9,. 24. 25 wtw«. 2. Stilllge!>tS JonSrtf Ktrlilltl Jollislilatt. Die Wählerlisten zu de» bevorstehenden Gemeindewahlen liegen nnr noch bis zum Donnerstag, den 30. Januar, zu jedermanns Einsicht aus! KaufmanDsserlcftts- Aahlen. Die Wahle» der Gehülfenbeifiver zum KausmauuS» geeicht Berlin finden am Sonntag, den 9. Februar 1998 von 19 Uhr vor- mittags bis 3 Uhr nachmittags statt. Wahlberechtigt ist jeder Handlungsgehülfe, der bis zum 9. Februar 1998 das 25. Lebensjahr vollendet hat und in Berlin beschäftigt ist. Eine Wählerliste wird nicht aufgestellt. Dagegen gibt der Magistrat Wahllegitimationen heraus, auf denen vom Chef oder von der Polizeibehörde zu bescheinigen ist, daß der Gehülfe in Berlin tätig ist. Die amtlichen Formulare zu diesen Legittmattonen sind kostenlos zu haben: 1. Wahlbureau des Magistrats, Postsir. 16. 2. Bureau des Zenttalverbandes der Handlungsgehülfe» und Gehülfinnen Deutschlands . Neue Königstr. 36, vorn I. 8. Bureau der Berliner Gewerkschastskommission, Engel- Ufer 15. I. 4. Expeditton des„Vorwärts". Lindenstt. 69. 5. Zigarrengeschäft Jakob Wiebe, Wendenstt. 2. 6... Adolf Adler. Voltastr. 37. 7. Zeitungsspeditton H. Raschle, Ackerstt. 36. 8.„ Karl Mars, Lychener Straße 123. 9.„ Karl Anders, Salzwedeler Straße 8. 19.„ Karl Weiße, Nazarethkirchstr. 49. 11.„ Willi Lippmann, Spandauer Brücke 2. Haudlungsgchälfen! Sorgt dafür, daß am 9. Februar die Liste III(Zenttalvcrband der Handlungsgehülfen) eine gewalttge Stimmenzahl auf sich vereinigt. Partei- �lngelegenbeiten. Wilmersdorf . Heute abend pünktlich 3'/« Uhr findet im Luisen- park , Wilhelmsaue, die Mitgliederversammlung des Wahlvereins statt. Außer der sonst reichhaltigen und wichtigen Tagesordnung. die zu erledigen ist. hält Genosse Mermuth einen Vortrag über das Thema:„Der Sozialismus und seine geschichtliche Mission." Vollzähliges Erscheinen der Mtglieder ist dringend geboten. Der Vorstand. Lankwitz . Am Mittwochabend ll'/g Uhr findet bei Rettger. Ealandrellistr. 27/29, die regelmäßige Mitgliederversammlung des Wahlvereins statt. Tagesordnung: Vortrag des Stadtverordneten Genossen K ü t e r über„Kommunalpolitik", Stellungnahme zur KreiL-Geueralversammlung, Vereinsangelegenheitcn. Der Vorstand. Schönebcck-Fichtenau. Die Wähler der dritten Abteilung werden ersucht, sich heute und morgen noch im Gemeindebureau davon zu überzeugen, ob sie in der Wählerliste vermerkt sind. Diejenigen, denen es an Zeit mangelt, können sich im Lokal von Süßmilch für Lllein-Schönebeck und bei Max Manzel-Fichtenau, Kaiser-Wilhelm- straße, für Fichtenau melden. ßerliner JVacbncbten. In Treptow is'n Ding passiert. Am Sonntag rüstete ich mich nach der Woche Last und Müh' zu meinem gewohnten Sonntagsnachmittags-Spazier- gang. Eigentlich haben wir vielgeplagten Leute von der Feder selbst zu solcher mal dringend notwendigen Lungen- Extravaganz keine Zeit, aber ich wußte ja, daß in Berlin von feiten der internationalen Sozialdemokratie nicht das ge- ringst? Demonsttatiönchen geplant war. Damit renommiere ich nicht etwa, denn das wußten in Berlin und Umgegend alle Menschen, die nicht gerade intime Beziehungen zum Alexander- Platz hatten. Es hätte ja auch einen zu schoflen Eindruck ge- macht, dem Landesvoter die Gcburtsfreude zu verderben und den zahlreichen von auswärts erschienenen Gratulanten einen heillosen Schrecken einzujagen. Wenigstens habe ich mir er- zählen lassen, daß einige der hohen Geburtstagsgäste nur mit Zittern und Zagen nach Berlin gekommen sind und in jeder Hosentasche einen geladenen Revolver trugen.. Der Wunsch. noch jedem eine besondere Schutzmanns-Leibwache zu pumpen, konnte leider nicht erfüllt werden, weil unsere Polizei den preußischen Staat— anderweitig retten mußte. Nur einer der Gäste soll lachend das fürstliche Haupt geschüttelt haben ob all der Angstmeierei. Seine Renegatenansichten wollen zwar da oben zwischen Schloßplatz und Lustgarten nicht recht gefallen, aber da er nun mal„vom Bau" ist, muß man schon ein Auge zudrücken. Also ich verschmähte das patriotisch angewärmte Ber - liner Gcburtstagspflaster, wollte mich mal da ergehen, wo man nicht alle zehn Schritt über einen Schutzmannssäbel stolpert. Und als ob ein freundlicher Kobold meine Ge- danken erraten hätte, klingelte es plötzlich am Haustelephon: „In Treptow is'n Ding passiert...!" Natürlich war das Mumpitz. Irgendein guter Freund wollte mich verhöhne- piepeln. In Treptow — lächerlich! Da passiert überhaupt nichts. Höchstens ziehen sie da mal an der lieben Spree„aus dem tiefen Grund eenen ollen Stiebel und'nen doten�Hund", wie der Berliner sagt. Aber nun gings gerade nach Treptow raus. Donnerwetter... sollte da draußen wirklich...? Schon aus Ringbnhnstation Dingsda hörte ich, wie der Zug- führer dem Stationsvorsteher halblaut zurief:„In Treptow is'n Ding passiert!" Mein sonst so kühles Schriftstellerblut begann langsam zu prickeln. Das gab ja vielleicht'ne pick- feine Sensation... oder'ne Demonstration... nein, sicher'ne Revolution. Ganz gewiß, so war es. Halb Berlin schwimmt in heller Geburtstagsfreude. Die Schutzleute halten jeden Brückenpfeiler und jeden Laternenpfahl fest. In besonders gefährlichen Gegenden steht fast über jedem Pflaster- stein, damit er nicht in eine kleine Barrikade verwandelt wird. ein halbmeterlanger, eisenbeschlagener Schutzmonnsschuh. Und da die vcrd...... Sozialdemokraten auch so schlau sind. haben sie den Revolutionsherd einfach über die Weichbild- grenze verlegt. Da gibts heute keine Schutzleute, nur eine Handvoll Gendarmen, und mit denen wird man schon fertig werden. Und als wir über die Stralauer Eisenbahnbrücke rasselten und ringsum an allen Ecken und Enden blanke Helm- spitzen durch die kahlen Zweige blitzten, da stand es auch bei mir fest:„In Treptow is'n Ding passiert!" Glatt kamen wir vom Bahnsteig herunter und fielen gleich zwei Dutzend Helmspitzen in die Arme. Herrjott, wie jubelte ich innerlich, daß ich nicht als Mann zur Welt ge- kommen bin. Allmutter Natur hat mich mit äußeren Reizen sogar recht stiefmütterlich bedacht, so daß ich beim besten Willen nicht in den Verdacht geraten konnte, mir gewisse Körperteile mit Dynamitboinben ausgestopft zu haben. Da ich aber sonst recht schick aussah, auch keinen roten Schlips unter dem weißen Stehkragen trug, ging ich gottesfürchtig an einen Polizei- offizier heran und fragte unverfroren, ob etwa der Kaiser hier vorbei käme. Erst wollte er grob wexden, aber dann war er reizend, einfach himmlisch.„Mein verehrtes Fräulein, wenn ich Ihnen einen guten Rat geben kann, dann fahren Sie schleunigst wieder nach Berlin zurück!" Und ein Wacht- mcister fügte mit fürchterlichem Augenrosten hinzu:„Jawoll, in Treptow passiert heute'n Ding!" Und ein paar große schwarze Vögel, die sich auf den kahlen Zweigen des Treptower Parkes schaukelten, krächzten dazu unheimlich. Hu... hu... hu! Mir lief jetzt faktisch außer der berühmten Laus über die Leber doch beinahe so etwas wie eine Gänsehaut über den Rücken. Aber so oft ich mit meiner Phantasie einen der fünf unentdeckten Mörder zwischen den Bäumen auftauchen sah, wars bei Lichte besehen immer bloß ein Berliner Schutzmann oder ein Teltower Gendarm. Einmal war es mir sogar so. als ob aus einer— Hundehütte ein behelmtes Haupt heraus- sah. Gottvoller Spuk, das! Da hatte ich mich nun nach Treptow geflüchtet, um Winternatur zu kneipen, und war ungebeten zu einer— Demonstrationsprobe der Polizei gekommen. Mich fröstelte. Auch die Schutzleute froren nervös, trippelten von einem Bein auf das andere und harrten der Dinge, die nicht kamen. Noch nie in meinem Leben habe ich solches Mitleid mit diesen freundlichen Helfern empfunden. Da drüben in einer verlöre- nen Ecke standen drei Mann hoch und langweilten sich. Der eine spielte niit der Browningpistole, der andere sah prüfend nach, ob der Sabul auch scharf genug geschliffen sei, und der dritte machte mit der Faust einen Lufthieb, als ob er in derNeujahrs- nacht einen Berliner Zylinderhut vor sich habe. Harmlos ging ich hinzu und fragte, ob denn der Kaiser noch immer nicht käme. Aber die sahen mich verdutzt an und dann sagten sie alle wie aus einem Munde:„Ja. Fräuleinken, wenn wir selher wüßten, wat heute hier los is, denn säßen wir schon längst bei Muttern an' warmen Ofen!.. Ganz draußen, ziemlich beim Plänterwald, traf ich einen weißhaarigen Alten. Den fragte ich. wo denn in Treptow das Ding passiert sei. Bedächtig strich er sich den langen Bart und erzählte:„Kindchen, nicht in Treptow wars,— nein, in Stralau. Vor langen Jahren, vor länger als einem halben Jahrhundert, da hats drüben auf der anderen Spreeseite eines Tages genau so ausgesehen. Es war am 24. August 1835. Sie wollten gerade das Stralauer Fischzugsfest feiern. In Berlin wars kurz zuvor etwas bunt hergegangen. Man hatte geweissagt, daß es beim Fischzugsfest zu Exzessen kommen werde. Die Polizei traf umfassende Vorbereitungen. Der Magistrat wendete sich am 21. August an die Altmeister samt- licher hiesiger Gewerke und Innungen: er forderte sie auf, auf das Ehr- und Rechtsgefühl der Gesellen und Lehrlinge zu wirken. Mit dem frühesten Morgen des 24. August eilten Tausende nach Stralau, um ja keinen interessanten Augen- blick des Schauspiels der Revolution zu versäumen. Aber als die Masse das Tor passierte, fiel ihr ein Anschlag in die Augen, ein großer Bogen Papier , der weit über Manneshöhe in den Torpfeiler geklebt war und in mächtigen Buchstaben die Auf- schrift trug:„Wegen Unpäßlichkeit des Schusterjungen Herrn Friedrich Schulze kann heute die große Berliner Revolution nicht stattfinden!"...„So, Fräuleinchen, weiter sage ich nichts. Wenn Se nu ein janzet kleinet bißken Menschen- verstand haben, denn können Se sich allein zusammenreimen, was heute in Treptow für ein Ding passiert is!" Auch eine Strahendemansiratioa. Am Anhalter Bahnhofe werde ich im ruhigen Fortgange meiner Gedanken und meiner Beine jäh unterbrochen. Wohin das Auge blickt, sieht es blinkende Helme und blaue Uniformen zu Fuß und zu Pferde. „Schon wieder eine Wahlrechtsdemonstration?" so frage ich mich. Da ich von einer Demonstration des arbeitenden Volkes nicht? weiß, kann eS also wiederum nur eine freiwillige Demon- sttation der Schutzmannschaft sein, wie am Mittwoch vor dem Reichs- tage. Gerührt betrachte ich die eifrigen blauen Augen des Ge- setzes. Die Polizei sorgt doch für alles, selbst dafür, daß die Straßenbewcgung zugunsten deS allgemeinen Wahlrechts für den Landtag nicht einschläft. Aber waS ist das? Die Schutzleute sind heute so höflich! Auch die Browningpistolen dräuen nicht an ihrer Seite. Ein Schutz- mann scheucht ein resolutes Dienstmädchen sogar durch einen Scherz auf den Bürgersteig zurück. Dann kann die Demonstration der Schutzleute doch wohl nicht der Wahlrechtsbewegung gelten! Nun sehe ich auch von der einen und der anderen Seite Offiziere mit Schärpe und Federbusch würdig herannahen, die wohl auch nicht der Wahlrechtsdemonstration wegen zum Anhalter Bahnhof ge- kommen sind. Und jetzt hörte mein Ohr forsche Laute, die mich an dereinstige schweißtriefende Arbeit auf Exerzierplatz und Sturz- acker erinnern. Tsching— bum— tsching— bum— tsching— bum— tsching — bum. Dazwischen ein glitzerndes, prasselndes und fauchendes Durcheinander von Tönen. „Die Musik kommt!" Und jetzt nähert sich dem Anhalter Bahnhof ein— leerer Wagen. Ein Wagen! Die Feder versogt mir den Liebesdienst, dieses bunte, glitzernde. prunkende Wagenungeheuer zu beschreiben. Hoch oben auf dem Kutschbock— man fürchtet beinahe, er stoße mit dem Kopfe gegen die Wolken— sitzt ein Mann mit einem Dreispitz auf weißer Perücke. Die Karosie sieht aus, als käme sie geradswegs aus der Rokokozeit, oder aus einer Maskerade. Auf den Bürgersteigen hat sich Publikum angesammelt. Es guckt sich das Bild an. halb belustigt, aber zur anderen Hälfte geärgert, weil eS am Weitergehen gehindert wird. „Was ist denn hier loS?" „Ick weeß nich." „Der Großherzog von Baden kommt gleich ans dem Bahnhofe an. und gleich kogimt auch Maiestät, ihn abholen. Und das ist die Staatskarosie." Hml Und ich hatte an Wahlrechtsdemonstrationen gedacht! Wie wenig doch so ein ausgepichter Sozialdemokrat von den wichtigsten politischen Ereignisien deS Tages weiß! Nicht zu wissen, daß heute der Großherzog von Baden ankommt! „Der macht heute seine Antrittsvisite, und dann ist ja auch Montag Kaisers Geburtstag." So höre ich einen Mann mit dem intelligenten Gesicht eines Militäranwärters seinen neugierigen Nachbarn aufklären. Und von solchen wichtigen politischen Vorgängen weiß ein Sozialdemokrat wie ich nichts! Denke derweilen an Wahlrecht, Block, Bülow, Sttaßendemon« strationen, Säbelhiebe und andere gleichgültige Dingel Ein schmetternder Ton einer Autohuppe! „ER kommt!" Scheu und verzückt ruft's der Militäranwärter seinem Be» gleiter zu. Ich sehe etwas Gelbes heranhuschen, vorn auf dem Auto weht eine kleine Fahne. Das Publikum gerät ein wenig in Bewegung. die Hälse werden gereckt— im übrigen bleibt alle? stumm wie zuvor. Kein brausender Akkord der Volksbegeisterung l Aber vielleicht kam dem Publikum das Auto zu überraschend, oder es will der Einfachheit halber mit der Begeisterung warten, biS der Besuch dabei ist. Nach einigen Minuten kehrt daS gelbe Auto zurück. ES fährt etwas langsamer als vorhin, und der süddeutsche Gast scheint mit darinzusitzen. Und siehe da— auS den sechs Kehlen der Kinder eines anderen Militäranwärters steigt ein donnerndes Hurra zum dunkelnden Himmel empor. Sechs Kinder sind patriotisch entzückt! Sechs Kinder! Im übrigen— bleibt alle? stumm wie zuvor. Was hier auf die Bürgersteige zurückgedrängt wird, ist nicht der geübte pattiotische Janhagel, der sich Unter den Linden und in der Nähe des Schlosses zu etwaiger Plötzlicher Inanspruchnahme stets bereit hält; hier am Anhalter Bahnhof ist eS das Berlin der Arbeit, daS in unerwarteter und unwillkommener Weile durch einen höfischen Aufzug in seinem raschen Gange unterbrochen wird. Dieses Berlin der Arbeit ist auf die patriotische Manifestation nicht so eingeübt wie die königsfrommen HabitueS Unter den Linden , es hat auch wenig Zeit und Lust dazu. Die Arbeiter Berlins aber gar rufen etwa? andere? aß «Hurra, Hohenzollern ", wenn sie auf die Straße gehen. Ihr Ruf heißt:„Wahlrecht!" Eiligen Schrittes rette ich mich vor dem wieder heranrückenden Tsching-bum der Musik. _ BerkehrSfraoen. In der gesttigen Sitzung der städtischen Verkehrsdeputatton mußten mehrere wichtige Punkte der Tagesordnung wegen Er» krankung der Referenten abgesetzt werden. Es wurde u. a. beschlossen, bei den städtischen Behörden die Aufnahme einer Anleihe in Höhe von 186 006 600 M. für städtische Berkehrsprojekte zu beantragen. Hieran partizipieren die Untergrundbahn Süd-Nord mit 67 Millionen, die beiden Hafen- anlagen im Osten und Westen mit zusammen 42 Millionen, die Untergrundbahn Moabit— Rixdorf mit 63 Millionen Mark usw. Ueber den Eindruck, welchen die Besichtigung der Probestrccke der Schwebebahn in der Brunnenstraße bei den Mitgliedern der Deputation hervorgerufen hat, entspann sich eine längere Debatte. Man beschloß, wie bisher den Verkehr dort weiter noch einige Wochen beobachten und genaue Zählungen vornehmen zu lassen. In der Zwischenzeit soll dem Wunsche des Oberingenieurs Herrn Petersen stattgegeben werden, in einem Vortrag über das Schwebe- bahnprojekt der Deputation noch einige Punkte genauer erläutern zu dürfen._ Auf der Tagesordnung der Stadtverordnetensitzung am morgigen Donnerstag steht in erster Linie der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, den Magistrat aufzufordern, schleunigst Maßregeln zu ergreifen zur Linderung der herrschenden Arbeitslosigkeit. Neber eine sonderbare KaisergeburtStagSfeier in der Schule wird unS geschrieben: Eigentümlich mutete am Montag eine Schul- feier an, deren unfreiwillige Zuschauer wir wurden. Zum größten Gaudium, aber auch zur größten Entrüstung der Arbeiter einer an den Schulhof der 131� Gemeindeschule Tempelhofer Ufer 2 angrenzenden Fabrik marschierten in der Zeit von Zhg-P�Uhr eine große Anzahl A-B-C-Schützen auf dem Schulhof herum.i�Statt ihrer gewöhnlichen Ausrüstung waren sie angetan mit Uniformen und Waffen aller militärischen Gattungen und in den unmög- lichsten Zusammenstellungen. Der Helm paßte zum Matrosenanzug ebenso, wie die Kapitänsmütze zum Kavalleriesäbel!„Trommel, Pfeifen und Gewehr, ja ein ganzes Kriegesheer," alles war ver- treten. Gegen die der Zahl nach überwiegenden Zivilisten traten die Marsjünger natürlich sehr selbstbewußt und überlegen auf und natürlich waren sie auch der Mittelpunkt des Interesses. Nachdem dann in den Klassenzimmern die Formierung vor- genommen, zogen die Kinder nach der Aula. Im strammen Schritt ging's über den Hof. An der Spitze eine Abteilung„Bewaffneter" mit einer Fahne. Welch imponierender Anblick! Manche von den kleinen Vaterlandsverteidigern waren sich des Ernstes der Situation sehr wenig bewußt und in der Waffentechnik schlecht bewandert, denn sie benutzten daS Gewehr als Pustrohr oder als Trompete. Die Zuschauer fanden erst gar keine Erklärung für diesen Aufzug. Die einen vermuteten, die Forderung des Erfurter Programms, Erziehung zur allgemeinen Wehrhaftigkeit, gehe in Erfüllung; der weitaus größte Teil aber behauptete, diese Sache habe nur den Zweck. Mordspatriotismus in die Herzen der Kinder zu pflanzen, eine Ansicht, der sich schließlich auch die Minderheit der Zuschauer anschloß. Es wäre interessant zu erfahren, auf wessen Veranlassung dieser sonderbare Aufzug zustande gekommen ist. Ter gewaltige Sturm, der gestern herrschte, hat stellenweise ganz erhebliche Schäden verursacht. Sowohl im Innern der Stadt als auch in der Umgebung ist durch den Orkan unter den Baum- beständen starker Windbruch herbeigeführt worden. In den um- liegenden Forsten sind Hunderte von Fichten.vollständig geknickt worden und auch in den hiesigen Parkanlagen hat der Baunibcstand empfindlich unter dem Uvwetter zu leiden gehabt. In den Straßen hatten die Passanten mit Mühe gegen den Sturm anzukämpfen
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