Aufputschnng zn Gewalttaten;� To oft die Sozialdemokratie auch festgestellt bat, dah dieStrastendemonstrqtionen für» Wahlrecht absolut friedliche waren,dast Gewalttätigkeiten lediglich von der Polizei begangen wordenfind: unsere Scharfmacher schwatzen immer wieder von demgewalttätigen Charakter dieser durchaus friedlichen Kund-gebüngen. Sie brauchen diese Fälschung der Tatsachen, um dasBlutvergießen gegenüber Wehrlosen zu rechtfertigen,Sie brauchen sie, um neues Bürgcrblut fließen zu lassen!Kein normaler Mensch, der auch nur einen Schimmerpolitischen Verständnisses hat, kann der Sozialdemokratie bei ihrenDemonstrationen gewalttätige Absichten zutrauen. Ein solcherAberwitz schlüge ihrer ganzen Taktik ins Gesicht. Tut nichts: manschiebt ihr ungeniert solche Absichten unter, um desto unverfrorenermit dem Säbel rasseln zu können!So machte in Hannover bei der KaiserSgeburtstagZfeierEeueral v. Stunzner in seinem Toast folgende Ausführungen:»Freilich können ihin(dem Kaiser) auch bittere Erfahrungenund schwere Kränkungen nicht fehlen, wenn er sein Strebenerfolglos sieht, wenn sein Tun und Wollen mißverstanden wird,wenn er es sogar erleben muß, daß Taufende verführte undaufgereizte Untertanen der Staatsgewalt mit Gewalt zu drohenwagen. Aber gottlob, meine Herren, noch steht die bis in denTod getreue Armee, noch stehen Millionen pflichttreuer,ihrem Kaiser und König, ihrem deutschen Vaterlande ergebenerMänner, die bereit sind, die heilig st en Güter derNation, die Preußen groß und Deutschland einig gemachthaben, zu verteidigen und zu schirmen."Die»heilig st en Güter der Nation" und die»Untertanen", die nicht mehr existieren, wollen wir dem HerrnGeneral schenken. Aber ein Mann, der von Politik nicht das ge«ringste versteht, sollte eS jedenfalls unterlassen, den gewerbsmäßigund bewußt die Tatsachen fälschenden Scharfmachern aus Fahr«läsfigkeit Konkurrenz zu machen IWenn am 9. und 12. Januar Gewalt geübt wurde, wennseitdem unaufhörlich mit der Gewalt gedroht wurde, so ge-schah das nicht von der Sozialdemokratie!Ei» skandalöser Rechtsraub.Auf den R e i ch s e i s e n b a h n e n. die der Verwaltung undKontrolle deS Reiches unterstehen, macht sich immer mehr derpreußische Bei st der Unterdrückung und Vergewal-tigung breit. Schon im Jahre 1906 erregte es gewaltige» Auf-sehen, als die Neichseisenbahnverwaltung den Eisenbahnarbeiternden Britritt zumSüddeutschenEisenbahnarbeiter«verband verbot und zwei bereits bestehende Ortsgruppen inStraß bürg und Bisch heim auflöste. Mit diesen Maß-regeln war aber die Entrechtung der Eisenbahner noch nicht voll-ständig. Dem fortgesetzten RechtSraub, den man hier an den Eisen-bohnern verübt, wurde gelegentlich der WahlrechtSversammlungen imReichslande die Krone aufgesetzt. Am Sonnabend wurden in Bisch»heim die Arbeiter vor die Werkmeisterbureaus gerufen, wo ihnenerklärt wurde, daß sie die öffentlichen Versammlungenund Kundgebungen, die von der sozialdemokratischen Parteizugunsten des allgemeinen Wahlrecht» veranstaltetwerden, bei Maßregelung zu meiden haben; die Ver-waltung dulde eben solches nicht. Damit wäre man in Preußen-Deutschland glücklich zum System der Staatssklaven ge-langt. Kein Koalitionsrecht, kein Wahlrecht zu den Landparlamenten,das Wahlrecht zum Reichstag beschränkt durch Verängstigung derArbeiter und Spitzelei. kein Versammlungsrecht; wer wollte sagen,daß sich Preußen- Deutschland im Zeichen deS konservativ- liberalenAch- und Krach-Blocks nicht zu einem Eldorado der Freiheit ausbilde.Es ist charakteristisch, daß'die herrschenden Gewalten eS gerade inder Aera der kouservativ-liberalen Blockpolitik unternehmen dürfen,die Entrechtung der StaatSarbeiter zu vollenden.franhreicb.Arbeiter als Geschworene.Paris, 27. Januar.(Eig. Ber.)Die Offiziösen B r i a n d s kündigen eine„sozialistische" Re-fdrm des neuen Justizministers an: Die Zulassung der Arbeiterzur Geschworenenbank. Der Titel ist etwas ungenau, denn dieArbeiter waren auch bisher nicht gesetzlich ausgeschlosien. DasGesetz bestimmt, daß nur landwirtschaftliche Knechte, Domestikenund Analphabeten nicht Geschworene sein können. Dagegen habenPersonen, die vom Ertrag ihrer Hanoarbeit leben, das Recht, sichvon der Ausübung der Geschworenenamts dispensieren zulassen. Die Departemeptskommissionen, die die Geschworenenlistenzusammenstellen, nahmen das Befreiungsgesuch bisher einfach vor-weg und trugen Handarbeiter gar nicht erst ein—«ausHumanität", wie heute das edle„Journal des Debats" sagt....Briand will nun die Kommissionen anweisen, künftig auch die Ar-beiter einzutragen, Allerdings ist mit der Eintragung weniggetan, da doch die ausgelosten Volksrichter während der Ge-schworenensession auch leben und ihre Familien erhalten müssen.Bisher bekamen nur die Geschworenen, die außerhalb des Gerichts-orts wohnen, eine Entschädigung für..Deplacement". Nach An-deutungen deS„Matin" wird das Recht auf Entschädigung wohlausgedehnt werden, aber daß es nicht auf eine Besoldungder Geschworenen, ohne die das Recht der Arbeiter auf das Ge-schworenenamt eine bloße Phrase bleiben muß, abgesehen ist, gehtdaraus hervor, daß das Recht auf Dispensierung für die Arbeiteraufrecht erhalten bleiben soll.— Eine ernste Reform müßte durchEinführung einer Besoldung und durch Schutzbestimmungen gegendie Entlassung wegen Einziehung zum Geschworenenamt die Mög-lichkeit schaffen, das Geschworcnenauit auch für die Arbeiter o b l i-gato risch zu machen.—Rolland.Das Niederländische Komitee für daö allgemeine Wahlrecht.Amsterdam, 27. Januar.(Eig. Ber.)Am Sonntag fand zu Utrecht die Generalversammlungiies holländischen Wahlrechtskomitees statt. Vertreten warenalle angeschlossenen Landesverbände, 18 örtliche Komitees,7 provinziale und 2 andere Vereine. Der Vorsitzende, Partei-sekretär.Genosse I. G. van Kuykhof, sagte in seiner Er-öfsnungsrede: Ter über dem allgemeinen Wohlrecht liegendeNebel sei noch immer nicht weggezogen. Was zu erwartenstehe, wisse man noch nicht, ein gutes Zeichen sei aber, daßmit dem gestürzten liberalen Ministerium auch der Blanko-Verfassungsartikel betr. das Wahlrecht verschwunden sei. Vonder Arbeiterklasse hänge es nunmehr ab, welches Wahlrecht sieerhalte. Es müsse dieses Jahr eine lebendige, starke Wahl-rechtsbewegung eingeleitet werden, die in Bälde nicht mehrvon dem jetzigen Komitee, sondern gemeinschaftlich von derSozialdemokratischen Arbeiterpartei und dem NiederländischenVerbände der Gewerkschaften geführt werden müsse! Rednerkonstatierte, daß die Wahlrechtsdemonstrationen des hol-ländischen Proletariats immer mehr an Bedeutung gewännenund daß sich stets mehr Organisationen an ihnen beteiligten.Die Diskussion knüpfte an die auch im Jahresbericht deSKomitees schon des näheren als notwendig erkannte Ersetzungdes Komitees durch eine gemeinschaftliche Mhrung der Wahl-rechtsbewegung seitens der Sozialdemokratischen Arbeiter-Partei und der Gewerkschaftszentrale an. welch letztere bishernoch den politisch- neutralen Standpunkt einnimmt undsich weigerte, direkt für das Wahlrecht einzuireien. DasKomitee hofft, daß hierin bald Wandel eintrete.Beschlossen wurde, die diesjährige Wahlrechtsdemon-stration im Haag, dem Regierungssitze und dem Sitze derErsten und der Zweiten Kammer, stattfinden zu lassen! Fernerwurdx beschlossen, eine Flugschrift über das allgemeine Wahl-recht in 200 000 Exemplaren in Holland zu verbreiten, pro-vinziale Meetings und Demonstrationen sowie De-monstrations- Versammlungen zu veranstalten.Zum Schluß hielt Genosse Van Hinte ein Referatüber ,, Wahlrechtskampf und Gcwerkschoftsbewegung".� woriner unter starkem Beifall die Teilnahme der Gewerkschaften fürnotwendig erklärte, da selbst die stärkste Gewerkschaft nicht imstande sei, einen großen Teil ihrer Forderungen ohne denWahlzettel durchzuführen.MroKKo.Mulay Hafid im Vormarsch auf Settat.AuS Casablanca wird telegraphiert, daß Mulay Hafid im Vor-marsch auf Settat ist. Nach einer Tanger Meldung aus Ein-geborenenkreisen steht der Gegensultan an der Spitze einer be-deutenden Truppenmacht nur noch eine Tagereise von Setlat. Be«stätigt sich das. so ist die Möglichkeit eines Zusammenstoßes MulayHafidS mit den Franzosen in greisbare Nähe gerückt. Denn nacheiner früheren Nachricht auS Casablanca beabsichtigt General d'Amadain einigen Tagen von neuem gegen Settat zu marschieren und denOrt endgültig zu besetzen.___kommunales.Stadtverordneten-Versammlung.5, Sitzung vom Donnerstag, den 30. Januar, nachmittags ö Uhr.' Der Vorsteher M i ch e l e t eröffnet die Sitzung nach bMi Uhrmit einem Nachruf für den verstorbenen früheren StadtsyndiluSund Stadtältesten M e u b r i n k.Die ständigen Ausschüsse haben sich konstituiert. Die Wahlder Ausschüsse zur Vorberatung der Anträge Barth(A. L.) betr.die Zahnpflege der Schulkinder und A r o n S(Soz.) betr. Errichtung städtischer Krippen und Kindergärten hat stattgefunden;die sozialdemokratische Fraktion ist in ersterem durch Dr. Arons,Koblenzer. Dr. Wehl, Wurm, in letzterem durch Dr. AronS, Borg-mann, Manaffe, Wurm vertreten.Seitens der sozialdemokratischen Fraktion war folgenderdringliche Antrag am vorigen Donnerstag eingebrachtworden:Die Versammlung wolle beschließen» den Magistrat aufzu»fordern, schleunigst Maßnahmen zu ergreifen, um die zurzeit inBerlin herrschende Arbeitsjosigkeit und ihre Folgen zu lindern.Infolge Widerspruches des Stadtv. Mommsen(Fr. Fr.) konntedie Beratung des Antrages in der vorigen Sitzung noch nichterfolgen; heute steht er an erster Stelle der Tagesordnung.Es wird Ausschußberatung des Antrags beantragt.Stadtv. Dupont(Soz.): Das düsterste Kapitel in der GeschichtedeS Kapitalismus ist wohl das der unverschuldeten Arbeitslosigkeit.In Zeiten der geschäftlichen Baisse steigt die Zahl der Arbeitslosenlawinenartig an; das war vor 7 Jahren der Fall und ist es auchdiesmal wieder. Vor 7 Jahren rechnete man an Arbeitslosen mitihren Angehörigen die Zahl von 122 000 heraus; diese Zahl wurdevon den organisierten Arbeitern festgestellt. Diesmal haben wirebenfalls eine Zählung vorgenommen; wir haben keine � Ursache,die Ziffern irgendwie höher zu schrauben als sie in Wirklichkeitsind. Diesmal sindSS 000 ArbeitslosehermiSgerechnet worden. Nicht sämtliche Arbeitslose werden damitgetroffen. Sogar von der Leitung des Zentralarbeitsnachweiseswird zugestanden, daß eine ganze Anzahl Arbeitsloser sich nichtmelden» weil siegar keine Aussicht auf Arbeithaben. Aus meinem Beruf könnte ich Ihnen ein Elendsbild vonder Arbeitslosigkeit sogar zur Zeit der Hochkonjunktur entrollen.Das ist ein kleiner Beruf, die kunstgewerblichen Bildhauer; aberauch die großen Berufe, die Bauarbeiter, Holzarbeiter, kommenjetzt in Betracht; die Handschuhmacher, Hutmacher, Tapeziererspielen heute eine Rolle; dazu kommen die ungelernten Arbeiter,die wir durch Zählung gar nicht recht erfassen können. Solchestatistischen Feststellungen sollten nun eigentlich eine Aufgabe derStadt sein, aber diese läßt uns hier im Stich. Einer unserer Ab-Hülfevorschläge richtet sich denn auch auf einen Ausbau desStädtischen Statistischen Bureaus zum Zwecke der Erkennung, undzwar möglichst dauernd, der Arbeitslosigkeit. Es wird nun vongewisser Seite, auch im„Berliner Tageblatt", der Notstand ge-leugnet. Wenn der Arbeiter in bester Kleioung und reinsterWäsche Arbeit suchen muß, so ist der Notstand äußerlich nicht zuerkennen, so sfljr• er auch vorhanden ist. Wir behaupten, daß,wenn auch die Ziffer der Arbeitslosen nicht ganz so hoch wie vor7 Jahren sein sollte, trotzdem ein Notstand vorhanden rst; wenn10 000 weniger Arbeitslose sind, ist darum doch der Notstand nichtbeseitigt. Die wirtschaftliche Depression ist erst im Anzüge; wirwollen daher auch schon auf die kommenden Uebelstände hinweisen.Der Bruder unseres Stadtrats Münsterberg hat erst neulich imAbgeordnetenhause erklärt, der hohe Zinsfuß sei eine Folge derrückläufigen Konjunktur, die sich besonders tm Baugewerbe be-merkbar mache und zu der großen Arbeitslosigkeit führe. Anderer-seits wird es so dargestellt, als wen» wir Sozialdemokraten allestun, um die Zahl der Arbeitslosen in Berlin künstlichzu ver-mehren, ein Scharsmacherblatt, die„DeutscheArbeitgeberzeitung", behauptet sogar, die Sozialdemo-kratie zöge Arbeiter aus der Provinz zu diesem Zwecke heran.Ist dort die Zahl der Arbeitslosen etwa geringer geworden? InFrankfurt a. M. ist die Arbeitslosigkeit und die Notwendigkeit derAbhülfeamtlich zugestandenworden. In Magdeburg meint man, die Arbeitslosigkeit sei da,aber kein Notstand. Die„Arbeitgebcrzeitung" sucht also lediglichdie Arbeiterschaft zu diskreditieren! Es wird sich zeigen, daß in-folge der Arbeitslosigkeit, besonders wenn die Krisis eine schleichendegeworden ist, die Krankenziffern weiter steigen werden, die Kinder-sterblichkeit desgleichen. Die Höhe der Lebensmittelpreise wird dieFolgen der Arbeitslosigkeit besonders kenntlich machen. Von denseelischen Leiden der Arbeitslosen will ich gar nicht reden.Daß wir hier in diesem Saale die Arbeitslosigkeit nicht beseitigenkönnen, wissen wir; aber etwas könnte getan werden bei einergroßzügigen Sozialpolitik, wie sie der Oberbürgermeister bei derBeratung der Wertzuwachssteucr angedeutet hat— ich wünschenur, daß der Oberbürgermeister von damals dem Ober-bürgermeister von heute zur Seite steht.— An praktischenVorschlägen zur teilweisen Abhülfe des Uebels nennen wir:Beschleunigung aller angefangenen Bauten und solcher, für diebereits Bauraten in den Etat eingestellt sind. Da ist die Insel-brücke, die Pullidbrücke, die Badeanstalt an der Schillingsbrllcke,da sind die Arbeiten an den städtischen Straßenbahnen. Sodann:ichleunige Ausführung derjenigen kleineren Umbauten und Re<paraturen, die sich durch sofort vorzunehmende Baubereisungen alsousführbar erweisen: sofortige Inangriffnahme der Arbeiten amSchiflerparl und in sonstigen Parkanlagen. Dem Magistrat wärehier anheimzugeben, mit den Entlassungen von städtischen Arbeiterndann etwas vorsichtig zu sein, wenn eine Krise im Anzüge ist, wieev der Fall war im Ausgang de» vorigen JahreS; da sind zwei-hundert Parkärbeiter entlassen worden. Die Kommune Berlinhat sich den Arbeitern gegenüber etwas anders zu stellen als derPrivatunternehmer. Ein fernerer Vorschlag wäreVerkürzung der Arbeitszeit auf höchstens 8 Stundenbei Vermeidung jeder Ueberarbeit und Doppelschicht.(Rufe: vierTtundca.'lj Auj diesen Einwand gehe ich nicht ein» er charakterisiertsich selbstl Die Forbeeung Be» AchtstunBenlagcS ist sozialpoMischso gerecht, daß sie kein Liberaler heute mehr ablehnen sollte. Diekleinere Zahl der Liberalen, die sogenannten Ideologen, sindes allerdings bloß, die diesen Standpunkt teilen. Es sollen jadie städtischen Betriebe, wie die staatlichen, Musterbetriebesein; hier sollte also Berlin vorangehen. In einzelnen Berufs-gruppen haben wir bereits eine türzere Arbeitszeit. Wir wolle»nichts Unausführbares. Ein weiterer Wunsch geht dahin: Auf-sorderung an die StaatSregierung, die für Berlin geplanten An-jagen schleunigst zu beginnen. Es kämen da allein für die Stadtbahn855 000 M. in Betracht, wenn das auch noch nicht alles bewilligtist; dann für den Ausbau des Ministeriums der öftentlichen Ar-beiten 300 000 M., für Neubauten auf der Museumsinsel 500 000Mark. 2. Rate für das Polizeipräsidium 170 000 M. usw. Hierkönnten beachtenswerte Erfolge erzielt werden. Daß die Lösungdes Arbeitslosenproblems in der heutigen Gesellschaft durch eineReichsarbeitslosenversicherung erreicht werden könnte, haben wiröfter ausgeführt. Dazu»st aber keine Aussicht. In Württembergist von unserer Seite beantragt, daß die Gemeinden einen be»sonderen Arbeitslosenfonds errichten sollen, der als besondere kom»mnnale Anstalt verwaltet werden soll. Eine Armenunter-stützung zum Zweck der Linderung der Arbeitslosigkeit lehnenwir ganz entschieden ab. Auch Sie sollten das begreifen;wer Armenunterstüyung erhält, geht seines politischen Rechtes vet-lustig, und das dürfen wir und dürfen Sie niemals vertreten.Gewisse Herren haben ja gemeint, cs dürfe auf diesem Wege nichtsgeschehen; ein Herr v. Burgsdorff machte einen Husarenritt invas unbegrenzte Land der Dummheit und kam mit der Anschauungzurück, daß man doch immer rechnen müsse mit der angeborenenmenschlichen Faulheit und daß man dann alle Arbeiter an derStaatskrippe haben würde. Das beleuchtet allerdings die Si-tuation, von diesen Herren ist im Landtage nichts zu erwarten;deshalb kommen wir an die Liommune Berlin. In dem Ausschuß,der beantragt ist, werden wir uns darüber ausführlich unterhaltenkönnen. Das Genter System empfehlen wir Ihnen, welches in derZuwendung kommunaler Subventionenan diejenigen Organisationen besteht, welche die Last der Arbeits«losenunterstützung auf sich genommen haben. Die Opfer, die ge»bracht werden müssen, sind außerordentlich; die Buchdrucker»die Holzarbeiter haben ganz enorm höhere Summen zahlenmüssen für unverschuldete Arbeitslosigkeit— wohlgemerkt, ganzohne Rücksicht auf Streiks und Aussperrungen, die kommen beiallen diesen Zahlen, auch der Arbeitslosen nicht in Frage. DieUnterstützung betrug 2VH Millionen bei den freien Gewerkschaften;mit den anderen Gewerkschaften zusammen 3�h— 8% Millionen;eine hoch anerkennenswerte Leistung. Die Aussperrungen haben5)4 Millionen Ausgaben verursacht. Der Bürgermeister von Char-lcttenburg hat bei Beratung des analogen Antrages diese Leistungausdrücklich anerkannt, will aber nicht, daß dieser spontane Triebder Selbsthülfe gestört werde(Zurufe). Wenn Sie sich auch aufdiesen Perlegenheitsstandpunkt stellen, dann werden wir nichtserreichen. Es ist ja sehr bequem, Pflichten abzuwälzen, und wirmeinen, die Gesellschaft hat hier Pflichten, für die Arbeitsloseneinzutreten. Ferner muß dafür Sorge getragen werden, Wärme-hallen einzurichten. Die eine vorhandene kann unmöglich beieiner bielleicht jahrelang andauernden Krise ausreichend sein. Esmüßten da auch Speisen zum Selbstkostenpreise abgegeben werden.Ferner: schleunige Inangriffnahme der Speisung von Schul-kindern. Der Magistrat will bekanntlich 20 000 M. geben, aberdie Speisung nicht von Stadtwcgen stattfinden lassen. Da» istkeine Lösung dieser Frage; die 20 000 M. sind ein Tropfen aufeinen heißen Stein. Ferner möglichste Nachsicht in der Beitreibungder städtischea Steuern, soweit dadurch das Wahlrecht nicht ge-fährdet wird. Wir haben diese Forderung, wie Sie sehen, äußerstvorsichtig gefaßt. Wir gehen nicht soweit, zu beantragen, eineweitere Steuerstufe unerhoben zu lassen. Endlich Fürsorge füreine fortlaufende Statistik deS ArbeitSmarkteS und der Arbeits-losigteit. Das Reich führt eine laufende Arbcitslosenstatistik mitHülfe der Gewerkschaften und der Gewerkvereine; die Reichs-statistik wird durch diese Mitwirkung der Sozialdemokraten nichtgeschädigt, also braucht auch Berlin das nicht zu fürchten. Wasbisher verlautete, zeugt nicht von großem Entgegenkommen desLeiters des Berliner Statistischen Bureaus. Auch hier hat einInterview stattgefunden, wobei der Herr meinte, man müßte auS-scheiden diejenigen, die nicht arbeiten wollen. EineS Statistikersist es nicht würdig, sich in der Weise auszulassen, daß auch solcheda sind, die nicht arbeiten wollen. Das möge er anderen über«lassen; er hat nur diejenigen zu zählen, die als arbeitslos ge-kennzeichnet sind. Ich hoffe, daß im Ausschuß über diese Frageeine Verständigung zu erlangen sein wird. Die neueste Nummerdes„Reichsarbeitsblattes" gibt ein Bild auch von derArbeitslosigkeit in Berlin; die Arbeitsgelegenheit blieb danach imDezember um 20 Pro», gegen das Vorjahr zurück. Endlich er-neuern wir den Wunsch auf Einsetzung einer Kommission fürsoziale Angelegenheiten. Eine solche Kommission ist unbedingtnotwendig, um diese große Frage der Lösung etwas näher zubringen. Wir vertrauen, daß alle Fraktionen ernsthaft prüfenwerden, was wir bringen, und das meiste akzeptieren. Ein solcherWettbewerb könnte nach außen hin nur die beste Wirkung haben;diese Arbeit ist des Schweißes der Edlen wert. Nehmen Sie denAntrag an!(Beifall.)Stadtv. Goldfchmidt(N. L.): Die Art, wie die Gewerkschafts-kommission ArbeitSlosenversammlunaen veranstaltet hat, ließ docheigentlich den rechten Ernst vermissen, denn es stellte sich sofortberauS, daß es sich um sozialdemokratische Agitation handelte.Diese Frage muß gänzlich von Parteistandpunkten losgelöst seinund objektiv gewürdigt werden, wenn sich auch nichtsozialdemo-kratische Arbeiterfreunde für sie einlegen sollen. Die vorgeführtenZiffern müssen irgendwie einen Haken haben. Für Berlin sind55 000 Arbeitslose„herausgerechnet" worden; zuverlässig ist dieZiffer nicht, denn sie ruht nicht auf einwandfreier statistischerGrundlage. Die Deputation für Statistik hat heute morgen ein-gehend die Aufnahme einer solchen Statistik beraten und willdamit in nächster Woche fortfahren. Eine statistische Zählung istsehr wünschenswert, die Bearbeitung des Materials wird aberviele Wochen dauern und dann hat die Arbeitslosigkeit ihre Schärfeschon längst verloren. Der Vorschlag, die städtischen Bauten zubeschleunigen, wird auf allen Seiten gebilligt werden; die Bau-Verwaltung selbst wird nur zufrieden sein, wenn sie ein rascheresTempo einschlagen kann. Auch die Staatsregierung könnte viel-leicht angegangen werden. Ob das Genter System von uns adop-tiert werden kann, darüber ließe sich reden; leider besitzt aber einTeil der Berufsvereine nicht die nötige Unabhängigkeit nach jederRichtung, um einer solchen Subvention von Stadt wegen teil-haftig zu werden. Daß mit der Verkürzung der Arbeitszeit eineVerschiebung des Angebots auf dem ArbeitSmarkt bewirkt wird,ist eine ganz falsche Annahme. Den Abg. Münsterberg hat HerrDupont ebenfalls falsch verstanden. Bedeutsam wäre die Ge-winnung einer fortlaufenden Arbeitslosenstatistik. Prof. Silber-gleit hat uns heute früh erklärt, auf wie eigentümliche Weiseoie Notiz in das„Berk. Tagebl." gekommen ist, auf Grund einertelephonischen Anfrage! Ihm so wenijj wie Dr. Freund gebührtdie Verhöhnung, wie sie der„Vorwärts" den beiden Herrenhat zuteil werden lassen. ES ist Pflicht der Wohlanständigkeit,auch das Urteil der Dr. Freund zr respektieren, da es nachbestem Wissen abgegben ist. AufS schärfste muß der Versuch ab-gewiesen werden, diese ernsten Fragen tendenziös zu behandeln.(Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Hier in der Versammlungin das nicht geschehen. Bei dem ernsten Versuch, solchen Fragennäher zu kommen, werden Sie bei uns immer Verständnis finden.Stadtrat Fischbeck: Der Vorwurf des Antragstellers gegen denMagistrat ist ganz unangebracht. 1901 haben wir die Statistikder Gewerkschaften erbeten, aber die Nachprüfung ergab die Un-Haltbarkeit einer ganzen Reihe von Angaben auS einzelnen.Betrieben.(Redner gibt eine Reihe von Zahlen.) Die damaligenErfahrungen verlocken nicht dazu, auf diese privaten Zahlengroßen Wert zu legen. In der Zwischenzeit. hat der Magistratorgfältige Leobachtungev angestellt, die ihm allerdings eine ge»