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Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.
Lernet! Thr seid gewarnt!
Heute mittag 12 Uhr wird das preußische Privilegierten parlament die Frage der Wahlrechtsreform behandeln. Fürst Bülow hat das Wort. Und der Freifinn hat es in der Hand, sein Geschick zu schmieden.
Wird die Regierung dem Drängen des Volkes Rechnung tragen? Wird der Freisinn noch in letzter Stunde ernste Selbsteinkehr halten? Oder wird er sich in wahnsinniger Verblendung sein eigenes Grab schaufeln? Die nächsten Stunden schon werden die Entscheidung bringen!
Der Freisin weiß, was für ihn auf dem Spiele steht Er weiß, daß jedes Zugeständnis an die Reaktion schändlichster Volksverrat ist. Seine eigenen Führer haben das ausgesprochen! Herr Naumann erklärte am 31. Juni 1907:
„ Heute muß einfach gefordert werden: das Reichstagswahlrecht für Preußen."
Freitag, den 10. Januar 1908.
sammlungen ihren Willen bekundet! Sie haben das volle, unverkürzte Wahlrecht gefordert!
Bird man es wagen, diesen Volkssturm verächtlich zu ignorieren?!
Wir warten es ab. Mögen die Privilegierten und Herrschenden die Verantwortung auf sich nehmen. Die Entrechteten, d. h. die übergroße Mehrheit des Volkes wird die Schuldigen unerbittlich zur Rechenschaft zichen!
30 Millionen von 37 Millionen in Preußen sind Besiz. lose, Entrechtete! Die ungeheuere Mehrheit des Volkes wird um das Banner des allgemeinen, gleichen Wahlrechts geschart werden! Die Sozialdemokratie wird sie organisieren, wird ihren Anprall unwiderstehlich machen!
Wenn nicht mit dem Freisinn, so wird über den Freisinu hinweg die Bahn zum allgemeinen und gleichen Wahlrecht führen!
Das entrechtete Bolt hat gesprochen!
Nun hat die Regierung, hat der Freifinn das Wort! Aber das letzte Wort hat das Volk! Allen Nugnießern und Handlangern der volksentrechtenUnd Herr Friedrich Payer bekräftigte das mit den den, volksausbeutenden Reaktion sei es gesagt:
Worten:
" Jch teile die Ansicht Naumanns, daß tein Liberaler eine andere Forderung stellen kann, als die der Einführung des Reichstagswahlrechts für Brenßen."
Und Herr Albert Traeger schrieb am 20. August 1907 im Berliner Tageblatt":
Boltes!
Lernet! Ihr seid gewarnt!
Groß- Berlin im Wahlrechtskampf.
man
Die
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Ferusprecher: Amt IV, Nr. 1984.
Bevölkerung des Nordens war in unzählbaren Massen auf den Plan getreten, um die Grundlage alles Staatsbürgertums, um ihr Wahlrecht zu fordern. Lokale, Riesensäle, die diesen Massen auch nur einigermaßen ausreichend Raum gewähren könnten, gibt es ja nicht und kann es wohl auch nicht geben. So spielte sich die Wahlrechtsdemonstration zu einem guten Teil auf den Straßen und vor den überfüllten Sälen ab. Und es begann zeitig, dieses Hin- und Herwogen der, Massen, die reichlich früh vor Beginn der Versammlung und doch zu spät gekommen waren, um noch Einlaß finden zu können.
Wer nach 7 Uhr die Schönhauser Allee hinaufstieß schon auf Massen von Männern und Frauen, die auch wanderte oder herunterkam von der Pankower Grenze, der lieber im warmen Saale den Worten des Redners gelauscht hätten, statt im Schneewetter draußen zu bleiben, um so wenigstens zu zeigen, daß auch sie begriffen hatten, um was es sich handelte. Der Hauptzustrom sollte aber noch kommen. Immerwährend eilten neue Scharen herbei und von Minute zu Minute wuchsen die Menschenmassen.
Drüben am Gesundbrunnen waren die Wahlrechtsforderer nicht weniger massenhaft angetreten. Auch hier ein Gewoge Unzähliger in der Umgebung und vor den gesperrten Lokalen. In eifrigem und ernſtem Gespräch begriffen, ging man gruppenweise auf und ab. Ueber das Wahlrecht sprach man. Werden die Demonstrationen den gewünschten Eindruck machen? Werden die Machthabenden endlich zu Vernunft kommen, dem Drängen der Entrechteten nachgeben? Oder sind andere, stärkere Mahnungen notwendig? Alles das, und andere Schäden und schreiende Mißstände des Staatswesens wurden eifrig besprochen. Aber aus allem flang der unerschütterliche, auf das allgemeine, gleiche Wahlrecht gerichtete Volfswille.
Zwischen den dunklen Massen der Wahlrechtsforderer ,, Gerade hinsichtlich der Einführung des Reichstagswahlrechts tauchten hier und da Pickelhauben auf, deren Träger scheinin Breußen tann und darf der Freifinn feinen Schritt zurückweichen, bar besorgt waren, daß man sich kalte Füße holte. Oben am auch nicht das geringste Zngeständnis machen. Alles oder nichts! Wedding schien es, als hätte die Polizei wieder einmal lautet hier die Parole, denn jedes Weniger ist nichts!" Gefahr für den berühmten preußischen Staat gewittert. Die Der Freifinn weiß also, was auf dem Spiele steht! Es wo man auch unter günstigeren äußeren Verhältnissen nicht ofale waren natürlich auch da lange vor Versammlungserwarten konnte, daß derartige Volksmassen, wie etwa in beginn abgesperrt. Nun zogen selbstverständlich die Menschenhandelt sich um das fundamentalste Recht des preußischen Nixdorf oder dem Norden und Osten der Niesenstadt dem Rufe mengen von einem Lokal nach dem nächstliegenden, dann nach der Partet folgen, felbst da fonnte boll dem fernerliegenden, sogar nach dem Gesundbrunneu hinüber. Niemals waren die Chancen günstiger zur Er- befriedigt sein von der Teilnahme der Massen an Besonders aber ging ein Menschenstrom von der Kolberger ringung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts! Die Re- den Veranstaltungen zum Proteft gegen das bestehende Straße nach der Chausseestraße. Das tam der Polizei offengierung muß nachgeben, wenn der Freifinn auf dieser Forde. Wahlunrecht. Die Agitation unserer Genossen hatte auch bar gefährlich vor. Sie sperrte den Zugang zur Wiesen- und hier ihre reichen Früchte getragen. Für Taufende gab es zur Hochstraße ab. Vor der Norddeutschen Brauerei ging rung, die ihm sein eigenes Programm vorschreibt, verharrt! nach getaner Tagesarbeit nichts anderes, was sie so ganz in das Gerücht, die Versammlung in Raabes Salon sei aufgelöst. Widerstrebt die Regierung, so braucht der Freifinn nur die Anspruch nehmen konnte, als hier mitzuhelfen, wo die Partei Man meinte das, weil so sehr viele Menschen dorther kamen. 85 Prozent der Rechtlosen mobil machen zu helfen, um die zeigen mußte, daß sie die Massen herausholen kann, wenn Es waren aber alles solche, die Wahlrechtsbewegung unwiderstehlich zu machen! sie ihren Ruf erschallen läßt. Und so erstanden überall eifrige fie mitzureißen suchten. Agitatoren, die die Säumigen und Lässigen aufrüttelten und
Volkes?
-
Hindernis.
wegen Ueberfüllung keinen Einla
Ob freilich der Freifinn will? Ob die Macher des Freigefunden hatten und nun in dem größeren Lokal Unterkunft sinns, die Börseaner, Industriellen, Groß- Wenn Nässe, Kälte, Sturm manchen abgeschreckt haben suchen wollten. taufleute usw. es ernst meinen mit den Rechten des mag, nach den Versammlungen zu eilen und seine Stimme Größer noch und lebhafter wurde das Gedränge in den zum Protest mit in die Wagschale zu werfen, so wurde doch verschiedenen Stadtteilen, als die Versammlungen zu Ende bei Tausenden das Pflichtbewußtsein der Partei gegenüber waren. In Moabit waren auch ungeheure Massen erDie Freisinnspresse hat bereits schmählich abgewiegelt! geschärft durch die Sorge, daß die Bewegung durch die schienen, wohl mehr denn doppelt so viel als Einlaß finden Offizielle Fraktionsorgane haben bereits die beispiel- äußeren ungünstigen Einflüsse geschwächt werden könnte. Und fonnten in dem geräumigen Saal. Viele warteten geduldig, Iose Dummheit oder war es beispiellose das durfte nicht geschehen, darüber war man sich einig. um später von den glücklich Hineingekommenen zu erfahren, Niedertracht?!- begangen, der Regierung zu versichern, Gerade jetzt, am Vorabend der Beratung im Abgeordneten wie die Versammlung verlaufen war. Als der Saal sich endlich hause, mußte der Protest gegen das verhaßte Wahlrecht 3 leeren begann, war die Wiclefstraße von Menschenmassen daß der Freiſinn sich selbst mit den bescheidensten zu hunderttausendstimmig erschallen. Und so war den Männern voll. Die Polizei war eifrig bestrebt, Bewegung in die Massen geständnissen zufrieden geben werde! Heißt das nicht und Frauen, die ihr Ziel fest im Auge hatten und sich bewußt zu bringen. Man fügte sich selbstverständlich. Plötzlich erschollen, die Reaktion in ihrem Widerstand gegen eine ernsthafte waren, daß nur durch unermüdliche Energie es erreicht ganz fpontan, aus tausenden Stehlen brausende Hochrufe auf Wahlrechtsreform ermutigen!? werden konnte, der scheußliche Schneesturm ein geringes das allgemeine, gleiche Wahlrecht. Die heilige preußische Aber einerlei, wie die Regierung, wie der Liberalismus gehüllt, ging es vorwärts. Truppweise, paarweise, in langen scheuliche politische Klassemurecht nicht beseitigt. Aber gut war's Mit energischen Bewegungen, fest in die Kleider Ordnung würde dadurch sicherlich nicht gestört, auch das absich entscheidet! Das Volk ist auf dem Plane! Es führt den Reihen, immer den Versammlungsstätten zu, tamen sie ge- doch, den Wahlrechtsfeinden, den hartgefottenen Sündern, die Rampf, aller Verräterei zum Trotz! zogen. Und frühzeitig schon begann die Wanderung. feinerlei politische Gerechtigkeit wollen, einmal die Losung Wer eine halbe Stunde vor der festgesetzten Zeit erschien, des Tages, den Willen des Volkes in die Ohren dröhnen zu Lassen. bemerkte zu seiner großen Befriedigung, daß der Zudrang schon längst begonnen hatte und daß alle Besorgnis, das böse Wetter könnte die Massen fernhalten, recht überflüssig war. Biele Hunderttausende Rechtloser haben am Abend hatten die organisierten Parteigenossen es diesmal nicht eilig, Die Massen waren da! des 9. Januar ihr Kampfgeiöbnis erneuert! in die Versammlungen zu kommen. Sie überließen die Säle Die reaktionäre Presse hat schon im voraus dieser gweifel aufkommen zu lassen, daß sie die Wichtigkeit der fammlungsbesuchern gehören. Sie tamen willig und in hellen Haufen, um feinen zunächst denen, die sonst nicht zu den regelmäßigen VerTrotzdem waren die VerRundgebungen schamlos gespottet! Man werde Frage, die am nächsten Tage das Junkerparlament beschäftigen sammlungslokale lange vor 8 Uhr bor 8 Uhr sämtlich überfüllt. Phrasen dreschen und Resolutionen annehmen und sich troß- sollte, wohl verstanden und Stellung dazu nehmen wollten. Auf der Straße, vor den Lokalen, bot sich anfangs dem jede Schmach straflos bieten lassen! Natürlich): wenn Bei Zühlte in der Dennewigstraße, wo Genosse ein Bild, welches von dem üblichen nicht abweicht. Vor ein paar hundert Geldsäcke eine Rundgebung ver- Grunwald sprach, war der Saal schon lange vor der fest- den gesperrten Eingangstoren einige Schußmarsposten, die, festum sich vor falten Füßen zu schützen, bald das eine, um sich vor falten Füßen zu schüßen, bald das eine, anstalten, find sie gewohnt, daß die Regierung respektvoll gesetzten Zeit vollständig gefüllt. Und furz vor 8 Uhr ſetzte bald das andere Bein wuchtig auf das Straßenpflaster stießen. ein neuer starter Zustrom ein. Hier war das einzige Lokal ihren Beratungen lauscht! Aber wenn die tausendfache Zahl für einen weiten Stadtfreis, und dabei fam zu dem Schnee- Versammlungsbesucher kamen, fanden keinen Einlaß mehr und blieben vor den gesperrten Toren stehen. Größer und größer Nichtbesitzender demonstriert, so soll das eine Komödie sein, sturm noch ein Hindernis für die Besucher, die einen blieben vor den gesperrten Toren stehen. Größer und größer um die sich die Machthaber nicht fümmern! weiteren Weg zu machen hatten, denn um halb acht Uhr schwoll die Zahl derer an, die feinen Platz in den überfüllten Sälen fanden und nun zu Tausenden vor den Lokalen hin und hergingen.
In gewaltigen Demonstrationen in ganz Preußen hat es noch einmal seinen unerschütterlichen
Willen bekundet!
Der freche Hohn fehlte noch!
versagte die Straßenbahn den Dienst
Mindestens eine halbe Million Proletarier und Slein- und fam erst nach langem geduldigen Harren langsam und aewerbetreibender haben am 9. Januar in mehr als 500 Ver- mit neuen fleinen Unterbrechungen wieder in Gana.
Im Osten
Wenn man bis dahin noch nicht merkte, daß etwas Besonderes los war, so sorgte die Polizei dafür, daß auch die