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Nr. 14.

Grfcheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Biertel­fährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Bfg. frei in's Haus. Etuzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags: Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pig. Poft- Abonnement: 8,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Defterreich­Ungarn 2 Mr., für das übrige Ausland 3 M.pr.Monat. Eingetr. In der Post- Zeitungs- Preislifte für 1893 unter Nr. 6708.

Vorwärts

10. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgefpaltene Betttzelle oder beren Raum 40 Pfg., für Bereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg Inferate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr Nachmittags in ber Expedition abgegeben werden. Die Expedition ift an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis Uhr Bors mittags geöffnet.

Fernfrech- Anschlag Aart I, Mr. 4186,

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Dienstag, den 17. Januar 1893.

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Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Die Mothstandsaktion fagbar lächerlich wäre und beinahe nach einer Kaltwasser- und hier war der Baugrund- der Fels, auf welchem die Heilanstalt röche. Marius Kardorff auf dem Trümmer- Brudergesellschaft der Freien und Gleichen sich empor­der Bozialdemokraten.eld" der fündhaften, fornzöllnerisch feudalkapitalisti- thürmen wird. schen Kartoffelfufel- Gesellschaftsordnung fizend und den War das kein Sieg der Sozialdemokratie? Drei Tage lang hat der Deutsche Reichstag sich mit sozialdemokratischen Samiel um Hilfe gegen den Nothstand Wohl war es nur ein parlamentarischer Kampf, der der sozialdemokratischen Nothstands- Interpellation beschäftigt, der Sekt trinkenden Monopolisten des Grund und Bodens Sieg bringt nicht den thatsächlichen Triumph der und weder in dem Reichstag noch außerhalb desselben ist anrufend- das war ein Schauspiel für Götter und Sozial- Sozialdemokratie, die Staatsmacht ist uns nicht in die einer, der uns widersprechen wird, wenn wir sagen: während demokraten. Und ein durchschlagender Bühneneffekt war es Hände gefallen, nach wie vor sigen noch unsere Feinde an dieser drei Tage hat die Sozialdemokratie und die soziale auch, daß Herr von Kardorff, der seit zwanzig Jahren die der Klinke der Gesezgebung, die Saarbrücker Bergleute Frage den Reichstag beherrscht. Dieses Gefühl war bei der selben Phrasen verkaut und als er sie zuerst in den werden das Wehe den Besiegten!" bis auf die bitterste Neige Majorität des Reichstages so stark entwickelt, daß es sich Mund nahm, waren sie schon verkaut den Sozialdemo- zu kosten bekommen, der Nothstand wird fortdauern. in der sehr ernsthaft gemeinten Bitte an die Sozialdemo- traten pathetisch vorwarf, sie hätten keine neuen Ideen". Allein trotzdem ist es ein hochbedeutsamer Sieg fraten äußerte, sie möchten doch ihren Einfluß geltend machen Auch Herr Hike, der Generalpächter der katholisch ein Sieg, der die Macht unserer Partei stärkt, die Zahl zur Beilegung des Streifes im Saarrevier, und zur Ver- christlichen Sozialreform, spielte seine Rolle nicht schlecht- unserer Anhänger vermehrt. Und an diejenigen sozialistischen hinderung des Massenzugs aus den Dörfern in die Städte. der fromme Herr Hize, der die armen Streifenden christlich Gegner des des Parlamentarismus", die in persönlichem Dieselben Herren, die noch vor Jahresfrist mit Knüppeln, von seinen Rockschößen schüttelte und bei Empfehlung Groll noch nicht jedes Gefühl der Kampfgenossenschaft er­Dreschflegeln und Hofhunden die Sozialdemokraten vom seiner alleinseligmachenden Lösung der sozialen Frage mit tränkt haben, richten wir die Frage: Lande fernhalten wollten, baten fast flehentlich die Gegenwarts- Bettelsuppen*) und fettem Wechsel aufs Jenseits, Was nüßt der Partei mehr, was trägt ihre Lehren in Sozialdemokraten, fie möchten doch auf's Land die Zungenfertigkeit des weltlichsten Quacksalbers entwickelte. weitere Kreise und gewinnt ihr das größere Heer von kommen und die ländlichen Arbeiter und Arbeiterinnen Die armen Bergleute, die im Vertrauen auf die Ver- Rekruten und Kämpfern: Reden, wie sie von der belehren, daß daß in der Stadt das Glück nicht sprechungen des Zentrums in die Organisation und Be- Tribüne des Reichstags in der dreitägigen Nothstands­zu finden sei. So komisch, fast grotesk die Zumuthung ist, wegung, und schließlich in den Konflikt gingen, fie wären schlacht gehalten worden und in die fernsten Winkel des so zeigt sie doch, gerade durch ihre Naivetät nur um so jetzt freilich sehr froh, wenn ihnen der himmlische Wechsel Landes gedrungen sind oder vor einem Häuflein Gleich­wirksamer, auf das augenfälligste die völlige Rath- und für ein irdisches Butterbrot abgekauft würde. gefinnter ein paar Kraftphrasen, die Gemeinpläge zum Inhalt Hilflosigkeit jener Herren, und enthält das für uns höchst Schade, daß keiner der protestantisch- christlichen Geschäfts- haben und das Selbstverständliche in eine so plumpe Form schmeichelhafte Bekenntniß, daß die Sozialdemokratie allein Konkurrenten des Herrn Hige auf den Plan trat. Es wäre fleiden, daß jeder Polizeibeamte, jeder Staatsanwalt sofort noch heifen kann. Diese Rath- und Hilflosigkeit gegenüber nicht übel gewesen, die rührende Seelenverwandtschaft der bequem zugreifen fann? der immer gewaltiger steigenden Hochfluth des Nothstands geschorenen und gescheitelten Menschheitsbeglücker sich offen- Wo ist das Wort, welches hat ist? Und- mn das und der allgemeinen sozialen Auflösung war überhaupt das baren zu sehen, und zu beobachten, welchen wunderbaren Wort, welches Schwägerei? charakteristische Moment der Nothstandsdebatte. Glauben sie beide haben in die Leichtgläubigkeit der Und daß es so gründlich und unverhüllt zum Ausdruck Massen, und wie wunderbar einfach sie das Wunder wirken, gekommen ist, das allein schon würde die dreitägige die leidende und darbende Menschheit aus den goldenen parlamentarische Schlacht der vergangenen Woche zu einem Fesseln des Schmutzgottes Mammon zu retten. Triumph der Sozialdemokratie gestalten. Von den

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Auch keiner der sonst so vordringlichen Antisemiten" Politische Webersicht.

Berlin , den 16. Januar.

Vertretern der Reichsregierung an hinunter zu wagte sich hervor. Wenn je im Reichstag - jezt hatten Kardorff wußte kein Redner der alten Parteien ein sie Gelegenheit und Pflicht, zu zeigen, was sie können. ,, erlösendes, ein klärendes Wort", wußte keiner sich Allein sie drückten sich scheu in die Ecke und zogen es vor, Aus dem Reichstage. Die zweite von den drei zurecht zu finden in dem Ordnungs"-Labyrinth der Andere an der harten Nuß der sozialen Frage sich die Steuern, welche die Mehrkosten für die Militärvorlage besten der Welten, wußte keiner einen Ausweg aus dem Zähne ausbeißen zu lassen. Wo es so ernsten Kampf gilt, bringen sollen, stand heute auf der Tagesordnung. Es wirthschaftlichen Chaos. Polternde Verlegenheit hier, mit- da ist freilich kein Platz für demagogische Klowns. handelt sich um die Erhöhung der Spiritussteuer von 70 Leiderweckende Resignation dort und beides Ausfluß der So verschieden die Redner der Majoritätsparteien auch auf 75 M. pro Hektoliter. An der Diskussion betheiligten gleichen Empfindung: dumpfe, lähmende Furcht vor Un- sprachen, so Verschiedenes sie auch zu Tage förderten, in sich zunächst neben dem Reichs- Finanzminister v. Malzahn, geheuerem, Unbegriffenem. Einem stimmten sie alle überein, in dem Geständniß, daß der ein paar Seiten aus den der Vorlage beigegebenen Und wie der Ertrinkende in seiner Angst nach jedem sie kein Heilmittel für die soziale Krise kennen, in ihrer Motiven wiederholte, der bayerische Finanzminister und der Strohhalm faßt, so klammerte der Eine sich an den In Bankrotterklärung. württembergische Vertreter im Bundesrathe. Der kurze nungszopf, der Andere an die Spinnenweben der katholischen In dem wogenden wechselnden Meere dieser dreitägigen Sinn der langen Reden dieser Herren war, daß auch im Gesellenvereine, der Dritte an das goldene Nixchen und Nothstandsdebatte bildete das von den Rednern der Interesse der süddeutschen Brenner an der famosen Liebes­filberne Nautchen der Doppelwährung. Das Bild wäre Sozialdemokratie verfochtene Programm den gabe von 20 M. nichts gekürzt werden darf. Dieselbe Behaup­vielleicht etwas zu düster und grau gewesen, wenn Herr einzigen festen Punkt. Hier war der Schlüssel für die tung wiederholten der Rittergutsbesizer Holtz für Ost­von Kardorff nicht für einige humoristische Lichteffekte ge- Uebel der Gegenwart; hier war der Hebel für die Be- preußen und Freiherr v. Gagern für die bayerischen Schnaps­sorgt hätte. Dem hungernden Volke, das Brot braucht seitigung des auf der Gesellschaft ruhenden Alps; hier brenner. und weder Gold noch Silber nicht einmal Nickel in waren die Steine für den Neubau der Gesellschaft, der Tasche hat, zwar keinen Stein, dafür aber das Allheil­

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Rezept: Bahlung in Silber statt in Gold" bieten, das) Frei nach Hiße, die Portion zu 10 Pf.( Siehe den wäre der blutigste Hohn, wenn es nicht so un- heutigen Neichstagsbericht.)

Feuilleton.

Magbrua verboten.)

Haus Nuzingen.

Soziale Studie von H. de Balzac .

Deutsch von Curt Baate.

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99.

Der Freisinnige Witte bemühte sich dagegen nicht ohne Erfolg, die Nutlosigkeit der Liebesgabe für das Schnaps­brenner- Gewerbe selbst darzuthun, während unser Genosse Wurm in einer trefflichen Rede die wirthschaftlichen Urs

Er saß also in seiner Wohnung auf dem Quai Mala- liche junge Männer in Paris mit einem Blick zu über­quais, da entdeckte er, daß die tausend Franks, die ihm schauen, was würden sie auf folgende Frage antworten? nach Bestreitung seiner Bedürfnisse noch übrig blieben, zu Besteht das Glück eines sechsundzwanzigjährigen, unver­einem festen Logenplatz in der Oper nicht zulangen heiratheten Mannes nicht darin: wollten.

Wenn er im Spiel bei einer Wette fünfundzwanzig oder dreißig Louisd'or verlor, so bezahlte er sie natürlich gewann er sie aber, so gab er sie aus, was uns übrigens auch begegnen würde, wenn wir so dumm wären, uns in Wetten einzulassen.

Er hätte so gern sein Herz verdorben und mit ehernem Beaudenord fühlte sich bei seinen achtzehntausend Panzer geschirmt, gern jede Illusion verloren und alles Frants Rente eingeschränkt; er empfand die Nothwendig ohne Erröthen anzuhören gelernt, gern erfahren, wie keit, sich das zu schaffen, was wir heute den Umlaufs­man redet und doch nichts zu sagen braucht, fond" nennen.

gern herausbekommen, wie man die geheimen Absichten der Allein aber wollte er fich nicht gern auf irgend ein Großmächte erkundet.... Ach! es ging nicht. Er hatte Unternehmen einlassen. Deshalb bat er seinen Bormund schon Mühe genug, vier Sprachen zu lernen, das heißt, um guten Rath. sich mit vier Worten für einen Gedanken zu versehen.

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Als Wittwer einer Anzahl langweiliger Wittwen er hatte Frauengunft genossen, sagt man im Ausland tehrte er zurück, ein scheuer, naiver, guter, vertrauensseliger Junge, dem zum Diplomaten alles fehlte, der nicht einmal im stande war, den Leuten, bei denen er verkehrte, Uebles nachzureden, mit einem Wort ein guter Kerl, wie wir so sagen." Mit einem Wort ein Hosenmaß, der mit seinen acht zehntausend Frants Rente sofort auf die ersten besten Aktien hineinfällt", warf Couture dazwischen.

Der verdammte Couture ist so gewohnt, die Divi­denden vorwegzunehmen, daß er mir die Entwickelung meiner Geschichte vorwegnimmt", tlagte Bixion.

" Wo stand ich denn gerade? Ach richtig! Bei Beau­Denord's Heimkehr.

mit einem fauftgroßen, frischen, rosigen Tiger, wie Toby, Joby, Paddy, im Kabriolet oder Tilbury ausfahren oder ausreiten zu können;

Abends für zwölf Franks ein anständiges Miethskupee zur Verfügung zu haben;

sich streng nach den Vorschriften der Toilette, wie sie für acht Uhr Morgens, für Mittag, für vier Uhr Nach­mittags und für den Abend gelten, kleiden zu können; in allen Gesandtschaften ein gern gesehener Gast zu sein und daselbst die Eintagsblüthen überflüssiger, kosmo­politischer Freundschaft zu pflücken;

ein erträglich hübscher Junge zu sein und seinen Namen, seinen Frack, seinen Kopf mit Anstand und Würde Mein liebes Kind, meinte d'Aiglemont, die Renten zu tragen; briefe stehen jetzt al pari, verkaufe sie; meine Frau und ich in einem niedlichen, kleinen Extresol zu wohnen, das haben es auch so gemacht. Alle meine Kapitalien habe ich so eingerichtet ist, wie das von mir eben beschriebene auf bei Nuzingen angelegt; er giebt mir sechs Prozent; mach's dem Quai Malaquais; wie ich, dann hast Du ein Prozent mehr wie jetzt, und dies eine Prozent wird Dich in den Stand sehen, ganz nach Be­quemlichkeit zu leben.

Drei Tage später war Godefroids Wohlstand voll­kommen. Seine Einkünfte stimmten mit seinen Ausgaben überein, und sein materielles Glück ließ deshalb nichts zu wünschen übrig.

Am jüngsten Tage sollen bekanntlich die Milliarden Generationen, die als Nationalgardisten oder als Wilde auf diesem Erdball herumgekrochen sind, auf einmal gerichtet werden.

Nehmen wir nun an, es wäre ebenso möglich, sämmt.

ohne erst ängstlich seinen Geldbeutel zu Rath ziehen zu müssen, seine Freunde zu einem Ausflug nach den Klippen von Cancale einladen zu können, und überhaupt in keiner vernünftigen Regung durch den Gedanken: Wo nimmst Du aber das Geld her? aufgehalten zu werden;

die Rosaquasten an den Ohren dreier Vollblutpferde stets erneuern und immer neues Futter im Hute haben zu können?

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Ja, was würden sie auf diese Frage antworten? Antworten würden sie ohne Ausnahme, und wir Klugen mit ihnen, ein solches Glück sei unvollständig, es sei die Kirche ohne Altar: lieben müsse man und geliebt werden,