gleichgültigsten Spießbürger in den Hauptstraßen des Ostens ahnten, daß sich etwas Ungewöhnliches abspielen müsse. In den Polizeiwachen herrschte ein lebhaftes Treiben. Bald kamen Trupps von Schutzleuten heraus und strebten eiligen Schrittes irgend einem unbekannten Ziele zu, bald wieder kamen Trupps von Ordnungswächtern irgendwoher und verschwanden im Wachlokal, um die reguläre Be- setzung desselben zu verstärken. Fliegende Polizeiwachen waren in verschiedenen Häusern errichtet, besonders in den Nebenräumen der Versamnilnngssäle und in der Nachbarschaft derselben. An den Kreuzungen der Hauptstraßen standen starke Posten, mitunter 15— M Mann zählend. Polizeioffiziere, den Mantel in Feldherrnpose um die Schultern gehängt, kontrollierten die ausgestellten Posten und erteilten Befehle. Alles schien bereit,„den Feind" zu erwarten. Neugierig, der Dinge harrend, die sich ereignen sollten, standen die Geschäfts- leute vor den Ladentüren und behäbige Bürger schauten aus den Fenstern. Da. auf einmal kommt eine nervöse Bewegung in die Polizeimannschafte«. Der„Feind" naht. Der Feind, der dem preußischen Dreiklassenunrecht den Krieg erklärt hat.— Eine nach vielen Tausenden zählende Menge, Männer und Frauen des Proletariats, bewegt sich in zwanglosem Zuge, von der Koppenstraße kommend, die Frankfurter Straße entlang nach dem Strausberger Platz zu. Es sind die von der Ver- sammlung bei Keller Ausgesperrten.— Der Zug will in die Weberstraße einbiegen, wo ebenfalls eine Versammlung stattfindet.— Die Polizei bildet eine Kette und sperrt die Straße. Die Demonstranten wenden sich nach der Strausberger Straße, ein Teil gelangt in dieselbe. Die Schutznmnnskette lockert sich. Der andere Teil des Zuges gewinnt die Weber- stratze, aber in Boekers Saal ist auch kein Platz mehr. In der Landsberger Allee treffen die getrennten Gruppen wieder zusammen. Auch das„Elysium" ist bereits abgesperrt. Nach der Petersburger Straße geht's, dann diese und die Warschauer Straße entlang. Eine kleine Abteilung von Schutzleuten läuft neben dem Zuge und hindert ihn, nach dem Innern der Stadt zu gelangen, ist auch wohl bemüht, den imposanten Zug zu teilen und nach verschiedenen Richtungen zu drängen. Aber es gelingt nicht. Die Massen halten zu- sammen und gehen gemessenen Schrittes ihres Weges. Jedesmal, wenn der Zug in eine Seitenstraße einbiegen will, sperrt die Polizei dieselbe, bis der letzte Mann des Zuges vorüber ist. Dann rennen die Schutzleute im Laufschritt um die Spitze des Zuges zu erreichen und die nächste Seitenstraße zu sperren, damit die Demonstranten nur ja nicht nach dem Stadtinnern gelangen. Es könnte ja sonst die Ruhe der blockseligen Spießbürger gestört werden. Draußen im Osten mag das Proletariat sich au der Straße bewegen, da ist ja sowieso alles sozialdemokratisch „verseucht". Aber der„ruhige Bürger" in den besseren Stadt- gegenden darf beileibe nicht erfahren, daß die sozialdemo- kratische Arbeiterschaft gegen die Dreiklassenschmach demonstriert. Das war ein Eifer, den die Polizei bei dieser an- gestrengten Tätigkeit zum Schutze der„heiligen Ordnung" entfaltete. Die Beamten kamen dabei in eine hochgradige Aufregung.„Nicht stehen bleiben."—„Machen Sie, daß sie weiterkommen."—„Hier dürfen Sie nicht durch", so schallte es im derbsten Unteroffizierston. Keine Spur von der Höf- lichkeit, die der scheidende Polizeipräsident der Berliner Schutzniannschaft angewöhnt haben soll. Mit überlegenem Lächeln schauten unsere Genossen auf die nervöse Erregung der bewaffneten Ordnungshüter und gingen unbekümmert weiter. Auch in anderen Gegenden des Ostens und Südostens entfaltete sich dasselbe Bild. Taufende und Abertausende zogen von einem Versamnilungslokal zum anderen, fanden aber nirgends Einlaß und füllten deshalb die Straße. Nach dem Schluß der Versammlungen gab es abermals endlose Menschenströme, die auf kurze Zeit die Straße be- völkerten. Hochrufe auf das allgemeine Wahlrecht ertönten. Hier und da bildeten sich Gruppen, die ihren» Heim zustrebten unter dem Gesang des Verses:„Das freie Wahlrecht ist das Zeichen, in dem wir siegen I" »« * Die Bororte. Bei Obst in S ch ö n e b e r g, wo Fritz Z u b e i l als Redner austrat, begann schon um 7 Uhr die Zuwanderung. So einsam und menschenleer es in der weiteren Umgebung war, so rege entwickelte sich das Treiben an jener Ecke der Meininger- und Martin Lutherstraße und durch die großen Tore an beiden Straßen zog die Menge gegen 8 Uhr in iminer größeren Trupps ein und füllte schnell die Versanim- lungshalle. Nicht gering war die Zahl der Frauen unter den Besuchern, die mit ihren Männern gemeinsam an der Versammlung teilnehnien wollten. Das bei Veranstaltungen der Partei immer gut besuchte Volkshaus in Charlottenburg war natürlich auch diesmal das Ziel großer Arbeiterscharen. Von 8 Uhr an begann ein Kommen und Gehen, denn das Lokal war a b- gesperrt, aber jeder versuchte sein Glück und hoffte, in einem Nebensaal sich noch ein Plätzchen zu sichern, was auch manchem gelang. Die Polizei war ziemlich stark vertreten: man konnte 8 bis 10 Polizisten in Uniform außerhalb der Versammlungshalle und vor dem Volkshaus zählen.— Die Menge, die keinen Einlaß mehr erhielt, zerstreute sich bald wieder, befriedigt von dem guten Erfolg der Veranstaltung. Im Volkshaus sprach der Reichstagsabgeordnete Genosse Bö h l e> Straßburg . In der Hasenheide! Nahe dem Hermannplatz, an der Grenze R i x d o r f s, der Proletarierstadt, liegt ein großer Versammlungssaal. Schrägüber der„Neuen Welt", dem historisch denkwürdigen Ort, wo 1903 die weltbekannt gewordene Vierundzwanzig- stundenwahl zum preußischen Landtag stattfand, die Herrn v. Stubenrauch soviel zu schaffen machte. Schon sehr früh finden sich eine Anzahl Frauen und Männer vor dem noch verschlossenen Portal ein. Nach und nach erscheinen immer mehr der Demonstranten und Demonstrantinnen, denn auch die Frauen sind ans dem Posten. Verwundert blicken sie und die Passanten auf die vielen Polizeibeamten, zunächst soviel Offiziere als Mannschaften. Man merkt, es ist der führende Stab einer irgendwo ver- borgenen größeren Schar. Bald nach 8 Uhr verändert sich das Bild. Nicht mehr vereinzelt und in Grllppchen, sondern in langen, losen Zügen rücken durch die Hasenheide die Ar- beiter heran. Im Nu heißt's:„Kliems ist gesperrt." Eine Menschen- mauer ziert den Bürgersteig und Hundert um Hundert kommen hinzu. Aha, die Revolution ist da! Die Schutzmannschaft ist verdoppelt, wie aus dem Boden gewachsen. Jetzt geht's Kom- mandieren los.„Weiter gehen, weiter gehen, meine Herren: es darf niemand stehen bleiben!" Man bewegt sich hin und her. Energischere Töne werden laut. Ein befreiendes Lachen antwortet. Und man bewegt sich wieder. Was hallt nun auf dem schneeverzuckerten Steinpflaster? Ein ganzes Regiment von Schutzleuten marschiert auf. In Schritt und Tritt— in Schritt und Tritt. Beide Seiten der Straße werden damit garniert. An der Jahnstraße und am Hermannplatz bilden sich dichte Schutzmannsketten über die ganze Straße hinweg.„Niemand ist durchzulassen, höchstens Damen!" So befiehlt ein Offizier. Die Demonstranten werden nach beiden Seiten verdrängt.„Weiter gehen!" heißt es. Ferner:„Wer zum zweitenmal getroffen wird, ist festzunehmen!" Später wird auch„festgenommen", obwohl man sich ruhig und würdig verhält. Tie Straßenpolizeiverordnung schwebt über dem Ganzen. Unsere Genossen gehen außerhalb der Kette spazieren. Nehmens nicht so tragisch. Aber so mancher fromme Spießer schlägt die Hände über dem Kopf zusanunen und räsonniert über die Polizei. Die freundlichen Worte verschweigen wir lieber. In Rixdorf beherrschten in diesen Stunden die demon- strierenden Proletarier das Straßenbild. Die beiden Ver- sammlungen überfüllt. Was blieb da den anderen Ge- nassen und auch vielen Genossinnen übrig, als ihr Verlangen nach einem gerechten Wahlrecht durch Spaziergänge zu zeigen. Ju langen, langen Reihen taten sie eS. U e b e r a l l. in den im hellen Lichterglanz erstrahlenden Hauptstraßen und auch in düsteren Straßen- zügen, wo die Arbeiterschaft wohnt, begegnete man ihnen. Die behelmte Kette an der Hasenheide, deren wir schon oben rühmlich gedachten, bot ihnen ein Halt. In Rixdorf selbst ließ die Polizei sie ruhig passieren. Nur nach dem Schluß der Versammlungen ging die heilige Hermandad vor gegen die ruhig und ernst, eingedenkt der großen Sache, Dahinwallenden. Dies Vorgehen war aber mehr ein Ab- lenken. Durch Chainebildung lenkte man die Ströme von den Hauptstraßen ab und drängte sie in Nebenstraßen. In- dessen war ja nun auch erreicht, was die Entrechteten wollten. Ihr Wille nach Gleichberechtigung war allgemein gesehen worden. Wo man hinhörte, wurde die Wahlrechtsfrage dis- kutiert. * lieber die Vorgänge in den Sälen liegen uns folgende Einzelberichte vor: Erster KreiS. Die Versammlung bei D r ä s e l wurde bereits um 1�3 Uhr abgesperrt. Zirka 450 Frauen und Männer waren anwesend, Hunderte mußten umkehren. Die Galerien durften nicht besetzt werden. Der Herr Leutnant konnte dieselben nicht übersehen. Unter brausendem Beifall der Anwesenden übte Genosie E b e r t eine ausgezeichnete, vernichtende Kritik an dem preußischen Wahl- system. In der Diskussion sprach Herr v. G e r l a ch, der betonte. daß er im Prinzip mit der Sozialdemokratie vollständig einig sei mit der Beseitigung deS preußischen Wahlgesetzes. DieS läge auch im Interesse des fortschrittlichen Bürgertums. E b e r t hielt den Freisinnigen ihre Sünden vor und erklärte auch, daß der kleine Anhang deS Herrn v. Gerlach in unserem ernsten Kampfe nicht mitsprechen könne. WolderSki verstärkte noch diese Aus- führungen durch ein packendes Schlußwort mit einem stürmischen Hoch auf die internationale Sozialdemokratie. Zweiter Kreis. KliemS Festsäle in der Hasenheide waren bis auf den letzten Platz gefüllt. 2000 Personen waren anwesend. Schon um SV- Uhr wurde die Versammlung abgesperrt. Das Referat des Reichstag abgeordneten Sachse wurde mit starkem Beifall aufge- nommen. Eine Diskussion fand nicht statt. Resolution einstimmig angenommen. Die Versammlung bei Zühlke in der Dennewitzstraße war von über 1000 Personen besucht und wurde gleich nach 8 Uhr poli- zeilich abgesperrt, so daß Hunderte von Wahlrechtsdemonstranten keinen Einlaß mehr fanden. Referent war Genosse G r u n w a l d. Dritter Kreis. In den A r m i n h a l l e n füllte eine an 1500 Köpfe zählende Menge, worunter man insbesondere zahlreiche Frauen erblickte, von früher Stunde an das letzte Plätzchen deS großen Saales. Gespannt lauschte die Menge den vortrefflichen Ausführungen des Genossen Dr. Wehl. In der Diskussion erklärte Dr. Breitscheid, daß e r so- wohl wie eine Reihe seiner Freunde heute abend in allen Berliner Versammlungen Erklärungen zugunsten dcS allgemeinen Wahlrechts für Preußen abgeben. Er erklärt das allgemeine, gleiche. geheime und direkte Wahlrecht in erster Linie für ein liberales Ideal. Herr Dr. B r e i t s ch e i d machte dann unter anderem Pro- paganda für die heutige Versammlung seiner Partei, die in dem- selben Saale stattfinden soll. In seinem Schlußwort antwortete der Referent Herrn Dr. Breitschcid, er möge die Belehrung, die er heute zum besten gab. doch mit mehr Erfolg als bisher bei seiner Partei an- bringen. Genosse Wehl legte besonderen Wert darauf, zu be- tonen, daß eS ja eben eine besondere Schmach sei, daß die Sozial- demokratie erst liberale Forderungen vertreten müsse, wozu das Bürgertum unfähig sei. In der im Gewerkschaftshause abgehaltenen, von 1500 Personen besuchten Versammlung hielt Reichstagsabg. Severing- Bielefeld das einleitende Referat. Nachdem die vorgeschlagene Resolution einstimmig angenommen worden, empfahl der Vor- ätzende Pohl der Versammlung an den Reichskanzler Bülow, den Vorsitzenden deS Landtages Herrn Kröcher und an die Ab- geordneten Kopsch und Goldschmidt, welche den 3. Kreis im Land- tage vertreten. Depeschen zu senden, worin die Einführung des allgemeinen, gleichen, geheimen Wahlrechts gefordert wird. Dieser Vorschlag wurde mit großem Beifall aufgenommen. Vierter KreiS. Der Saal der„U r a n i a" in der Wrangelstraße, dessen Galerien sonst seitens der Polizei nicht freigegeben wurden, war von 1500 Personen, worunter auch die Frauen stark vertreten, ge- drängt gefüllt. Tausende organisierter Genossen kehrten um, um anderen Platz zu machen. Die Polizei hat sich bemüht, so viel Personen, wie irgend möglich, einzulassen, um eine Absperrung zu verhindern, was doch geschehen mußte. Das Referat des Genosse* M o h s fand lebhaften Beifall. Der Verlauf der Versammlung war ein imposanter. Die„Drachenburg " vor dem Schlesischen Tor war ge- drängt voll, als der Genosse S ch e i d e m a n n das Wort nahm. Der Resolution wurde begeistert zugestimmt. Die Versammlung wurde gegen 8 Uhr abgesperrt. Tausende fanden keinen Einlaß und machten den Versuch, andere Lokale zu erreichen, fanden diese aber fast alle ebenfalls abgesperrt Bei B oeker in der Weberftr. 17 referierte Genosse Müller vor überfiillter Versammlung. Es herrscht Kampfcsstirniming. Auf der Slraße wogte eine nach Tausenden zählende Menge hin und her. Der große Saal des„Elysium§" in der Landsberger Allee war lange vor Beginn abgesperrt. Mehr als 1000 Personen, Männer und Frauen(letztere waren besonders zahlreich erschienen) hatlcn Einlaß gefunden Eine nach mehreren Tausenden zählende Anzahl mußte wieder umkehren, nachdem sie längere Zeit vergeblich auf der Straße gewartet hatte. Auch die Polizei war in einer Stärke von mindestens 20 Mann erschienen, die sich in einem Nebenraum lang- weilten. Im Saal wurden die Ausführungen des Referenten Vesper mir großem Interesse verfolgt und oftmals durch lebhaste Beifallsbezeugungeu unterbrochen. Die in Kellers Fcstsälen, Kovpenstr. 29 tagende Versammlung bot ein imposantes Bild. Mhidesteus 3000 Frauen inid Männer füllten den gewaltigen Raum. Ilm 73/4 Uhr wurde der Saa! polizeilich abgesperrt. Tausende mußten wieder umkehren. In fesselnder Weise, oft von großem Beifall unterbrochen, entledigte sich der Genosse Hugo H e i m a n n seiner Ausgabe. Reicher Beifall am Schluß lohnte den Redner. Eine Diskussion fand nicht statt. Die Resolution fand einstiminige Annahme. Die Versammlung in den M a r k g r a f e n- S ä l e n am Markgrafendamm war von zirka>000 Personen besticht und um 9 Uhr polizeilich abgesperrt. 300— 400 Personen bekamen keinen Einlaß. Genosse Silberschmidt forderte in zündenden Worten die zahlreich anwesenden Frauen und Männer auf, sich ihr Wahl- recht zu erkämpfen. Mit einem Hoch auf die deutsche Sozialdemo- kralie schloß der Vorsitzende die überfüllte Versammlung. .Fünfter KreiS. Die Versammlung im abgesperrten Saale deS Alten Schützenhauses verlies als eine machtvolle Demonstration der rechtlosen Preußen. In drangvoller Enge lauschten die zahllosen Anwesenden den Ausführungen des Reichstagsabg. Hildenbrand, der unter stürmischen Ausbrüchen des BeisallS die Junkerherrschaft in Preuße» geißelte. An charalteristischen Beispielen zeigte er, wie sich die Süddeutschen ihr Recht erobert, haben und forderte mit hin- reißenden Worten die Versammelten auf. die Mainlinie der Rechtlosigkeit zu beseitigen.— Telegramme, die das gleiche Wahlrecht fordern, wurden abgesandt an die Abgeordneten des IV. Landtagswahlkreises Cassel uild Max Schulz. An den Präsidenten v. K r ö ch e r wurde ein Telegramm entsandt unter Hinweis auf den Pialm 94, Bers 15. An den Ministerpräsidenten Fürsten v. Bülow tele- graphierte man: Ueber 1000 rechtlose Preußen verlangen wie Süd- deutsche behandelt zu werden. Heraus mit dem allgemeinen gleichen direkten und geheimen Wahlrecht für Preußen. Sechster Kreis. Die Versammlung in FröbelS Allerlei-Theater, Schönhauser Allee 148, war lange vor Beginn der Versammlung abgesperrt, obgleich sämliche Tische entfernt waren. Die Aus- führungen des Genossen Borgmann wurden durch stürmische Zustimmungsrufe oftmals unterbrochen. Die vorgeschlagene Rc- iolution wurde einstimmig angenommen. Sicherheitsbeamte zu Fuß und zu Pferde waren in genügender Zahl anwesend. Ihr hauptsächliches Augenmerk war darauf gerichtet, den Zug nicht nach der Stadt zu lassen. Eine fliegende Wache war gleichzeitig in der Chorinerstr. 40/47 bei Bäckermeister Kriem stationiert. Die bei Bernhard Rose auf dem Gesundbrunnen tagende Versammlung war derart besucht, daß bereits um 7Va Uhr der Saal polizeilich abgesperrt wurde. 1100— 1200 Personen, darunter sehr viele Frauen, füllten den Saal und die Galerien, während viele Hunderte keinen Zutritt mehr fanden. Genosse Dr. Silber- st e i n- Rixdorf referierte in einer vielfach von Beifall unter- brochcnen einftundigen Rede. Die vorgeschlagene Resolution wurde einstimmig angenommen. Die Versammlung bei Wilke, Brunnenstraße 188, wurde bereits um 7% Uhr abgesperrt. Tausende fanden keinen Einlaß. Ueber die Hälfte der Versammlungsbesucher bestand aus Frauen. Das Referat des Genossen P o c tz s ch fand begeisterte Aufnahme und wurde die verlesene Resolution einstimmig angenommen. Nach einem kräftigen Appell des Vorsitzenden Genossen Bittorf erfolgte Schluß der Versammlung und unter dem Gesang„Das freie Wahl- recht ist das Zeichen" leerte sich nur langsam der Saal. Der große Saal der Norddeutschen Brauerei war bereits um 8 Uhr überfüllt. Zirka 700 Frauen und Männer waren anwesend. Tische und Stühle mußten entfernt werden, um immer neuen Massen Platz zu machen, bis dann schließlich abgesperrt werden mutzte. Eine große Menge wogte draußen vor der Tür auf und ab; auch die Frauen waren zahlreich erschienen. Genosse S t r ö b e l brandmarkte in kernigen Worten die Schmach des Dreiklassenwahlrechts. Gegner meldeten sich nicht zum Wort. Die Resolution wurde angenommen. Mit dem üblichen Hock schloß der Vorsitzende die imposante Versammlung. Kurz nach 8 Uhr wurde die Versammlung im Kolberger Salon abgesperrt. Bis 9 Uhr mußten zirka 1000 Per» sonen unverrichleter Sache abziehen. Vor dichtgcfülltcr Versammlung, an der über 800 Männer und Frauen teilnahmen, geißelte der Referent Gustav Bauer in kräftigen Zügen die un- gerechten und unhaltbaren Zustände in Preußen, welche der über- großen Mehrheit des preußischen Volkes jeden Einfluß auf die Gesetzgebung nehmen. Die Resolution wurde einstimmig äuge- nommen. Unter Hochrufen auf das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht und auf die internationale Sozialdemokratie und unter Absingen der Marseillaise leerte sich der Saal langsam. Die Stim- mung war begeistert. In den PharuS-Sälen sprach Genosse Ledebour vor 1500 Personen. Die Versnmmlung wurde zeitig abgesperrt. Tische und Stühle mußten aiiS dem Saale entfernt werden. Vor dem Lokale wogte noch eine mehrtausendlöpfige Menschenmenge auf und ab. Die Versammlung im Moabiter GesellschaftShaus war bereits um Vfe8 Uhr schon überfüllt. Nach Entfernung sämt- licher Tische mochten wohl 4000 Personen, darunter viele Frauen. anwesend sein. Da die Polizei sich, anders wie in früheren Fällen, hartnäckig weigerte, abzusperren, so sahen sich die Parteigenossen, um Unfällen vorzubeugen, genötigt, selbst die Absperrung vor- zunehmen. Tausende konnten deswegen keinen Einlaß mehr ünden. Der Referent war der ReichstagSabgcordnete Richard Fischer. Lebhafter Beifall bezeugte die Zustimmung der Ver- sammelten zu seinen Ausführungen. Von einer Diskussion nahm die Versammlung nach dem eindrucksvollen Vortrag Abstand. Auf der Stratze waren noch über 2000 Personen. Die Polizei ver- hielt sich sehr zurückhaltend. Im Teltower Kreise haben 22 Versammlungen stattgefunden. AuS allen Berichten, die uns zugegangen, erhellt, daß der Verlauf der DemonstrationS - Versammlungen ein ausgezeichneter war. Die Säle konnten die Teilnehmer kaum fassen, vielfach wurde abgesperrt. Die Versammlung in Eharlottenburg fand im Volkshause statt. Die Teiluehmerzahl betrug>500. von denen nur 800 Frauen und Männer im Saale Platz finden konnten. Die Polizei hatte abgesperrt. Schöncberg. Die von über 1500 Männern und Frauen be- suchte, imposant verlaufene Versammlung im Obstschcn Lokale nahm die begeisternden Ausführungen des Genossen Fritz Zubeil mit stürmischem Beifall entgegen. Hunderte erlangten keinen Zu- tritt zu dem polizeilich abgesperrten Saale. Unter Absingung der Marseillaise ging die Versammlung in vorzüglicher Stimmung auseinander.— Trotz des überaus schneidigen Auftretens eines anwesenden Polizeibeamten ereigneten sich keine Zwischenfälle.
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