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Posen versagen. Oder soll vielleicht Fürst Nadziwill demnächst von ein paar preußischen Unteroffizieren aufgegriffen und in der Eifel interniert werden, damit er nicht im Falle eines russischen Krieges an der Spitze seiner Freunde mit den Waffen in der Hand gegen Deutschland zu Felde zieht?(Große Heiterkeit.) Den Hatatisten kann man freilich alles zutrauen und den National- liberalen auch. Den Gedanken der Exmittierung ganzer Völker- teile aus staatsgefährlich durchseuchten Provinzen hat ja schon 1871 der nationalliberalc Parteiführer Braun-Wiesbaden aus- gesvrochcn, als er vorschlug, die ganze Bevölkerung Elsaß - Lothringens aus Deutschland auszuweisen und deutsche An- siedler dafür anzusetzen. Der Vater dieses genialen Gedankens ist ja längst gestorben, aber sein Geist lebt noch heute in den Nationalliberalcn.(Heiterkeit und Sehr gut! bei den Sozial- dcmokratcn.) Diese ganzen Versuche entsprechen in keiner Weise dem angeblichen Zweck. Wenn Sie wirklich eine Gefahr für den Staat darin erblicken, daß dreieinhalb oder vier Millionen Polen mit den Verhältnissen in Preußen und Deutschland im höchsten Grade unzufrieden sind, dann erreichen Sie doch nicht, daß die Ge- fahr, die aus dieser Unzufriedenheit erwächst, beseitigt wird, da- durch, daß diese Leute noch viel unzufriedener werden. Die Erbitterung darin hat der Abg. Hcckschcr recht wird dadurch ins ungemessene gesteigert werden. Es handelt sich nicht nur um das vorliegende Gesetz, cS handelt sich auch um die anderen AuSnahmcgesehe gegen die Polen , um daS Ausnahmegesetz, das den polnischen Bauern verbietet, auf ihren Grundstücken Häuser zu bauen, so daß sie Sonrmer und Winter gezwungen sind, im Planwagen zu hausen. Und selbst dann verbietet die Polizei, angeblich aus hygienischen Gründen, Feuer- stellen anzulegen, damit die Leute in die Wintcrkälte getrieben werden. Der Versuch, die Muttersprache zu cxstirbicrcn, gehört auch zu den Ausnahmegesetzen, die dem Geiste des modernen �Staates widersprechen. Selbst daS finstere Mittelalter ist in dieser Be- zichung viel humaner gewesen. Was erreichen Sie denn mit Ihren Ausnahmegesetzen? Doch nur, was Sie jetzt befürchten, daß nämlich die Polen geradezu aufgepeitscht werden. Alan muß wirk- lich von allem Rcchtssinn, von allem Gcmcingcfühl gegen andere, von jeder Logik Abstand nehmen, um diese Gesetzgebung zu recht- fertigen oder auch nur zu beschönigen. Das ist aber gerade daS charakteristische, daß die herrschenden Klassen in Preußen durch eine solche Auffassung unter das Niveau der Kulturstaatcn sinken. Es ist das eine charakteristische Erscheinung für die Unrittcrlichkcir, für den Mangel an Noblesse des preußischen Junkertums und der Bourgeoisie, die diesem Handlangerdienste leistet. Es gehörte zur Ideologie früherer Zeiten, daß der Adel dazu verpflichte, die Schwachen zu unterstützen und das Unrecht zu bekämpfen. In die Praxis ist diese Ideologie niemals umgeschlagen. Etwas Unritter- lichercs als diese ständigen Versuche, eine relativ wehrlose Minder- hcit mit drakonischen polizeilichen Maßregeln zu bekämpfen, kann ich mir wirklich nicht denken. Es ist das aber eigentlich nicht wunderbar in einem Staate, wo man es erlebt, daß Schutzleute mit dem Säbel in der Faust losgelassen werden auf Demonstranten. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Nun haben sowohl Graf Hompesch wie auch heute der Abg. Hcckschcr geglaubt, gegen uns einen Trumpf ausspielen zu können, indem sie das EnteignungSgesctz als einen Schritt auf dem Wege zum sozialistischen Staat bezeichnet haben. Graf Hompesch be- schränkte sich darauf, dies allgemein auszusprechen, der Abg. Heck- scher aber in seiner Naivität(Heiterkeit) knüpfte daran noch die besondere Bemerkung, er müsse sich höchst verwundern, daß wir dieses Enteignungöverfahren nicht billigen, obgleich es doch eine sozialistische Methode sei.(Heiterkeit.) Das zeigt uns, daß beide Herren von den Grundsätzen unserer Bestrebungen gar kein Per- ständnis haben.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) AaS wir erstreben, ist ein Expropriationsvcrfahrcn, das mit dem Wesen des Kapitalismus aufräumen soll. Ter Abg. Sieg hat gestern, wie ein blindes Huhn auch einmal ein Korn findet(Große Heiterkeit.), das Richtige getroffen, indem er sagte, unsere ganze Kultur baue sich auf Enteignung auf. Ter ganze heutige Kapitalbcsitz beruht auf der jahrhundertlangcn Expropriation der Unterdrückten. Die Herren von der Rechten werden soviel geschichtliche Kenntnisse haben, um zuzugeben, daß ihr ganzer� Grundbesitz das Resultat der Ex- propriation der Bauern ist. So wie heute die Herren einander einladen, einmal Schwarze zu schießen, so wurden damals Bauern gelegt. Alle Zwangsmaßrcgeln, die der herrschenden Adels- tlassc zugänglich waren, wurden benutzt, um die Bauern von Haus und Hof zu treiben. Tics Verfahren kam damals auf, als die Naturalwirtschaft anfing ersetzt zu werden durch die Geldwirtschaft. In derselben Zeit vollzog sich eine andere Expropriation des Grund- besitzcs durch die katholische Kirche . Sie hat damals unermeßliche Länderstrccken in ganz Europa eingeheimst. Goethe hat dies ganz treffend gekennzeichnet:Die Kirche hat einen guten Magen.... Als die Bourgeoisie zur Herrschaft kam. wurde freilich wieder die Kirche expropriiert. Das Verfahren fand seinen Abschluß in der französischen Revolution. Es wundert mich, daß gerade Graf Hompesch eine so merkwürdige Auffassung an den Tag legte. Graf Hompesch ist ein Angehöriger der Aristokratie und wird wahrscheinlich imstande sein, die Tatsache zu bestätigen, daß sehr angesehene, sehr katholische Adelsfamilien, Stützen der katholischen Kirche , ihren ganzen Grundbesitz aus billigen Ankäufen der säku- larisiertcn Kirchcngütcr zur Zeit der französischen Rcvolutimr her- leiten. Dieses Expropriationsvcrfahrcn wird nun heute auf dem Wege der kapitalistischen Expropriation angewendet, und zwar im Konkurrenzkampf gegen die Polen , die die Regierung selbst mit den IVO Millionen der preußischen Steuerzablcr nicht überwinden konnte. Gegen diesen Standpunkt der preußischen Regierung müssen wir uns auf das Entschiedenste verwahren. Wir werden niemals eingreifen können, solange die kapitalistische Gesctzschaftsordnung besteht und der wirtschaftlich Stärkere den wirtschaftlich Schwächeren ausbeutet. Das liegt am Wesen der kapitalistischen WirtschaftS- ordnung. Weil wir überhaupt die Expropriation des einen durch den anderen nicht wollen, weil»vir nicht wollen, daß eine kleine Minderheit allmählich alles in ihre Hände bringt, deshalb wollen wir überhaupt die kapitalistische Wirtschaftsordnung und damit auch das Enteignungsverfahren ein für allemal beseitigen. Wir wollen an Stelle des ExpropriationsvcrfahrenS, das zur grausam- sten Unterdrückung der Expropriierten führt, die gemeinsame Wirtschaftsführung des gesamten BolkeS bringen. Weil wir dieses Verfahren, dieses EntcignungSvcrfahrcn der Schwächeren durch die herrschenden Klasse» als eine schreiende Ungerechtigkeit betrachten, die sich in keiner Weise rechtfertigen läßt, weil wir es verurteilen auf Grund unserer demokratischen und sozialistischen Ueberzeugung, bekämpfen wir, wie wir alle Polengesetze bekämpft habe». Wir internationalen Sozialdemo- kraten stehen auf dem Standpunkt, daß jeder Mann und jede Frau gleiche Rechte haben. So haben wir auch den Grundsatz, daß jedes Volk für seine Sprache selbst entscheidend sein, daß cS feine Geschicke in eigene Hände nehmen soll. Wie wir die Unterdrückung des Einzelnen im kapitalistischen Staate bekämpfen, so bekämpfe» wir auch die Unterdrückung ganzer Völker. Und wenn der von Ihnen so gehaßte Zukunftsstaat einmal in Deutschland und Europa zur Herrschaft kommen sollte ich wünsche Ihnen, daß Sie das alle noch erleben(Große Heiter­keit.), wenn das eintreten sollte, dann können Sie sich darauf verlassen, daß die nationalen Feindschaften vollständig verschwinden würden, weil die nationale Gleichberechtigung aller Völker zu den Grundsätzen des Sozialismus gehört. Nur in einem Punkte haben die Herren Hompesch und Heck- scher Recht, darin nämlich, daß das Verfahren gegen die Polen nur uns Sozialdemokraten nützen kann. Noch immer hat jede Torheit, jeder Fehler, jede Brutalität der herrschenden Klassen überall der sozialistischen Bewegung genützt, und zwar deshalb, weil die Sozial- dcmokratic gegen jede Brutalität auftritt. Wenn wir nach der Methode des Herrn Heckscher verfahren wollten, würden wir den Ast absägen, auf dem wir sitzen. In den wirtschaftlichen Verhält- nissen, in den politischen Machtverhältnissen beruht die Macht der herrschenden Klassen. Hierzu gehört auch der Nimbus, den die Re- gicrungen aller Länder bemüht sind, sich als strahlende Krone aufs Haupt zu setzen, der Nimbus, daß sie mit ausgleichender Gcrcchtig- keit über den Volksklassen stehen, daß gleiches Recht für alle gilt. Nun sind die Handlanger des Kapitalismus dabei, diesen Nimbus zu zerstören, weil sie jede Achtung und das Zutrauen zur Gcrcchtig- keit der preußischen Regierung vollständig vernichten. Dadurch untergraben sie das Fundament des Kapitalismus überhaupt, da- durch untergraben sie auch ihre eigene Macht und bereiten dem Sozialismus nur einen früheren Sieg.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Böhme(wirtsch. Vg.): Herrn Ledcbour zu antworten, wird sich eine andere Gelegenheit ergeben. Aber Wundern muß man sich, wenn man die Sozialdemokratie über brutale Gewalt- tätigkeit des preußischen Slaates reden hört. Was Sie legren in Ihren sozialistischen Gewerkschaften an Terrorismus(Stürmisches Lachen bei den Sozialdemokraten), ist zu bekannt, als daß Sic es durch Schreien aus der Welt schaffen könnten. Haben doch fana- tische Angehörige der sozialistischen Gewerkschaften ihren eigenen christlichen Vater überfallen.(Rufe bei den Sozialdemokraten: Lüge.) Die Arbeit, die Preußen für ganz Teutschland geleistet hat, hätte nicht geleistet werden können, wenn die Geschichte Preußens nicht so nach Pulver und Waffen gerochen hätte.(Bravo ! rechts, stürmische Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Wir wollen das Erbe und die�Arbeit unserer Väter in Ostpreußen und Posen retten. Tic Polen sprechen von ihrer Loyalität im Jahre 1870, aber sie haben nicht dafür gesorgt, daß diese loyale Gesinnung auch jetzt vorhanden ist. Ihre Geschichte(zu den Polen ) ist reich an Ausständen, während Sie Grund haben, dem preußischen Staate dankbar zu sein, besonders der polnische Bauer und Arbeiter, der früher recht- und schutzlos der polnischen Schlachta gegenüberstand. Was 1793 zugrunde ging, war die unmenschliche �Herrschaft weniger Edclleute über das polnische Volk.(Lebhaftes Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Solange Polen selbständig war. konnte cS nicht den Anspruch erheben, ein Kulturstaat zu sein. (Stürmischer Widerspruch bei den Polen .) Wir müssen dafür sorgen, daß altpreußischc Teile nicht wieder zu einem selbständigen Polen kommen. Die Enteignung richtet sich nicht gegen.den pol- nischen Bauer, sondern gegen den polnischen Adel, als eine Strafe dafür, daß er sich der radikalen polnischen Bewegung gebeugt hat, anstatt ihr zu widerstehen. Der Verfassung und den Reichsgcsetzen widerspricht diese Maßregel in keiner Weise, die notwendig ist im Interesse des Staatswohls, die auch bereits von Deutschlands größtem Staatsmann, vom Fürsten Bismarck, ins Auge gefaßt war. (Lebhaftes Bravo? rechts, lebhaftes Zischen bei den Polen und im Zentrum und links.) Abg. Fürst v. Rad,iwil�(P.): Dem Vorredner will ich den Rat geben, seine geicknchtlicben Studien zu vertiefen:(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Er ist noch sehr jung! Heiterkeit) dann würde er wohl zu einer anderen Anffassung über die Ätulturbedeutung Polens kommen. Das Deutsche Reich hat sich ein einheitliches Bürgerliches Recht gegeben, als Ausdruck eines gemeinsamen RechtSbewnßtieinö. Dieses Rechisbeivußlscin wird verletzt, wenn ein Bundesstaat ein Gesetz er- läßt, daS den rechtlichen Grundbegriffen aller Kulturvölker Wider» spücht. Deshalb rufen wir im Reickslag dem deutschen Volke zu: tus res aritur!(deine Sache wird verhandelt.) Als diese Politik vor 30 Jahren inauguriert wurde, bezeichnete ich sie als einen Einbruch dck Vandalismus iii die politische Kunst, als das Gegenteil der politischen Moral.(Sehr richtig! bei den Polen .) In der Kulturgeschichte aller Völker ist es unerhört. Staatsbürger, die nichts verbrochen haben, uiner Strafe zu stellen, ohne Straf- gesetzbuch, ohne geordneten RechlZschutz. Die deutsche Verfassung ist entstanden, als daS Blut noch nicht getrocknet war, das der polnische VolkSstami» auf den Feldern Frankreichs vergossen hat, und da wollen Sie uns einreden, der Ausdruckdeutsches Volk" i» der Ber - (asiung schließe nicht auch die Staatsbürger p o l n i s ch e r Zunge ein! Da§ glauben Sie sicher selbst nicht.(Sehr richtig I b. d. Polen und Soz.) Politisch werden Sie mit diesem Gesetz nichts erreichen. als eine weitgehende Agitation, die die Kluft zwischen Polen und Deutschen noch erweiter» wird.(Lebhafter Beifall bei de» Polen .) Abg. Dr. Görckr(nat.) sucht auö der polnischen Presse nachzu; weisen, daß die Polen nach der Herstellung eines selbständigen Polens 'treben. Abg. Dclsor(Elf): Wir Elsaß-Lothringer haben Sympathie mit den Polen , schon weil wir eine ähnliche Behandlung erfahren haben. Das legiiime Streben nach Erhaltung der Sprache und Nationalität ist mit Ausnahmegesetzen bekämpft worden. Auch die Dil- tatur war nichts als ein Ausnahmegesetz gegen die heiligsten, verfassungsmäßig erwirkten Rechte. Fürst Radziwill ragte, ob es jemals einen Kulturstaat gab. wo ohne Urteil, ohne Grund, ohne Appellation einfach durch Dekret des Statthalicrs iemand ausgewiesen werden konnte. Bei uns war daS der Fall. Die Diktatur ist abgeschafft worden gegen den Willen der Rechten. und danach ist Beruhigung eingetreten.(Sehr wahr! bei den Eis.) So würde auch in Polen Beruhigung eintreten, wenn wan auf- richtig mit den Hakatisten brechen würde.(Sehr wahr! bei den Polen .) Wenn übrigens die Flugblätter, die der Vorredner vor» gelesen hat, nicht von Polizeispitzeln umhergetragen worden sind, warum ist denn dann der Staatsanwalt nicht eingeschritten? Er ist doch s o n st überall dabei!(Heiterkeil.) Unser Unterlanenverstand ver- steht auch nichl die Unterscheidung zwischen polnischem und mchtpolnischem Grundgesetz(Bravo ! bei den Polen .) Abg. Lrdrbiur(Soz.): Ich würde das Wort hier nicht noch einmal ergriffen haben, wenn nicht einer von den Herren, die vollständig vorbeigeredet haben an dem, worum es sich handelt, von de» Polen abgeschwenkt wäre zu seinem eigentlichen Geschäft: zur Bekämpfung der Sozial- dcmokratie. Der Abg. Dr. Böhme hat eine Schauergeschichte er- zählt von zwei Schauerleuten, die den eigenen Vater terrorisiert haben. Diese Geschichte ist im Oktober vorigen Jahres aufgetaucht. und sofort ist in Hamburg , wo die Geschichte passiert sein sollte, von dem Verband der Schauerleute eine Nachforschung veranstoltet worden. Diese hat folgendes ergeben, was sofort in unserer Presse publiziert worden ist. Die beiden verurteilten Schauerleute sind gar keine Sozialdemokraten. Die sind aber auch nicht gewerk- schaftlich organisiert.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Sie gehören weder dem Hafenarbeiterverbande noch einer anderen Arbeiterorganisation an. Den ganzen Schwindel haben sich die Erfinder der Schauergeschichte auö den Fingern gesogen. Nun behaupte ich natürlich nicht, daß der Abg. Dr. Böhme der- jenige gewesen ist, der sich den Schwindel auL den Fingern gesogen hat. aber die Sache ist seit Monaten widerlegt worden, die Widerlegung ist durch die ganze Preffe gegangen, und der Herr Abg. Dr. Böhme. der im Reichstagshandviich sich selber kenn» zeichnet alswissenschaftlicher HülfSarbeiter beizn Reichsverband zur Bekämpfung der Sozialdemokratie" iGroße Heiterkeit bei de» Sozial« deinokraten). hat jedenfalls die berufsmäßige Aufgabe, die sozial- demokratische Presse nach Fällen zu untersuchen, die seine Auftrag- geber als Nachweis für den Terrorismus der Sozialdemokratie aus- beuten können. Er hätte also auö seiner Berufspflicht von dieser Widerlegung erfahren müffen.(Sehr wahr I bei den Sozial- demolraten.) Ich wage nicht zu behaupten, daß er es erfahre» hat(Heiterkeit): jedenfalls hat er hier die ursprüngliche Behauptung wiederholt, und da sie vollständig widerlegt ist, hat er sich daniit zilln Verbreiter einer längst widerlegten Berleumdiing gemacht. (Lebhaftes Sehr richtig! bei den Sozialdemolraten.) So etwas wundert uns nicht bei einem Vertreter des Reichsverbandes zur Be- kämpfuna der Sozialdemokratie. Bei allen Gelegeiiheiten. auch wo sie vor Gericht als Zeugen auftreten, haben diese Herren ganz un- geheuerliche Behauptungen aufgestellt, mit denen sie allerdings nur sich und ihre Sache geschädigt haben. Noch ein anderer Herr hat sich gegen die Sozialdemokratie gc- wendet. Herr Dr. Eöicke. Auch dieser Herr bezeichnet sich als Mitglied des Verbandes zur Bekämpfung der Sozialdemokratie. Aber er tut noch ein übriges. In diesem Büchlein mit den schwarz- weiß-roten Farben kommt nach dieser für die Mit- und Nachwelt höchst wichtigen Tatsache zum Schluß noch der Ausruf:«Kampf gegen die Sozialdemokratie".(Schallende Heiterkeit.) Ich nehme zu seiner Ehre an, ich habe einen gewissen Respekt vor Oberlehrern(Heiterkeil.) daß er das nicht selber geschrieben hat, aber er hat eS doch stehen lassen, und daß er duldet, daß daS hineingeschrieben wird, zeugt von einem Mangel von Verständnis dafür, was ein Abgeordneter von sich selber in solchen offiziellen Büchern sagen sollte. Es ist das ein Zeichen von großer Takt- und Geschmacklosigkeit.(Lebhafto Unruhe bei den Naiionallibcralcn, lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Und ich kann die Herren von der polnischen Fraklion nur beglückwünschen, daß sie zwei solche Herren zu Gegnern haben wie die Herren Dr. Böhme und Dr. Görcke.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Potthoff ifrs. Vg.)(Die ersten Ausführungen bleiben auf der Tribüne unverständlich, da der Redner nach rechts spricht.): Bei dieser Enteignungsvorlage bandell es sich nicht um eine all- gemeine, alte Staalsbnrger gleichmäßig treffende Staatsmaßregel, sondern um eine Maßregel zuungunsten einer Minderheit, der die gleichen staatsbürgerlichen Pflichten und Rechte ver- fasslingsmäßig garantiert sind. Wenn die Polen sich gegen den Sraat vergehen, dann hal man ja das Strafgesetzbuch. (Sehr wahr I links.) Ich möchte auf die Vorlage das Wort Macau - lays anwenden: sie ist schlimmer als ein Verbrechen, sie ist eine Dummheit!(Sehr wahr! im Zentrrim, bei den Polen . Sozial- demolraten und Freisinnigen.) Eben als mein Freund Hcckscher Heine zu Beainu der Sitzung noch die Hoffnung auf dcu liberalen Reichs- kanzlcr setzte, hat der preußische Ministerpräsident im preußischen Abgcordncteiihause diese Hoffnung cuttäuscht.(Lautes Hört hört! bei den Sozialdemolraten und den Polen .) Die Hoffnungen auf die etwas anormale Paarung(Große Heiterkeit) zwischen dem Geist des Reichskanzlers und dem Geist des Ministerpräsidenten sind vergeblich gewesen. iErneutes Hört, hört! bei den Sozialdemokraten, den Polen und rm Zentrum.) Wenn irgendeine Partei Veranlassung hat, dem Reichskanzler mit Miß- tränen zu begegnen, so ist es der entschiedene Liberalismus. lErneutcS Hört! hört! Bewegung.) Ich kann dem Herrn Rrichskanzler die Versicherung geben, daß der größte Teil des Linkslibcralismus seiner Politik ein ausgesprochenes Mißtrauen entgegenbringt.(Erneute Bewegung.) Abg. Seyda(Pole): Es hat sich gezeigt, daß die Mehrheit des deutschen Volkes nicht hinler der Polcnpolitik der Regierung steht. (Lärm bei den Konservativen, Antisemiten und Nationalliberalen. Lebhafte Zustimmung bei den Polen und den Sozialdemokraten.) Nicht das deutsche Volk trägt wir konstatieren eS mit Befriedigimg die Verantwortung für die EnteignungSvorlags, sondern die Regierung und die Landräte.(Lebhafter Beifall bei den Polen und den Sozialdemolraten.) Wenn ein Boykott besteht, so ist er auf beiden Seiten vorhanden, und wer angefangen hat. das ist noch lange nickt sicher. Von Undankbarkeit der Polen kann gar nicht geredet werden: die preußische Regierung bat die polnischen Untertanen von jeher, von Anfang an ungerecht behandelt, und diese Behandlung hat jetzt zu der unerhörten EnleigmmgSvorlage geführt. Eine solche Maßregel gegen angebliche Gesinnungen kann niemals gerechtfertigt werden. Auch wenn der Entwurf Gesetz wird, werden wir bleiben, was wir sind: Polen.(Lebhafter Beifall bei den Polen .) Abg. Dr. Görcke(natl.): Was der Abg. Ledebour von mir an- führte, beweist nur, daß ich mich nicht verstecken will: weiter ist es ein Beweis dafür, wie sehr die Sozialdemokratie den Reichsvcrband und meine Wirksamkeit fürchtet.(Lebhaftes Gelächter bei den Sozial- demolraten.) Damit schließt die Besprechung. Abg. Dr. Böhme(Wirtsch. Vg.)(persönlich): Die Tatsache der Widerlegung der von mir erzählten Tatsache war mir völlig UN- bekannt. Wissenschaftlicher HülfSarbeiter dcS Reichöverbandes zur Bekämpfung der Soziaidemokratie war ich nur drei Monate: ich bin es nichl mehr seit dem Januar vorigen Jahres. Selbstverständlich nehme ich die Behauptung deS Abg. Ledebour zunächst nicht für richtig an: da aber die Sozialdemokratie stets derartige Behauptungen von sich abzuschütteln sucht, werde ich mich danach erkundigen. Abg. Ledebour(Soz.)(persönlich): Die Ausführungen deS Abg. Dr. Böhme sind insofern erfreulich, als er jetzt den vorhin er- hobenen Vorwurf zurücknimmt. Wenn er aber daran die Be- merkung knüpft, daß wir stets Derartiges von uns a b z u- chüttcln suchen und er sich deshalb danach erkundigen wolle, so liegt darin wieder eine indirekte Verdächtigung, und Dr. Böhme zeigt dadurch, obgleich er seine Verbindung mit dem ReichSverbande gelöst hat. daß er auS seiner Haut nicht heraus kann.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten. Rufe:Das ist nicht persönlich!" bei der Wirlschafliichen Vereinigung.) Im übrigen weiß ich nicht, ob ich zu der Aufhebung der Verbindung dem Reichsverband zur Bekämpfung der Sozialdemokratie oder Herrn Dr. Böhme gratulieren soll.(Sehr gut! und Heitexlcit bei den Sozialdemokraten.) Herr Dr. Görcke hat sein von mir gekennzeichnetes Verfahren damit zu rechtfertigen gesucht, daß er seine Fahne offen aufsteckt Die Sache verhält sich folgendermaßen: Der Verlag hat an die einzelnen Abgeordneten die Bitte gerichtet, sie mögen angeben 'Zurufe) Vizepräsident Dr. Paasche: Das ist nicht persönlich. Abg. Ledcbour(fortfahrend): Nach meiner Auffassung widerlegt daS. was Dr. Görcke anführt, nicht meine Behauptung, daß er Mangel an Takt bewiesen hat.(Unlerbrechungeu.) Vizepräsident Dr. Paasche: Ich rufe Sie zur Ordnung. Sie haben nicht das Recht, einem Abgeordneten Mangel an Takt vor- zuwerfen. Es wird nur mitgeteilt, daß Sie vorhin schon von Takt- losigkeit gesprochen haben. Mein Vorgänger. Herr Kaempf, erklärt. er habe das nicht gehört, sonst hätte er Sie zur Ordnung gerufen. Da Sie jetzt den Vorwurf wiederholen, bin ich doppelt verpflichtet, Sie zur Ordnung zu rufen.(Lebhaftes Bravo l bei den National- liberalen.) Abg. Ledebour (fortfahrend): Dann will ich also sagen, daß Herr Dr. Görcke durch seine jetzigen Ausführungen keineswegs W i tz bewiesen hat.(Heiterkeit und Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Der nächste Gegenstand der Tagesordnung sind die Jnter- p e l l a t i o n e n betreffend reichsgesetzliche Regelung des Knappschastswescns: Die Interpellation Behrens und Genoffen(Wirtsch. Vg.) fragt an, ob dem Reichskanzler die Schwierigkeiten bekannt sind, die sich bei der Durchführung der Knappschaftsreform ergeben haben, sowie ob er die ungenügenden Zustände kennt, unter welchen die Invaliden. Witwen und Waisen der Bergleute zu leiden haben, und ob er bereit ist zur Abhülfe dieser Uebelstände dem Reichstag einen Gesetzentwurf vorzulegen. Zu ihrer Begründung erhält das Wort Abg. Behrens(Wirlsch. Bg.). Der Redner bemängelt die Ver- schiedenarligkeir der Regelung des Knappschaftslvcsens in den ver- schiedenen Bundesstaaren. Der moderne Bergbau fordert von dem Bergmann eine erhöhte Anspannung aller Kräfte, daher kommen auch auf 1000 Bergleute 600 Krankheitsfälle pro Jahr. Die Knapp- schaftSrente beträgt nur 9 M. monatlich; sie wird durch die Reichs- rente auf vielleicht 27 M. erhöht, aber die Reichsrente fällt wieder weg. sobald der Invalide sich wieder etwas in der frischen Luft erholt hat Ganz unzureichend sind auch die Witwen- und Waisen- reuten der Knappschaftsvereine; dringend notwendig ist eine reichS- gesetzliche Regelung.(Bravo ! bei der wirlsch. Vereinigung.) Darauf vertagt sich daS Haus auf Freitag 1 Uhr. Tagesordnung: 1. Jnterpellalionen betreffend rcichSgesetzlicht Regelung des Knappsckaftswesens. 2. Viehseuchengesetz. Schluß 6'/« Uhr._ Mgeoränetenbaus. 12. Sitzung vom Tonnerstag. den 1(5. Januar, 11 Uhr. Am Ministeriische: Fürst Bülow . von Arnim, von Moltkc, Dr. Lcscler. Präsident v. Kröcher teilt mit, daß der Präsident des Herren- Hauses, Fürst Knyphausen, heute früh gestorben sei, der das