SIuBcu" auf den schwankenden Reichstag hat Graf Caprivi den Sieg in der Tasche— und den deutschen Michel.— Tie Kommissionsrede des Herrn v. Cnprivi laßt den Redner und andere Leute noch immer nicht zur Ruhe kommen. Bekanntlich sprach der Herr Reichskanzler auch über die Möglichkeit, daß mir im Fall eines Krieges von Dänemark belastigt werden konnten. Diese Aenßerung hat nun zu einem Austausch zivischen der deutschen und der dänischen Regierung, und zu einer Debatte im dänischen Reichstag geführt. Schließlich hat sich natürlich Alles in Wohlgefallen aufgelöst. Obschon nun der Reichskanzler, der in der Militärkomniission den Reichsboten gruselig machen will, und der Reichskanzler, der im offiziellen Diplomaten- frack alles rosig anzusehen und jede Schwierigkeit zu glätten hat, zwei ganz verschiedene Leute, wenn auch eine Person sind, so kann doch nicht geleugnet werden, daß die Caprivi 'sche Kommissionsrede die Sache zum Theil richtig geschildert hat. Die dänische Regierung ist so voll- ständig in der Hand Rußlands , wie dies bei der Regierung eineS demokratischen Landes überhaupt möglich ist. Die Frau des russischen Zaren ist eine dänische Prinzessin,— seine Ferien— die einzige Zeit, wo er sich vor den Bomben der Nihilisten sicher fühlt— ver- bringt„Väterchen" in Kopenhagen ; und seit anderthalb Jahrhunderten hat die russische Politik Dänemark als einen gegen Deutschland vorgeschobenen Posten betrachtet und be- handelt. Das ist richtig; aber es ist nur ein Theil der Wahrheit. Der andere Theil ist: daß Dänemark ein demokratisches Land ist, und daß das dänische Volk das Zarenthnm verabscheut und von russischem Einfluß und einem Bündniß mit Rußland nichts wissen will. Das kam in dem Folkething(dem Volkshaus des dänischen Reichs- tags) zum Ausdruck. Daß die Dänen an der Politik des Fürsten Bismarck, die ihnen den Krieg von 1864 brachte, keinen Gefallen finden konnten, begreift sich leicht— aber die deutsche Reichsregiernng unter Caprivi will ja keine nationale Flibnster-„Politik treiben, und wenn sie die Sympathien der V ö l k e r zu gewinnen weiß, so hat sie von der russischen Räuber- und Spitzbubendiplomatie nichts zu besorgen. Mit den alten Diplomatenkniffen ist's für die zivilisirten Staaten vorbei. Eine Ahnung hiervon hat die deutsche Regierung, wie ihr Verhalten den Polen gegen- über beweist. Freilich auch nur eine Ahnung. Reift das dämmernde Bewußtsein zu voller klarer Erkenntniß, sucht das Deutsche Reich gegen die von Rußland drohende Ge- fahr— und nur von Rußland droht Gefahr— sich Schutz und eine Stütze, da wo sie einzig zu finden: bei den von Rußland unterdrückten und gefährdeten Völkern, dann brauchen wir keine neuen Soldaten— dann sind die alten schon viel zn viel. Polen allein ist ein halb Dutzend Armeekorps, und wenn Herr von Caprivi das Wort, welches er von seinen Rockschößen schüttelte, wirklich gesagt hätte: für Rußland geht der Weg nach Konstantinopel durch's Brandenburger Thor", dann könnten wir beruhigt singen: Lieb Vaterland magst ruhig sein. Je schwächer und nach- giebiger unsere Regierung sich Rußland gegenüber zeigt, desto üppiger und frecher wird die russische Diplomatie; mit„Väterchen" und seinen Leuten muß man eine kräftige Sprache reden. Je kräftiger und deutlicher sie ist, desto ruhiger und zahmer wird die russische Diplomatie werden.-» „Furchtbaren Hast gegen den Grundbesitz, be- sonders de» grosten," hat die„Kreuz- Zeitung " aus der gestrigen Rede Wurm's herausgehört.„Furchtbaren Haß"— wie heußt, Herr von und ßu Hammerstein? Und furcht- baren Haß gegen den Grundbesitz— woßu? Von dem Groß grnndbesitz wollen wir Sozialdemokraten allerdings nichts wissen, und betrachten es als einen Unfug ohne gleichen, daß die fekttrinkenden Herren Großgrundbesitzer für ihre Betteleien die armen Kleingrundbesitzer vorschieben und auf deren Konto das deutsche Volk in Kontribution setzen. Einen„Nothstand der Landwirthschaft" kennen wir sehr wohl, das heißt einen Nothstand der Klein bauern, allein dieser wird gerade durch die Herren Groß grund- besitzer verursacht, die mit dem„Nothstand" vortreffliche Geschäfte machen.— Der bayerische Gesetzentwurf betreffs des Hausir- Handels. Ueber den von der bayerischen Regierung dem Bundesrath vorgelegten Gesetzentwurf erfährt die„Vossische Zeitung", daß in demselben folgendes bestimmt wird: Konsiturentopf, in welchem Joby gerade steckte und genoß das Glück, die beiden Schwestern zu betrachten, wie sie ihre muntere Mutter in ihren Pelz hüllten und ein- ander jene kleinen Toilettendienste leisteten, wie sie eine Fahrt durch das nächtliche Paris fordert. Dabei prüften sie, wie erfahrene Katzen, die aus eine Maus lauern, mit raschen heimlichen Seitenblicken den junge» Mann, der nichts davon merkte. Mit großer Geungthuung sah er, wie ein gut behandschuhter, vornehmer Elsafser Diener den Damen ihre Pelzstiefelchen brachte. Die beiden Schwestern waren sich so unähnlich, wie nur möglich. Malvine, die ältere von beiden, war eine große Brünette, Jsaura eine kleine Blondine, mit zarten, seinen Zügen, während die Formen ihrer Schwester kräftig eut- wickelt waren. Jsaura war eine jener Frauen, die durch ihre Schwäche herrschen und die zu beschützen jeder Schüler für ritterliche Pflicht hält; Malvine glich einer leidenschaftlichen, gebieterischen Spanierin. Standen die Schwestern bei einander, so machte Jsaura den Eindruck eines Miniatur- bildes neben einem Oelgemälde. Sie muß reich sein, sagte Godefroid zu Rastignac, als er wieder in den Ballsaal getreten war. Wer denn? Die Kleine von vorhin. Ach Du meinst Jsaura von Aldrigger... Kann schon sein... Die Mutter ist Wittwe. Nuziugcn war im Komtor des Vaters in Straßburg Kommis.... Willst Du sie wiedersehen? Sei zu Frau von Restaud liebenswürdig. Sie ladet Dich dann zu dem Ball ein, den sie übermorgen giebt. Die Baronin von Aldrigger ist mit ihren Töchtern bestimmt da. Drei Tage lang träumte Godefroid von seiner Jsaura, ihrem Köpfchen und ihren weißen Kamelien, so wie wir, wenn wir lange auf einen hell beleuchteten Gegenstand ge- starrt haben und dann die Augen schließen, ihn als kleinere von einem farbigen Hof uuigebene Gestalt mitten in der Finsterniß funkeln sehen." „Keine Naturbeschreibung, Bixiou! Rasch ein anderes Bild!" rief Couture. 1. Der H a u s i r s ch e i n ist nur giltig für den Bezirk der Behörde, welche ihn ausgestellt hat. 2. Er kann auf kürzere Zeit, als für das Kalenderjahr, ertheilt werden. 3. Die Aus- fiellung des Hausirscheines ist in gewissen Fällen abhängig von dem durch die zuständigen Behörden festzustellenden Bedürsnist. 4. Der Hausirschein ist auch für denjenigen nothwendig, welcher an seinem Wohnort, oder am Sitze seiner gewerblichen Nieder- lassung das Gewerbe im Umherziehen betreibt d. h. von Haus zu Haus hausirt. 5. Handelsreisende, welche auf Grund des § 44 der G.-O. ihr Gewerbe ohne Wandergewerbeschein aus» üben, dürfen Bestellungen aus Waare nur bei solchen G e- werbetreiben de n(also nicht bei Privatkunden) suchen, in deren Gewerbebetriebe Waaren der angebotenen Art Ver- Wendung finden. Durch diese Bestimmungen sollen angeblich die hauptsächlichsten Mistslände des Hausirhandels beseitigt werden, nämlich die Uebcrvortheilung des Publikums, die Ge- fährdung der wirthschaftlichen Existenz der ansässigen Detail- Händler und Handwerker, namentlich in den mittleren und kleineren Slädten, der Ankauf von Gegenständen, welche keinem reellen Bedürfnisse entsprechen und das Drängen von Handel und Industrie in eine unsolide Richtung.— Die prensiische Staatslotterie soll um 30 000 Loose vermehrt werden, doch soll die Vermehrung die erste der beiden in das Etatsjahr 1893/94 fallenden Lotterien noch nicht berühren. Ter Uebcrschuß der Lotterie vermehrt sich dadurch für das Etatsjahr 1893/94 um 890 600 M., also von 8 090 300 M. im laufenden Etat auf 8 980 900 M. Die Begünstigung der Schnapsbrenner, die Konzessionirung der Hurenwirthe und die Förderung des Lotteriespiels passen rechs gut zu den heute so sehr betouten„christlichen" Auf- gaben des Staats.— Deutschfreisinniger Manuesmuth. Der Stadtrath Wecker ist von der freisinnigen Kandidatur in Liegnitz zurückgetreten, und zwar, wie das„Berliner Tageblatt" nieldet,„infolge wüster antisemitischer Auftritte in einer ländlichen Wahlversammlung", �utisemitions afflavit et dissipati sunt. Der Antisemit riß das Maul auf und der Freisinn kroch ins Mauseloch.— Aus der Schweiz schreibt man uns unterm 15. d. M.: Die Geschäftsleck iiigs-ltomimssion der schweizerischen sozialdemokratischen Pariei erlaßt in der Parteipresse einen Aufruf zur Unterschriftensammlung für Einführung des Rechts auf Arbeit in die Bundesverfassung. Die Form dieser Initiative ist aus dem anfangs November in Eolothurn statlgehabren Parteitage festgestellt worden, worüber bekanntlich seiner Zeit der„Vorwärts" näher berichtete. Wir wiederholen demnach nur kurz, daß verlangt wird die Gewährleistung des Rechts auf ans- reichend lohnende Arbeit für jeden Schweizerbürger, genügende Fürsorge für Arbeitsgelegenheit, Verkürzung der Arbeitszeit, un- entgeltlicher öfseiillicher Arbeitsnachweis aus Grundlage der gewerk- schastlichen Organisationen, lschutz gegen nngercchtsertigte Entlassung und Arbeitsentziehung, Unterstützung von Arbeitslosen entweder durch öffentliche Versicherung oder durch solche in den Gewerkschaften, Schutz der Vereinsfreiheit, Begründung und Sicherung einer öffentlichen Rechtsstellung der Arbeiter gegenüber ihren Arbeit- gebern und dcmokralische�Organisation der Arbeit in den Fabriken und ähnlichen Geschäften, vorab des Staates und der Gemeinden. — In dem Aufruf heißt es unter anderem:„Vorstehendes Jnitiativbegehren kann mit vollem Rechte als das Resultat der eingehendsten Erwägungen gelten. Dieser Umstand allein schon sollte ihm die Aufmerksamkeit vieler Mitbürger zu- wenden. In weit höherem Maße aber noch sollte die Thatsache, daß gegenwärtig Tausende unserer Mitbürger arbeils- und brotlos sind und die weitere Thalsache, daß Arbeits- losigkeit und Existenzunsicherheit im allgemeinen fortwährend im Wachsen begriffen sind, dem Jnitiativbegehren zahlreiche Freunde werben. „Wir sind überzeugt, daß die nun eingeleitete Bewegung reiche Früchte tragen wird für den sozialen Fortschritt im allge- meinen und die Sache der Sozialdemokratie im besonderen, wenn die Genoffen im ganzen Lande regen Eifer bekunden!" Die Zahl der erforderlichen Unterschriften betragt 50 000 und es bedarf daher großer Anstrengungen, um sie aufzubringen. Günstig für die Initiative ist allerdings die gegenwärtige Arbeits- losigkeit. Die große Presse, demokratische wie liberale lind konser- valive, schweigt über das sozialdemokratische Unternehmen, das sicher auf große Hindernisse stößt. Nun, mag die Aktion erfolg- reich sein oder nicht, das wird sie auf jeden Fall erreichen, daß die sozialistische Agitation in Wort und Schrift frisch belebt und neue Bewegung ins Volk gebracht wird, und dieser agitatorische Erfolg ist unter allen Umständen ebenso sicher wie werthvoll.— Unter den Politikern, die der Panama -Sumpf verschlungen hat, ist— neben Clemeneeau— unzweifelhaft der bedeutendste F r e y c i u e t, der langjährige Kriegsminister Frankreichs . Freycinet war es, der 1870, nach der Zer- trümmerung des napoleonischen stehenden Heeres das Auf- „Aufgeschaut!" erwiderte Bixiou und machte äugen- scheinlich einem Cafekellner nach.„Ausgeschaut, meine Herren! Eines neues. Bild! Schlaf nicht ein, Finot! Dich muß man immer besonders antreiben, wie der Kutscher eine alte Mähre. Theodora, Margarethe, Wilhelmine Adolphus aus dem Hause Adolphus und Kompagnie in Mannheim , Wittive des Barons Aldrigger, war durchaus keine jener dicken, gutmüthigen deutschen Frauen mit weißem, wie Bierschaum leicht goldig schimmernden Gesicht, die recht besonnen und recht derb und im Besitz sämmtlicher patriarchalischer Tugenden sind, an denen Ger- manien nach der Behauptung der Romantiker so reich ist. Sie hatte vielmehr frische, rothe Nürnberger Puppen- backen, an den Schläfen lose Korkzieherlöckchen, neckische Augen, noch kein einziges graues Haar und eine zierliche Taille, deren Vorzüge durch ein enges Korsett ins rechte Licht gesetzt wurden. An Stern und Schläfen zeigten sich freilich die ersten bösen Runzeln; an den Fersen wären sie ihr lieber gewesen, aber die Falten sind ja leider immer so eigensinnig, an den sichtbarsten Stellen ihre Zickzacklinien zn ziehen. Auch ihre Nase verwelkte, und an der Spitze zeigte sich eine verdächtige Röthe, was um so verdrießlicher war, als sie mit der Farbe der Backen übereinstimmte. Ihre Eltern hatten sie als einzige Erbin verzogen, ihr Manu verwöhnt, Straßburg bewundert, ihre Töchter, die sie innig liebten, verhätschelt, und so trug sie noch immer rosa Kleider, kurze Röcke und an der Spitze ihres Korsetts, das ihre Taille hervorhob, ein zartes Schleifchen. Sieht ein Pariser die Baronin auf dem Boulevard vorübergehen, so lächelt er und vcrurtheilt sie ohne mil- dernde Umstände. Der Spötter ist stets oberflächlich und deshalb grausam, und ein Schalk übersieht, wieviel Antheil an allem Lächerlichen, worüber er lacht, aus die Gesellschaft fällt. Die Natur hat nur Thiere geschaffen, den gesell- schaftlichen Verhältnissen aber verdanken wir die Dummköpfe." l(Fortsetzung folgt.) gebot in Masse orgauisirte und zur Landesvertheidigung jene titanischen Kraftanstrengungen, leitete, welche die Führer der deutschen Armee mit banger Besorgniß erfüllte, und den Ruhm Gambetta's, der nur die Firma war, begründet haben: Frcycinct ist ohne Zweifel einer der bedeutendsten militärischen Organisatoren des modernen Europa , und— er ist„Zivilist", der niemals in die Beschränktheit des Fach- und Zunftmilitärs verfiel. Und das war ein Glück für sein Land. Jetzt nach Freycinet's Sturz ist ein Fachmilitar ins Kriegsministcrium eingezogen, und mit ihm„der militärische Geist", der sehr wohl der Republik gefährlich werden könnte.— Frankreich . Man schreibt uns auö Paris , den 15. Januar 1893: Am Abend des 14. Januar drängten sich dichte Schaaren zum großen Saale T i v o l i- B a u x h a l l hin, wo das von sozialistischen Abgeordneten einberufene Meeting stattfinden sollte. Mehrere hundert Polizei- Agenten in Uniform waren vor dem Versammlungslokale aufgestellt. Trotz des abscheulichen Wetters war der Riesensaal zum Erdrücken voll; Cluseret führte den Vorsitz; die Abgeordneten der äußersten Linken waren fast voll- zählig erschienen. In einer zündenden, formvollendeten Ansprache legte Abgeordneter Millerand , der an erster Stelle das Wort erhielt, den Zweck der Versammlung und die der sozialisti- schen Partei zufallenden Ausgaben dar.„Bürger," begann er, „oie kritische Periode, in der sich die Republik befindet, schafft der sozialistischen Partei eine bedeutende Rolle, legt ihr große Pflichten auf. Die erste, die dringendste besteht darin, daß sie alle ihre Kräfte ohne Ausnahme für die fried- liche und entscheidende Schlacht der allgemeinen Wahlen einigt und konzenlrirt." Der Redner erinnert daran, daß er schon seit langer Zeit eine solche Taktik verfolgt habe, bei der Wahl L a s a r g u e zu Lille , in einer großen Versammlung zn Lyon und noch letzthin bei der Ersatzwahl zu Carmaux; jetzt sei er zu dem Meeting gekommen, um m Paris dieselbe Pflicht zu erfüllen und den Sozialisten aller Schattirungen, aller Schulen zuzurufen:„Einigt Euch, vergeßt alle Meinungs- Verschiedenheiten der Vergangenheit, hört auf mit den unsrucht- baren Vorwürfen. Die Verhältnisse sind zu ernst, als daß Ihr das Recht hättet. Euch denselben hinzugeben." Alle stimmten ja darin überein, fährt er fort, eine neue politische Verfassung zu verlangen,„einen demokratischen Organismus, wo die Souverämtät des Volkes durch häufige Wahlen, durch die Einführung des Referendums wie in der Schweiz , durch eine weitgehende Dezentralisation, durch die direkte Vertretung der Arbeits- interessen wirklich gesichert wird." Gleichfalls sei man einig in der Forderung der Revision aus sozialem Gebiete zur Beseitigung der Klassengegensätze, die trotz aller Ab- leugnung in Wirklichkeit sich rauh genug fühlbar machten. Reden der Einigkeit läge der sozialistischen Partei eine andere Pflicht ob, die nämlich,„die Ruhe, die Kaltblütigkeit und die volle Selbstbeherrschung zu bewahren"; niemand solle sich durch die Herausforderungen der Aktionäre zu Unbesonnenheiten verleiten lassen. Mit Naturnothwendigkeit werde aus der kapita- listischen Fäulnis, wie sie der Panamaskandal blosgelegt, wie aus einem befruchtenden Düngerhaufen der kräftige und berrliche Baum des Sozialismus h'ervorsprossen, der in seinem Schatten den künstigen Geschlechtern eine Zuflucht gewähren wird. Millerand schließt unter rauschendem Beifall mit den Worten: „Es lebe die sozialistische Einigkeit zur Erringung der sozialen Republik !" Ihm folgt Genosse Guesde auf der Redner- tribüne; derselbe erklart sich mit den Worten seines Freundes Millcrand vollkommen einverstanden; es sei Zeit, die Streitereien der Vergangenheit zu begraben: seine Partei habe diesen Stand- pur.kt seit lange offiziell in ihrer Presse und aus ihren Kon- gressen vertreten; man soll nicht mehr fragen: Seid Ihr seiner Zeit mit Boulanger gegangen, oder habt Ihr Euch aus Seiten der Republikaner gestellt? Die Vergangenheit sei tobt, man solle an die Gegenwart und Zukunft denken. Mit dem Rufe:„Es lebe die konstituirende Versammlung, es lebe die soziale Revision!" verläßt er die Tribüne; reicher Beifall folgt seinen Schluß- worten. Die weiteren Redner, unter denen wir die Abgeordneten Ferro nl, E. Roche , Granger und C h i ch 4 hervor- heben, geben ähnliche Erklärungen ab; die Genossen F e r r o u l und R o u s s e l betonen namentlich den internationalen Charakter der Bewegung. Seit langer Zeit hat in Paris kein Meeting einen so imposanten Eindruck gemacht, und es ist zu erwarten, daß die Bewegung, welche diese mit großer Begeisterung aus- gesprochenen und aufgenommenen Gedanken in Thaten umsetzen wird, ein gut Stück opportunistischer Faulniß bei der nächsten Wahlschlacht wegfegen wird; gelangt auch keine sozia- listische Majorität in die Kammer, so ist doch eine starke Minorität vollauf im stände, gestützt auf die Pariser Arbeiter- bevölkerung, die kapitalistische Regierungsmaschine, welche schon jetzt bedenklich stockt, gänzlich lahmzulegen.— Ter sozialistische Sludentenverein von Paris hat beschlossen, eine öffentliche Versammlung einzuberufen, um gegen die Ver- Haftung und Ausweisung der polnischen Genossen, über die wir kürzlich berichteten, Protest zu erheben. Die Genossen G ueSde, L a f a r g u e»nd V a i l l a n t haben bereits»besprochen, in diesem Meeting als Redner aufzutreten.— Die allgemeine Mohrenwäsche hat in Paris noch nicht begonnen— die Herren Beklecksten stecken noch zu tief in der Tinte;— inzwischen ist eine Mohrenhetm- wüsche in vollstem Gang. Herr von Mohrenheim ist der russische Gesandte und er wurde beschuldigt, Panamagelder geschluckt zu haben. Den französischen Chauvinisten ist das fatal,— sie suchen ihren Mohrenheim weiß zu waschen; wir aber erinnern uns der klassischen Worte„Bäterchens" Nikolaus:„In meinem Reich stiehlt Jeder, außer mir." Und Herr Mohrenheim hat zwar einen deutschen Namen, ist aber ein guter Russe.— Ueber den Arbeiterkongrest in Bradford — siehe unseren Brief aus England— wird uns aus Bradford, 6. ck. 14. Januar, geschrieben: Der Kongreß zur Gründung einer unabhängigen Arbeiter- Partei ist von 1l5 Delegirten besucht, von denen 91 denselben Namen tragende Lokalvereiniguugeii vertraten, die in Hinblick auf die Konstituirung einer solchen Partei bereits ins Leben ge- treten sind. 11 Delegirte gehören der„Fabian Society " an, 4 Lancashirer Sektionen der Sozialdemokratischen Föderation, und 7 sind von zentralisirten Arbeiterorganisationen geschickt. Zum Vorsitzenden wurde mit großer Majorität Keir Hardie gewählt, zum zweiten Vorsitzenden W. H. Drew von Bradford. Von über England hinaus bekannten'Persönlichkeiten aus der sozia- listischen und Arbeiterbewegung Englands sind nur wenige anwesend, die Meisten verhalten sich aus den in meinem letzten Schreiben entwickelten Gründen ab- wartend. Andererseits ist auch H. H. Champion nicht auf dem Kongreß erschienen, sondern hat sich mit einem Glückivunsch-Schreiben an denselben begnügt. Doch ist der Kongreß insofern angemessen besucht, als Delegirte aus allen Distrikten Englands.anwesend sind und alle namhaften Fraktionen der Arbeiterbewegung, wenn auch nicht in gleich an- gemessener Stärke vertreten sind. Die Delegirten der unab- hängigen Arbeiterpartei sind zum großen Theil zugleich Beamte von Trades Unions«. Das Ardeiterelement überwiegt ent- schieden.' Von mehr geschäftlichen Angelegenheiten abgesehen, wurden am ersten Tage zwei Punkte von Bedeutung erledigt: Die Frage > des Namens und Ziels der Partei»nd die Frag» ihrer Orga-
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