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Br. 304. 24. Jahrgang. 3. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt. Dienstag, 31. Dezember 1907.

Soziales.

Aus Oft- und Westpreußen .

Die Berichte der Landesversicherungsanstalten Ostpreußen und Westpreußen " laffen erkennen, toie traurig die wirtschaftliche Lage der Landarbeiter ist. Wir geben deshalb nachstehend aus den legt­erschienenen Berichten einen Auszug:

In beiden Versicherungsanstalten dominiert das agrarische Ele­ment und können deshalb beide Berichte nicht denen mit über­twiegender industrieller Bevölkerung gleichgestellt werden. Dit preußen" rühmt sich, viel für den Bau von Arbeiterwohnungen zu tun. Auf diese Weise werden wohl in unabsehbaren" Zeiten die Schweineställe" auf dem Lande verschwinden, und zwar durch Hülfe Der Arbeiter selbst, die ihre Beiträge zur Versicherung zu zahlen haben. Die agrarischen Provinzen tommen auf diese Weise nicht allein zu gefunden Arbeiterwohnungen, sondern auch zu neuen Krankenhäusern. Laut Bericht hat diese Versicherungsanstalt die Summe von 1,2 Millionen Mark für den Bau von Arbeiter­wohnungen und 540 000 m. für Strankenhäuser ausgegeben. Der Allgemeine Wohnungsbau- Verein zu Königsberg hat die Verpflichtung übernommen, bei dem Bau von Wohnhäusern das auf der III. Deutschen Kunstgewerbeausstellung zu Dresden von der Landes­bersicherungsanstalt erbaute ländliche Arbeiter- Einfamilienhaus tun­lichst zu verwerten"! Ob es gelingen wird, das mit der goldenen Medaille preisgekrönte Heim" überall zu errichten? Die Versiche rungsanstalt ist ja auch sehr bescheiden, denn sie triumphiert schon: " Tatsächlich wird ein solches Haus genau nach dem Dresdener Muster in Drugehnen, Kreis Fischhausen , gebaut" 1 so ein Haus! Und darüber solch Geschrei!

"

Namen

der

Versicherungs- Anstalt

eigene

Quittungs­

im Jahre 1903 fremde Quittungs­farten an uns farten von eingeliefert uns abgesandt

70 587

18 712

Es wurden

im Jahre 1904

fremde

fremde Quittungs­tarten von

im Jahre 1905

eigene

frembe Quittungs­farten von

im Jahre 1906 eigene Quittungs. farten an uns

eingeliefert uns abgesandt

25 126

85 271

25 982

eigene Quittungs- Quittungs- Quittungs­farten an uns farten von farten an uns eingeliefert uns abgefandt eingeliefert uns abgesandt

Summa 71 716 Wohin das ländliche Proletariat strömt, ersieht man aus der folgender Zusammenstellung:

"

Die Versicherungsanstalt Berlin " gab im Jahre 1905: 15 631 Starten nach Westpreußen " zurück und erhielt von diefer nur 822. Brandenburg " gab 16 759 Karten zurück und erhielt 1847 Rheinproving" Westfalen"

Hannover

0

7545 7.045 2917

.

"

"

388 447 338

"

27 209

75527 muß man erst mit der Lohnregulierung da anfangen, wo die niedrigsten Löhne gezahlt werden, um dann auf einen Einheits­tarif zu kommen.

Metsche Wien entwarf nun ein sehr düsteres Bild von der sozialen Lage der Knopfarbeiter Desterreichs. Die Unternehmer flagten dort über den Mangel an jungen Arbeitern in derselben Zeit, als sie die Arbeiter maßregelten, weil sich diese organisierten. Der Redner schilderte die Entwickelung der Knopfindustrie, nament

Welche, hohen Löhne in der Provinz Westpreußen bezahlt lich soweit es die Steinnußtnopfindustrie betrifft. Lange Beit werden ergibt sich auch aus dem Bericht. Es heißt da: Der Erlös aus dem Markenverkauf verteilt sich auf: a) 4 620 196 Wochenbeiträge

b) 5 121 282

c)

2008 430

957 684

601 376

"

d) e)

zufammen 13 308 968 Wochenbeiträge

"

I. Lohnklasse 14 f. II.

20

III.

24

IV.

80

2

V.

36

"

"

2223

hindurch glaubten die Arbeiter, daß die Maschine einzuführen unmöglich sein werde; heute freilich ist dies entschieden, soweit die Steinnußknopfindustrie in Frage kommt. In Nordbohmen mag es etwa 2000, in Wien 600 Knopfarbeiter geben. In Wien sind die Anopfarbeiter gut organisiert. Im einzelnen schilderte der Redner die Kämpfe mit den Unternehmern und die ungeheuren Schwierig­teiten beim Organisieren der Arbeiter. In den verschiedenen Be­zirken der Knopfindustrie dominiert die Heimarbeit mit all ihrem Elend: Frauen- und Kinderarbeit, erbärmliche Löhne, Zwischen­Mit anderen Worten: über 4 Millionen Wochenbeiträge meistertum. In manchen Orten sind die Bauarbeiter im Winter wurden entrichtet von Personen, die weniger als 1,20 W. Tagelohn hausindustrielle Snopfarbeiter. Statt daß die Fabrikanten selbst Westpreußen " nimmt sich der notteidenden Landwirt hatten, über 5 Millionen von Perfonen, die 1,20 m. bis 1,80 M. Die Maschinen kaufen, muß sie der Heimarbeiter anschaffen. Selbst schaft direft an. Auf Seite 23 des Berichts heißt es: 3ur Be- Tagesverdienst, über 2 Millionen Marken von Personen, die 1,80 bis bei diesen traurigen Verhältnissen ist es doch vorgekommen, daß friedigung des des landwirtschaftlichen Kredit: 2,80 m. verdienten und nur 1 Million Marken von Personen, die sich die Arbeiter erhoben und Lohnforderungen gestellt haben. Bei bedürfnisses find 1564 000 art ausgeliehen mehr als 2,80 m. pro Tag verdienten! worden"!! Was man alles aus dem Geseze doch machen fann, einem solchen Streit hat der böhmische Fabrikant Rietschel die Und gegenüber solchen Verhälmiffen fucht der Blod die Er- Arbeiter auf Schadenersaß verklagt, wobei es dann offenkundig das doch in erster Linie für die Invaliden und Alten" geschaffen füllung der sozialdemokratischen Forderung zu vereiteln, menschen wurde, um die Schadenersaksumme festzustellen, was die Unter­wurde!! Hat das Reichsversicherungsamt auch hierzu feine Zu- würdige Verhältnisse für die Landarbeiter zu schaffen, und ruft nach nehmer an den Arbeitern verdienen. Der Arbeiter, der stimmung gegeben? An sozialdemokratische" Arbeiterherbergen neuen Hörigkeitsmaßnahmen gegen die Landarbeiter! An die aus einen Gulden Lohn bekommt, hat dem unter. wird bekanntlich keine Hypothet gegeben, für die Befriedigung des ländischen Arbeiter, gegen die vom 1. Februar ab mit den nehmer zwei Gulden verdient. Landwirtschaftlichen Kreditbedürfnisses" find aber die Invaliden- Staatsverträgen unvereinbare Legitimationsbeschränkungen eingeführt werden sollen, um die nach Deutschland Gelockten von einer Flucht Zwischenmeister gezeichnet, daß sie beim Großunternehmer, dem Recht treffend wurden die antisemitisch gesinnten Klein- und bersicherungen da! " Ostpreußen " hat dagegen dem, Armen unterstützung sbor den agrarischen Gefilden abzuhalten, kann nicht dringend genug Juden, sich gegenseitig unterbieten und so das Geschäft herunter­verein zur Berhütung der Bettelei" die Summe von der Ruf gerichtet werden: aßt Euch nicht nach Preußen bringen. In Karbib sind die Kinder der Frauen 44 856,23. und dem Gemeindekirchenrat Drengfurt eine Hypothek an werben! Der Rieberhaltung der Lebenslage der deutschen den ganzen Tag über mit in der einen Knopf­für das Jünglingsheim" gegeben. Arbeiter gilt die Beschäftigung der in Deutschland fast rechtlosen fabrit. So. verschieden wie die Löhne ist auch die Arbeitszeit. ausländischen Arbeiter.

Die Bettelei" soll verhütet werden, deshalb gewährt man die hohen Altersrenten", die laut Bericht in Westpreußen " durchschnittlich sich auf 147,37" pro Jahr stellen! Der Bericht hebt extra hervor, daß sich unter den bewilligten Renten, eine im Be trage von 200,40 M. und eine im Betrage von 211,80 M." be= findet! Donnerwetter! Das ist viel Geld!

Die Invalidenrenten stellen sich durchschnittlich bei Männern auf 156,59 M., bei Frauen auf 130,31 M. pro Jahr. In Ostpreußen " wurden im Jahre 1906 insgesamt

9353 Anträge auf Invalidenrente gestellt( 1905: 10 794)

in Westpreußen "

4747 Anträge

( 1905: 5322).

Davon wurden in Ostpreußen nur 4939, in Westpreußen " mur 2839 bewilligt! Wo bleibt da die Rentenfucht"? Ostpreußen " berichtet, daß eine umfassende Revision der Renten­empfänger vorgenommen wurde und dadurch 343 Renten entzogen werden konnten, so daß nur noch 44 007 Rentner" für Invalidenrenten borhanden sind. Die Zahl der Altersrentner ist von 6665 im Sabre 1905 auf 5925 im Jahre 1906 zurüdgegangen!

Westpreußen " hat leider keine vergleichenden Zahlen angegeben, sondern man fann nur aus den Ausgabetiteln den Rüdgang der Altersrenten ersehen. Es wurden für Altersrenten berausgabt: im Jahre 1905: 452 704,26 M. 1906: 409 486,62!

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Konferenz der Drechsler Deutschlands .

Leipzig , den 29. Dezember.

Die Drechsler der verschiedenen Branchen halten in Leipzig eine Konferenz ab, um die gewerblichen und organisatorischen Ber­hältnisse zu beraten.

In Wien besteht die 9stündige, in Teplit in einem Betriebe die 94 stündige und sonst die 10 bis 12stündige Arbeitszeit. Die Unternehmer fuchen die Organisierung der Arbeiter durch alle terroristischen Mittel zu verhindern. Das Ueberwurfsystem fennt man in Oesterreich nicht, dafür aber das Prämiensystem. Im allgemeinen hat die technische Entwidelung die Lage der Arbeiter in der Knopfindustrie verschlechtert.

Böttcher Frankenhausen referierte nunmehr über die Möglichkeit eines Einheitstarifes.

Dieser allgemeinen Konferenz ging heute eine Konferenz der Knopfarbeiter voraus. Vertreten waren die Orte: Berlin , Zunächst verbreitete er sich über die Einführung der Perl­Breslau, Hamburg , Hannover , Hartha , Gardelegen , Frankfurt am mutterknopfindustrie und deren Entwickelung in Deutschland . Der Main , Frankenhausen, Gößnit, Kelbra und Schmölln . Ferner Hauptfit der Berlmutterknopfindustrie Deutschlands ist Franken­find vom Vorstand des Deutschen Holzarbeiterverbandes die Ge- hausen. Weitaus schwieriger als in den Steinnußknopfbetrieben noffen Beipart, Beder und Deinhardt, für den Drechsler- war die Einführung der Maschine in den Berlmutterknopfbetrieben. verband Desterreichs die Genossen Sudaned, Metsche und Gin Ginheitstarif wäre für gewiffe Grundarbeiten sehr wohl mög­Roth erschienen. Die Tagesordnung lautete: Die Lage in der lich, einzuführen. Vor allem müsse bersucht werden, an Stelle des Knopfindustrie und die Möglichkeit eines Einheitstarifes. Affordlohnes den Wochenlohn einzuführen. Der Redner schlug Riedel- Schmölln referierte über die schließlich vor, eine Kommission einzuseßen, die die Grundlage für einen Einheitstarif ausarbeiten folle.

Die Delegierten der obengenannten Orte schilderten nun aus­führlich die örtlichen Verhältnisse, wobei sich zeigte, daß sowohl die Löhne als auch die Arbeitszeit an einem und demselben Orte sehr, verschieden sind.

Lage in der Knopfindustrie. In der nun folgenden Debatte gab der Wiener Delegierte da etwa 1200 Personen beschäftigt. In der Hauptsache werden Berlmutterindustrie Oesterreichs . Daß die Technif in der Perl­Schmölln ist in Deutschland die Knopfmetropole; es find Sudaned ein ausführliches Bild über die Verhältnisse in der Steinnußfnöpfe hergestellt. Die Knopfindustrie wurde in den muttertnopfindustrie einziehen werde und diese umwälze, hält der 30er und 40er Jahren des 19. Jahrhunderts eingeführt. Mit der Redner für unwahrscheinlich. Einführung der Maschinen ging es mit den Lohnabzügen los. Für Heilverfahren hat Ostpreußen " im Berichtsjahre Jeden Lohnabzug suchten die Arbeiter durch vermehrte Tätigkeit 304 776,72 02., Westpreußen " 163 046,45 M. berausgabt. auszugleichen; freilich vergeblich. Jede vermehrte Tätigkeit reizte Wie sehr die Krankenversicherung in diefen Provinzen die Unternehmer zu immer neuen Abzügen. Es wurden schließlich noch im argen liegt, ergibt sich daraus, daß z. B. Ostpreußen" von die Abzüge nicht in Geldform gemacht, sondern man führte in Das Vorstandsmitglied Beder faßte die Debatte dahin zu­den Stranfenfaffen nur 16 174 M., Westpreußen " 10 940 M. Ersatz- Schmölln das sogenannte Ueberwurfsystem ein. Dieses besteht nun sammen, daß an die Einführung des Einheitstarifes vorläufig leistungen zurüderhielt! darin, daß die Arbeiter statt 144 Stüd 168-170 pro Gros machen nicht zu denken sei; das beweise das ganze vorgebrachyte müssen. Alle bisherigen, zum Teil langwierigen Stämpfe ver- Material. mochten dieses Ausbeutungssystem richt au beseitigen. Die Die gleiche Auffassung brudte Reipart aus. Die Ab Unternehmern hielten den Arbeitern bei jeder Lohnbewegung die schaffung der Atordarbeit tönne jest nicht gefordert werden. Viel­ausländische Sonkurrenz, sowohl die österreichische wie die leicht werde es später möglich sein, einen Einheitstarif aufzustellen. italienische entgegen. Vor allem aber müsse die Heimarbeit abgeschafft werden, ebenso der unwürdige Zustand, daß Arbeiter dem Unternehmer noch Roh­material liefern. Die Konferenz stimmte seinem Vorschlage auf Einfeßung einer viergliederigen Kommission zu, die Vorschläge zwei Wiener Genossen an. auszuarbeiten hat. Dieser gehören außer den beiden Referenten

Ueber die Landflucht geben uns beide Berichte interessante Aufschlüsse. Ostpreußen " schreibt:

Von den hier aufbewahrten Quittungstarten waren aus den Bezirken fremder Bersicherungsanstalten, also von solchen Personen, die aus Ostpreußen verzogen find, eingegangen:

"

"

"

bis Ende 1905 703 140 Quittungskarten( darunter 71 939 Nr. 1) Lange Zeit hindurch hintertrieben die Unternehmer die im Jahre 1906 86 410 4.489 1) Organisierung der Arbeiter durch Maßregelung der agitatorisch zufam. Ende 1906 789 550 Quittungskarten( darunter 76 428 Nr. 1) tätigen Kollegen sowie durch allerlei andere Mittel. Erst als die Von Versicherten, die aus fremden Anstaltsbezirken nach Ost- suchten, erhoben sich die Arbeiter und wehrten sich durch partielles Unternehmer 1894 einen 75prozentigen Lohnabzug zu machen ver­preußen verzogen, find eingegangen und an die betreffenden An- Streifen mit Erfolg dagegen. Der Durchschnittsverdienst beträgt ftalten abgegeben:

"

"

19

bis Ende 1905 123 623 Duittungsfarten( darunter 16 020 Nr. 1) im Jahre 1906 14 574 978 1) zufam. Ende 1906 188 197 Quittungsfarten( darunter 16 998 Nr. 1) Westpreußen " berichtet:

"

Um eine Vergleichung des Austausches eigener und fremder Quittingstarten zu ermöglichen, haben wir die in dem vorjährigen Geschäftsbericht aus diesen Jahren veröffentlichten Ergebnisse hier mit zum Abdruck gebracht.

in Schmölln 16,75 M. wöchentlich. Neben dem Fabritbetrieb gibt es in der Knopfindustrie auch die Heimarbeit. Frauen und Kindern wird für das Gros Knöpfe aufnähen 2 Pf. gezahlt. Erst das Kinderschutzgesetz hat hier etwas gebessert.

Eingegangene Druckschriften.

18. Jahres und Kaffenbericht der Berliner Gemertichaftskommission Eine andere Methode, den höheren Lohn wieder herein­zubekommen, wenden die Unternehmer mit der Lieferung schlechteren und Bericht des Arbeiterfekretariats Berlin 1906. 84 Seiten. Berlag der Berliner Gewerkschaftsfommiffion, Berlin , Engel- Ufer 15. Materials an. Sehr zugute kommt den Unternehmern der Um- Kann and foll das Englische an unseren Gymnafien als obligatori stand, daß sie keine Lehrlinge ausbilden brauchen. Jeder ungelernte fches Lehrfach eingeführt werden? Bon Brof. Dr. Mellmann. Verlag: Putt­Arbeiter kann bei der Arbeitsmethode in Schmölln arbeiten. Jest tammer u. Mühlbrecht. Berlin . Franzöfifcheftr. 28.

Kaufhaus Gebr. Preuss

Beussel-, Ecke Huttenstraße

wünschen ihren lieben Kunden, Freunden und Gönnern

ein glückliches neues Jahr!**

OSO