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Nr. 40. 25. Jahrgang.

2. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt. Suntag, 16. Februar 1908.

Wie geht man an das Studium

des Sozialismus?

Arbeiterprogramm gewonnene Einsicht in leicht verständlicher Weise Namentlich die letteren Ausführungen sind sehr bemerkens vertieft und erweitert. wert, um so mehr, da unser deutscher   Referentenführer gerade von Endlich aber würde ich raten, vor dem Kommunistischen der entgegengesezten Anschauung ausgeht. Sein Kritiker im Manifest" noch Engels Lage der arbeitenden Klasse in England"" Vorwärts" hatte mit Recht bemängelt: Gin Hinweis darauf, durchzuarbeiten, ein Werk, das heute viel zu wenig beachtet wird, daß der Schüler erst fest sein muß in den Grundlagen, ehe er sich das in anschaulichster und packendster Form schon die wichtigsten auf das strittige Gebiet begibt, fehlt." Darauf erwiderte David: unter den Problemen der Vereinigung von Sozialismus und Ar-" Nichts kennzeichnet den Mann besser, als dies. Also zuerst beiterbewegung entwidelt, die später im Kommunistischen Mani- werden dem Schüler die Grundlagen als absolute Wahrheiten ein ifest" ihre Lösung fanden. gehämmert, damit sie festsißen; dann, so hofft man, werden ihne Diese Frage beantwortet in Nr. 2 und 4 des Kampf" der In der Nr. 4 des Kampf" geht dann Bauer an die Beant- kritische Kehereien nichts mehr anhaben können. Genau so macht es Genosse Otto Bauer  . Die Antwort enthält bemerkenswerte Finger- wortung der Frage, wie man die Geschichte der Klassenkämpfe zu auch die katholische Kirche   bei der Erziehung ihrer Gläubigen, um zeige. Wir entnehmen ihr daher jenen Teil, der nicht bloß für die studieren beginnt. Er führt aus: sie vor Verwirrung" zu bewahren. Wollte die Sozialdemo österreichischen, sondern für alle Deutsch redenden Genossen von tratie diese Methode der alleinseligmachenden Kirche afzeptieren, Interesse ist. In Nr. 2 wird die Frage untersucht: Wie studiert so müßte sie ihren geistigen Bankrott anmelden." man das Parteiprogramm? Es heißt da:

In der Neuen Zeit", Heft 20, schreibt zu diesem Thema Ges noffe Karl Kautsky  :

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Wer die kapitalistische Gesellschaft verstehen will, muß zu nächst wenigstens im Umriß die Geschichte ihres Werdens tennen. Man beginnt das Studium am zweckmäßigsten mit Engels Was David als Methode der alleinseligmachenden Kirche" Wer unser Parteiprogramm verstehen lernen will, wird am Schrift Ueber den Ursprung der Familie, des Privateigentums bezeichnet, ist in Wirklichkeit die Methode der Wissenschaft. Man besten zunächst zu der von Adolf Braun   herausgegebenen Broschüre und des Staates". Obwohl diese berühmte Schrift in manchen studiert nicht in der Weise, daß man wie Kraut und Rüben alles " Biele und Wege"( Berlin   1906, Verlag Vorwärts, Preis 20 Pf.) Einzelheiten veraltet ist, obwohl wir heute wissen, daß insbesondere durcheinanderliest, um sich seine Unbefangenheit" zu bewahren. greifen, an der außer dem Herausgeber auch die Genossen Linde die Entwickelung der Familie nicht so gradlinig ist, nicht bei allen Der Anfang jedes Studiums ist freilich bei jedem selbständig denken. mann, Süßheim, Stampfer und die Genossin Zettkin mitgearbeitet Völfern so gleichartig verlaufen ist, wie die Wissenschaft dies in der den Kopf ein unsicheres Euchen und Tasten. Aber ist man so weit haben. Das Schriftchen enthält eine kurze und leicht verständliche Entstehungszeit dieses Buches annahm, so bleibt sie doch die weitaus gekommen, sich einmal für einen Standpunkt zu entscheiden Erläuterung unserer Gegenwartsforderungen. Eine treffliche Ein- beste Einführung in die Entwickelungsgeschichte der Gesellschaft. und so weit ist jeder, der Sozialdemokrat wird, dann hat man führung in die in unserer Prinzipienerklärung zusammengefaßien als eine Ergänzung kann die kurze Abhandlung über die" Mark" vor allem die Aufgabe, sich über diesen Standpunkt völlig klar zu Gedankenreihen enthält die weitverbreitete Broschüre Grundsätze angesehen werden, die Engels im Anhang zu seiner Entwicklung werden, alle Konsequenzen zu durchdenken, die sich von ihm aus und Forderungen der Sozialdemokratie" von Karl Kautsky   und des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" beröffentlicht ergeben, diejenigen Werte durchzuarbeiten, die ihn am gründlichsten Bruno Schönlant( Berlin   1906, Verlag Vorwärts, vierte Auflage). hat. Ueber die Wirtschaftsverfassung und Klassenfämpfe des Mittel- beleuchten. Hat man sich zu völliger Klarheit über den eigenen Wer diese beiden Broschüren gelesen hat, kann sich dann an cine alters finden wir sehr viel Wertvolles in dem von Karl Kautsky   Standpunkt durchgerungen, dann fann man daran gehen, ihn selb­ausführlichere und gründlichere Erläuterung des Parteiprogramms herausgegebenen Sanimelwerke Die Vorläufer des Sozialismus". ständig anzutvenden zur Erkenntnis der Wirklichkeit und ihn zu heranwagen. Eine solche gibt Karl Kautsky   in seinem Buche Das Für die wichtige Uebergansperiode vom Mittelalter zur Neuzeit messen an den anderen Standpunkten. Da kann es wohl vorkommen, Erfurter Programm  "( achte, wesentlich verbesserte Auflage, Stutt ist zur Ergänzung auch Hautskys" Thomas More   und seine Utopie" daß der zuerst gewählte Standpunkt einen nicht befriedigt, daß gart 1907, Berlag von J. H. W. Diet). Das Buch gehört zu den heranzuziehen. man nach einem anderen sucht, in dem man sich, wenn man ihn Klassischen Schriften des Sozialismus. Das Studium dieser Schrift In die Periode des Frühkapitalismus und modernen Abfolutis- gefunden hat, dann ebenso wieder einarbeiten muß, wie in den ist für jeden, der unser Parteiprogramm studieren will, unerläßlich. mus führen uns Kampffmeyers Geschichte der modernen Gesell- zuerst angenommenen. Das jozialdemokratische Programm ist nicht die Erfindung schaftsklassen in Deutschland  " und Mehrings Lessing- Legende". David verrät eine merkwürdige Mißachtung des menschlichen eines einzelnen Mannes, auch nicht nur der Beschluß eines Bartet- Ueber die große Umwälzung, die die französische   Revolution den Geistes, wenn er glaubt, ein gründliches Durchdringen des eigenen tages, sondern das letzte Ergebnis langer wissenschaftlicher Arbeit. europäischen Völkern gebracht, unterrichten uns Blos," Die fran- Standpunktes mache unfähig, die Eigenart anderer Standpunkte Will man es gänzlich verstehen, so muß man die klassischen Schriften zösische Revolution 1789"; Kautsky  ," Die Klaffengegenjäge von zu begreifen. Sie befähigt vielmehr erst dazu und zu frucht­der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus studieren. Man 1789". Die großen Kämpfe des 19. Jahrhunderts werden uns in bringender Arbeit. Wer dagegen, ehe er einen festen Standpunkt beginnt dieses Studium am zwedmäßigsten mit der Lektüre der den folgenden Schriften trefflich dargestellt: Mehring  , Geschichte eingenommen hat und zu völliger Klarheit über ihn gekommen ist, berühmten Rede Ferdinand Laffalles über Das Arbeiterprogramm" der deutschen Sozialdemokratie"; Blos  , Die deutsche Revolution"; sich zwischen den verschiedensten Standpunkten wahllos umhertreibt, ( Berlin   1907, Verlag Vorwärts). Die Rede zeigt uns die Bewegung Heritier, Geschichte der französischen   Revolution von 1848"; Bach, wird nie zu einer fonfequenten, methodischen Lebensarbeit tommen. der Arbeiterklasse in einem großen historischen Zusammenhang; Geschichte der Wiener Revolution"; Lissagarah, Geschichte der Ein solcher bleibt eine unstete Flocke, deren Richtung von dem Wind fie zeigt, wie die feudale Gesellschaft des Mittelalters von der Kommune von 1871"; Webb, Geschichte des britischen Trade abhängt, der sie jeweilig erfaßt und weiter trägt. bürgerlich- fapitalistischen abgelöst wurde und wie diese wiederum Unionismus". Wir schließen das Studium der historischen Literatur Wenn die katholische Kirche   von ihren Gläubigen nichts anderes von der werdenden Gesellschaft, deren Trägerin die Arbeiterklasse des Sozialismus mit den berühmten historischen Streitschriften verlangte, als gründliches Studium des eigenen Standpunktes, ließe ist, abgelöst werden wird. Karl Marg': Revolution und Konterrevolution in Deutschland  ", sich nichts dagegen eintoenden. Aber sie verlangt mehr: fie fordert Die Klassenkämpfe in Frankreich"," Der, 18. Brumaire des Louis den Verzicht auf jede Kenntnisnahme der gegnerischen Literatur Bonaparte". für alle Zeit. Das ist es, was den geistigen Bankrott der Kirche Die wertvolle bürgerliche Riteratur über Sozial- und Wirt- bedeutet. Will dagegen David etwa behaupten, daß wir Marristen schaftsgeschichte ist den Arbeitern nicht zugänglich, da sie in um- irgendwie die bürgerliche Kritik zu scheuen hätten und jemals ge= fangreichen Werken niedergelegt ist, deren Lektüre geschichtliche und trachtet hätten, sie vor den Genossen zu verheimlichen? Worin be­juristische Borkenntnisse vorausseßt. In jüngster Zeit haben aber steht die propagandistische Kraft unserer Partei in den mit bürger­einige große Verlagsbuchhandlungen Sammlungen populär- wissen- licher Literatur großgezogenen Wolfsschichten, wenn nicht im schaftlicher Schriften herausgegeben; in einigen dieser billigen und Marrismus? verhältnismäßig leicht lesbaren Büchlein sind die wertvollsten Er- Die gröblichste Serabsehung unserer Parteiliteratur leistet fich gebnisse der neueren historischen Forschung furz zusammengefaßt. aber David in jenem Saz, in dem über gründliches Studium, das So können wir unseren Lesern beispielsweise folgende Schriften der Kritiker im Vorwärts" verlangte, gehöhnt wird als Ein­empfehlen: Aus der von Teubner in Leipzig   herausgegebenen Sammlung Aus Natur und Geisteswelt": Steinhausen  :" Ger­manische Kultur in der Urzeit"; Heil, Die deutschen   Städte und Burgen im Mittelalter"; Otto, Das deutsche Handwert in seiner kulturgeschichtlichen Entwidelung"; Pohle, Die Entwickelung des deutschen   Wirtschaftslebens neunzehnten Jahrhundert"; G. Maier  , Soziale Bewegungen und Theorien bis zur modernen Arbeiterbewegung"; aus der" Sammlung Göschen": Tönnies  , Die Entwidelung der sozialen Frage". Einige dieser Schriften enthalten auch gute Literaturangaben.

Hat die Rede Lassalles unseren historischen Blick geschärft, dann fönnen wir es wagen, die Geburtsurkunde des modernen Sozia­lismus", die gemeinsame Quelle aller sozialdemokratischen Pro­gramme, zu lesen, das Kommunistische Manifest" von Sarl Marr und Friedrich Engels  ( Berlin   1906, Verlag Vorwärts). Wir lesen bom kommunistischen Manifest zunächst folgende Abschnitte: I. Bour­geoisie und Proletarier, II. Proletarier und Kommunisten, IV. Stellung der Kommunisten zu den verschiedenen oppositionellen Parteien. Der dritte Abschnitt des Kommunistischen Manifest  "( sozia­listische und ökonomische Literatur) macht uns größere Schwierig. feiten, da er geschichtliche Vorkenntnis vorausseßt. Hier sehen sich ja Mary und Engels   mit den Lehren und Anschauungen älterer Sozialisten auseinander. Zum besseren Verständnis dieses Ab­schnitts lesen wir die kleinere Schrift von Friedrich Engels   über Dei Entwickelung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" ( Berlin   1907, Verlag Vorwärts). Sie zeigt uns, wie der durch das Kommunistische Manifest" begründete wissenschaftliche Sozialismus auf dem Boden erwachsen ist, den einerseits die Entwidelung der bürgerlichen Wissenschaft und Philosophie und andererseits die friti­schen Leistungen des älteren utopistischen Sozialismus urbar ge­macht haben; so lehrt sie uns die historischen Wurzeln, aber auch die unterscheidende Eigenart des von Marg begründeten proletarischen Sozialismus fennen.

Das Verständnis der von uns genannten Schriften von Mart, Lassalle und Engels seht die genauere Kenntnis ihrer Entstehungs­zeit voraus. Den Weg hierzu erschließt uns Die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie" von Franz Mehring  ( Stuttgart   1906, Verlag von J. H. W. Dietz).

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Wir raten dem Leser, zuerst die von uns an erster Stelle ge­nannten historischen Schriften aus unserer Parteiliteratur und dann erst die von bürgerlichen Gelehrten verfaßten Bändchen zu lesen. Diese Reihenfolge empfehlen wir nicht nur darum, weil unsere Parteischriften sich einer leichter verständlichen Darstel­lungsweise befleißigen, sondern auch deshalb, weil die wahllose und ungeordnete Lektüre von Schriften, die die Entwickelung der Ge­sellschaft unter ganz verschiedenen Gesichtswinkeln sehen, den noch ungeschulten Leser leicht verwirren und an der Möglichkeit eines bestimmten und eindeutigen Urteils verzweifeln lassen könnte. Liest man zuerst die historische Literatur des Sozialismus in einem Buge, so sieht man die Entwidelung der Volkswirtschaft in großen So Otto Bauer  . Es erscheint mir zweckmäßig, die von ihm Bügen flar und wohlgegliedert vor sich ausgebreitet. Studiert man gegebene Liste noch etwas zu erweitern. So halte ich es für not- sodann wiederum der Reihe nach die von uns genannten Darstel wendig, daß der Lernende, ehe er an mein Erfurter Programm  " lungen aus dem bürgerlichen Lager, dann lernt man auch den dem geht, das Marrsche Schriftchen über Lohnarbeit und Kapital  " liest. unseren entgegengesezten Standpunkt kennen. Die Gegenfählichkeit Es ist ein Muster populärster ökonomischer Auseinandersehung. der Urteile wird den Leser dann nicht mehr berwirren, vielmehr An die Leftüre von Lassalles Arbeiterprogramm" würde ich wird er nun selbst zwischen den beiden großen Richtlinien der Ge­raten, die seines Bastiat- Schulze" anzufügen, der die aus dem schichtsbetrachtung zu wählen vermögen."

Zum ersten Studium der sozialdemokratischen Gedankenwelt werden die von uns genannten Schriften genügen. Wer tiefer eindringen will, wird freilich noch fleißige Arbeit aus verschiedenen Wissensgebieten nicht scheuen dürfen."

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Der Ausstoß hat begonnen.

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hämmern der Grundlagen als absolute Wahrheiten". Dieser Say bekommt nur dann einen Sinn, wenn man annimmt, daß die Parteiliteratur die beweislose Annahme von Glaubenssäken als höhere Offenbarungen fordert, daß sie für sich allein nicht zu selb ständigem Denten anregt und befähigt, sondern daß sie ihren Lesern ebenso wie die Schriften der katholischen Kirche   das Gehirn ver­fleistert, wenn dieses nicht durch das gleichzeitige Lesen bürgerlicher Litertur offen gehalten wird.

Von einer besseren Erkenntnis des wissenschaftlichen Wertes unserer Parteiliteratur und der Wichtigkeit ihres gründlichen und methodischen Studiums sind die Anleitungen Otto Bauers dazu im Kampf" eingegeben. Sollten sie fortgesetzt werden, werden wir unseren Lesern davon Bericht erstatten.

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