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diese Feststellungen eine revolutionäre Sprache führen, darühcr geht schließlich auch dem agrarischen Blatt ein Licht ans. Um zu reiten, was noch zu retten ist, verspricht es tvenigsteus den Beamten, für Gehaltserhöhungen einzutreten. Der agrarische Moniteur bemüht sich, die Beamten für den Brodwucherrepakt zu gewinnen. Die Landwirtschaft heißt es bildedas sicherste Fundament der Staatsordnung, an deren Erhaltung sie sdie Beamten) ihrerseits doch ganz besonders interessiert sind.' DaS be- deutet in klaren Worten: wir Agrarier haben den Staat in den Hände»; helft uns, das Arbeitervolk bis auf die Knochen auszu- hungern, so sollt auch ihr euren Teil an der Beute haben. . Aber ach, auf dem Wege zwischen dem Steuersäckel und der Beamtentasche stehen die Panzerflotten, die alles schlucken. Die Steuern reichen ja nicht mehr aus und die Ausgaben für Militär. Marine und Kolonien häufen sich ohne Maß. Wenn die Beamten mit ihrem Appetit so lange warten wollten, bis die Gehaltserhöhungen kommen, so würden sie nicht leicht fett werden, wohingegen eine Verbilligung des Brotes und hes Fleisches sofort ihren Hunger stillen würde. Das ist eine klare Erkenntnis, die sich von Tag zu Tag immer schärfer einprägt sowohl den Beamten wie allen anderen Schichten des deutschen Volkes. Wir haben deshalb unsererseits den Feststellungen der «Deutschen Tageszeitung' nur noch hinzuzufügen, daß als 1891 die Getreidepreise die gleiche Höhe hatten wie gegenwärtig, es der stockagrarische Graf Kanitz war, der eine Aufhebung der Gctmdezölle vorschlug. Er erklärte damals im Reichstage: «Gegen diesen vorübergehenden Preisstand ich weiß aller- Vings, daß ich mich in diesem Punkte nicht in Uebereinstimnmng mit allen meinen politischen Freunden befinde gibt eS in meinen Augen nur ein zulässiges Mittel, und das ist die Suspension der G e t r e i d e z ö l l e, d. h. die Aufhebung oder Herabsetzung der Getreidezölle auf eine bestimmte Zeit.... Wenn ich mich in diesem Punkte nicht ganz in Uebereinstimmung mit meinen politischen Freunden befinde, so ist der Stein deS Anstoßes lediglich der, daß von anderer Seite angenommen wird, die Reaktivierung der Getreidezölle nach Ablauf der SuSpenfionSfrist könnte auf Schwierig- leiten stoßen. Ich hege diese Befürchtung nicht.' Damals handelte es sich um eine vorübergehende Erscheinung. bedingt durch die russischen Mißernten, nunmehr aber steigen die Getreidepreise konstant seit inehreren Jahren. Aber freilich, die Gutsherren machen reiche Beute und möchten nicht gern davon lassen. Freiwillig werden sie es niemals tun 1 poUtifebe CTcbcrficbt. Berlin , den 30. Januar 1908. Die Neuwahlen zum preußischen Landtag. Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren, be- steht die Absicht, die Neuwahlen zum preußischen L a n d t a g nicht erst im Spätherbst, sondern bereits im Mai oder Juni stattfinden zu lassen. Es soll damit erreicht werden, daß die Wahlagitation möglichst abgekürzt wird. Man will vermeiden, daß die Aufrüttelung der Volksmassen durch die Wahlrechtsagitation Einfluß gewänne auf die Zusammensetzung des Unrechts- Parlaments. Die Genossen werden gut tun, sich auch nicht durch die zu erwartenden Dementis irre leiten zu lassen. Mißstände in der Marineverwaltnng. Die zweite Lesung des Marineetas führte beim Titel 1, Staatssekretär", ausschließlich zur Erörterung von allerhand Beschwerden über die Zustände in der Verwaltung und auf den Werften. Die zwei freisinnigen Abgeordneten Dr. Leonhardt und Dr. S t r u v e, beides in Kiel ansässige Aerzte, machten Beschwerden der Marineingenieure über Zurücksetzung gegenüber den Marineoffizieren geltend. Herr Struve geißelte auch die Methode, durch deren Anwen- dung die gesetzlich vorgeschriebene Ocffentlichkeit des Militärgerichtsverfahrens bei der Marine umgangen wird, zum Beispiel indem man die Verhandlungen auf ein Kriegs- schiff verlegt l Admiral v. Tirpitz versuchte diese Mit- teilungen durch die allgemeine Behauptung zu entkräften, daß die Behörden sich streng an das Gesetz gehalten hätten. Be- kanntlich kann man aber den Buchstaben des Gesetzes beobachten und doch den Geist töten. Genosse Legten brachte darauf in ausführlichen Dar- legungen die Beschwerden der Werftarbeiter im allge- meinen, speziell noch die der Kieler zur Geltung, nachdem er an der Antwort des Marineministers den Freisinnigen klar- gemacht hatte, daß der Platz an der Blocksonne ihnen nicht einmal bei dieser Gelegenheit eine Beachtung ihrer Beschwerden verschaffte. An der Hand der von den Arbeitern der vier Staats- werften in einer Petition geltend gemachten Wünsche wies Legien nach, daß die Arbeiterausschüsse weder mit den Rechten ausgestattet seien, die sie zur wirksamen Vertretung der Arbetterinteresscn fordern müssen. noch daß deren Mitglieder vor Maßregelungen gesichert wären. Sei es doch sogar vorgekommen, daß in einem be- timmten Falle, als der Arbeiterausschuß wegen eines Unglücksfalles bei einer Kreissäge Vorschläge zur Verhütung bicher Vorkommnisse machte, die Werftvcrwaltuna dem Aus- chuß ausdrücklich ihre Mißbilligung wegen dieser Eingabe zu- eil werden ließ. Aus der Gegenüberstellung der Zahl der ! Krankheitsfälle bei den Werftarbeitern und denen der Arbeiter ] n ganz Deutschland wies Legien auch nach, wie viel da noch zu bessern ist. In Kiel insbesondere haben sich die Gesundheitsverhältnisse infolge der schlechten Ernährung in den letzten Jahren gleichfalls verschlechtert. Zum Schluß ging Legien zur Erörterung einer Anzahl von Einzel- beschwerden aus Kiel und Friedrichsort über. Diese Ausführungen wurden wirkungsvoll ergänzt durch den Genossen S e v e r i n g, der die speziellen Beschwerden der Werftarbester in Wilhelmshaven und Danzig vor- brachte. Er schloß seine Ansführungen mit einem Protest gegen die Verfemung der Sozialdemokraten in den Arbeits- ordnungen. die um so widersinniger sei, als die Werftverwalwng die Arbeitskraft der Sozialdemokraten gar nicht entbehren könne. Der Geh. Admiralitätsrat Harms suchte durch ganz all- gemeine Behauptungen nachzuweisen, daß die im Plenum und vorher in der Budgetkommission vorgebrachten Beschwerden unzutreffend seien. Soweit sich daraus überhaupt auf be- stimmte Fälle schließen ließ, wiesen die Genossen Legien und Ledebour kurz nach, daß damit nichts wiederlegt sei. Darauf wurden im Fluge die einzelnen Titel des Etats bis Titel 52 angenommen. Nur forderte der Abg. Dahlem (Zentrum) die Verwaltung auf. nicht französische, sondern deutsche Weine, und zwar bei den kleinen Winzern deZ Rheinlands zu kaufen. Dann wurde die Verhandlung vertagt._ Ein Block-Humorist. Herr Dr. HeinzPotthoff, Hospitant der Freisinnigen Ver- einigung, veröffentlicht in derFranks. Ztg." als Leitartikel eine unfreiwillig humoristische Epistel über die Frage, ob der Block gekündigt" werden müsse. Herr Potthoff verneint diese Frage. Es sei gut, daß die Wahlrechtsdebatie im Reichstag m ch i zu dem von vielen erhofften, von vielen gefürchtetcn Ereig. nisse geführt hat. Ter Block, sagt Herr Potthoff, brauche nicht gekündigt zu werden. Er führt gleich zwei Gründe für seine Mei- nung ins Feld. Zwei Gründe freilich, die sich gegenseitig totschlagen. Erstens, sagt er, braucht der Block nicht gekündigt zu werden, weil ja gar kein parlamentarischer Block besteht. Es seien gar keine Vereinbarungen getroffen worden. Wirklich? Auch nicht in Norderney , auch nicht im Dezember vorigen Jahres, als Bülow mit tragischer Geberde die Blockrisse wieder verkittete? Der Block, versichert Herr Potthoff, sei nichts als der p e r s ö n- liche Versuch Bülows, ohne das Zentrum zu regieren, aber nicht gegen das Zentrum. Bildete sich nicht gxrade der Freisinn ein, daß der Block gegen das Zentrum regieren sollte? Und glaubte nicht der Freisinn an eineliberale Aera", oder, um uns vor- sichtiger auszudrücken, redete er nicht seit Jahr und Tag un- unterbrochen davon, daß der Freisinn liberale Konzessio- neu erwarte? Potthoff gesteht denn auch, daß das Vertrauen deS Freisinns(das also doch einmal vorhanden gewesen sein muß) einenschweren Stoß" erlitten habe, denn Bülow habe jede ernsthafte Wahlreform in Preußen" abge» lehnt. Trotzdem soll nach Herrn Potthoff alle» beim alten bleiben. Der Freisinn soll ruhig weiter bewilligen. Für den Mili- tarismuS, die Flotte, die Kolonien usw. Obendrein soll er auch auf jeden ernsthaften Kampf gegen den Brotwncher, die Grenz- sperren usw. verzichten. Der Freisinn soll also, trotzdem kein Block besteht und Bülow keinerlei Konzessionen geben will, Block- helferSdienste für die Junker leisten! Und warum? Weil der Freisinn zu feig ist, einen Kampf gegen die Reaktion aufzunehmen. Potthoff sagt selbst, eine Kün- digung deS(nicht existierenden!) Blocks habe nur einen Zweck, wenn der Freisinnentschlossen" sei, dieäußersten Konsequenzen zu ziehen". In der Tat: diese äußersten Kon» sequenzen müßten gezogen werden. Sie bestünden in der Ableh- nung der Forderungen für die phantastischen Kolonialpläne, in einer Kritik unseres UebermarinismuS. Der Freisinn müßte die Flottenpolitik eben nicht alsrein technische Frage" auf- fassen, sondern als Faktor der Weltpolitik politisch würdigen! Der Freisinn müßte den Kampf gegen das Agrariertum aufnehmen. Täte das alles der Freisinn, so brächte er die Reaktion inS Gedränge, so brächte er das Zentrum in die nach seiner Brüskiernng doppelt unangenehme Lage einer unbedingten Regierungspartei und unentweg» ten Jasagemaschine. Diese peinliche Situation des Jen- trums würde noch verschlimmert, wenn der Freisinn endlich eine Wahlrechtskampagne eröffnen wollte, d. h. einen wirk- lichen Volks stürm in der Presse und in Versammlungen. nicht in Konventikeln hinter verschlossenen Türen! Eine solche Politik triebe das Zentrum in der Wahlrechtsfrage vorwärts, oder aber das Zentrum würde bei den nächsten. Wahlen dezimiert werden! Führte so der Freisinn den Kampf, so würde sich bald um die freisinnigen und sozialdemokratischen Rahmen die Mehr­heit des Volkes scharen! Dann müßte die Regierung nachgeben! Der Freisinn bekäme dann freilich keine Orden mehr, er könnte keine Norderney -Fahrt mehr unternehmen, keineintime" Gastereien bei Bülow mehr mitmachen. Deshalb und weil dem Freisinn die Volksrechte gar nicht am Herzen liegen, will er auch vom Kampfe nichts wissen! Er will, auch ohne jede Gegenleistung, der Knecht der Reaktion bleiben. Um aber die Massen zu betölpeln, empfiehlt Herr Potthoff, zwar auch ferner Blockpolitik zu treiben, aber gelegentlichgrob" zu werden. Nach diesem Rezept hat der Freisinn allerdings vor der Block- Aera schon stets antiliberale Politik getrieben. Er hat radikale Phrasen gedroschen, um unter dem Deckmantel dieses Phrasenradikalismus um so Volks feindlichere Politik treiben zu können. Aber dieses Phrasenmäntelchen ist nachgerade so zer- schlissen, daß eS die reaktionäre Block-Blöße des Freisinns nicht mehr zu verdecken vermag! Junkerdreistigkeit! Ein Edelster und Bester, ein Nutznießer des seines gleich- zeitig plutokratischen und agrarischen Charakters wegen doppelt anmutigen Dreiklassenwahlsystems, ein Herr v.- Jagwitz, zieht aus den Stratzendemonstrationen des Proletariats den Schluß, daß das Reichsvereinsgesetz noch mehr verschlechtert werden müsse. Bei denjüngsten Straßen- krawallen"(I) hättenhalbwüchsige unreife Burschen einen Hauptbestandteil der Exzedenten" gebildet. Diesen sei die ge- forderte Wahlrechtsreform an und für sich völlig gleichgültig gewesen, sie hätten lediglich am«Schreien und Johlen" Geschmack gefunden. Und deshalb, weil der nur in der Scharf macherphantasie des Junkers v. Jagwitz existierendeHauptbestandtest" vonunreifen Burschen" mit den Wahlrechtsdemonstrationen gar nichts zutun hatte, soll gemäß einem konservativen Antrag das Reichsvercinsgesetz die Altersgrenze an der Teilnahme von Versammlungen auf 20 Jahre erhöhen! Ist auch die junksrliche Logik noch so schwach- die junkerliche Dreistigkeit ist um so stärker! Wahlrechtsbewegung in Bremen . Die Bürgerschaft(das Parlament) der Geldsacksrepubli! Bremen lehnte einen sozialdemokratischen Antrag auf Ein- führung des allgemeinen gleichen Wahl- rechts für die Bürgerschaft mit etwa 80 gegen etwa 18 sozialdemokratische und 10 bürgerliche Stimmen ab und überwies die sonstigen Anträge auf Reform des bürgerschaft- lichen Wahlrechts einer Kommission. Die Tozialistendebatte im badischen Landtage, welche sich infolge der provozierenden An- griffe des Ministers v. Bodman auf die Sozialdemokratie ent- spann, fand am Mittwoch ihren Höhepunkt in der Abwehrrede deS Genossen Rechtsanwalts Dr. Frank, der auch die Industrie» stadt Mannheim im Reichstage vertritt. Er verwies den Minister bezüglich seiner Erklärung: ein Sozialdemokrat könne in staat- lichen ober städtischen Diensten nicht geduldet werden, auf die posi- tive Tätigkeit der 1900 sozialdemokratischen Gemeindever» t r e t e r und der drei sozialdemokratischen Bürgermeister Badens. Gerade die konservative Partei habe der Minister ins Präsidium bringen wollen es ist ihm allerdings nicht ge- lungegt beim preußisch? BettSW für die BeftitMüg tei AeiO, tagswahlrcchtes einträten. Der Vorwurf, die Sozialdemokratie arbeite im Sinne des Auslandes, werde ob seiner Wirkung durch die jüngste Rede des Sozialisten Jaures in der franzö» fischen Kammer Marokko-Affäre glänzend widerlegt. Die badische Sozialdemokratie könne sich für ihre revolutionäre Ge- sinnung auf die Vorfahren der badischen Liberalen berufen, die 1848 den Großherzog Leopold aus dem Lande gejagt hätten. Die badische Regierung könnte durch Verhinderung der Besteuerung des Tabaks, durch Beseitigung der Schäden der badischen Hausindustrie und durch geeignete Maßnahmen der auch in Baden herrschenden Arbeitslosigkeit sich um das Wohl der Arbeiterschaft bessere Verdienste erwerben, wie durch denNachweis", daß die Sozialdemokratie verneinend, antinational und umstürzlerisch sei. Der Minister habe von einer brüderlichen Behandlung unserer Partei gesprochen; bis jetzt sei auch in Baden die Sozialdemokratie als ein Stiefkind betrachtet worden. Gegen das Reichsvcreinsgesetz! Eine starke Bewegung gegen den Reichsvereinsgesetzentwurf macht sich in Württemberg gellend. In allen Städten und größeren Orten finden Protestvcrsammlungen statt, die durchgängig sehr stark besucht sind. Von der Stuttgarter Leitung der christlichen Gewerk­schaften sind die christlichen Gewerlschaftler im» Lande angewiesen worden, die von der sozialdemokratischen Partei und den modernen Gewerkschaften einberufenen Versammlungen nicht zu besuchen. Trotz dieser Weisung stehen die Arbeiter geschlossen zusammen. Aus einer kleinen Garnison. Vor dem Kriegsgericht der 88. Division in Erfurt standen die Leutnants v. Kurozacki(Infanterieregiment Nr. SS In Wesel ), Wilke und Rosenow (Infanterieregiment Nr. 71 in Sondershansen). Sie haben nach einem Liebesmahle ihrem erwachten Tatendrange da- durch Ausdruck zu geben versucht, daß sie vor dem Kasino allerlei Fechterkunststücke ausführten. Dabei rempelte der Leutnant v. Kurozacki zwei vorübergehende junge Mädchen an. Als die sich das verbaten, erschien das dem Leutnant mit dem russischen Namen nur als eine erwünschte Gelegenheit, sich einenUlk" mit den Damen zu leisten. Er machte sich unter allerlei Redensarten an deren Seite, war trotz allen Protestes nicht fortzubringen. Schließlich versuchte er, die eine der beiden um die Taille zu fassen. Die übrigen beiden Leutnants waren indessen auch herangekommen und einer von ihnen soll den V. K. in heftiger Weise gegen die beiden Mädchen gestoßen haben. Das Trifolium folgte nun den beiden Mädchen bis zu deren nahegelegenen Wohnung, wo sich ihnen nochmals v. K. in der Hanstür entgegenstellte, doch mußte er von weiteren Belästigungen absehen, da ein Verwandter der Mädchen auf deren Klingeln hinzukam. DaS Gericht sah die Sache als belanglos an. Wille und Rosenow wurden freigesprochen und nur v. Kurozacki erhielt SO M Geldstrafe._ Militärjustiz. Eine furchtbar harte Strafe wegen einiger gering» fügiger Vergehen verhängte daS Kriegsgericht in Dresden gegen den Soldaten Rothe vom Jnfanterie-Regiment Nr. 102 in Zittau i. S. Rothe hatte sich wegen Ungehorsam. Be- harrenS im Ungehorsam, G e h or s a m S v e rw ei g e> rung, A ch tu n g S v er le tz un g. Beleidigung eines Vorgesetzten und Selbstbefreiung zu verantworten. Der Angeklagte befand sich am Nenjahrstage in einem Tanzlokal. Hier soll er zu einem Zivilisten eine Bemerkung mit Bezug auf den Sergeanten, den Führer einer WirtshauSpatrouille, gemacht haben. In einem anderen Lokal trafen sich der Angeklagte und der Sergeant wieder. Auch hier soll Rothe mehrere Befehle des Vorgesetzten nicht befolgt, sondern sich höchst ungebührlich benommen haben. Als dann der Sergeant zur Arretur des Soldaten schritt, soll letzterer die Flucht ergriffen haben. Der Angeklagte gibt an, von dem Vorfall nichts zu wissen, da er betrunken gewesen sei. Der Sergeant bestätigt jedoch alle» dem Angeklagten zur Last gelegte; betrunken sei Rothe nicht gewesen. Ein Kamerad Rothe? gibt an. daß dieser sehr betrunken gewesen sei. Einem Feldwebel hat Rothe an dem fraglichen Abend keine tichtigen Antworten gegeben und dieser habe ihn deshalb gehen lassen in der Annahme, Rothe sei betrunken, jedoch müsse er behaupten, daß R. nicht sinnlos betrunken gewesen sei. Der Vertreter der Anklage beantragte schließlich gegen den Angeklagten eine Gefängnis strafe von vier Monaten. Derartige Disziplinlosigkeiten müssen seiner Ansicht nach strenge bestraft werden. DaS Kriegsgericht verurteilte denn auch den Angeklagten zu vier Monaten Gefängnis und verfügte dessen sofortige Jnhaft» ntfhme._ Die preustische Wahlrechtsbewegung und die deutschen Arbeiter im Ausland. Aus der Schweiz wird uns geschrieben: Mit gespanntem Interesse verfolgt man in der Schweiz die EntWickelung der preußischen Wahlrechtsbewegung. Kämpfe gegen schwindelhaftc Wahlsysteme sind auch in der Schweiz mit den Patriziern und Oligarchen geführt und der Triumph des Rechts und des gesunden Menschenverstandes ist erzwungen worden. Auch heute noch werden für die Erringung der Proportional- wohl harte Kämpfe geführt, und es ist sicher, daß der in diesem System steckende vernünftige Gedanke ebenfalls in absehbarer Zeit auf der ganzen Linie siegen wird, nachdem er bereits in einem halben Dutzend Kantonen mit Erfolg verwirklicht worden ist. Die in der Schweiz weilenden deutschen Arbeiter sind Zeugen der vielen Wahlen und Volksabstimmungen und lernen so aus all- täglicher praktischer Anschauung die politischen Rechte ihrer schweize- rischen Nebenarbeiter und Genossen kennen. Da kommt dem Ar» beiter aus Preußen das ganze Elend des dortigen Drcitlassen- Humbugs zum vollen und drückenden Bewußtsein und er schämt sich vor sich selbst« ein Preuße zu sein. Da sollten die Narren von All- deutschen kommen ixnd predigen, der Deutsche im Ausland müsse den Stolz des Deutschen zum Ausdruck bringen. Stolz aus was? Auf die Schmach des preußischen Dreiklossenwahlrechts, über das ein Schweizer nur den Kopf schütteln kann? Die organisierten deutschen Sozialisten in der Schweiz haben begonnen, die Propaganda für den Gedanken der prenßisdhe» Wahl­reform an Hand zu nehmen. In Zürich findet am 29. Januar eme bezügliche öffentliche Versammlung statt, in Winterthnr referierte darüber in einer am 27. Januar stattgefundenen Ver- sammlung Genosse Zinner. und fand hier folgende Resolution einstimmige Annahme: Die am 27. Januar 1998 im Saale des Allgemeinen Arbeiter- bildungsvercins in Winterthur tagende, gut besuchte Versammlung der Mitgliedschast der deutschen Sozialisten begrüßt die von der preußischen Sozialdemokratie eingeleitet« Volksbewegung für die Abschaffung deS schmählichen Dreiklassenwahlrcchts, dieses 57jährigen schweren Unrechts am Volke; sie verurteilt die Volks- feindliche, reaktionäre Haltung des Fürsten Bülow und gibt der Hoffnung Ausdruck, daß das arbeitende Volk durch ausdauernden und tatkräftigen Kampf gegen das- Bollwerk der Reaktion endlich die Einführung des Reichstagswahlrechts an Stelle des die Massen entrechtenden DreiklassenwahlhumbugS erringen werde." Es steht zu erwarten, daß unsere Genossen an allen anderen Orten der Schweiz sich ebenfalls rühren und zur preußischen Wahl- rechtsbewegung Stellung nehmen werden. Die diesjährige M ä r z f e i e r wird im Zeichen der preußischen WghlrechtSbejpegung begangen werdM.