bet strengen Vorschrift hatte man die Leiche in den kalten Schuppen gelegt. Selbst die abgehärteten Leichentransporteure »varen scheu zurückgewichen, als sie die von hartem ftroft hatw,"et�e �rct schauerlichen Umgebung erblickt - beliebte Seelsorger nicht darauf hingewiesen hat, daß es sich für einen Rittergutsbesitzer ebenso wenig schickt, Eitt- nchkeitsvergehen zu verüben, wie für jeden anderen Menschen? �ber lst man über das kleinliche Vorlommniß überhaupt mit Stillschweigen hinweggegangen? jähe» Tode wurde der 38.jahrige Töpfer r' 5U' �immenerstr. 3 wohnhaft, während der Arbeit ereilt. Der Verstorbene, welcher auf einem Neubau in der Rheins- vergerstraße beschäftigt war. ging nach einer Auseinandersetzung nut einem Kollegen, an seine Arbeit; halte dieselbe jedoch kaum degonnen, als er lautlos zusammenbrach, und wie sofort herbei- gerusene Aerzte konstatirten, wahrscheinlich infolge eines Schag. ailsalls verstarb. Der so plötzlich aus dem Leben Geschiedene wurde, da die genaue Todesursache nicht ermittelt werden konnte, nach dem Leichenschauhause gebracht. Er hinterläßt eine Frau, welche ,n de» nächsten Tagen ihrer Niederkunft entgegensieht und ein erst o>/, Jahre alles Kind. Er war ein sehr ruhiger und geachicker. fleißiger Kollege, welcher stets, was die Sache des Proletariats betraf, am Platze war. Eine strenge Kontrolle des Stromgebiets der Spree «nd Havel ist angesichts der drohenden Choleragefahr von der Regierung in Potsdam angeordnet worden. Bor allem werden die Winterquariiere der Schiffer, welche mit ihren Fahrzeugen vor Anker liegen, von den Polizeibehörden— so in Brander- bürg a. H., Spandau , Köpenick— ausS strengste überwacht und zivar dahin, daß die Schiffer die auf ihren Kähnen sich an- sammelnden Exkremente nicht auf das Eis oder ins Wasier schütien. sondern in bestimmte Abortgrubcn auf das Land schaffen. Durch diese Maßregel wird die Bcrnnreinigung des Trinkwassers unmöglich gemacht.— Es ist freilich sehr schwer, die Ausführung dieser Maßregel zu überwachen. Aus dem Postamt 4Z in der Reuen Königstraße ist fol- gende Bekanntmachung ausgehängt:„Als unbestellbar ist zurückgekommen die am 2. d. zwischen 4 und b Uhr Nachmittags auf- gelieferte Postanweisung Nr. 77 über«l»en Pfennig an Herrn A. in der L.straße adressirt. Absender ist Kaufmann I. in der L.straße." Mit dieser Postanweisung hat es, wie uns berichtet wird, ein ganz besonderes Bewenden. Der Kaufmann I. ver- kehrte bis Ende vorigen Jahres in dem A.'schen Restaurant, bei dessen Inhaber er im vorigen Monat bei Zahlung der Zeche eines Tages einen Pfennig schuldig blieb. Infolge eines Streites zivischen Wirth und Gast blieb der letztere später aus dem Lokal fort, und aus Aerger darüber sandte der Restaurateur am I. d. eine» eingeschriebenen Brief, worin er um Zahlung des schuldig gebliebenen Pfennigs ersuchte. Der Gemahnie sandle sofort diesen Betrag per Postanweisung an den Gläubiger; der aber ver- weigerte die Annahme, weil I. das Bestellgeld mit fünf Pfennig «inzuzahlen vergeffen hatte. Nunmehr hat A. den Klageweg gegen I. beschritten; für nächsten Monat bereits steht Termin in der Pfennigsache an. Folgen de? Distanzrittes. Lebhafte Klagen über die Ge- müthlosigkeit vieler Kul scher wurden in der letzten stattgehabten Versammlung des Deutschen Thierschuh-Vcreins erhoben, und als Ursache— der Distanzritt bezeichnet. Von verschiedenen Seiten wurde betont, daß seit jener Parforcetour die Behandlung des Pferdes, die dank den Bemühungen des Vereins bereits eine bessere geworden war, sich bedeutend verschlechtert habe. ES scheine durch einen großen Theil der Kulscherschaft der Gedanke zu gehe», daß die Thierquälerei an ganz anderen Stellen noch ganz anders betrieben werde, wogegen sie die reinen Waisen« kinder wären. Unter den Rednern befand sich auch ein Herr, der im Tone sittlicher Enlrüstung bekannte, daß er leider die gleichen Erfahrungen geinacht habe. Wenn er soiist, so führte er aus, einen Kutscher auf dies oder jenes aufmerksam gemacht habe, durch denen Beseitigung er seinem Thiere eine Er- leichtcrung verschaffen könnte, so habe er stets ein williges Ohr gesunden. Gern sei der Kutscher vom Bock gestiegen und habe nach seinen Anordnungen das Störende beseitigt. Heute aber bekomme er einfach eins über den Mund gefahren, wenn er de» Rosselenker ans einen Uebelstand aufmerksam mache.„Ach was", sei ihm mehrfach geantwortet worden,„ich Ihne meinem Pferd nicht zu viel. Gehen Sie man mit Ihren guten Lehren zu den Großen, den Distanzleulen, daß die ihre Thiere nicht todthetzen sollen." Gleiche oder ähnliche Antworten hatten noch andere Herren einstecken müssen, und eine scharfe Kritik knüpfte sich an die Verlesung eines von einem hohen Militär verfaßten Artikels, der den Distanzritt beweihräucherte. Daß mit allgemeiner Eni- rüstung die von einem anwesenden Thierarztr gemachte Mit- theilung entgegen genommen wurde, es befänden sich noch heute Pferde, die ven Distanzritt mitgemacht, wegen unbeschreiblicher Verletzungen in Behandlung, bedarf wohl keiner weiteren Er- wähnung. Von einem Toppekunglück ist vorgestern früb dieim Süd- osten der Stadt wohlbekannte Gärtnerfamili« Glantz, Cuvry- straße iL, betroffen worden. Ein Sohn der verwittweten Frau G. wurde vorgestern Morgen, während er Kaffer trank, vom Schlage getroffen und blieb auf der Stelle todt. Als Frau G. hinzu- kam und ganz unvermuthet ihren Sohn als Leiche am Boden liegen sah, wurde sie ebenfalls vom Schlagt gerührt und verstarb gleichfalls nach kurzer Zeit. Neber die Verhaftung eineS Soldaten des 47. Infanterie- Regiinenls wird aus Posen auf dem Drahtwege folgendes ge- meldet: Der„Posener Zeitung" zufolge wurde«in im letzten S erbst beim hiesigen 47. Jnfanterie-Regiment eingetretener oldat verhaftet und gestern nach Berlin transportirt. Der Ver- haftete ist Mitinhaber eines Berliner Geschäftes und galt allge- mein als sehr wohlhabend. Die Verhaftung erfolgte aus Ver- anlassung seines Berliner Sozius, den er um 64 OVO M. betrogen haben soll. Vielversprechend. In dreister Weise wurde am 23. d. M. Abends im Laden des Kaufmanns R. in der Naunynstraß« ein Diebstahl verübt. Während R. stch in der neben dem Laden be- findlichen Stube befand, stürmten zwei 16 Jahre alte Burschen in den Laden. Der eine hielt die nach der Stube führende Thür fn, so daß R. gefangen gehalten wurde. Der andere bemächtigte ich der Ladenkaffe, die allerdings nur 16 M. enthielt. Dann entflohen Beide. R. war inzwischen nach dem Hausflur geeilt, um die Diebe aus der Straße zu verfolgen, mußte aber davon abstehen, weil sie die Hausthüre außen zugebunden hätten. Ei« neuer Schwindel deS„Grafen Raday". Der be- kannte Hochstapler. Ernst Otto RedieS, der seine Betrügereien unter dem Namen„Graf Raday' zu betreiben pflegt, scheint wieder einen neuen Schwindel in Szene gesetzt zu haben. In hiesigen Blättern erscheint seit einiger Zeit ein Inserat deS In« Halts, daß sich achtbare Personen einen Nebenverdienst von drei- bis viertausend Mark jährlich verschaffen können. Auf dies an- lockende Anerbieten sandte ein Herr W. an eine in den Zeitungen genannte Expedition in Frankfurt am M. »in Angebot und erhielt auch bald aus einer Stadt Belgiens Antwort. Hiernach hat ein Graf Rhaday dort eine Kredit- dank gegründet, die Antheilscheine aus verschiedene Loose (Mailänder. Venetianer. Bavilla u. s. w.) gegen Ratenzahlungen unterzubringen sucht und an die gesuchten Personen hohe Provisionen zahlt. Die Antheilscheine, die bei der ersten Zahlung durch die Agenten ausgehändigt werden, haben das Aussehen von Werthpapieren und können schon dadurch einen Laien be- Pechen. Zieht man aber noch in Betracht, daß einer rvildfremden Person, wie W. es war, auf daS bloße Anerbieten hin gleich eine ganze Anzahl solcher Antheilscheine verabfolgt werden, so muß man unwillkürlich zu dein Schlüsse gelangen, daß die Gräflich Rhaday'sche Bank es nur auf einen Bauernfang ab- gesehen hat und nur die ersten Ratenzahlungen abwartet. W.. dem der Name Rhaday, der von hier als Schwindler verfolgt wird, ausfiel, hat jetzt sein« Wahrnehmungen der Staatsanwalt« schast unterbreitet. Privatnachfragen bei hiesigen Bankiers haben ergeben, daß die auf den Antheilscheinen verzeichnete belgische Bank völlig unbekannt ist. Marktpreis« in Berlin am 24. Januar, nach Erwitte. lungen des Polizeipräsidiums. Weizen per 106 Kg. guter von 16,00—15,60 M., mittlerer von 15,40—14,90 M., geringer von 14,80—14,30 M. Roggen per 100 Kg. guter von 13,70—13,30 M., mittlerer von 13,20—12,80 M., geringerer von 12,80—12,50 M. Gerste per 100 Kg. gute von 17,00—16,00 M., mittlere von 15,90—14,90 M.. geringe von 14,80—13.80 M. Hafer per 100 Kg. guter von 15,80—15,10 M., mittlerer von 15,00—14,30 M., geringer von 14,20—13,50 M., Stroh, Richt- per 100 Kg. von 5,15—4,50 M. Heu per 100 Kiloqr. von 7,80—5,20 M. Erbsen per 100 Kg. von 40,00—25,00 Ät. Speiscbohnen, weiße per 100 Kg. von 50,00—20,00 M. Linsen per 100 Kg. von 30,00 bis 30,00 M. Kartoffeln per 100 Kg. von 7,00— 4,50 M. Rind- fleisch von der Keule per 1 Kg. von 1,00—1,10 M. Bauchfleisch per 1 Kg. von 1,40—0,90 M. Schweinefleisch per 1 Kg. von 1,50—1,10 M. Kalofleisch per 1 Kg. von 1,00—0,90 M. Hammel- fleisch per 1 Kg. von 1,50—0,90 M. Butter per 1 Kg. von 2,80 bis 1,80 M. Eier per 60 Stück von 7,00—3,00 M. Fische per 1 Kg.: Karpfen von 2,40—1,20 M. Aale von 3,00—1,00 M. Zander von 2,40—0,80 M. Hechte von 1,30—1,00 M. Barsche von 1,80—0,70 M. Schleie von 2,40—0,00 M. Bleie von 1,40 bis 0,80 M. Krebse per 60 Stück von 9,00—2,00 M. Polizeibericht. Am 24. d. M. Vormittags siel ein Kellner vor dem Hause Stralauerstr. 35 zur Erde und erlitt einen Bruch des Unterschenkels, so daß seine Uebersührung nach der Charitee erforderlich wurde.— Infolge des Glatteises fiel in der Nacht zum 25. d. M. ein Arbeiter vor dem Hause Oderbcrgerstr. 54 und ein Schneidermeister vor dem Hause Alvensledenstr. 8 zur Erde. Ersterer erlitt eine bedeutende Verletzung des Armes. während Letzterer anscheinend innere Verletzungen davontrug und nach dem Elisabeth-Krankenhause gebracht werden mußte.— Am 24. d. M fanden sechs Brände statt. Eine auS 4 Köpfen bestehende Erpresser-Gesellschaft stand gestern in den Personen des Schreibers Ludwig Rollain, Kellners Gustav Heise, Bierzapfers Paul it u h n und Schreibers Paul Zimmer m a n n vor der dritten Straskammer des Land- gerichts I. Die Angeklagten, von denen besonders die beiden Erstgenannten vielfach vorbestraft sind, hatten sich verbündet, um solche Leute in Furcht zu setzen und zu brandschatzen, von denen sti, wußten oder vermutheten, daß dieselben einem Laster stöhnten, welches das Gesetz mit Gesängniß bedroht. Einer der Bedrohten ist nach Amerika gegangen. Der Gerichtshof verurtheilte Rollain zu einem Jahre 3 Monaten, Heise zu einein Jahr, Kuhn zu fünf und Zimuiermann zu vier Monaten Gesängniß. Zwei Kreditschwindlerinncn, die unter recht Vertraue» erweckender Maske eine ganze Reihe von Hoteliers und Gast- wirthen betrogen haben, standen gestern in den Personen der verwittweten Schlossermcistcrstau D i e t l o f f und der Klavier- lehrerin D u r a n t vor der ersten Strafkammer des Landgerichts I. Tie beiden alten Damen machten mit ihrem frommen Augen- aufschlag und durch ihre ganze üuistre Erscheinung einen so chrivürdigen Eindruck, daß ihnen sicher niemand die raffinirten Schwindeleien zugetraut hätte, welche sie gemeinschaftlich begangen haben. Die erste Angeklagte stammt aus Potsdam , wo ihr Vater bei seiuem Tode Haus und Hos hinterlassen hatte. Wegen der Erbschaft kam sie mit ihrer Stiefmutter in Streit und verstand es, ihr Erbtheil für einige tausend Mark zu veräußern. Als das Geld ausgezehrt ivar und sie sich ohne alle Subsistcnzmittel sah, kam sie nach Berlin und suchte hier ihre alte Freundin Turant auf, welche bei ihrem Aller recht kurzsichtig und sehr unsicher auf den Beinen ist. Dieselbe befand sich in gleicher bedrängter Lage und beide beschlossen, in betrügerischer Weise in hiesigen Hotels sich Kredit zu verschassen und so lange als möglich aus Kosten der Hotel- besitzer zu leben. Das ist ihnen denn auch im vollen Maße ge- lungen. Sie fanden zunächst Unterkommen in dem christlichen Hospiz „Mariannenyeim", dessen Besitzerin sich durch das Austreten der beiden Damen täuschen ließ. Dieselben spiegelten ihr vor, daß die erste Angeklagte die Gesellschafterin der zweiten sei und letztere hierhergekommen sei, um eine Erbschaft zu reguliren, gleichzeitig aber auch, um wegen ihres Augenleidens ärzlliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie lebten vcr>chtedeiie Tage da- selbst in voller Pension, erinnerten wiederholt daran, daß ans ihren Rechnungen einzelne kleinere Posten vergessen seien, kurz, sie erschlichen sich das unbedingteste Vertrauen, bis sie eines Tages verschwunden waren. Dasselbe Manöver wiederholten sie noch bei 5 anderen Hoteliers hier und i» Potsdam . JhrePhantasie bei Durchführuiig ihrer Pläne war unerschöpflich: bald erzählten sie, daß sie eine Erbschaft zu erheben hätten, bald behaupteten sie, daß ihr Bankier ihnen mitgetheilt. er könne ihre Papiere wegen schlechter Konjunktur augenblicklich nicht verkaufen, dann wieder hatten sie angeblich die Absicht, sich in ein Stift einzukaufen, ja sie verschmähten es sogar nicht, ein ihnen angeblich gehörendes Erbbegräbniß in Potsoam zum Verkauf auszubieten. Das End- ergebmß war üt erall dasselbe; wenn ihre Zeche auf die Summe bis zu 200 Mark angewachsen war, verschwanden sie bei Nacht und Nebel, bis es schließlich gelang, sie abzufassen. Mit Rücksicht auf die Gemeingesährltchkeit und Gewerbsmäßigkeit dieses Treibens verurtheilte der Gerichtshof die beiden bisher un- bescholtenen alten Frauen zu einem Jahr bezw. sechs Monaten Gesängniß. Ein HeirathSschwindler stand gestern in der Person des Kellners Wilhelm Bach vor der zweiten Straskammer des Land gerichts I . Der Angeklagte hat zwei„Bräute" zu gleicher Zeit aufs schändlichste ausgebeutet. Er war Vater eines Kindes ge- worden, das bald wieder starb. Nachdem er die Mutter fast um ihre sämmtlichen Ersparnisse gebracht, wußte er ihr noch das Letzte durch die falsche Vorspiegelung abzuschwindeln, daß er das Grab des Kindes mit einem Denkstein habe versehen lassen. welcher 60 M. gekostet habe. Dem zweiten Mädchen entwendete er eine Sparbüchse mit geringem Inhalte. In Verfolgung des Grundsatzes, daß Heirathsschwindeleien besonders streng geahndet werden inüffen. verurtheilte der Gerichtshof den Angeklagten zu einem Jahre neun Monaten Gesängniß. Wegen Veranstaltung einer Lotterie ohne polizeiliche Genehmigung hatte sich geuern der Kaufmann Siegmund Schindler vor der dritten Straskammer des Landgerichts I zu verantworten. Ter Angeklagte kam auf die Idee, Antheil- scheine der Weseler Lotterie zum Neubau der dortigen Willibrodi- ktrche aus dem Weg« des Automatenverkaufs zu verbreiten. Er ließ sich solche Scheine zum Betrage von 10 Pfennigen drucken, die in Schächtelchen verpackt, den Automaten einverleibt wurden. Während ein Originalloos 3 Mark kostete, brachte der Ange- klagte V« Antheilscheine k 10 Pfennige in Verkehr. Di« aus der Rückseite der Slnthellscheine gedruckten Bedingungen wichen insofern von den Originallosen ab, als erstere eine Ver- sallzeit von sechs Monaten sestgesetzt hatten, während der An» geklagte eine solche von nur drei Monaten gelten lassen wollt,. Außerdem bedang sich der Angeklagte von zedem Gewinn« etne Provision aus. In dem ganzen Verfahren und besonders in den abweichendea Bedingungen erblickte die Anklagebehörde die Ber- anstaltung einer selbständigen Lotterie, welches Veraehen der Staatsanwalt im gestrigen Termine mit 30 M. Geldstrafe zu ahnden beantragte. Der Vertheidiger. Rechtsanwalt Sachs, sührte ans, daß die AuSbedingung einer Provision für die frühere Auszahlung der Gewinne nicht eine Abänderung der Lotterievedingungm, sondern eine besonder« Thätig- keit darstelle, wofür«ine Provision in allen Ländern üblich ist. Die Verkürzung der Verfallzeit der Gewinn« sei eben- falls leine Abänderung des Spielplanes, weil durch die lieber« tragung des Looses zu einem kleinen Theile der Mitspieler Mtt- eiaenthümer des Looses nach Maßgabe der amtlichen Bedrn- gungen und der Verkäufer nur Verwahrer und Verwalter einer fremden Sache geworden sei. Innerhalb des Verwahrungsver- hältnisses sei aber der Verwahrer berechtigt, seine Verwahrungs- Pflicht einzuschränken und lediglich darnach richte sich die Ab- änderimg der Verfallzeit. Aber schon des mangelnden Dolus wegen müsse der Angeklagte freigesprochen werden. Der Gerichtshof trat diesen Ausführungen mcht bei, sondern erkannte auf eine Geldstrafe von 30 M. Charlottenburg . Am 23. Januar standen die Genossen Beyer, Scherenberg. Lutter. Rüttcher.«ernicke und Kliek als Angeklagte vor dem hiesigen Schöffengericht wegen llebertretung der Z§ I und 12 des Gesetzes vom 11. März 1850. Am 11. Oktober 1392 hatte im Lokal des Genossen H. Krause eine Mitgliederversammlung des Sozialdemokratischen Wahlvereins für Teltow« Beeskow- Storkow « Charlottenburg stattgefunden, zu welcher die polizeiliche Bescheinigung nicht zu- gegen ivar. Mau trat in die Tagesordnung in der Erwartung ein, daß der überwachende Beamte die Bescheinigung, wie schon öfter mitbringe. Da ein Beamter jedoch nicht kam. wurde die Versammlung, ohne politische und öffentlich« An- gelegenheiten zu erörtern, zu Ende geführt. Trotzdem erhielt der Vorsitzende und fämmtliche Redner, sowie der Wirth, Strafmandate in Höhe von 20 und 15 M. Hiergegen legten Sämmtliche Berufung ein unter dem Hinweis, daß öffent- liche und politische Angelegenheiten nicht er- örterl worden feien. Da letzteres durch Zeugen bekundet wurde, wurden sämmtliche Angeklagte freigesprochen. Soziale Lteberli-vk; Zur ArbeitSlosenfrage. Ueber das Ergebmß der vom Kasseler Gewerkschastskartell aufgenommenen Arbeitslosen« Statistik, worüber bereits berichtet wurde, geht unS von dort noch folgendes Nähere zu: Es meldeten sich im Ganzen 664 Ar- beitslose, ivorunter 360 Verheirathete mit 290 Kindern. Die Zahl der Unterstützungsbedürftigen betrug mit Frauen und Kin- dem 1905. Der Stadtrath erkannt« den Nothstand an und läßt jetzt an verheirathete Arbeitslose Marken für Kohlen und Brot vcrtheilen. Diese Unterstützung wird nicht als Armenunter- stützung betrachtet. Betreffs der Unverheiratheten dagegen meinte der Bürgermeister zur Arbeiterdeputation, auf dem Lande gäbe es Arbeit genug, und auf das Ersuchen, man möge für recht schnelle Arbeitsbeschaffung und überhaupt für schnelle Hilse sorgen, erklärte er, wie sein Charlottenburger Kollege, ein Recht auf Arbeit gäbe es nicht, ein jeder wäre seines Glückes Schmied, und es sei nur zum Schaden der Arbeitslosen, daß die Sozialdemokratie die Arbeitslosigkeit dazu benütze, die ihr noch nicht angehörenden Arbeiter zu sich herüberzuziehen. Diese Aeußerungen werden auf die Arbeitslosen schon deshalb ohne die gewünschte Wirkung bleiben, weil es lediglich die Sozial« deinolratie war. die sich um diese kümmerten.— Die von unserem Korrespondenten gemeldete Zahl der Arbeitslosen ist inzwischen durch Rcuanmeldungen überbolt. Wie die„Kreuz-Zeitung " be- richtet, ist die Zahl der beschäftigungslosen Männer auf 965 fest- gestellt, wovon 543 verheirathet und Ernährer von 1393 Kindern sind. Die Stadt habe ein besonderes Bureau errichtet, woselbst die Arbeitslosen sich melden können, um Arbeit zu erhalten. Das Leipziger Gewerkschastskartell nimmt am 6. Februar gleichfalls eine Statistik der Arbeitslosen auf. Die Nnthäligkeit, ivelche die dortigen Behörden gegenüber dem Roth- stand an den Tag legen, veranlaßt? die Arbeitslosen, abermals in einer Versammlung über ihre traurige Lage zu berathen. Diese Versammlung fand am Montag im Pantheon statt und war so stark besucht, daß der Saal wegen Ueberfüllung abgesperrt werden mußte. Nach einem Referat des Reichstags- Abgeordneten Geyer wurde durch einstimmige Annahme einer Resolution beschlossen, beim sächsischen Gesammtininisterium sowie erneut bei der Leipziger Etadtverivaltung um Linderung des Nothstandes zu petilioniren,„da die bisherigen Gesuch« der hungernden und frierenden Proletarier seitens der Gemeinde- behörde keine Berücksichtigung fanden." In der Resolution wird es mit Freuden begrüßt, daß die sozialdemokratische Fraktion den Nothstand im Reichstag zur Sprache brachte; in dem dagegen was der Staatssekretär v. Bötticher über den Nothstand äußerte. erblickte die Versammlung„einen Mangel an Einsicht über den wirklichen Zustand der Gesellschaft". Aus Düsseldorf meldet die„Niederrheinische Volks- tribüne": Nachdem die beiden letzten Arbeitslosen-Versammlungen vorüber waren, begaben sich viele Arbeitslose zum Rathhause. Dort wurden die Leute zuerst einzeln vorgelassen, jeder einzeln examinirt und je nach Aussall des Examens ihm ein Schein fol- genden Inhalts ausgestellt:„Düsseldorf . 19. Januar 1393. Herr Fuhrpark-Jnjpektor Göbel wolle idem Ueberbringer dieses, dem F... K... wenn eben möglich Arbeit geben. Der Oberbürgermeister. Ein Beamter war mit dem Ausfüllen der Zettel beschäftigt und der Oberbürgermeister setzte dann seinen Namen darunter. Wer das Examen nicht bestand, bekam einen anderen Zettel:„N. N. verlangt Arbeit."— An Herrn Fuhrpark-Jnspektor Göbel. Die Armenverwaltung.(Stempel.) Eine Stunde lang ging die Sache in dieser Art. Dann aber wurden die Mannschaften aus dem Flur in Reih und Glied aufgestellt, und ihnen etiva Arbeit nachgewiesen?— nein, es wurden ihnen Moralpredigten ge- halten— frei nach dem alten Spruch: Moral ist billig wie Brombeeren. Natürlich konnte man die Gelegenheit nicht vor- übergehen lassen, ohne weidlich auf die Sozialisten zu schimpfen. Es sind uns von vielen Ohrenzeugen so drastische Aeußeruugen mitgetheilt worden, daß wir nur das Verbürgteste davon wieder- geben. Herr Dr. Bausch(der Oberbürgermeister) meinte:„Die Unverheiratheten können überhaupt nach Hause gehen, für die Verheirathelen, welche nicht Sozialisten sind, werden wir sorgen. Die Sozialisten mögen stch an ihre Hetzer und Schreier wenden, denn es ist ja doch alles Mache, oder denkt Ihr, wir werden uns vor dein Machiverk bangen?" Auch die Sozialdemokratie kür den Nothstand selbst verant- wortlich gemacht zu haben, soll das Düsseldorfer Stadtoberhaupt nicht verfehlt haben. Eine Bemerkung dazu erübrigt stch. Der einfache Abdruck solcher behördlicher Aeußerungen ist schon Kritik genug. In Harburg sind von ca. 300 Arbeitslosen, die sich beim Rath« um Arbeit meldeten, 50 aus drei Tage eingestellt worden, und zwar zu einem Stundenlohn von 47 Pf. Nach drei Tagen komml eine andere Kolonne daran. Das nennt man in Harburg »die Roth linoern". Durch eine von 800—1000 Personen besuchte Versammlung der Arbeitslosen Magdeburgs, die am Montag stattfand, wurde festgestellt, daß die Zahl der Unbeschäftigten weit größer ist, als der Magistrat angenommen hat. Die Beschwerde, welche gegen die Auflösung«wer Bremer Arbeitslosenversammlung erhoben wurde, ist insoseru von Erfolg
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