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den Worten:Etwas des Glücks zubiel für einen alten Knaben wie ich." Im Januar bin ich mit der Braut meines Bruders zu- sammengekommen; ich war von dem ersten Eindruck sehr befriedigt, sie zeigte sich geistvoll und liebevoll. Die ersten Launen von ihr habe ich an mir selbst erfahren. Als ich im Opernhaus einen Ohn- machtsanfall bekam und mein Bruder mich ins Foyer brachte, war sie darüber sehr gereizt, beim nachfolgenden Souper rührte sie nichts an. Bei einer anderen Gelegenheit, als sie über Blinddarm- entzündung klagte, hatte ich ihr einen Arzt geschickt, der sie unter- suchen sollte. Sie war darüber sehr ungehalten, und der Arzt sagte niir, er hätte keine Spur von Blinddarmentzündung gefunden. Schließlich wurde sie immer launischer, sie war eifersüchtig aus mich und auf alle Freunde meines Bruders, der inzwischen nach Wien gereist war. Er erhielt nach Wien von Frau v. Kruse viele schlecht- gelaunte Briefe und schließlich ein Telegramm, das so gereizt klang, daß mir mein Bruder telegraphierte, ich möchte nach Wien kommen. Bei meiner Ankunft sagte er mir, er hätte an Frau v. Kruse geschrieben, daß es besser sei, die Verlobung zu lösen. Tarauf kam eine Mitteilung von ihr, sie würde nachts ankommen. Sie erschien dann in später Nachtstunde an der Tür meines Schlaf- zimmers, schrie und table. Sie könne das Telegramm nicht geschrieben haben, sonst wäre sie wahnsinnig gewesen, sie liebe meinen Bruder viel zu sehr. Endlich brachte ich sie so weit, daß sie nach Hause fuhr, es war wohl IM Uhr morgens. Am anderen Morgen suchte sie mich wieder auf. Sie warf sich immer gegen die Tür, rang die Hände, fiel mir zu Füßen, immer beteuernd, sie liebe Graf Kuno so grenzenlos; sie machte auch Andeutungen, daß sie nicht leben könnte ohne meinen Bruder. Ich sagte, sie sollte doch auch an die Erziehung ihres Sohnes denken, noch sei eS an der Zeit, von dem Bruder zu lassen. Sie er- widerte:Ich liebe nur Kuno und will ihn besitzen, was ist mir der Sohn?" Diese Szenen setzten sich fort. Am nächsten Tage war der Dienst Moltkes vorbei. Bei dem Wiederschen hing sie an seinem Halse und schwor, daß alles Mißverständnisse seien. Sic bat und flehte mich an, ich glaubte ihr und bat meinen Bruder, sich mit ihr zu versöhnen.(Mit schluchzender Stimme:) Das ist die schwer st c Schuld meines Lebens, denn mein Unglück- licher Bruder mußte darunter aus das tiefste leiden. Zwei Tage darauf frühstückten wir zusammen, da war Frau v. Kruse schon wieder launisch. Sie bat mich dann, mit ihr nach Berlin zu fahren, um die Brautkleider zu kaufen. Sie sagte mir dann, wie peinlich es ihr sei, allein vom Hotel zu ihrer Hochzeit zu fahren und niemand zu haben. Auf meine Hinweise aus den Vater und die Mutter der Frau v. Kruse sagte sie mir: Der Vater ist mir nichts, die Mutter ist nicht präsentabel. Darauf erklärte ich mich bereit, in diesem Falle Mutterstelle �u vertreten. Alle meine Rührung aber verschwand als ich sah, wie Frau v. Kruse dann bei den Ein- käusen bei Gerson die armen Modi st innen behandelte und quälte. Dann waren wir auf Peterwitz im Schloß der Gräfin Pourtales. Dort machte sie meinem Bruder erregte Szenen, man hörte das Schreien bis auf den Schloßplatz. Als dann die unglückselige Nordlandreise kam, an der Gras Moltke teilnehmen sollte, wollte sie meinen Bruder von der Teilnahme an dieser Reise abhalten. Sie forderte meinen Bruder aus, mit ihm im Garten spazieren zu gehen. Er kam nach zwanzig Minuten zurück, bleich und aufgeregt. Er bat meinen Sohn, den Grasen Tankelmann, doch einmal im Garten zu suchen, die arme Lilly sei ganz verzweifelt wegen der Nordlandreise. Nach langem vergeb- lichen Suchen kam die Gräfin schreiend auf Graf Dankelmann zu, klammerte sich an seinen Arm und sagte:Rette mich vor ihm, Dein Vater ist mir erschienen!" Als sie ins Schloß zurückgekehrt war. hörten wir sie noch von oben schreien. Ich ging in mein Zimmer und sah, wie mein Bruder sie um die Taille gefaßt hatte und zu beruhigen versuchte. Sie riß sich los und warf sich gegen die Schlaf st ubentür mit Kopf und Rücken. Vom Fürsten Eulenburg erhielt ich dann einen Brief, in dem es hieß:Ich kann Dir nicht sagen, wie ich unter dem Geschick Kunos leide. Ich habe keine Ruhe und zerbreche mir Tag und Nacht den Kopf, wie das zu Ende gebracht werden könnte, denn das mutz es, wenn wir den Kuno nicht zugrunde gehen' lassen wollen. Seit gestern hat er ein geschwollenes Auge." Das war im März lgvg. Acht Tage darauf traf mein Bruder ein. Er sah so aus, daß ich ihn nicht wieder erkannte. Nach und nach erzählte er mir das ganze Elend seiner Ehe. Schließlich streifte er den linken Aermel auf und zeigte mir Wunden, wohl an 20, wie von einem Naubvogel mit Krallen heransgehackt. Er sagte, diese Wunden hätte ihm seine Frau beigebracht. Ich erhielt dann von der Gräfin einen Brief, i» dem sie mich bat, einen Ver- föhnungSversuch zu unternehmen. Sie sei zu dieser Bitte durch eine spiritistische Manifestation gekommen. Ein geschlossenes Buch hätte am anderen Morgen auf ihrem Tisch gelegen, und wäre darin die Stelle unterstrichen gewesen:Wende Dich an sie! Das sollte von Meinem verstorbenen Mann herrühren. Aus Befragen des Oberstaatsanwalts und des Justizrats S e l l o bekundet die Zeugin, ihr Bruder habe viele Frauenfreund- schaften gehabt, er sei immer ein edler Charakter gewesen. Auf die Frage des Vorsitzenden verzichten alle Be- teiligten aus weitere Beweisaufnahme. Es folgen die Gutachten der Sachverständigen. Medizinalrat Dr. H o f f m a n n antwortet auf die Frage, ob nach seiner Ansicht der Graf Moltke homosexuell sei: Auf Grund dessen, was wir hier gehört und gesehen haben, hZbe ich keinerlei Anhaltspunkte dafür gesunden, daß bei dem Herrn Nebenkläger Homosexualität vorliegt. AuS der Verhandlung ist hervor- gegangen, daß die Aussage der Frau v. Elbe eine der Quellen, wenn nicht die einzige Quelle ist, aus der die Anschuldigungen gegen den Grafen Moltke geflossen sind. Da muß man Frau v. Elbe ärztlich darauf hin beleuchten, ob diese Quelle eine solche ist, auö der die reine, objektive, lautere Wahrheit quillt. Ich glaube ja, daß Frau v. Elbe meint, nach bestem Wissen die Wahr- hcit zu sagen, aber man muß doch an ihre schwere Trionalvergiftung auö dem Jahre I8v8/l8v9 denken. Frau v. Elbe hat mehr als fünf viertel Pfund Trional genossen, und solche chronische Trional- Vergiftung hat ganz bestimmte Erscheinungen im Gefolge und geben ein Krankheitsbild, wie es sich bei der Frau v. Elbe zeigt. Aus einer solchen Zeit kann man keine klare Erinnerung haben und Frau v. Elbe hat ja hier selbst bekundet, daß sie eine Lücke in Gedächtnis hat. Bei einer solchen Patientin kommen durch die Phantasie Zeichnungen und Bilder zutage, die der objektiven Wahrheit nicht entsprechen. Dr. Frey hat uns hier eingehend dargetan, daß Frau v. Elbe schwer hysterisch sei. ihre Einbildungs- kraft sehr groß ist. sie leicht in Erregung gerät, und der Herr Ober- staatsanwalt hat ganz recht, wenn er auf das Wort hinwies: quoevis liysterica menckax. Wenn man aus solcher Quelle schöpfen soll, dann darf man der betreffenden Person nur so weit tranen, als man sie kontrollieren kann aus ihre Reproduktionsfähigkeit. Frau v. Elbe nun war keine zuverlässige Quelle. Sie war eifcr- süchtig gegen jedermann. Aus dieser Quelle können wir nichts folgern, was als Unterlage für unser Gutachten dienen kann. Die Aeußerungen, die von der Frau dem Grafen Moltke in den Mund gelegt werden, sind nicht gegen die Ehe im allgemeinen ge- richtet gewesen, sondern hatten nur auf diese Ehe Bezug. Die Behauptung, daß der Graf Rot auflege und was Frau v. Elbe in bezng auf die ihr einmal verdorbene Weihnachtsfreude gesagt hat, hat in der jetzigen Verhandlung eine mehr als harmlose Auf- klärung erhalten, ebenso die Szene mit dem Taschentuch, die als Persiflage setzt hier dargestellt ist. In den Augen der Frau v. Elbe ist daraus ganz etwas anderes geworden. Es kann aus dem, was diese Verhandlung ergeben hat, absolut nichts gefolgert werden, was für eine Homosexualität des Grafen Moltke sprechen könnte. Es mag� sein, daß der Verkehr des Grafen mit seinem Freunde, dem Fürsten Eulenburg, ein etwas schwärmender oder, wie Herr Harden sagt, verhimmelnder war; aher es handelt sich dabei doch nur um ideale, künstlerische Schwärmerei. In dem kürzlich in derVoss. Ztg." hervorgehobenen Briefioechsel zwischen Goethe und Zelter, Wagner und LiSzt kommen noch ganz andere schwärmerische Ausdrücke vor, ohne jeden erotischen Beigeschmack. Gegen ein etwaiges Vorhandensein einerunbewußten Homo- scxualität" müßte man im vorliegenden Falle energisch Front machen, denn hier handelt es sich nicht um einen jungen Mann, sondern um einen Mann, der die Liebe selbst genossen hat und wissen mutz, ob seine Freundschaft frei von erotischem Beigeschmack ist. Ich halte Homosexualität nicht für vorliegend. Justizrat Kleinholz: Herr Sachverstandiger , würden Sie annehmen, daß Herr Harden als Laie im Jahre löllL die auf Hysterie hindeutenden Krankhcitssymptome bei der Frau von Elbe erkenn.'» tonnte? Medizinalrat Dr. Hosfmann: Wie auch schon Herr Dr. Frey hier gesagt ha. sind gerade bei der Frau v. Elbe die Krank- heitssymptome' sehr schwer und wahrscheinlich von einem Laien gar nicht zu erkennen. Justizrat Kleinholz: Konnte Herr Harden nicht, nach dem ganzen Eindruck, den Frau v. Elbe aus ihn machte, vielleicht an- nehmen, daß Frau v. Elbe völlig gesund ist? Medizinalrat Dr. H o f f m a n n: Das konnte er allerdings. Justizrat Kleinholz: Konnte der Angeklagte nicht aber auch, wenn er, infolge des glaubwürdigen Eindrucks der Frau von Elbe , ihre Angaben als absolut wahr hielt, auf den Gedanken kommen, daß tatsächlich auf seitcn des Grafen Moltke eine Homo- sexuelle Veranlagung vorliegend ist? Medizinalrat Dr. Hoffmann: Wenn er das. was ihm die Frau v. Elbe erzählte, als wahr betrachtet hat, so tonnte er aller- dings zu dieser Annahme gelangen. Vors.: Meinen Sie, daß Herr Harden, wenn er von den Ehescheidungsaktcn Kenntnis gehabt hat, bei dieser Annahme fest- halten durste? Medizinalrat Tr. H o f f m a n n: Wenn der Angeklagte die Gutachten in der Ehescheidungssache gelesen hatte, so mußte er sehr vorsichtig sein. Justizrat Kleinholz: Glauben Sie, Herr Sachverständiger, daß der Angeklagte damit rechnen konnte oder mußte, daß ihm Frau o. Elbe die bewußte Unwahrheit mitteilen würde? Medizianalrat Dr. Hosfmann: Herr Harden ist nicht der einzige und wird auch nicht der letzte sein, der von einer hystcri- schen Frau getäuscht wird. Jlistizrat B e r n st e i n: Wenn Sie, Herr Sachverständiger, hören, daß uns ein bekannter Mediziner, wie Herr Geheimrat Professor Dr. Schweningcr, eidlich erklärt hat, er habe absolut keine Veranlassung gehabt, an der ZurechnungSfähigkcit und Glaubwür- digkeit irgendwie zu zweifeln, wurden Sie dann annehmen, daß Frau v. Elbe in noch viel größerem Maße auf Herrn Haiden als Laien einen glaubwürdigen Eindruck gemacht hat? Medizinalrat Dr. H o s s m a n n: Ich glaube diese Frage schon beantwortet zu haben. Ich persönlich bin der festen Ueberzeugung, daß Frau v. Elbe auf Harden den Eindruck der vollsten Glaub- würdrgkeit gemacht hat. Justizrat Bernstein: Frau v. Elbe hat in dem ersten Termin auf die deutliche Frag? des damaligen Herrn Vorsitzenden erklärt. daß jene Aeußerung des Grafen Moltke: die Ehe sei eine Eochonnerie usw., sich nicht auf ihre eigene Ehe beziehen, sondern aus die Institution der Ehe im allgemeinen. Würden Sie nicht, wenn ein Mann derartige Aeußerungen von Klosett, Eochonnerie usw. macht, hieraus auf eine abnorme sexuelle Veranlagung schließen? Medizinalrat Dr. Hoffmann: Auf derartige Aeußerungen allein würde ich eine derartige schwerwiegende Annahme niemals stützen. Justizrat Bernstein: Ich bitte im Anschluß hieran festzu- stellen, daß, wie aus dem Urteil des Schöfsengerichts hervorgeht, das erste Gericht dem Zeugnis der Frau v. Elbe vollen Glauben geschenkt hat. Falls diese Tatsache bestritten werden sollte, so würde ich die Verlesung des ersten Urteils beantragen. Graf Moltke: Ich bitte darum, hier nochmals sagen zu dürfen, daß ich niemals die Aeußerung gebraucht habe:Ich hasse diese Frau!" Jene Aeußerungen von-- Eochonnerie und-- habe rch nicht in der Wut gesagt und auch nie auf meine eigene Ehe bezogen. Ick, will hier nochmalz feststellen, daß ich gesagt habe: Wenn die Liebe und Hochachtung als sittliche Basis zur Ehe fehlt, dann ist tatsächlich die Ehe eine.........." Sachverständiger, Sanitätsrat Dr. Moll: Ich habe aus der Verhandlung keine Spur von Homosexualität des Grase» Moltke entnehmen können, keine Spur von Homo- sexueller Veranlagung oder irgend welcher homosexueller Richtung, weder bewußter noch unbewußter. Ich kann sagen, daß ich nicht das Geringste gefunden habe. Die Freundschaft mit dem Fürsten Eulenburg darf nicht so bewertet werden, wie eine gewöhnliche Freundschaft. Selbst wenn solche zärtlichen Ausdrücke zwischen den Freunden gewechselt sind, wie behauptet worden, so muß man doch daran denken, daß es sich hier um eine Freundschaft handelt. die 40 Jahre währt, in welcher die beiden Freunde durch gemein- same künstlerische Interessen verbunden sind. Eine solche Freund- schaft könnte nicht so bewertet werden, wie eine andere Freund» schaft, selbst, wenn noch krassere Ausdrücke vorkämen. Ich kann mir nicht denken, daß bei dem Grafen Moltke irgend etwas Sexuelles vorliegt. Ich habe während der ganzen Verhandlung aviolut nicbts von einem jogenannien feininiiieu i-'ii'trhiati n-i dem Grafen Moltke bemerkt, keine Spur von weibischer Richtung, höchstens könnte ein Uebclwollcnder in dieser Beziehung vielleicht geltend machen, daß hier Graf Moltke hin und wieder ein Riech» fläschchen benutzte. Aber selbst bei femininen Einschlägen kann man überhaupt nicht gleich auf Homosexualität schließen. Wenn man daraufhin Untersuchungen anstellen wollte, würde man bei vielen Männern dies oder jenes Feminines finden. Was das an- gebliche Schminken und dai� Lieben von Süßigkeiten betrifft, was dem Grafen nachgesaA wurde, so hat diese Verhandlung gerade daS Gegenteil erwiesen. Auch in dem Benehmen des Graten gegenüber seiner Ehefrau ist nichts Homosexuelles zu bemerken. Bis kurz vor der Trennung der Ehe hat der Graf seine ehelichen Pflichten erfüllt. Auch in dem Verhalten des Grafen dem weiblichen Ge- schlecht gegenüber ist nichts zu finden, was aus Homosexualität I inweist. Auch wenn alle Aeußerung«" der Frau von Elbe als wahr ftstständen, würde ich daraufhin niemals Homosexualität behauptet, sondern gesagt haben, es müßte dann noch weiterer Beweis erhoben werden. Ich lege diesen Aussagen der Frau aber gar keine Be- deutung bei. Den Satzquaevis Kysteriea rnendax" kann ich nicht unterschreiben. ES gibt eine ganze Anzahl Hysterischer, die ebenso wahrheitsliebend sind, wie andere. Aber hier hat sich, namentlich naw der Darstellung der Gräiin Danckelmann. en, Bild der v>n,>.>,»> dargestellt, daß ich aus diesem Grunde einer solchen Persönlichkeit so leicht nicht Glauben schenken würde. Oberstaatsanwalt Dr. Jsenbiel: Da bei böswilliger AuS- lcgung der Gebrauch des Riechfläschchens aus femininen Einschlag gedeutet werden könnte, müßte doch festgestellt werden, ob der Herr Gros immer das Riechfläschchen anwendet, oder nur l ier während der Verhandlung. Gros Moltke: In'»em Fläswchen befindet sich englisches Riechsalz, welches ich benutze, weil ich seit dem Oktober meinen Schlaf eingebüßt habe. Auf eine Frage des Justizrais Bernstein gibt Sanitätsrat Dr. Moll zu, daß Harden keine besondere Veranlassung haben mochte, an der Glaubwürdigkeit der Frau v. Elbe zu zweifeln. Die letztere glaubte ja selbst an die von ihr vorgebrachten Sachen uno konnte nicht nur einen Laien, sondern auch einen Mediziner leicht täuschen. Auf weitere Fragen der Verteidiger Justizrat Bernstein und Kleinholz sowie des Oberstaatsanwalts erklärt SanitätS- rat Dr. Moll nochmals, daß Havden der Frau». Elbe viel eher glauben konnte, wie er selbst als Sachverständiger. Er selbst habe mit Behauptungen hysterischer Frauen die Erfahrung gemacht, daß er in solchen Dingen überhaupt nichts mehr glaube. Justizrat Bernstein: Hat nichf Harden der Frau v. Elbe glauben müssen, nachdem sie ihm von Prof. Dr. Tchwcninger vorgestellt worden war. zu dessen Menschenkenntnis er das größte Vertrauen hatte und nachdem die Ehefrau dieses Arztes, die Nichte des Grafen Moltke, die Glaubwürdigkeit nicht angezweifelt hat? SanitätSrat Dr. Moll hält dicS für möglich. Auf eine weitere Frage des Jusiizrats Dr. Bernstein erklärt der Sackwerständige: Er habe dieZukunft" von ihrem Er- säicinen an gelesen und würde annehmen� daß an der lieber- zeugungstreue Hardeus bei dem, was er sagt, kaum zu zweifeln sei. Bismarcks Zeugnis. Harden: Ich betone auch hier, daß ich niemals eine Homo- sexualität dcS Nebenklägers behauptet habe, sondern nur eine cro- tisch betonte Freundschaft und ein Abweichen von der Norm deS ScxualempsiudcnS. Wird es für den Herrn Sachverständigen von Einslutz sein, daß diese Freundschaft zu einem anderen Manne bestand, von dem nach zwei beschworenen Aussagen der Gründer des Deutschen Reiches gesagt hat, daß er pervers veranlagt sei? Vor s.e Von zwei beschworenen Aussagen kann doch keine Rede sein, denn Tr. Limans Aussage war doch anders. Harden: Würden Sic für den Fall, daß der Reichskanzler sich über die zweite Person so geäußert hat, auch ein anderes Urteil über Moltke haben? Dr. Moll: Ich kann das nur verneinen; dann müßte erst der Nachweis erbracht werden, daß Fürst Eulenburg eine solche Nei- gung dem Grafen Moltke gegenüber schon betätigt hat. Harden: Würde die Acnderung JhreS Urteils eingetreten sein, wenn man daS erste Urteil über Eulenburg in der hier an- gegebenen Form von Bismarck hörte und dann in glaubwürdiger Weise dasselbe Urteil über die zweite Person vernimmt? Dr. Moll: Voraussetzung ist die Nichtigkeit des BiSmäcckschen Urteils. Vors.: Bismarck war doch aber ein schlechter Menschen- kenner, wie der Angeklagte selbst zugab. Oberstaatsanwalt: Nack dem, waS hier in der Beweis- aufnähme festgestellt ist. kann also von einer erotisch betont«: Freundschaft nicht die Rede sein. Dr. Moll: Nein. Gehcimrat Prof. Eulenburg: Ich kann mich den beiden Borgutachtern unbedenklich an- schließen. Ick habe keine Spur von irgend einer homosexuellen Veranlagung, Empfinden oder Betätigung bei dem Grafen Moltke erkennen können. Eine unbewußte Homosexualität kann ich über- Haupt nicht zugeben, ich stehe in dieser Beziehung auf dem Stand- Punkt Wcstfahls. Ich muß sagen, daß ickp in den dem Grafen Moltke imputierten Aeußerungen nichts besonderes finden kann. ES sind Aeußerungen, die nicht einmal originell sind. Ausdrücke der Verstimmung, die ich in keiner Weise für die angebliche Homo- sexualität verwerten kann. WaZ die Tasckcntuchszcnc betrifft, so loürde ich, wenn es sich hier um eine Persiflage gehandelt hat, dies nicht als ein glückliches Vorgehen einer als krank anzusehenden. Person gegenüber betrachten können. Auch ich kann den Satz quaevis hysterica menckax" nicht als richtig ansehen. ES gibt ja hysterische verlogene Personen, die aber schon vorher verlogen waren. Eine hysterische lügt niemals, sie sagt aber auch niemals die Wahrheit, diese beiden Begriffe kennt sie eben nicht. Sie konstruiert sich etwas, woran sie selbst nicht glaubt. An der Hysterie der Frau v. Elbe ist nicht zu zweifeln. Sie dürfte auch nicht erst in oer unglücklichen Ehe mit dem Grasen Moltke ent- standen sein, sondern namentlich nach den Bekundungen der Gräfin Danckclmann schon früher bestanden haben. Oberstaatsanwalt Dr. Jsenbiel: Unsere Meinungen über die Glaubwürdigkeit hysterischer Personen gehen gar nicht weit auseinander. Sie legen nur das Hauptgewicht aus daS Wort Lüge" und ich auf die Unwahrhaftigkcit. Justizrat Bernstein richtet an den Sachverständigen die- selben Fragen, wie an die bisher vernommenen, ob Horden den An- gaben der Frau v. Elbe Glauben schenken durfte und ob Harden unlautere Motive zuzutrauen seien. Gcheimrat Eulenburg: Die Möglichkeit, von Hysterischen getäuscht zu werden, ist außerordentlich groß, auch mir ist das oft passiert. Niemand ist vor. solcher Täuschung sicher, am wenigsten ein Laie. Ich kenne Harden seit langen Jahren, ich würde ihm bei jeder Art seines Vorgehens niemals unlautere Motive zutrauen. Graf Moltk«: Ich Möchte, um alle Mißverständnisse zu be- scitigen, noch einmal die mysteriöse Toschcntuch-Afsäre erörtern. In der SchöffengerichtSverhandlung wurde eidlich ausgesagt, diese Szene sei ans dem Nebenzimmer beobachtet worden von Frau v. Elbe und ihrem Sohn. Hier ist es schon nicht mehr ganz so zweifelsfrei gelassen worden. Ich möchte diesen Gegensatz nur konstatieren. Ich hatte wochenlang nicht in persönlichem Verkehr mit dem Eulenburgschen Hause gestanden, nur um Szenen zu ver- meiden. Als ich das Taschentuch fand, wollte ich emen gewissen Fühler kurz vor dem Zusammenbruch unserer ganzen Ehe aus- strecken, um zu sehen, ob das eine Brandfackel bilden oder harmlos hingenommen würde. ES wird hierauf Dr. Magnus Hirschfeld vernommen. Der Sachverständige bekundet folgendes:Ich habe mein Gutachten vor dem Schöffengericht über den jetzige» Herrn Nebenkläger in der Hauptsache auf die beeideten Zeugenaussagen der Frau v. Elbe gestützt. Es lag damals keine Veranlassung vor, an der Wahrheit dieser Aussage zu zweifeln, zumal sie von dem Herrn Vorsitzenden des Schöffen- erichts ausdrücklich als Grundlage des zu erstattenden Gutachten ezeichnct worden war. Diese Grundlage ist durch die neue Beweisaufnahme vor der Strafkammer wesentlich erschüttert worden, und zwar zunächst da- durch, daß die Zeugin Frau v. Elbe ihre frühere Aussage in tat- sächlicher Beziehung abgeschwächt hat, bezw dieselbe nicht mehr in der früheren bestimmten Form aufrecht erholten hat. Sie selbst hat während dieser Verhandlung, als ihr eine subjektive Färbung der Ereignisse vom Herrn Oberstaatsanwal! vorgehalten wurde, ausgerufen:Kann denn ein Mensch, der solche Nöte erlitten hat, noch objektiv sein?" Es komnit hinzu, daß bei der Zeugin nach dem Gutachten des Herrn Dr. Frey ein neuropathischcr Zustand vorlag, namentlich auch während der Zeit der Ehe, welcher geeignet war, sowohl ihr EmpsindungSIcben, als auch die Erinnerungsbilder stark zu beeinträchtigen. Endlich steht der beeideten Aussage der Frau v. Elb« auch jetzt das beeidete Zeugnis des Grafen Moltke entgegen, welcher im Gegensatz zu ver früheren Verhandlung eingehende Erklärungen zu den einzelnen Behauptungen der Zeugin abgegeben hat, deren Darstellung die Zeugin zum Teil selbst bestätigte. ES ist natürlich ganz etwas anderes, ov jemand vom Institut der Ehe im all- gemeinen sagt:Die Ehe als solche ist eine Schlveincrei" oder nach starkem ehelichen Zwist den, sexuellen Verkehr mit den Worten ablehnt:Solche Ehe ist eine Eochonnerie". DaS ist ungefähr das gerade Gegenteil. AuS so stark erschütterten Unterlagen be- stimmte Schlüsse zu ziehen, ist überhaupt nicht mebr möglich. Die Aussagen einer Persönlichkeit, bei der sich die pathologische Pseudo- logie(Unwahrhastiakeit) bis zu einer Pseudoappcndixilis steigern kann, find für die Begutachtung über einen Dritten nicht mehr ver- wendbar. Immerhin hat die Beweisaufnahme vor allem auch in dem, was der Herr Nebenkläger selbst unter seinem Eide ausführte, eine Reihe von Symptomen geliefert, deren psychologische Analyse notwendig ist. Von vornherein kann es sich aus Grund der Bv weisausnahme vor der Strafkammer wieder lediglich um die Frage handeln, welche ich auch das vorige Mo! nur erörtern konnte, ob bei dem Herrn Nebenkläger eine ihm selbst unbewußte Abweichung seines sexuellen Empfindens vorliegt. Ich möchte hierbei bemerken, daß im sachmännischen Sprachgebrauch unter Homosexualität zu» nächst nur die EuipsindungSrichiung, nicht aber eine Betätigung derselben zu verstehen ist. Daß eine solche rein vergeistigte Homo- sexualität vorkommen kann, ist nicht zweifelhaft. Alle Autoritäten bestätigen dies und besonders ist auch hervorgehoben, daß die so Veranlagten sich selbst täuschen und zu täuschen suchen, indem sie vielfach ihre Liebe als Freundschaft ansehen und Eigenschaften deS anderen hervorsuchen, durch welche sie die Stärkung ihrer freund- schaftlichen Zuneigung vor sich und anderen zu erklären suchen. Für einen Dritten ist es oft sehr schwierig, objektiv diesen Unter» schied zwischen einer starken Freundschaft und Liebe festzustellen.