jm.,. 25. 1. Ktilllgt des Lomörls" Serlißer Noldsbllltt. s«-.-i«g.zz.IM«.M.Keickstag.86. Sitzung Vom Mittwoch, den 22. Januar ISVS,nachmittags 1 Uhr.Am Bundesratstische: Fürst v. Bülow. b. Bethmann-�Hollweg. v. Schön.Auf der Tagesordnung steht zuerst die Interpellation Wbrechtund Genossen<Soz.):1. Aus welchen Gründen hat der Herr Reichskanzler in derSitzung des preußischen Abgeordnetenhauses vom 10. Januar dieUeberlragung des ReichStagSwahlrechtS auf einen Bundes-staat als dem StaatSwohlnicht entsprechend bezeichnet und2. Billigt der Herr Reichskanzler, daß aus Anlast der am12. Januar in Berlin zur Propaganda dieses Reichstagswahlrechtseinberufenen sozialdemokratischen Volksversammlungen zum Zwecketwaigen Eingreifens Militär in den Kasernen konsigniert war?Präsident Gras Stollbcrg richtet die s�rage an die verbündetenRegierungen, ob und wann sie bereit seien, die Interpellation zubeantworten.Reichskanzler Fürst Bülow:Ich habe folgendes zu erklären<verlesend):Zu 1 der Interpellation: Ich lehne es ab, auf die VerHand-tungen über die Gestaltung des Landtagswahlrechts in Preusten ein«zugehen(Bravo! rechtS), da dieser Gegenstand eine zur Zuständigkeitder gesetzgebenden Organe PreustenS gehörende innere An-Gelegenheit des preußischen Staates darstellt.(Lachen bei den Sozial-demokraten.sZu 2 der Interpellation: Auf Grund landrSrechtlicher Befugnissesind von der Berliner Polizei am 12. Januar diejenigen Mastregelnergriffen worden, welche erforderlich waren, um Ausschreitungen aufden Straßen abzuwehren.(Unruhe bei den Sozialdemokraten.Bravo I rechts.) Insoweit Truppenteile in de» Kasernen zusammen-gehalten worden sind, ist die? in Ausübung der militärischenKommandogcwalt geschehen, um jeder Anforderung zum Schutze dergesetzlichen Ordnung ohne Verzug genügen zu können.(Bravo!rechts.) Ich must hiernach die Beantwortung der Interpellationablehnen.(Redner legt das Manuskript beiseite.)Meine Herren, es ist hier gestern von neuem zu Zusammenstöstenziviscken einer demonstrierenden Menge und der Polizei gekommen.Dabei mußte wieder von der Waffe Gebrauch gen, acht werden.(Zurufe bei den Sozialdemokraten: Muhte? Rufe rechts: Jawohl IGleichzeitige stürmische Rufe: Pfui! Pfui! bei den Sozialdemö-kraten. Präsident Graf Stolberg klingelt heftig.) Gegenüberdiesen Vorgängen habe ich das Bedürfnis, von dieser Stelle aus,unabhängig von der vorliegenden Interpellation, als Reichskanzlerein Wort ernster Mahnung in daS Land hinanszusenden.(Rufe beiden Sozialdemokraten: Besser an die Polizei! Lauter Ruf rechts:Ruhe I Große Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)Es ist nicht unsere, nicht deutsche Art. die Politik aufdie Strohe zu tragen.(Sehr richtig I rechts. Stürmische Rufebei den Sozialdemokraten: Wahlnacht! Wahlnacht l) Die Parteienbedürfen nicht der Strastentumulte. um ihre Stimme ver«nehmen zu lassen. Die Straße gehört dem freien Verkehr.(Stürmische Unterbrechungen bei den Sozialdemokraten. Rufe: Aucha in Abend des Wahltages?) Da? Gesetz der öffentlichenOrdnung als das höhere anzuerkennen lind zu achten, ist jeder Bürgerverpflichtet.(Stürmische Unterbrechungen bei den Sozialdemokraten.Rufe: Auch die Polizei!) Dem Gesetze Achtung zu verschassenund, wenn es sein muß, zu erzwingen(Erneute Unterbrechungenbei den Sozialdemokraten) ist wie die B e f u g n i S so auch diePflicht der Behörden.(Sehr wahr I rechts. Erneute stürmischeRufe bei den Sozialdemokraten: Wahlnacht!) Jeder Versuch, dieöffentliche Ordnung zu stören, must und wird zurückgewiesen werden.(Erneutes Bravo I rechts.) Wir toerden nicht dulden, daß Agitatorendie Herrschaft über die Straße in Anspruch nehmen;c3 wäre ein verhängnisvoller Irrtum, zu glauben, daßDemonstrationen einer irregeleiteten Masse(Stürmisches Gelächterbei den Sozialdemokraten) einer pflichterfüllten Regierung irgendetwas abtrotzen könnten.(Lebhaftes Bravo l rechts.) Das wirdin Deutschland nie und niemals der Fall fein.(Stürmische Zurufe bei den Sozialdemokraten: Abwarten! ab-warten!) Ich habe die Zuversicht, daß alle bürgerlichenkleines feuilleton.Die freie Lehrervereinigung für Kunstpflege hierorts hielt amDienstag im Bürgersaal des Rathauses einen ihrer Vortrags-ab ende ab. Der gesangliche Teil sollte Kompositionen(Balladen)von Karl Löwe, Hans Sommer, Max Wie bemann, HanS Hermannund Georg Henichel umfaflen. Leider war Herr Konzertsänger Her-man Weißenborn in letzter Stunde genötigt, wegen Erkrankung ab-zusagen. Den rezitatorischen Teil hatte Herr Em anuel Stock-bansen übernommen. Er erweiterte nun sein Programm. ZumVortrag waren Gedichts von Gottsried Keller, Detlev von Liliencronund Börnes von Münchhausen ausersehen worden. Dabei ergab sichwieder für Kennerohren eine interessante Feststellung: über denmerklichen Unterschied der Anffaffnng und dichterischen Mittel bei derälteren und der moden, en Lyrik. Keller reflektiert: er schildertseelische Stimmmigen und menschlische Zustände allgemein, übergoldet,rdealifiert. Der Hörer oder Leser soll sich überzeugen lassen. Ganzanders Liliencron. Er springt ohne Reflexion mitten in dieSituation hinein. Die malt er impressionistisch mit plastischer Bild-kraft. Er wirkt unmittelbar, Keller mittelbar. Börries von Münch«hausen ist von manchen Aestheten als Balladendichter noch überLiliencron gestellt worden. Das ist natürlich— Cliguen- und Ge-jchmackssache. Münchhausen verfügt sicherlick über respektable Aus.drncksmiltcl. Er bringt für die Ballade auch die nötige dramatischeSchlagkraft mit. Und das.romantische" Element obendrein. Aberes ist der Apparat jener alten Schauerromantik, die in Bolksballadenfrüherer Zeil herumspukt. Spiritistische Unwahrscbeinlichkeit wirdz. B. im Todspielcr aufgetischt, llebrigens sind Sittiationsschilde»rungeiy kotz aller dramatischen Belebung noch immer keine eigent-lichen Ballade�— zwei Stucke:.Joanne Antoinette" und der.Pagevon Hochbnrgund"— wer dächte da nicht an MorikeS„SchönRottraut"? l— ausgenommen. Herr Stockhausen zeigte sichwieder als echter Interpret und VortragSineister. K.Preußische Politik von T-lst-i und Maeterlinck gevraudmarkt.Gegen die Vergewaltigung der preußischen Polen durch die famoseEltteignungSvorlage, die den bürgerlichen Eigentumsbegriff für diePolen aufhebt, hatte, wie wir berichteten, der polnischeDichter Sinckiewicz einen flammenden Protest erlassenund gute Europäer aufgefordert, in seinen EmpörungS-schrei einzustimmen. Tolstoi und Maeterlinck haben bisherdem Rufe Fo f;e geleistet. Tolstoi urteilt:.Ich habe mehr Mit-leid uui den Urhebern und Vobstreckenr dieser Beraubung als mitihren Opfern. Die letzteren haben die schönere Rolle; sie werdenauf anderem Boden unter anderen Bedingungen das sein, waS siegewesen. IS beklage die Unterdrücker, ich beklage alle, die zu einerRation und emem Staat von Bandiren gehören und mit seinem Bor-gehen einverstanden sind. Ich glaube, daß für keinen Menschen mitmoralischem Getuhl em Zweifel bestehen könnte vor der Wahl, ober lieber ein Preuße Ware, der seiner Regierung recht gibt, oderein Pole, der von semer Scholle verjagt wird."Parteien einmütig sein werden in der Verurteilung und Zurück-Weisung dieses gefährlichen Nnsugs.(Bravo! rechts. StürmischerWiderspruch bei den Sozialdemokaten.) Die sozialdemokratischePartei hat mit den Demonstrationen vom 12. Januar eine abschüssige Bahn beschritten.(Lautes Lachen bei den Sozialdemokraten.)Ich warne sie, diese Bahn weiter zu verfolgen, und ich richtenamentlilb an die Arbeiterbevölkerung die ernste und aus einemwohlmeinenden Herzen(Stürmisches Gelächter bei den Sozialdemo-Katen. Sehr richtig I rechts) kommende Mahnung— wir meineneS viel besser mit den Arbeitern wie Sie(Erneutes lang-anhaltendes Lachen bei den Sozialdemokraten) sich nicht vomWege des Gesetzes und der Ordnung abdrängen zu lassen und nichtür Parteifanatiker und Hetzer die eigene Hautzum Markte zu tragen.(Stürmisches Sehr gut I rechts.Stürmische Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Die Verantwortungfür die Folgen würde nicht die Regierung, würde nicht die Be-Hörden Kesten, sondern die Anstifter und Verführer selbst.(Er-nelttes donnerndes Bravo I rechts.)Abg. Singer zur Geschäftsordnung: Da nach unserer Geschäfts-Ordnung auch an die Ablehnung der Beantioortung einer Jnter-pellation eine Beratung geknüpft werden kann, beantrage ich dieseBesprechung.Präsident Graf Stolberg: Dieser AnKag bedarf der Unter-stützung von stlnfzig Mitgliedern.(ES erheben sich die Sozial-demokraten, die Freisinnigen(Aha-Rufe rechts) und da? Zentrum.Die Besprechung ist beschlossen.(Der Reichskanzler verläßt mit den Staatssekretären und denBundeSratsmitgliedern den Saal.)In der Besprechung erhält das WortAbg. Richard Fischer-Berlin(Soz.):Der Reichskanzler hat die Beantwortung unserer Interpellationunter Berufung auf die Zuständigkeit Preußens abgelehnt.(DieKonservativen, die Reichspartei und die A n t i-semiten verlassen, sobald der Redner zu sprechen begomien hat,mit großem Gepolter bis auf den letzten Mann den Sitzungs-saal, sie kehren dann allmählich ebenso geräuschvoll in größerer Zahlzurück, so daß in dem Hause eine fortwährende Unruhe herrscht.)Das ist uns so wenig elwas Neues, daß wir darüber kein Wortverlieren würden. Aber zweierlei stelle ich von vornherein fest. Eineganze Reihe selbst konservattver Zeitungen hat eine von dem Reichs-kanzler abweichende Meinung in dieser Zuständigkeitsftage eingenommen, und z. B. die„K r e u z- Z e i t u n g" hat, trotzdemman der Ansicht sein könne, daß es sich bei unsererInterpellation um eine preußische Angelegenheit handele, eine ganzeReihe von Gründen angeführt, die dennoch die Reichsregierungveranlassen könnten, die Interpellation zu beantworten. Ein-mal könne das wegen der politischen Lage geschehen und dann.weil die Blockparteien der linken Hälfte im Falle der Nichtbeant-Wartung der Interpellation durch den Reichskanzler vielleicht sehr be«unruhigt sein würden. Die.Kreuz-Zeitung" war allerdings so malitiöS,hinzuzufügen, daß, wenn die Jnterpellatton beantwortet werden sollte,der Reichskanzler selb st die Verantwortung dafürübernehmen müsse. Bielleicht können wir es dieser Zumutungder.Kreuz-Zeitung" danken, daß der Reichskanzler sich seinerPflicht, die Jnterpellatton zu beantworten, entzogen hat. WaSfür Gründe hat nun der Reichskanzler für seine Weigerung ange-geben? Die Wahlrechtsfrage hat er für eine innere An-gelcgenheit Preußen« erklärt, die den gesetzgebenden FaktorendeS Reiche? entzogen sei, und die Konsignierung des Militärs hat er aus landesgesetzliche Vorschriften zurückgeführt.Aber wir haben garnicht nach der formalen Berechtigungder Konsignierung des Militärs in der Kaserne angefragt, sonderndanach, ob der Reichskanzler diese Maßregelnbillige.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Der Reichs-kanzler setzte hinzu, daß erst gestern»oieder die Polizei von ihrerWaffe habe Gebrauch machen inüffen. Soweit die Tagespresse bis-her berichtet und wir im stände waren, Nachrichten einzuziehen, lagdazu in den Demonstrattonen, die übrigens nicht von der sozial-demokratischen Partei ausgingen,(Lachen und lärmende Unterbrechungen rechts)... Wenn Sie den Mut haben, alle Polizei-brutalitnten zu verantworten, wie wir den Mut haben, alleDemonstrationen zu verantworten, für die die sozialdemolrattschePartei auch nur die moralische Verantwortung trägt, soll eS schonrecht sein.(Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) Aber dieArbeitslosenversammlungen, die die sozialdemokratische Partei or-ganisiert hatte, waren nach dem übereinstimmenden Urteil derPolizei und der gesamten Tagespresse vollkommen ruhigverlaufen. Erst am Nachmittag kamen ein paar tausend Leute zu-sammen. um auf der Straße zu demonstrieren.ES ist ihr gutes Recht,sich auf der Skaße zu bewegen, gleichviel, ob sie eS zu zweien oderzu taufenden tun.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Aberda griff wieder die alte Polizeimethode ein, den Zng von zweiSeiten zusammenzutreiben, zwischen der Marschall- und Kronprinzen-brücke einzuklemmen und dann cinzuhauen.(Sehr wahr! bei d uSozialdemokraten.) So schildert nicht nur unsere Presse, sondernz. B. auch das.Berliner Tageblatt" Grund mtl. Verlauf des polizeilichen Eingreifens.(Zuruf bei den Nattonallideralen: Ist ja auchein iozialdemokrattsches Blatt!) Keiner von Ihnen unter vier Augengestellt und auf Herz und Nieren gefragt, würde mir zu antworlenwagen, daß das„Berliner Tageblatt" sozialdemokrattfche Anschauungenverlritt. Solange Sie aber das nicht tun, können Sie von mir nichtverlangen, daß ich Ihre Einwendungen ernst nehme.(Sehr wahr! beiden Sozialdemokraten.) Das„Berliner Tageblatt" steht auf einembürgerlich-liberalen Standpunkte, nur daß eS die liberalenAnschauungen nicht so schmählich vergessen hat, wiedie Herren Nationalliberalen.(Lebhafte Zustimmung beiden Sozialdemokraten.) Und dieses.Berliner Tageblatt" bezeugtuns. daßnur die Brutalität und Nervosität der Polizeibeamtenden Waffengebrauch verschuldet hat.(Lebhafte Zustimmung beiden Sozialdemokraten.) Wie wollen Sie denn auch sonst den Ge-brauch der Waffe im Gewerkschaftshause der Metall-»arbeiter entschuldigen? Dort in der Charitb-Skaße findet die�Auszählung der Arbeitslosen statt, da ist die Polizei herbeigestürzt.hat die Arbeitslosen die Treppe hinaufgekieben. und sogar die Be-amten, die ihr Hausrccht wahren wollten, mißhandelt.(Hört! hört!bei den Sozialdemokraten.) Fürst Bülow hat gesagt, die Skaßegehöre dem freien Verkehr.(Sehr Ivahr l rechts und in derMitte. Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.— Heilerkeit.) Werhat denn aber am 25. Januar und 5. Februar v. I.die Politik auf die Skaße getragen?(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Der Reichskanzlerselbst hat in mitternächtiger Stunde eine Ansprache an dieSKaßendemonsKanten gehalten, und selbst der deutscheKaiser hat vom Baiton des Schlosses aus die Leute mit einerAnsprache begrüßt, die die Polittk auf die Straße getragen haben.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Der Kaiser hattenur den einen Wunsch,mekr Volkzu sehen.(Große Heiterkeit und Sehr gut! bei den Sozialdemo-traten.) Wer also wie der Kanzler im Glashause sitzt, wer s e l b steine Versammlung unter freiem Himmel ab-gehalten hat, der sollte nicht hierher kommen und Moralpredigen.(Lebhaste wiederholte Zustimmung bei den Sozialdemo-kraten.) Noch dazu, wenn eS ein Reichskanzler ist. der an dieOffiziere des deutschen Heeres die Auffoiderung gerichtet hat, i mFalle des Duells das Gesetz zu brechen.(Sehr gut! bei denSozialdemokaten. Andauernde Unruhe rechts und bei den National-liberalen.)Präsident Graf Stolberg: Ich bitte um etwa? Ruhe. Ich kanndm Redner gar nicht verstehen.(Zuruf rechts: Wir auch nicht l), Abg. Fischer-Berlin(sortfahrend):......Für' Sie rede ich auch gar nicht!(Große Heiterkeit und Sehrgut I bei den Sozialdemokaten.) Der Reichskanzler sprach schließlichvon feinem wohlmeinenden Herzen. Er wird es den deutschenArbeitern nicht übel nehmen können, wenn sie sehen, wieaus iivoblmeinenclem DcrzenMilitär in den Kaserne» konsigniert wird(Heiterkeit bei den Sozial»demokraten). damit sie nicht für ihre polittsche Gleichberechtigungdemonstriven können, wenn sie dann dieses wohlmeinende Herz fürHeucheleihalten.(Lehafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)Präsident Graf Stolberg: Sie dürfen dem Reichskanzler keineHeuchelei vorwerfen.(Oho I und lautes Lachen bei den Sozial-demokratm.) Ich rufe Sie deshalb zur Ordnung!Maeterlinck nennt den Gesetzentwurf infam und schreibtweiter:„Ich hoffe noch, um der Ehre und der Stärke eine« großenVolkes willen, das ich achte, daß eS in der letzten Minute von einemsolchen Unrecht zurückschrecken wird. Die Ungeselligkeit der Völkerist heute unvergleichlich viel schwerer und unverzeihlicher als früher,denn es ist ihnen ein Gewissen geboren, das jeden Tag mächtigerund erkennbarer wird."Die.Vossische Zeitung", die nachgerade zu einer Kupplerinaller reaktionären Streiche und einer würdelosen Verräterin allerKuldir geworden ist, höhnte über Sinckiewiez, als erseine Absicht verkündete. WaS sagt sie aber zu diesen Ant-Worten, denen andere folgen werden? Und in welches Mauselochmüßte sich die Preußen mit ihrem Polizeigehirn regierende Kastevor Scham verkriechen, wenn die europäische Literatur über diebereits seit Jahrzehnten durchgeführte und trotz aller Empörungweiterbestehende Enteignung des gesamten preußischen Volkes durchdas sogenannte Wahlrecht ihre unverblümte Ansicht äußern würde?Gewaltige Kanalbauten in Nord-Amerika. Außer demgigantischen Unternehmen deS Pcmama-Kanals. dessen Wirtschaft-tich« Bedeutung nicht gut überschätzt werden kann, beschäftigt dieAmerikaner gegenwärtig noch besonders ein anderes riesigesKanalproblem: die Verbindung der großen Seen mit dem Golfvon Mexiko durch den Mississippi. In einer Korrespondenz ausPittsburg, die der„Internationalen Wochenschrift" zugeht, werdenüber diese Pläne interessante Einzelheiten mitgeteilt, denen wirfolgendes entnehmen: Dem amerikanischen Parlament liegt zurzeiteine Bill vor, die 500 Millionen Dollar für den Ausbau vonWasserstraßen fordert und die zu einem großen Teil diesen Planeines Wasserweges vom äußersten Norden nach dem äußerstenSüden der Vereinigten Staaten ins Auge faßt. ES handelt sichum die wirtschaftliche Erschließung der Mississippi-Staaten, derenjährliche Produktion gegenwärtig einen Wert von zehn MilliardenDollar hat, während 4g-Proz. dieser Länder von zureichenden Markt-möglichketten abgeschlossen sind und eine umfassende Ausbeutungder Bodenschätze kaum in Angriff genommen ist. Im Tale desMississippi sind nicht weniger als 15(XX) englische Meilen vonSkomläufen, und zur Herstellung einer direkten Wasserverbindungvon Chicago nach Neu-Orlcans sind fünf Kanalstrecken zu bauen,von denen ein Teil, von Chicago nach Joliet, bereits von derStadt Chicago für 55 Millionen Dollar fertiggestellt ist: die Ge-samtkosten für die noch übrig bleibenden Strecken würden sichauf 125 Millionen Dollar belaufen.„Zweifellos wird dieser Kanalgebaut werden, und seine Rückwirkung auf Industrie und Land-Wirtschaft ist kaum auszumalen. Man wird die Kohle ausPennsylvanien Tausende von Meilen auf dem Ohio und Mississippibillig verschiffen können und damit Industrien anpflanzen können,wo sie lohnend erscheinen. Die Häsen des Golfes von Mexiko r.,. v.--werden in direkte Berbinduna gebracht mit Memphis. St. Louis,[1*®°'1,.!...mChicago, Duluth, Detroit, Cleveland und Buffalo. Stahl aus',- PrwatdozentmPittSbnrg, Getreide aus Iowa und Maschinen aus Chicago werdenTheater.Schiller-Theater v.:„DerHexenkessel", Schauspiel in drei Akten von Georg Engel. Das Stück stammt etwaan« der Mitte der neunziger Jahre und ist damals bereits auf-geführt. In dem Spürsinn, mit dem da eine bedeutsame, die Mög-lichkeit dramatischer Wirkungen in sich schließende Situation heraus-gegriffen ist, aber auch in der unausgeglichenen, viel nachäußeren Effelten haschenden Manier der Behandlung er-innert eS an des Verfassers späteres, viel gegebene« Schau-spiel.Ueber den Wassern". Das Stück spielt un Oktober 1306bei Saalfeld, wo die preußischen Truppen im Kanipfe mit denNapoleonischen die erste Niederlage erlitten. Sein Held ist einjunger Offizier, der die Order erhält, durch eine dicht von französischerArtillerie flankierte Schlucht, den Hexenkessel, sich bis zu dem Preußen-lager durchzuschlagen. Er weiß, daß dieser anbefohlene Marsch nurein sinn- und nutzloser Massenselbstmord sein kann. Vernunft,Lebensfreude— und Todesfurcht lehnen sich dagegen in seinerSeele ans, aber seine soldatischen Ehrbegriffe drängen dierebellierenden Regungen immer wieder zurück. Gesteigert und ver»schärft wird der Kontrast durch das Aufflammen jugcndlicherLebcnSsehn-sucht, die ihn und seines bäuerlichen Ouarttergebers mit-fühlende Tochter zusammenführt. Die Episode, als er—ans die Bitten deS Mädchens— den eingefangenen Deserteur freigibt,bildet in dieser Schilderung den Höhenpunkt. Aber die verfehlteZeichnung von Manag Vater, die noch viel schlimmer verfehltedeS jungen patriotisch deklamierenden Pfarrers, der über denSterbenden und Maria zum Schluß den Ehesegen spricht, lassen eszu keinem tiefer greifenden Gesamteindrucke kommen. Herr Bildtals Schauspieler übertrumpfte die Theattalik dieser Pastorörolle nochin seinem Spiele, loährend Rolan als Darsteller des Bauerntaktvoll klug die psychologischen Risse nach Möglichkeit zu ver-hüllen suchte. DaS junge Paar war durch Herrn W i e n e undElse W a s a gut vertreten. Der Applaus klang stark. Den Ab-sckiluß de« Abends bildete ein alter Wilden brach scher Einakter.Jungser Immergrün", ein Genrebildchen bescheideittlichausharrender Verlobtentreue aus der friderizianischen Zeit, dessenweibliche Figuren sehr slott pnd munter von den Damen Wagen-breth, HolmS und Beckers gespielt wurden. clt.Notizen.— Opern chronik. Siegfried WagnerS Musikdrama.Sternengebot' erzielte bei der Uraufführung im HamburgerStadttheater einen„bedeutenden Erfolg". Wieloeit er künstlerisch be-rechtigt war. wird aber wohl der Nachprüfung bedürfen.— Die erste Universitätsprafessorin inJtalien.Italien hat�jetzt offiziell die erste wirklich« Universitätsprofessorin.an der Hochschule zu Pavia seit mehrerenW wirke, ist zur Professorin der Zoolagieund vergleichenden Anatomie an der Universität zu Sassari ernanntworden. Es ist das erste Mal. daß eine Frau offiziellnach irgend einem Lande' der Welt genau so billig transportiert'(SS_ ist das erste Mal. daß eme Frau offiziell undwerden können, als wenn diese Städte und Staaten am Ozean! befimtw auf einen akademifchen Lehrstuhl berufen wird.lägen. I■'