdemokratie beantragt wurden und dieneben der russischen Regierung auch die eigene Verwaltungverurteilten.Nach den Anweisungen der russischen Gendarmen verfolgt dieHelsingforser Polizei seit langer Zeit die hiesigen russischen Ar-beiter: ihr Verein wurde aufgehoben und ihnen erklärt, daß sienicht das Recht haben, sich so zu organisieren wie die finnischenBürger. Sic haben kein KoalitionSrccht, keine Redefreiheit, keineOrganifationSmöglichkcit. Die Arbeiter suchten sich dennoch zuorganisieren und einen neuen Verein zu gründen. Dabei wurdensie von der Polizei auf Schritt und Tritt verfolgt. Eigens zudiesem Zweck unterhält die Helsingforser Polizei einen ganzenTrupp Agenten, die mit den aus Ruhland hierher gcsandicnSpitzeln Hand in Hand„arbeiten". Besonders verhaßt machte sichdie„leitende Seele" dieser Horde, ein gewisser SuSlin. Einigerussische Arbeiter verfielen nun auf die unglückselige Idee, denSpion zu beseitigen. Juslin wurde vor einigen Tagen tödlich ver-wundct und starb. Der Polizeimcister von Berg feierte ihnwie einen Helden und betonte an seinem Grabe, daß der„Ehren-mann" Juslin bald jedem redlichen Bürger Finnlands zum Bor-bild dienen werde! Also glaubt von Berg, daß bald alle FinnenSpione sein werden!AuS der unbesonnenen Tat sind jetzt weitere schwere Ver-folgungen erwachsen. Es wurden gleich in derselben Nacht zweiArbeiter als der Tat verdächtig arretiert, bald darauf eine ganzeReihe anderer mit der Motivierung, eö habe sich herausgestellt,daß die Arbeiter ein Komplott gegen die Polizei gc-schmiedet hätten! Es hat fast den Anschein, als wäre die Tat derPolizei sehr gelegen gekommen, denn sie gab ihr Gelegenheit, bei derVerfolgung ihr unliebsamer Personen seitdem eine ganz besondererege Tätigkeit zu entwickeln.Nach und nach erst beginnt die Bourgeoisie zu begreifen, daßkein Finne mehr vor der russischen Polizei sicher ist. Die Presseschlägt endlich etwas lautere Saiten an, und der Senat hat sichnochmals aufgerafft und ein paar allcruntertänigste Anfragenproduziert. Zu einem erfolgreichen Protest, zum ernsten Widerstandist die Bourgeoisie und ihre Regierung zu lendenlahm, und siehaben ja auch die Zeit verpaßt. Schon drohen Gefahren sehr ernsterArt. Gerüchten zufolge, die jetzt auch von der Presse verbreitetwerden, soll General Kaulbars, der Blutkönig von Odessa.mit 12 000 Mann nach Finnland kommen, um die geheimen Or-ganisationen, die der Staat„nur auf dem Papier aufgehoben"habe, endgültig zu vernichten, d. h. die rote Garde der Arbeiterund die Woima(Kraft)-Gesellschaften der Bürger. Beide Or-ganisationen sollen angeblich Waffenlagcr besitzen, und um dieseausfindig zu machen, soll Kaulbars nach Finnland beordert sein.Zuerst ging daö Gerücht, daß Finnland an Möller-Sakomelskiausgeliefert werden sollte. Als die baltischen Barone diesenBlutkönig für s i ch erobert hatten, kam R e i n b o t t auf den Plan.Den letzten Nachrichten zufolge wollen die Moskowiter aber auchvon diesem„Blutigen" nicht lassen. Nun hat Kaulbars in Odessaabgewirtschaftet. Finnland ist von den Greueln des Krieges derNegierung gegen die Bevölkerung noch verschont, da soll es dennan Kaulbars ausgeliefert werden. Die liberale Bourgeoisie der„Kulturwelt" hat alsdann wieder Gelegenheit, Nikolaus II. einschönes Buch mit wohlklingenden Worten und reizenden Orna-menten protestierend zu überreichen, wie bor einigen Jahren...a»*Petersburg, 26. Dezember.(Bon einem Privatkorrespondenten.)Gestern ist ein Militärzug von 30 Wagen mit Truppen ver-ftftiedener Waffengattungen nach Finnland abgegangen» an-geblich„zur Verhütung des Schmuggels".(!)Auf Anordnung des russischen Kriegsministers und nach Ver-ständigung mit Stolypin und Kokowzow(als Chef des Grenzwache-rorpS) werden jetzt auf der russisch-finnländischen Grenze größereAbteilungen der Schützenbataillon« des Petersburger Militär-bezirkes postiert, um den freien Uebergang der Grenze unmöglichz» machen._politische Cleberlicht.'Berlin, den 28. Dezember 1907.Vertrauliches vom Flottenverci».Wir teilten bereits gestern mit, daß, nach der MitteilungdeS Regierung srats v. Braun, in der vertraulichenSitzung deS Gesamtvorstandes des Flottenvereins vom11. Mai 1907, die„Berk. N e u e st e n N a ch r i ch t e n" in„direkter Abhäugigkcit" vom Flottcnverein stehen. Der Re-gierungsrat meinte, daß es in Anbetracht dieser„direktenAbhängigkeit" dem Präsidium des Flottenvereins doch habeleicht fallen müssen, die Redaktion deS Blattesan der Beröffentlichung gewisser Artikel zuhindern!Diese sehr reellen Beziehungen des Flottenvereins zu den»Berliner Neuesten Nachrichten," sind um so inter-essanter, als das Blatt als notorisches Panzerplatten-Organ gilt, daS von der Firma Krupp subventioniert wurdeund noch heute in ähnlichen Beziehungen zudiesen Kapitali st en kreisen steht.Man ersieht schon aus diesem dreieckigen Verhältnis, daßder Flotteuverein resp. die Leitung des Floltcnvereius in derTat mit dem Panzerplatten- und Kanonen-kapital aufs innigste liiert ist!»Der Flottenverein unterhält aber nicht nur der-artige Beziehungen zu den Panzerplatten-Jntcressenten, sondernauch zur Marineverwaltung.Ter Präsident erklärte in der erwähnten Sitzungvom 11. Mai 1907 u. a.:„Der zweite Fall, den ich zu erwähnen habe, ist auch noch einGegenstand, der uns schon im vorigen Jahre beschäftigt hat....Es hat ein Schriftwechsel zwischen dem StationSkommando derOstsee und dem Präsidium stattgefunden und ich möchte nochsagen, daß diese Angelegenheit uns biß zum letzten Winter bc-schäftigt und durch das Schreiben des Stationsvorstandesvom 8. Januar 1907 ihren Abschluß gefunden hat."Ter Präsident rügte am 11. Mai die Absendungvon„K a i se r te l e g ra m m e n" von nichtautorisiertcrStelle, d. h. ohne Genehmigung des Präsidiums.Er bezog sich dabei auf ein Telegramm an Wilhelm II.,das der Leiter einer Sonderfahrt für Berlin und MarkBrandenburg abgesendet hatte. Nach dem vertraulichenStenogramm sagte darüber der Präsident:...Ich darf wohl den Wortlaut vorlesen.(Verliest die Tele-grammc; dieselben erwecken Heiterkeit.)Hauptmann R ö p e r, der Redakteur dieses anscheinendhumoristischen„Kaisertelegramms", verwahrte sich gegen dieHeiterkeit der Hauptversammlung folgendermaßen:..Ich will noch erwähnen, daß Sc. Mazestat der Kaiser aufdas Telegramm, da« Ihr Lachen erregt bat, durch Sc. Exzellenzvon Lucanus hat erwidern lassen:„Sc. Majestät lassen für dentreuen Gruß aus Saßnitz herzlich danken." Merken Sie sichdas bitte, meine Herren."Es wäre nicht uninteressant, wenn man den Wort-laut des Telegramms erfahren könnte!—NationallibcraliSmus und Großindustrie.Die rheinisch-westfälischen Großindustriellen, welche die national-liberalen Parteiführer als ihre parlamentarischen KommiS betrachten,und zwar mit einigem Recht, da der größte Teil der zur national-liberalen Wahlagitation nötigen Geldmittel aus ihren Taschenstammt, sind mit den Leistungen der nationalliberalen Reichstags-sraktion höchst unzufrieden. Und da zarte Rücksichtnahmeauf ihre KommiS nicht zu ihren Eigenheiten gehört, sohaben die Herren Großindustriellen den nationalliberalenFührern öffentlich ihre Mißbilligung aussprechen lassen. Auf derGeneralversammlung deS Vereins deutscher Eisen- und Stahl-industrieller, die am 16. Dezember in Berlin abgehalten wurde.rügte Generalsekretär Bueck von oben herab, daß auch die national-liberale Partei im Reichstag für direkte Steuern ein-trete, und daß zweitens der Abgeordnete Strefemannbei der Besprechung der KohlenteuerungS-Jnterpellation nichtgenügend die Interessen der Zechen besitze? be-rücksichtigt habe. Infolgedessen, so meinte Herr Bueck, würde»die Großindustriellen sich vielleicht zur„Revision der Stellung derIndustrie unfrrr» Bezirks zur nationallidrralru Partei" genötigtsehen.Die Drohung scheint den nationalliberalen Führern an dieLeber gegriffen zu haben? denn sie wissen, was hinter dieserDrohung steckt: Entziehung der Subsidien. Die„Rheinisch-Westfälische Zeitung" sucht deshalb die haderndenGruppen zu versöhnen, indem sie beiden klarzumachen sucht, daß sieaufeinander angewiesen sind:Die Aeußerungen des Generalsekretärs Bueck in der letztenHauptversaniinlung der deutschen Stahl- und Eisenindustriellenüber da« Verhältnis der Großindustrie zur nationalliberalenPartei haben besonders im rheinisch-westfälischen Jndustriebezirklebhafte Beachtung gefunden. Vor allem tauchte die Frage auf.mit wem soll die Großindustrie sich bei unspolitisch verbünden, wenn nicht mit der national-liberalen Partei. Auch derjenige, der die Mißstimmungüber die Reden eines jugendlichen nationalliberalen Reichs lagL-abgeordneten versteht und billigt, kann sich andererseits der Tat-fache nicht verschließen, daß zurzeit bei uns ein andererpolitischer Anschluß der Großindustrie schwer denkbar ist.Wohl gibt es unter unseren Unternehmern, Beamten, Gelehrtenund Geistlichen manche, die konservativ oder freikouservativ sind;aber so hervorragend sie auch als Persönlichkeilen sind, ihre Zahlist zu gering, als daß sie politisch, besonders bei der Wahl zumLieichölage, eine selbständige Rolle spielen könnten. Anderseits sindsie politisch zu einsichtsvoll und selbstlos, als daß sie den Versuchmachen möchten, durch Organisierung ihrer Freunde eine neueGruppe in dem ohnehin schon sehr bunten Bilde unserer Partei-karte austreten zu lassen. Von Jahr zu Jahr hat sich immermehr die Erkenntnis durchgerungen, daß das Heil für die natio-nalen, ftaatserhaltenden Wähler nur in Vereinigungen auf reinnationaler Grundlage in unserem Bezirk zu sichern ist. Jede ein-fettige Parteibestrebung muß zurückgehalten werden Auch dienatioualliberale Partei, die doch überall den Kern der nationalenWählermossen bildet, hat dies eingesehen nnd in weiser Selbst-zucht auf schroffe Verfolgung ihrer Parteiin ter-essen verzichtet."Wie der kleine häusliche Zwist auslaufen wird, ist nicht schwervorauszusehen. In der Steuerfrage hat sich der Nationalliberalismusbereits den Forderungen der rheinisch-westfälischen Großindustriellenangepaßt— und was die zweite Beschwerde anbelangt, so wirdman sicher zukünftig Herrn Strefemann nicht wieder reden lastenbei Angelegenheiten, die das Jntereffe der Kohlen- und Eisen-Magnaten berühren. Die Herren vom Zentralverband deutscherIndustrieller können die nationalliberalen Abgeordneten als parla-mentarische KommiS nicht entbehren, und diese nicht die Börsen derGroßindustriellen.—_Eine koloniale Gründung.Die Finanz, die während der letzten ReichstagSwahl auS gefchäft-lichen Gründen kräftig für die Kolonialpolitik eintrat, schickt sich nun.nachdem sie den demnächstigen Ausbau der deutschen Kolonien aufReichSkosten für gesichert hält, mit dem ihr eigenen Geschäftssinnan, ihre Profite aus den Kolonien zu ziehen. Da die schönenEisenbahnbauprojekte des Herrn Dernburg infolge der traurigenReichSfinanzlage vorläufig zurückgestellt werden mußten, ver-suchen eS die Herren Finanziers einstweilen mit derGründung von kolonialen Land- und Bergwerkögesellschaften.So meldet die„Köln. Ztg.": Unter der Firma Deutsche Farm-gesellschaft, Aktiengesellschaft in Düsseldorf, wurde eine Akriengesell-schaft gegründet, die sich mit dem Erwerb, der Verwertung undBeleihung von Grund- und BergwerkSbesttz. Betrieb von Land-und Viehlvirtschaft sowie von industriellen Unternehmungen undHandelsgeschäften aller Art sowie auch mit der Beteiligungan Unternehmungen befaffen will, die denselben Zweckhaben oder die Zwecke der Gesellschaft in irgend einer Weise zufördern geeignet sind. DaS Grundkapital beträgt 5 Millionen Marl.Die Gründer der Gesellschaft sind: Liebig Ertract of Meat Com-Pen»), Limited, London, Bankier Ludwig Dclbrück-Berlin, BankierMaurice Glhn-London, Bankier Charles Eugen Giinther-London,Bankier Wilhelm v. Mallinckrodt-Antwerpen, Graf v. Schwerin-Löwitz. Die Gründer haben sämtliche Aktien übernommen. ZumVorstand wurde Rentner Otto Günther-Düsieldorf ernannt. DieMitglieder des ersten Aufsichtsrats sind: Bankier Ludwig Delbrück-Berlin. Bankier Maurice Giyn-London. Bankier Charles EugenGünlhsr-London, Bankier Wilhelm v. Mallinckrodt-Ainwerpen undGraf HanS v. Schweriii-Löwitz.Also auch der Präsident deS Deutschen LandwirtschaftratsGraf Hans v. Schwerin auf Läwitz befindet sich unterdem internationale» Gründerkonsortium trotz seiner sonstigen Anti-paihie gegen das internationale Börsen- und Bankkapital: oderentspringt diese Antipathie vielleicht nur' dem Neid auf die schönenProfite der anderen?—_Klerikale Diplomatie.Der Bischof Benzler von Metz. der einst von der offiziösesPresse als der träumerische Mönch von Maria Laach geschildertwurde, hat zum 50 jährigen Priesterjubiläum des Papstes einenHirtenbrief verfaßt, i» dem er zeigt, daß er mit größter Gewandt-heit den Ton zu treffen weih, den man so gern im Vatikan hört.�„In de» schwierigen Zeitverhälinisien der Gegenwart", heißtes in dem Schriftstück,„sehen wir Pius X. mit sicherer Hand dasSteuer der Kirche führen und das Scviffleiu Petri durch die auf-geregten Wogen de» Irrtums und der Verfolgung lenken. Wieer den Anmaßungen feindlicher Machthaber gegenüber sich als denBorkämpser der kirchlichen Freiheit und Nnabtiängigkeit erwiesenhat, so im Kampfe gegen den Irrtum als den Hort der katholischenWahrheit. Nachdem er schon eine ganze Reihe falscher Lehren ge-brandmarkt und verurteilt hatte, sprach er in seiner jüngsten wahr-hast großartigen Enzyklika das Verwerfungsurteil über denModernismus aus. ein Lehrsystem, das die GlaubenSivahrheitenanscheinend zeitgemäßer, moderner auffasse» wollte, in Wirklichleitaber sie ihres übernatürlichen göttlichen Charakters entkleidet."Benzler ist bekanntlich Bischof von„Kaisers Gnaden".hat aber durch fein Verhalten in den letzten Jahren deS KaisersGunst verloren. Als kluger Seelenhirt macht er deshalb der in Romherrschenden Kurie und ihrem Oberhaupt seine Reverenz.-»Die Stenerpläne der Regierung.Die Regierung arbeitet jetzt mit großem Eifer an der Durch»setzung der neuen Steuern. Zunächst geht es ihr um dasSpiritusmonopol und die Z i g a r r e n st e u e r. Die Projektesind bereits dem Bundesrat zugegangen, der sich damit in der erstenSitzung nach Neujahr beschäftigen soll. Mit diesen indirekten Steuer»will sich aber die Regierung nicht begnügen. Sie würdenauch allein zur Deckung des Bedarfes nicht ausreichen. Deshalb falldem Bundesrate auch eine Lorlage über eineanderweitige Erhebung derMatrikularbeiträgezugehen, die vorschlagen wird, diese Beiträge nicht nach derKopfzahl der Bevölkerung, sondern nach der finanziellen LeistungZ-fähigkcit der Staaten zu erheben, und so Preußen, Bayern, Sachsen,Württemberg und die Hansestädte mehr zu belasten und die Klein-staaten zu entlasten. Die augenblickliche Reise des Staatssekretärsvon Bethmann-Hollweg hängt eng mit dieser Frage zu-sammen, die er den drei Königreichen mundgerechter machen soll.Ueber die politische Bedeutung dieses Planes sprechen wir imLeitartikel. Wir möchten hier nur noch hervorheben, daß der Planum so gefährlicher ist. als er bei den bürgerlichen Parteien kaumauf großen Widerstand zu stoßen scheint. Die Freisinnigenhaben gute Lust, diese angebliche Reform, die die Finanzen desReiches von den Privilegienlandtagen gänzlich abhängig macht,ihren Wählern als Errungenschaft anzupreisen, weil dadurch an-gcblich weitere indirekte Steuern vermieden werde». Als beständeauch nur der geringste Grund für den Reichstag, indirekte Steuernzu bewilligen! Der Reichstag ist in gar keiner Zwangs-läge, wohl aber die R c g i c r u n g. Sie muß nachgeben, wennder Reichstag festbleibt. Und dashängtzueinem großenTeil vom Freisinn ab. Er braucht bloß die indirektenSteuern zu verweigern, und sie werden im Reichstag keine Maw-rität finden. Der Freisinn trägt also die volle Vcrant-Wartung und die Verbindung der indirekten Steuern mit der„Reform" der Matrikularbeiträgc steigert noch diese Ver-antlvortung. Weniger verantwortlich ist, daß daö Zentrumder Reform der Matrikularbeiträge Geschmack abgewinnt. Das ent-spricht nur seinen föderalistischen Traditionen. Tie„KölnischeVolkszeitung" erklärt denn auch bereits ihre Zustimmungzu dem Plane, der die Rcichstagsrechte verkürzen soll. Um so not-wendiger wird es sein, daß unsere Agitation den Volksmassen zeigt,wie gefährlich diese Pläne der Regierung sind. Keine i n d i-rekten Steuern, keine Reform der Matrikular-beitrüge, sondern direkte Reichs steuern muß unsereForderung lauten.—_Das Siechtum der bürgerlichen Demokratie.In Baden wird am Silvesterabend daZ in Konstanz erscheinende Organ der demokratischen Volkspartei, die Benedehsche„Äonstanzer Abendzeitung" ihr Erscheinen einstellen.Bei einem kaum tausend Abnehmer erreichenden Abonnentcnstandcmußte der sie verlegende Buchdrucker große pekuniäre Opfer bringen,ohne Aussicht zu haben, von der demokratischen Partei entschädigtzu werden. Die ursprünglich recht entschiedene Haltung der„Abend-zeitung"— redigiert wurde sie eine Zeillang vom früheren Sozialdemokraten Hülle-Erfurt— nahm in dem Maße ab. als das demokratische Schifflcin ins Kielwasser deS Blockflaggschiffes geriet. Zuletzt warsie so verblockt, daß man keine Spur vom Einflüsse des Herr» Venedeymehr erkennen konnte, der unter den badischen Demokraten immer-hin noch der Hüter alter Traditionen ist. Bekanntlich wurde voreinigen Wochen auch daö zweite demokratisch- volksparteiliche BlaitBadens, der in Karlsruhe erscheinende„L a n d e s b o t e", auf dieAussterbeliste gesetzt. Die freisinnige Tante zu Mannheim war dafürbestimmt, das Lichtlein der bürgerlichen Demokratie in einer Eckeihres Altars ausflockern zu lassen. Da trafen die Finanziers wegendes„Bad. LondeSboten" noch einmal ein Abkommen mit dem Bcr-läge. Es scheint sich dabei mehr um ein ehrenvolleres Begräbnis zrhandeln.—_Flottcnvcrcinliches.Ans Bayern schreibt man nnZ:Als es vor einigen Jahren zum„guten Ton" gehörte, in jedemOrte einen Flottenverein zu gründen oder diesem beizutreten, daschwamm ganz Bayern auf den» Wasser. Maffenhaft traten die gut-gesinnten Leute den Ortsgruppen bei. zumal die ersten Ver-anstaltungen deS neuen Vereins mit Militärmusik bei freiem Entrcearrangiert wurdeir. Nun. nachdem ein bayrischer Prinz wegen derbekannten Vorgänge in Berlin seinen Austritt auS der bayrischenVorstandschaft erklärt hatte und andere Flottenfreunde mit klingendenNamen, wie Fürst Thurn und TaxiS, Graf Fugger usw., scincin Beispielfolgten, da hielten es auch die Mitglieder, denen bisher die Militärkonzertcdes Flottenvereins so gut gefallen hatten, für angebracht, auS demFlotteuverein auszutreten. Dutzendweise lösen sich gegenwärtig die