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Nr. 5. 2S. Jahrgang. L ökilM des Jonnürts" Kcrlim önlkoliliilt. Iienslaz, 7. Jaimat 1908. Die Linigung der Bauarbeiter. Die Freie Vereinigung der Bauarbeiter hielt ihre dritte Konferenz am Sonntag und Montag in Bökers Saal. Weberstr. 17, ab. Die Konferenz war beschickt durch 20 Delegierte aus den einzelnen örtlichen Vereinen der Freien Vereinigung. Außerdem waren anwesend: Töpfer für den Zentralverband der Bauhülfsarbeiter, Kater für die Geschäftökommission der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften, Gehl für die Maurer, P u t t l i tz für die Fliesenleger, Lange für die Isolierer und T h. Fischer für die Zimmerer der Freien Vereinigung. Ten ersten Punkt der Tagesordnung bildete derBerichtdes Geschäftsleiters. Hierzu lag ein gedruckter Bericht vor, welcher die Zeit vom 1. April 1900 bis 30. September 1907 umfaßt. Aus dem Bericht geht folgendes hervor: Bei der vorigen Konferenz gehörten der Freien Vereinigung 8 Vereine an, während der Be- richtszeit sind 13 Verein« hinzugekommen, 3 davon haben sich neuer- dings aufgelöst, so daß die Freie Vereinigung jetzt 18 örtliche Ber - eine mit zusmnmen 2384 Mitgliedern zählt. Im Jahre 1907 hat sich in fast allen Vereinen eine Abnahme der Mitgliederzahl be- merkbar gemacht. Das wird teils aus der ungünstigen Wirtschafts läge, teils aus dem ungünstigen Verlauf des Berliner Streiks er- klärt. Während der Berichtszeit wurden 137 Agitationstouren unternommen. Die Kosten der mündlichen Agitation betrugen 1973 M. Für Streiks gab die Geschäftsleitung 10 734 M. aus. Rechnet man die Leistungen der einzelnen Vereine hinzu, so ergibt sich, daß im ganzen an Streikgeldern ausgegeben wurden im Jahre 1903 19 384 M. und im Jahre 1907 bis Ende des 3. Quartals 78188 M. Außer den eigenen Streiks hat die Freie Vereinigung auch Streiks anderer Gewerkschaften unterstützt und zwar mit 1300 M. im Jahre 1906 und 2106 M. im Jahre 1907. Der Kassen­bericht weist eine Einnahme von 23116,08 M. und eine Ausgabe von 21 340,19 M. auf. Das Gesamtvermögen der Freien Bereini- gung beträgt 14 073,67 M. Der Geschäftsleiter Baum fügte dem gedruckten Bericht noch einige mündliche Ergänzungen hinzu und beklagte, daß sich die Solidarität der einzelnen Vereine beim Berliner Streik nicht in wünschenswerter Weise betätigt habe, denn von den ausgeschriebene,! Extrabeiträgen sei nur ein Teil eingegangen, während ein großer Teil noch ausstehe. Diese Angelegenheit bildete auch in der Diskussion den Haupt- Punkt der Erörterung. Die Vertreter der betreffenden Vereine suchten das unzulängliche Eingehen der Extrabeiträge aus den ört- lichen Verhältnissen zu erklären. An der Tätigkeit des Geschäfts- leiters hatte keiner etwas auszusetzen. Stach Schluß der Debatte wurde dem Gcschäftsleiter einstimmig Decharge erteilt. In der Sitzung am Montag standen die Einigungsverhandlungcu auf der Tagesordnung. Zwischen den Vertretern der Freien Ver- cinigung und denen des Zentralverbandcs sind unter Mitwirkung des Parteivorstandes am 7. Dezember v. I. Einigungsbedingungen vereinbart, die der Konferenz zur endgültigen Beschlutzfassung vor- lagen. Die Ginigungsbedingungen decken sich im wesentlichen mit denen, die auch zwischen den Organisationen der Maurer vereinbart worden sind. Den Mitgliedern der Freien Vereinigung wird im Verbände die Betätigung ihrer politischen Grundsätze im Sinne des Programms der sozialdemokratischen Partei gewährleistet. Die ununterbrochene Mitgliedschaft in der Freien Bereinigung wird im Verbände angerechnet. In Orten, wo Ortsvereine der Freien Bereinigung bestehen, deren Mitglieder nicht im Baufach arbeiten, haben diese sich zunächst dem Verband der baugewerblichen Hülfsarbeiter anzuschließen, der sie später den zuständigen Ber - bänden überweist. Hierbei wird auch die volle Mitgliedschaft an- gerechnet. In Orten, wo Ortsvereine der Freien Vereinigung dominieren und besondere Kategorien von Bauarbeitern sind, werden diese als Sektionen formiert und erhalten Selbst- bestimmungsrecht. In Orten, wo von beiden Organisationen Bereine bestehen, sind nach erfolgter Einigung die Verwaltungs- kürperschasten neu zu wählen und im Verhältnis der beiderseitigen Mitgliederzahl zusammenzusetzen. In Orten, wo nur die Freie Vereinigung besteht, bleibt diese als Filiale des Verbandes mit den acaenwärtigen Funktionären bestehen. Dies sind die wesent- Ilchsten Punkte der Einigungsbedingungen, die im übrigen noch eine Reihe formaler Bestimmungen für die Verschmelzung enthalten. Baum- Berlin , der über die Einigungsverhandlungen refc- rierte, besprach die Vorgeschichte derselben und begründete die Eini- kleines feuilleton. Theater. Freie Volksbühne(im Neuen Schauspielhaus): Iphigenie auf Tauris , von Wolfgang Goethe . Es muß für den wahrhaftigen Künstler doch ein wunderbar erhebendes Gesühl sein, nach allem modernen Bühnenschnickschnack wieder ein- mal am kastalischen Quell klassischer Dichtung seine Seele rein zu baden. Unvergängliche Gedanken klingen im herrlichsten Tonfall der deutschen Sprache an sein Ohr; ewige Geschicke erschüttern ihn, Geschicke, die die ganze Menschheit miteinander teilt. Es ist eine große Welt, nicht ein Ausschnitt von ihr, die sich da vor uns aus- breitet. Gleichsam über allen Köpfen wandelt der Geist dieser Goethesche» Tragödie, die so recht eine Tragödie ist, weil sie Ver- söhnung bringt, und in ihrer künstlerischen Klarheit und dichte- rischen Reinheit keinerloi Schlacken aufkommen läßt. Hier erwächst nym Darsteller die Aufgabe, als Mittler zwischen dem Dichter und dem Hörer zu stehen, indem er seine Künstlcrschaft steigert und mit ihr die Gemüter in die hohe Region der Klassizität erhebt. Je sicherer er auf dieser Linie zu wandeln weiß, deren Ueberschreiten so leicht verhängnisvoll werden kann, desto tiefere Wirkungen wird er hervorbringen. Gertrud Arnold ist sich dieser ernsten Aufgabe sehr wohl bewußt. Ihr steht die Gebärde der großen feierlichen Worte vollkommen �II WcM. Sie rollt keine hohlen Tiraden. Ihre Iphigenie atmet olhmpische Lust. Sie ist zugleich die hoheitsvolle Pueprrin und eaueo fuijlcudc» Woib, als welche wir sie aus Goethes Händen emofangcn haben und kennen. Was bei Hans Sicbert anfänglich etwas befremdete: die für Orest nicht gerade glückliche Erscheinung und einige routinierte Griffe, die ans Komödiantenhafte streiften, das trat bald hinter die erschütternde großzügige Leistung zurück, und so empsing der Hörer von ihr einen nachhaltigen Eindruck. Auch Franz H ö b l i n g zeigte sich als Pyladcs seiner Rolle gewachsen, weil seiner jugendfrischen Gestalt der Schwung einer hingebenden idealen Freundschaft und eines sieghaften Optimismus recht wohl ansteht. Viktor H a r t b e r g iThoas) und Herbert G o e tz n e r(Arkas) bezeigten redlichen Eifer für ihre Aufgaben. So darf denn diese Aufführung der Iphigenien- tragödie als eine Goethes würdige auch was die stimmungsvolle Inszenierung angeht willig und gerne bezeichnet werden, e. tz. Kunst. Ein Maler der guten alten Zeiten. Der 7. Januar ruft die Erinnerung an einen Künstler wach, dem wir bereits aus der Jahrhundert-Ausstellung für einige reizende Eindrücke zu danken hatten. An, 7. Januar l808 ist der Maler Friedrich Eduard M e y e r h e i m zu Danzig geboren worden. So fern seine sauberen, schmucken, zierlich glatten Bildchen heute unserem Empfinden und unseren künstlerischen Aiischauungen stehen, sie grüßen doch in ihrer Ehrlichkeit wie Erinnerungen an Szenen und Erlebnisse eines freund- lichen Kinderlandes. Die sorgsame und mühevolle Gewissen- haftigkeit, mit der Meyerheim seine Bilder bis zu einer fast porzellanenen Glätte durchführte, war die peinliche Alluratesse gung mit dem Verband unter Hinweis auf den Beschluß des inter - nationalen Kongresses in Stuttgart , der die Gegensätze, welche früher zwischen den beiden Gcwerkschaftsrichtungen bestanden, aus der Welt geschafft habe. Ferner verwies der Redner auf die allgemeine Situation. Der feste Zusammenschluß der Unternehmer und deren Absicht, die Arbeiter mit allen möglichen Mitteln zu bekämpfen, mache eine einheitliche, geschlossene Organisation der Arbeiter zur Notwendigkeit. Die Berliner Lohnbewegung habe den Bauarbeitern den Beweis geliefert, daß die Zersplitterung der Organisation die größte Gefahr für die Arbeiter ist. In der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften habe sich eine Rich- tung bemerkbar gemacht, der die sozialdemokratischen Arbeiter nicht folgen können. Die Anhänger dieser Richtung hätten die Befür- worter der Einigung in der schmutzigsten Weise bekämpft. Mit diesen Leuten könne man nicht mehr zusammengehen. Alle diese Dinge hätten der Geschäftsleitung der Bauarbeiter Veranlassung gegeben, ihre frühere Gegnerschaft gegen die Einigung aufzugeben und sich für die Einigung zu erklären. Der Redner empfahl die angeführten Einigungsbedingungcn zur Annahme. Es entstand nun eine lange Debatte, die sich bis zum Abend hinzog. Gegen die Einigung sprachen besonders die Delegierten aus Magdeburg und aus Hamburg . Sie erklärten, daß ihnen die vorliegenden Einigungsbedingungen keine genügende Garantie für die Wahrung des �selbstbestimmungsrechts der einzelnen Mitglied­schaften im Verbände bieten. Allerlei örtliche Streitigkeiten mit dem Verbände, die teils mehrere Jahre zurückliegen, wurden gegen die Verschmelzung ins Feld geführt. Die Hamburger, welche den dortigen Verein der Abbruchsarbeitcr vertraten, machten geltend, daß die besonderen Verhältnisse dieser Arbeitergruppe eine voll- kommen selbständige Verwaltung verlangen, die ihnen als Sektion des Verbandes nicht zuerkannt werde. Die Berliner Vertreter sprachen für die Einigung aus den vom Referenten angeführten Gründen. Töpfer- Hamburg, der den Zentralverband ver- trat, suchte die Bedenken der Hamburger Delegierten zu zer- streuen, indem er an der Hand der Einigungsbedingungen nach- wies, daß ja das Selbstbestimmungsrecht der örtlichen Vereine auch im Verbände gewährleistet werde und daß die Wünsche der Ham- burger in den Einigungsbcdingungen ja in weitestem Maße be- rücksichtigt worden seien. Gegen Ende der Diskussion ersuchte Theodor Fischer - Berlin die Magdeburger und Hamburger Dele- gierten, alle kleinlichen Bedenken und alle persönlichen Momente beiseite zu lassen und nur den großen Gedanken im Auge zu be- halten, daß die Einigung der Gewerkschaften eine Notwendigkeit im Interesse der gesamten Arbeiterbewegung sei und daß die so- zialdemokratischen Arbeiter doch auch die Beschlüsse der Parteitage zu befolgen haben, die sich für eine einheitliche Gewerkschaftsorgani- sation aussprachen. Nach Schluß der Debatte wurde folgender Antrag in nament- ltcher Abstimmung mit 17 gegen 7 Stimmen angenommen: Die Delegierten nehmen Kenntnis von dem Resultat der Einigungsverhandlung mit dem Verband der baugewerblichen Hülfsarbeiter Deutschlands unter Vorsitz des Parteivorstandes und'erklären sich mit der Stellungnahme und dem Vorgehen der Geschäftsleitung hierbei voll einverstanden. Die Delegierten erkennen die Notwendigkeit einer einheit- lichen geschlossenen Organisation der Bau-, Erd- und gewerb- lichen Hülfsarbeiter Deutschlands an; sie können sich der Tatsache nicht verschließen, daß gegenüber den festgefügten, gegen uns ge- richteten Organisationen der Arbeitgeber, eine solche der Arbeit- nehmer jetzt mehr denn je entgegenzustellen ist. Aus diesem Grunde verpflichten sich die Delegierten, für die am 7. Dezember vereinbarten Bedingungen einzutreten, und für deren Durchführung in ihrem Ortsverein Sorge zu tragen, damit alle Vereine, die der Fr. V. d. B. D. bisher angeschlossen sind. am 1. März sich dem Verband der baugcwerblichen Hülfsarbeiter Deutschlands anschließen. An sämtliche Mitglieder der Fr. B. d. B. D. richten die Delegierten den dringenden Wunsch, den Bedingungen ihre Zustimmung zu geben. Zur Durchführung der Konfercnzbeschlüsse erhält die Ge- schäftsleitung den Auftrag, die nötigen Maßnahmen, die dazu erforderlich sind, einzuleiten, und sind deren Funktionen nicht eher als erledigt zu betrachten, bis der Anschluß der Ortsvereine erfolgt ist. Die Geschäftsleitung. Als letzter Punkt der Tagesordnung wurde der 8. Kongreß der Freien Vereinigung deutscher Gewerk- s ch a f t c n besprochen. Nachdem Beck- Berlin über diesen Punkt kurz referiert hatte, beschloß die Konferenz, den Kongreß durch 6 Delegierte zu beschicken, die daselbst im Sinne der Beschlüsse der und Ordnungsliebe einer einfachen Natur, die ihre Bilder gern so blitzblank putzte wie die Hausfrau ihre Stübchen auf seinen Interieurs. Dieselbe Andacht zum Kleinen lebt in Meyerheim, wo sie sich zu gleicher Zeit in der Literatur in Stifter äußerte; ein idyllisch realistischer Zug geht durch seine Vauerngeschichten wie durch die damals ausblühende Dorfnovclle. Der junge Eduard geriet auf seinen ersten Kunstfahrten ins romamische Fahrwasser. Die inalerischen Baiideukmäler der Vaterstadt Danzig reizten ihn zu sorglicher Abkonterfeiung, so daß er 1832 seine Ansichten auS Danzig in zehn lithographierten Blättern herausgeben konnte. In Berlin unter Schadow in seinem Sireben bestärkt, unternahm er Wände- rungen durch die Mark Brandenburg lange vor Frnitane und machte auch hier perspektivische Zeichnungen von den mittelalterlichen Backsteinbauten. Das ihm eigenlümliche Feld des realistischen Genres betrat er 1834 mit der reizenden..Kegelgesellschaft", einem prächtigen Stück Alt-Berlin voll charakteristischer Gestalten und ge- mütlichster Behäbigkeit. Und als er dann 1836 in seinem»Schützen- fest " das Leben der westfälischen Bauern, wie es Jmmermann im »Oberhof " geschildert, in festlicher Frische darstellte, war sein Ruf begründet und eine lange Reihe ähnlicher Werke folgte. ES sind die harinloien und an sich so wenig besagenden Szenen deS stillen Familienlebens, die Meyerheim als erster vorgeführt hat und die >päter bis zum Ueberdruß von der deutschen Genremalerei wieder- holt wurden. Bei ihm aber haben alle diese unbedeutenden Szenen ein eigenes Gesicht, eine heimatliche Wärme. Humoristisches. »»Der Schwur de? Schahs. Der Schah von Persien Mohammed Ali war. von russischem Einfluß aufgestachelt, der Meinung, der Konstitutionalismus sei ein schädliches Jmekt und müsse durch Pulver und Blei vernichtet werden; zu diesem Zwecke hatte er sich schon eine größere Menge Pulver(natürlich persisches Insekten- pulver) angeschafft. Die Russen reizten ihn zum Widerstände gegen Volk und Parlament. Aber auch das Volk und das Parlament waren bereit, ihre Interessen mit ihrem Blute zu verteidigen. Und so schien es einen Augenblick, als ob die Truppen des Schahs und diejenigen des Parlaments aneinander geraten ivürden. Aber es siegte, wie in Rußland , der Parlamentarismus. Der Schah unterwarf sich ihm und leistete einen feierlichen Eid auf die Verfassung. Indes ist jetzt ein neuer Streit um die Norm des Eides entbrannt. Die offizielle Preffe berichtet, der Schah habe geschworen: Ich gelobe es und schwöre es, daß ich die Verfassung beobachten will." Der größte Teil der Zuhörer behauptet aber, der Schah habe geschworen:Ich gloobe es schwerlich, daß ich die Verfassung beobachten will." Das Volt verlangt deshalb stürmisch, der Schah solle einen neuen Eid leisten; und dieser holt sich wieder bei seinen russischen Freunden Rat. Endlich hat man sich auf allen Seiten über eine neue EideSnorm geeinigt; der Schah soll schwören:»Ich gelobe, daß ich alle Zeit die Verfassung ebenso treu und ebenso gewissenhaft halten und lieben werde, wie mein Vetter und Bruder, der Zar aller Neuffen ." I u r i st e n.»Wenn der ß 7 des Vereinsgesetzes durchgeht, dürfen wir Juristen überhaupt nicht mehr in öffentlichen Ber- Konferenz zu wirken haben. Die Konferenz stellt den Antrag auf Auflösung der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften und verpflichtet die Delegierten, diesen Antrag geschlossen zu vertreten. Als Delegierte zum Kongreß werden gewählt Baum- Berlin . Mayha k-Wernigerode, S a s s e- Berlin, D u p k e» Berlin « N o r g c l- Berlin und M e ck i n- Erkner. Die Hamburger verzichteten auf ein Kongreßmandat, weil sie sich ohne Zustimmung ihres Vereins nicht aus den eben an» genommenen Antrag verpflichten konnten. Es wurde ihnen an- heimgestcllt, einen siebenten Delegierten durch ihren Verein wählen zu lassen, falls derselbe den Kongreß beschicken wolle. Damit war die Tagesordnung erledigt. Der Vorsitzende N o r g e l schloß die Konferenz mit dem Wunsche, daß die Dele- gierten für die Durchführung der Einigung wirken, damit eine einheitliche Organisation der Bauarbeiter zustande kommt. Sa; beleidigte(Hemeler national- denkmal vor Geriebt. Zur Ergänzung unseres Berichts tragen wir noch nach: Vorsitzender: Angeklagter Marckwald, Ihnen Wird gmi Last gelegt, der Verfasser des Artikels zu sein. Marckwald: Ich erkläre, daß ich den Artikel geschrieben und in die Druckerei gegeben habe. Die Darstellung meines Kol- legen ist absolut richtig. Er konnte von dem Artikel nicht die not- wendige Kenntnis haben, da er tatsächlich nicht mehr dauernd in der Redaktion tätig war. Die Zeich, iungsändcrung war nur noch nicht vorgenommen. Vorsitzender: Wir gehen dann auf den Artikel ein. Sie haben da die AusdrückeSchandsäule" undTragikomödie" ge- braucht. Was stellen Sie sich unter Schandsäule vor und warum haben Sie den Artikel geschrieben. Marckwald: In einer Schandsäule sehe ich eine Säule, die an irgend eine Schande erinnert. Den Ausdruck habe ich zu» erst in einer Beschreibung des Denkmals, die durch mehrere'Blättcr ging, gelesen. Es hieß da:die Borussia stützt sich auf eine zer- brochene Schandsäule". Dann habe ich den Artikel geschrieben, um der Geschichtsfälschung, die damals in den bürgerlichen Blättern getrieben wurde, entgegenzutreten, soweit das in einem Zeitungs- artitel möglich war. Unter Tragikomödie verstehe ich eine Hand» lung, die zugleich'heitere und ernste Gefühle auslöst. Irgend ein spöttischer Gedankt ist mir bei dem Ausdruck nicht gekommen. Auch habe ich in keiner Weise an den Kaiser gedacht, wie ich überhaupt an Personen, auch an die Herren des Denkmal- komitees nicht im geringsten gedacht habe. Dem Artikel kann keinerlei beleidigende Absicht zugrunde gelegen haben, da er sich ja in keiner Weise mit beteiligten Personen beschäftigte, sondern nur eine geschichtskritische Beleuchtung des Denkmals enthielt. Für den.Landboten" bin ich verantwortlich. Die Uebcrschrift ist ge- ändert worden, weil die bürgerlichen Blätter in dem Ausdruck Schandsäule etwas besonders Anstößiges fanden. Im übrigen habe ich den Artikel imLandboten " nicht zusammengestellt. Wer cS gemacht hat, gebe ich aber nicht an. Staatsanwalt Paeseler stellt fest, daß Marckwald am 10. September, also sechs Tage vorher, in Memel einen Vortrag gehalten hat, der sich mit derselben Materie beschäftigte. Marckwald: Ja, das wird stimmen, ich war aufgefordert, dorthin zu kommen und die Sache historisch zu beleuchten. Nunmehr wird durch den Vorsitzenden der ArtikelDie Schandsäule in Memel " verlesen. Da er sehr schnell und leise liest, ersucht der Verteidiger, etwas lauter zu lesen. Vorsitzender: Angeklagter Marckwald, was sollte dieser letzte Satz bedeuten: Die Arbeiterklasse weiß, daß, wenn Menschen schweigen. Steine reden, und daß künftigen Geschlechtern die Scbandsäule zu Memel von Preußens Schmach zu Beginn nicht nur des 19., sondern auch des 20. Jahrhunderts beredtes Zeugnis ablegen wird." M a r ck w a l.d: Das Denkmal in Memel ist ein Borussia- denkmal und stellt demnach symbolisch Preußen dar. Ich bin nun der Ansicht, daß alle Borussiodenkmäler aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts uns an die Schande Preußens erinnern. Preußen ist nicht nur den westeuropäischen, sondern auch den anderen beut- scheu Staaten gegenüber ungeheuer rückständig. Und die Ursache hierzu ist das D r e i k l a s s e n w a h l s y st e m. Württemberg ha! längst das sammlungen reden I"»Wieso?"»Na, dann darf doch nur deutsch gesprochen werden?"_(»Jugend".) Notizen. 019 Nachfolger Joachims als Leiter der Geigen- klaffen an der Berliner Hochschule für Musik ist Henri M a r ei n berufen worden. Der junge Künstler er ist erst 33 Jahre alt hat als Geigenspieler sich längst einen geachteten Namen geschaffen; er ist zurzeit in Genf tätig. Martin hat sich in Berlin längst als ebenso glänzender wie gefühlsinniger und edler Meister erwiesen. Er ist denn auch von Joachim selbst noch als Nachfolger vorgeschlagen worden. Max Bruch beging am Montag seinen 70. Geburtstag. AlS Lehrer für Komposition wirkt er seit Jahren an der Berliner Hochschule für Musik. Als Komponist ist er der schon als Knabe einen Preis der Mozartstiftung errang besonders durch seiiis Chorwerke hervorgetreten. zu deren bekanntesten»Frithjof", OdysseuS",Das Lied von der Glocke" gehören. Bühnenchronik. Albert Heine , ber zurzeit als Regisseur am Münchener Hostheater tälig ist. wurde für das Berliner Theater hauptsächlich als Charakterdarsteller verpflichtet. Heine steht von seinem Wirken am königl. Schauspiel- hause her. dem er in den neunziger Jahren angehorte, noch im guten Andenken als scharfrealistischer Künstler. Thcaterchronik. Felix P h i l i p p i S neuestes Schau­spiel»Die Ernte" hat merkwürdigerweise seine Uraufführuiig am Wiener Deutschen Volkstheater erlebt. Das Stück ist ein sog. spannendes Schauspiel, das die Entdeckung eines jungen Liebes» paares, daß sie Geschwister sino, bühnenmäßig verarbeitet. Karl Goldmark , der bald 78jährige Komponist, hat daS Win termärchen in einer lyrisch-iveichen Musik vertont, der auch volkstümliche, frisch anmutende Züge nachgerühmt werden. DaS Werk kam kürzlich an der Wiener Hofoper zur ersten Aufführung und hatte lebhaften Erfolg. B i l d e r s ä l s ch u n g e n großen Stiles Ist man in München auf die Spur gekommen. Die betriebsamen Fälscher. die im Alis- und Jnlande förmliche Fabriken dieses Genres unter« halten, stellen sonst meist älter- Kunstwerke von antiken Münzen. Stawen angefangen bis zu praeraffaelitischen und Renaissancegcinälden herab mit verblüffender Echtheit her und begnaden damit nicht nur Berliner und Amerikanische ParvenuS, die sich eine Galerie mit und ohne Ahnen- bilder einrichten, sondern selbst erfahrene Kunstkenner. Die Münchener Händler, von denen man zwei mitsamt sechs Agenten verhaftet hat, haben dagegen gefälschte LenbachS. BöcklinS, Menzels usw. verlrieben. Dag bei dem erschreckenden Elend, daS bei dem Kunstproletariat herrscht, sich auch arme Teufel finden, die ihre in der heutigen Gesellschaft sonst unverivertbaren Talente für ein Schundgeld zu solchen Künsten verleiten lassen, ist nicht weiter ver- wunderlich. Der Schwindel, der in der beginnenden kapitalistischen Wirtschast allgemeines Prinzip war. hat auf dem Gebiete der mcht beliebig reproduzierbaren Waren heute noch eine unbestreitbare Domäne.