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wehr zu beschränken oder zu beeinträchtigen, als sie ihnen durch die besonderen Pflichten ihres Standes ohnehin beschränkt sind. So besitzt an sich jeder Staatsbürger das Recht, zur Ehe zu schreiten, Tanzunterhaltungcn zu besuchen, sich zu kleiden, wie er will usw., dem katholischen Geistlichen aber ist dies Recht durch die besonderen Vorschriften seines Standes verwehrt. Dadurch, daß er den Stand seinerzeit freiwillig auf sich genommen hat, hat er auch die mit ihm verbundenen besonderen Verpflichtungen auf sich genommen, ähnlich, wie dies beim Staats- beamten und Offizier der Fall ist. Wie nun der Staatsbeamte bezüglich der Annahme des Abgcordnetenmandates an die Genehmigung von feiten der vorgesetzten staatlichen Be- Hörde gebunden ist, welche ihm dieselbe erteilen, oder aus einem gerechten Grunde auch verweigern kann, so ist dasselbe auch bei einem Geistlichen der Fall. Wie ferner die Staatsbehörde im Interesse des Staatswohlcs und der Beamtendisziplin einem Staatsbeamten den Beitritt zu einer grund- sätzlich staatsfeindlichen Partei verbieten kann, so dürfte wohl auch der kirchlichen Oberbehörde das Recht nicht abgesprochen werden können, aus Erwägungen reli- giöser, kirchlicher und seelsorgerischer Natur einem ihr unter- stehenden Geistlichen den Beitritt zu einer bestimmten Partei zu verbieten. Dies habe ich seinerzeit im Falle Grandinger getan, indem ich ihm aus Erwägungen kirchlich-seelsorgerischer Natur die Genehmigung zur Annahme des Abgeordnetenmandats nur unter der ausdrücklichen Bedingung erteilte, daß er der liberalen Partei weder als Mitglied noch auch als Hospitant beitrete. Ich hätte Herrn Pfarrer Grandinger unter Berufung auf den hier- orts von Tag zu Tag immer drückender sich geltend machenden Priestermangcl die Annahme des Mandats einfach verbieten können. Ich mochte dies aber nicht tun, damit es nicht den An- schein gewänne, als wollte ich dem Austrag der Frage:Kann ein katholischer Geistliche liberaler Abgeordneter sein?" feige aus dem Wege gehen..... Als ich vor Jahresfrist einer ganzen An- zahl von Geistlichen aus Motiven religiös-seelsorgerischer Natur verboten, bei der Stichwahl Erlangen  - Fürth   mit den Sozialdemokraten gemeinsame Sache zu machen, erinnere ich mich nicht, daß von feiten der liberalen Partei hierin eine Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte von Staats- angehörigen gefunden wurde; ich glaube, daß bei meinem Vorgehen gegen Pfarrer Grandinger, bei welchem mich dieselben Gründe kirchlich-seelsorgerischer Natur leiteten, ebenso- wenig von einer Verletzung verfassungsmäßiger Rechte die Rede sein kann." Den liberalen und konservatip-liberalen Blättern ist diese Abfertigung, wie ihr verlegenes Hin- und Hergerede zeigt, höchst unbequem: denn der Bamberger   Erzbischof schlägt sie mit denselben Gründen, mit denen sie es bisher rechtfertigten, daß der Staat sich nicht nur der Staatsbeamten entledigt, die der sozialdemokratischen Gesinnung verdächtig sind, sondern auch der in Staatsbetrieben angestellten sozialdemo- kratischen Arbeiter, und zwar selbst dann, wenn diese nicht, wie Herr Grandinger, öffentlich für ihre Partei agitieren, sondern nur ein sozialdemokratisches Blatt lesen oder bei Wahlen für einen sozialdemokratischen Kandidaten stimmen. Zluch der Hinweis auf die Stichwahl in Erlangen  -Fürth  ist recht geschickt in die Antwort eingefügt: denn damals hat kein einziges liberales Blatt darin eine Beeinträchtigung der Gewissensfreiheit oder der staatsbürgerlichen verfassungs- mäßigen Rechte zu finden vermocht, daß Herr Dr. Abert einer Anzahl katholischer Geistlichen kurzweg ver- bot, irgendwie die Sozialdemokratie zu begünstigen. Im Gegenteil, damals wurde der Bamberger   Erzbischof als ein- sichtiger, patriotischer, mannhafter K i r ch e n f ü r st, als die Blüte der feinsten geistlichen Äilduna gepriesen. Diepatriotische" Presse weiß gegen diese Abfertigung des Erzbischofs denn auch nichts anderes zu erwidern, als daß sie mehr oder minder offen erklärt, was gegen die Sozialdemokratie angebracht sei, schicke sich nicht gegen die Liberalen. So meint die Tägl. Rundschau", die bekanntlich je mehr sie gegen die Iesuitenmoral eifert, desto unverschämter nach dieser Moral Politik treibt:Dcnnesi st etwasanderes. wenn ein Erzbischof die Unterstützung der prin- zipiell religionsfeindlichen Sozialdemo- kratie, als wenn er die Unterstützung des L i b e r a l i s m u s v e r b i e t e t, der gar nicht daran denkt, religions- oder kirchenfeindlich zu sein, sondern nur an der ultramontanen Jnfizierung der katholischen Kirche   eine sehr berechtigte Kritik übt." Vielleicht erläßt Herr Dr. Abert zur Abwechselung dem­nächst wieder ein gegen die Sozialdemokratie gerichtetes Ver- bot. Dann werden ihn die Liberalen wiederum als einsichts- vollen, hochgebildeten Kirchenfürsten feiern. Das engllich-ruMiche Abkommen. London  , 18. Februar. Da» Unterhaus besprach gestern die Vorteile und Nachteile des im August 1907 zwischen England und Rußland   abgeschlossenen Abkommens über mittelasiatische Streitpunkte. Wenn auch das Abkommen vielfach kritisiert wurde, so erhob sich doch keine Stimme gegen dessen Prinzip. Die oppositionellen Redner anerkannten den Wert und die Bedeutung dcS Ausgleiches mit Rußland  , nur meinten sie, England habe viel geopfert und nichts Greifbares dafür erhalten. Dieser Gedanke lag der Resolution zugrunde, mit der Lord Percy die Debatte eröffnete. Lord Percy, der in der letzten konservativen Regierung den Posten des Unter. staatssekretärs des Aeußeren bekleidete, stellte die Behauptung auf. daß sowohl in Afghanistan   wie in Tibet   die russische   Diplomatie viel mehr erhalten habe, als sie erwartet hatte, und daß in Persien  die Handelsinteressen Englands aufgeopfert worden seien, ohne von der russischen Regierung eine bindende Erklärung erhalten zu haben, daß der Persische Golf   in die britische   Einflußsphäre falle. Das ganze Uebereinkommen habe nichts definitiv geregelt, wohl aber Rußland   bedeutende Handelsvortcile verschafft. In der darauffolgenden Debatte, die 7 Stunden dauerte, sprachen verschiedene Abgeordnete teils für, teils gegen die Re- gierung. Die wichtigste Rede kam von Sir Edward Grey  , dem Minister des Aeußeren, der etwa folgendes sagte: Man wirft dem englisch  -russischen Uebereinkommen vor, es sei an manchen wichtigen Stellen nicht klar genug, um Mißverständnisse auszuschließen. Derselbe Vorwurf kann gegen jedes internationale Uebereinkommen erhoben werden, da es nicht möglich ist, alles vor- auszusehen. Hätten die beiden Vertragsmächte alle Ursachen mög- licher Mißverständnisse und Reibungen besprochen und ihnen vor- zubeugen versucht, dann wäre das Uebereinkommen nicht zustande gekommen. Die Lage in Persien   drängte aber zu einem Ein- Verständnis zwischen England und Rußland  . Ohne dieses Ein- Verständnis wäre es infolge der konstitutionellen Kämpfe in Persien  zu Reibungen zwischen den beiden Großmächten gekommen. Ruß- land wäre vom Norden her in Persien   eingedrungen und England vom Süden. Ein Zusammenstoß wäre unvermeidlich geworden. Es ist auch übertrieben, wenn behauptet wird, daß England bedeutende Handelsinteressen geopfert habe. Denn man muß bedenken, daß Nordpersien in den letzten 20 Jahren finanziell und politisch unter russischem Einfluß geraten war. Die russischen Handelsinteresscn sind jetzt dort größer als die britischen. Rußland   erhielt auch als seine Sphäre den Nordosten Persicns, um an der EntWickelung Mesopotamiens  , die infolge des Baues der Bagdadbahn   zu er- warten ist, teilnehmen zu können. Die russische   Regierung gab ferner eine schriftliche Erklärung ab, nach welcher das von Lord Lansdowne bezeichnete Verhältnis Englands zum Persichen Golf bestätigt wurde. Auf Grund dieser Erklärung wurde das englische Begleitschreiben zum Uebereinkommen abgefaßt. Aber es war nicht angängig, diese Erklärung dem Uebereinkommen einzuverleiben, da der Golf nur zum Teile persisch ist. Und vom Standpunkte des Handels wird der westliche Teil des Golfs infolge des Baues der Bagdadbahn   bald viel wichtiger werden als der östliche. Allein die Wichtigkeit des Uebereinkommens liegt nicht auf Wirt- schaftlichem, sondern auf strategischem Gebiete. Es handelte sich bei England darum, die Nordwestgrenze Indiens   zu sichern, und dieser Zweck wurde vollständig erreicht, indem Seistan(an der Südostgrenze Persiens  ) zur englischen Einflußsphäre gemacht wurde. In Afghanistan   und Tibet   hat England nichts geopfert; anderer Meinung können nur diejenigen sein, die dort«ine Eroberungs- Politik in Aussicht hatten. Die liberale Partei ist aber gegen jede aggressive Politik in den mittelasiatischen Pufferstaaten. Schließ- lich ist nicht zu vergessen, daß es der englischen   Regierung daran liegt, mit Rußland   in Freundschaft zu leben. Lange Jahre herrschte tiefes Mißtrauen zwischen beiden Reichen; jeder Schritt, der von einem der beiden unternommen wurde, fand eine falsche Aus- legung, so daß die Beziehungen immer gespannt und zuweilen kritisch waren. Diesem Zustande wollte die englische Regierung ein Enhe machen. Und mit diesem Ziele im Auge war es not- wendig, Vertrauen zu zeigen, um Vertrauen wecken zu können. Die englisch  -russischen Beziehungen sollen nunmehr auf Vertrauen begründet sein, um entstehende Reibungsflächen durch freundliches Einvernehmen befriedigen zu können. Von diesem Geiste war die englische Diplomatie bei der Ausarbeitung und Behandlung des Uebereinkommens geleitet. Die Lage Englands wurde durch die Besserung der Beziehungen zu Rußland   erheblich gestärkt. Die liberale Regierung hat nur die Politik Lord Lansdownes fortgesetzt, und wenn die Konservativen wieder zur Regierung gelangen, werden sie finden, daß die Liberalen nicht nur die von Lord Lansdowne abgeschlossenen Freundschaften aufrechterhalten, sondern auch ge- stärkt und ausgebaut haben. Ebenso haben sie gezeigt, daß man sich auf England verlassen kann. Greys Auseinandersetzungen wurden mit großem Beifall auf- genommen. Marokko. Die erste Niederlage von S e t t a t ist von General d'Amade und der französischen   Negierung bestritten worden. Und am Mittwoch hat die Regierung aber- mals Meldungen von französischen   Niederlagen und Beunruhigungen Casablancas entschieden dementieren lassen. In den Meldungen des Generals d'Amade vom 20. Februar, worin mehrere Zusammenstöße gemeldet werden unter dem Hinzufiigeu, daß der Feind überall mit bedeutenden Verlusten geworfen wurde, steht nichts von Nieder- lggen. Spät am Abend des Donnerstag aber lief die fol- gende Depesche des Bureau Herold ein: Paris  , 20. Februar. Im Kolonialministerium ist jetzt eine Mel- dung eingetroffen, welche die Informationen aus eng- lisch er Quell« bestätigt, wonach die Franzosen eine Nieder- läge erlitten und ihre Verbindungen abgeschnitten sind. Wo der Schauplatz dieser Niederlage ist, welches die abgeschnittenen Verbindungen sind, das läßt sich aus den vorliegenden Nachrichten nicht feststellen. Die L o n- d o n e rCentral New s" haben eine Niederlage bei S e t t a t(südlich von Casablanca) gemeldet: eine Tanger  - Depesche derFrankfurter Zeitung  " vom 19. Februar sagt, daß um 8 Uhr 20 Minuten ein Gefecht bei einem Orte Bus- n i k a fortdauerte, der 6 Kilometer nördlich von Casablanca liegt. Den Franzosen waren dabei bis dahin 2 Offiziere und 7 Mann getötet und 30 verwundet worden. Endlich melden Nachrichten aus Tanger  , daß die Marokkaner, während General d'Amade mit einer Abteilung sich in der Richtung auf Settat   entfernt hatte, bis an die Gärten von Casablanca   vorgedrungen seien, wobei die Fran- zosen viele Tote verloren hätten. General d'Amade sei eine Zeitlang von der Stadt abgeschnitten gewesen: die Marok- kaner sollen ein französisches Geschütz erbeutet haben. Von der französischen   Regierung liegt noch keine Aeuße- rung vor, die die Niederlage zugibt. Vielmehr erließ der Kabinettschef am Donnerstag eine amtliche Note, worin auf das entschiedenste alle Gerüchte von weiteren Truppen- sendungen zurückgewiesen und daS Publikum vor falschen Meldungen gewarnt wird. Indes wird die Nachricht von der Niederlage indirekt bestätigt durch folgende Depesche: Paris  , 29. Februar. Ein Telegramm des A d m i r a l s Philibert berichtet, daß er vorsichtshalber alle verfüg- baren Geschütze und Mannschaften gelandet habe zur Teilnahme an den Operationen bei Casablanca. Die Lage der Besatzung von Casablanca muß danach sehr böse sein. Mulay Hafid scheint Ernst machen zu wollen mit se'ner Versicherung an seine Getreuen, daß er die Franzosen verjagen werde. Der heilige Krieg ist jetzt wirklich entbrannt, und gar bald können die Truppensendungen Wirklichkeit. werden, die Clemenceau   eben noch entschieden in Abrede ge- stellt hat._ Politische ücbcrlicbt- Berlin, den 20. Februar 1908. Fortsetzung der Justizdebatte. Während in der vorhergehenden Sitzung des Reichstags die Klassenjustiz den Kernpunkt der Verhandlungen bildete, wurde heute eine eigenartige Abart desselben, die R a s s e n j u st i z in den sogenannten Ostmarken von dem polnischen Abgeordneten S e h d a an den Pranger geschlagen. Er zeigte an Einzelbeispielen, von welch giftigem Haß gegen die Polen   in den östlichen preußischen Provinzen richterliche Beamte erfüllt sind, von denen eine angeblich unparteiliche Rechtsprechung ausgeübt werden soll. Staatssekretär Dr. Nieberding deduziert:In­kompetenz, preußische Angelegenheit!" Abg. V a h r e n h o r st(freikonservativer Amtsrichter auS der Lüneburger Heide  ) echot:Inkompetenz, preußische An- gclegenheit", um dann eine seiner unfreiwillig komischen Hcidschnuckenreden. diesmal nicht über Pferdezucht, Mutter- milch oder Dohnensüeg, sondern über allerhand Rechtsfragen zu halten. Er versichert, daß er kein Blutrichter sei und da dieses Selbstbekenntnis noch nicht einen durchschlagenden Er- folg bei den ungläubigen Sozialdemokraten erzielte, über- trumpfte er es durch den Zusatz:Glauben Sie es nur, ich bin ein Gemütsmensch l" Der freudig zustimmende Beifall. den diese Worte auslösten, ermutigte diesen parlamentarischen Fritz Triddelfitz noch längere Zeit auf dem weiten Gefilde der Justiz und Moral umherzustolpern wie ein cinwöchigcs Saugfohlen auf frischgepflügtcm Acker. Nochmals wirkte er da erfolgreich auf das Ziverchfell seiner Zuhörer durch die düstere Prophezeiung, daß die Verhandlungen des Moltke-Harden- Prozesses ahnungslose Backfische in Versuchung führen könnten, das, was sie gelesen,am eigenen Leibe" zu erproben! Nachdem der freisinnige Abgeordnete Dave einige ganz verständige Ausführungen gegen die Verknöcherung des Juristen- rechts gemacht hatte, verbreitete sich der mecklenburgische Ab- geordnete v. M a l tz a n über den Fall der Für st i n W r e d e, um davor zu Ivarnen, daß die Gerichte durch ungleich- mäßige Behandlung reicher und armer Angeklagter nicht denAgitatoren" Stoff zu der Behauptung vom Vorhanden- sein einer Klassenjustiz geben möchten. Diese Brücke benutzte er dann zu einem persönlichen Angriff auf den Genossen Stadthagen  , dessen Darlegungen er nicht etwa sachlich bc- kämpfte dazu reichte offenbar der junkerliche Intellekt nicht, sondern gegen den er im Stil und schleppenden Ton- fall einer Kaffeeklatsche verschleierte Andeutungen von dem machte,was sich die Fama über Stadthagens Entlassung aus dem Anwaltsstande erzählt". Auch diese Reichslügen- Verbandswaffe ist längst schartig und unbrauchbar geworden. Tut nichts! Trotz wiederholter Widerlegung ist sie noch immer gut genug für die junkerlichen Stützen von Thron und Altar. Der mecklenburgische Bundesratsbevollmächtigte Freiherr v. Branden st ein, Typus: inaktiver Korpsbursch im zwanzigsten Seniester, gestattete sich eine Verteidigungsrede der mecklenburgischen Justizverwaltung, nachdem er dem Kommilitonen v. Maltzan einen Hochachtungsschluck gekommen war. Zum Schluß stellte er sich das Attest aus, daß er die mecklenburgische Unparteilichkeit völlig gerechtfertigt habe, was um so notwendiger war, da er sonst keinen Eindruck irgend welcher Art erzielt hatte. Herr Basser ma.nn beschränkte sich als zweiter Redner der nationalliberalen Partei auf die Frage der Kriminalität der Jugendlichen, für die er besondere Bestimmungen in den neuen Justizgesetzen forderte. Der Staatssekretär Dr. Nieberding kündigte an, daß in der unmittelbar bevorstehenden Vorlage über die Reform der Strafprozeßordnung für die Jugendlichen neue Bc- stimmungen getroffen seien. Man möge sich bis dahin das Urteil reservieren. Dann wurde die Debatte auf morgen vertagt. Die nächste Landtagswahl. DieDeutsche Tageszeitung" befürwortet in ihrer letzten Nummer, daß der preußische Landtag vor Pfingsten geschlossen wird und dann so bald als möglich die Neuwahl stattfindet. Es gibt", nieint das Blatt,für die Wahlen, wenn man die Verhältnisse des platten Landes und auch der kleinen Städte zunächst ins Auge faßt, drei günstige Zeiten, einmal der Spät- herbst, dann die Zeit zwischen der Frühjahrsbestellung und der Heuernte nnd schließlich die Zeit zwischen der Heuernte und dem Beginne der Getreideernte. Am allergllnstigsten ist ja, wie die letzten ReichStagswahlen gelehrt haben, der Winter, die Zeit, wo die eigentlichen landlvirtschaftlichen Arbeiten in der Hauptsache ruhen. Bis zu diesem Zeitpunkte lassen sich aber die Wahlen wohl nicht hinausschieben. Man wird also einen von den beiden anderen Terminen wählen müssen, die Zeit vor oder nach der Heuernte. Die Wahl eines dieser Termine würde allerdings nach den ein- schlägigen Bestimmungen, soweit wir sie überschauen, die Auf- lösung des Abgeordnetenhauses nötig machen; doch das würde eine Frage von untergeordneter Bedeutung sein. Entschließt man sich nun dazu, den Schluß des Landtages vor Pfingsten eintreten zu lassen und die Wahlen für die Zeit vor oder nach der Heuernte anzuberaumen, dann wird es zweckmäßig, javielleicht unvermeidlich sein, denReichStag um etwa dieselbe Zeit zu schließen oder vielmehr zu vertagen. Die Vertagung wird sich als nötig er- weisen, da bis zum Frühsommer der Reichstag   die ihm vorliegenden und zugedachten Arbeiten schwerlich erledigen wird und die Arbeit der Kommissionen nicht unter den Tisch fallen darf." Die lange Auseinandersetzung ist nur als Fühler und zugleich als eine an die konservativen Kreise gerichtete Mah- nung, sich auf den baldigen Wahlkampf vorzubereiten, an- zusehen. So gut, wie wir, weiß auch dieDeutsche Tages- zeitung", daß die Regierung beabsichtigt, die LaildtagSlvahlcn bald nach Pfingsten stattfinden zu lassen. Versprechen und Halten. TenMünch. N. Nachr." wird aus Berlin   gemeldet, daß dre Finanzreform vorläufig, das heißt bis zur nächsten Session, zurück- geschoben, dagegen die Aufbesserung der Gehälter der Reichs- beamten noch in dieser Session erledigt werden soll: WaS aber die vom Reichstag im Frühjahr 1907 beschlossene, von den Regierungen zugesagte Aufbesserung der Beamten- gehälter betrifft, so wird die Vorlage noch in dieser Session ein- gebracht werden, freilich wohl mit dem Vorbehalt, daß sie erst mit den neuen Steuern in Kraft gesetzt wird, wenn auch dann mit Rückwirkung auf den 1. April 1908." Die Regierung will also trotzalledem das Versprechen einlösen, mit dem sie bei der letzten Reichstagswahl die Reichsbeamten ge- ködert hat. Die Verpflichtung dazu hat sie zweifellos: aber Ver- sprechen und Halten sind zweierlei. Auch ei» Arbeiterverem. Der evangelische Arbeiterverein in Derendorf  . einem Stadtteil von Düsseldorf  , versendet, um seinem schwachen Mitgliederstande /»ufzuhelfen, ein Flugblatt, daS sich analle evan- gelischen Männer in Derendorf  " richtet und folgendermaßen beginnt: Unsere Zeiten sind ernst. Wir stehen mitten in großen und schweren Kämpfen. Ein Unwetter erscheint am Horizont, das von Menschen unvcrantwortlicherweise mehr und mehr herbeigezogen wird. Menschenaufläufe und Straßenkämpfe haben bereits in verschiedenen Städten unseres lieben Vaterlandes statt- gefunden. Gewissenlose Leute hetzen Tag für Tag, um ihre Mitmenschen zu veranlassen, auf der Straße zu demon- strieren, während sie selber sich zu Hause wohlbehaglich ein- schließen. Besonders sucht man den Arbeiterstand mobil zu machen, weil man in ihm die große Masse de-Z Volkes erblickt und weil man ihn am leichtesten verhetzen zu können glaubt. Keck und immer kecker erhebt die Sozial- demokratie ihr Haupt und meint sich schon künftig als Herrin unseres Vaterlandes aufspielen zu können. Welche