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Nr. 23.

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für 1898 unter Nr. 6708.

Vorwärts

10. Jahrg.

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Fernsprech- Anschlu Amt I, Nr. 4186.

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

der

Die nothleidenden Groß- Grundbehher.

V

Freitag, den 27. Januar 1893.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Politische Uebersicht.

Lage Arbeiter der In dem Wahlkreise des Herrn v. Schalscha, des der Klassenstaat die jemals Aber gegen ein Attentat, tapferen Sancho Pansa der Agrarier, sowie in dem Wahl- wesentlich bessern werde. Arbeiter noch tiefer hinabdrücken will, kreise des zünstlerischen Zentrums- Abgeordneten, Schornstein- das die fegermeisters Mehner, erhebt sich mit Ausnahme einzelner werden wir mit allen Kräften aufämpfen. Eine Grenze Die Großgrundbesitzer lieben es, sich als die Vertreter Städte der ortsübliche Tagelohn gleichfalls nicht über muß der Druck haben; der Arbeiter soll wenigstens die nothleidenden Landwirthschaft", des kleinen Bauern 90 Pfennig. Im Wahlkreise des Fürsten von Hazfeldt- Freiheit behalten, den Staub der Scholle von sich zu und Grundbesitzers hinzustellen, und, angeblich um diesem Trachenberg und speziell in dem herrschaftlichen Besitz des schütteln, wo er den Druck für unerträglich hält. Wollte zu helfen, aus der Gesetzgebung Vortheile herauszuschlagen, Fürsten   sinkt der ortsübliche Tagelohn sogar auf 85 Pfennig man den Versuch machen, dem Wunsche der Agrarier nach­von denen sie selbst, deren Vermögen nach Millionen zählt, für den erwachsenen männlichen und 50 Pfennig für den zukommen und den Arbeiter an die Scholle zu binden", den Löwenantheil wegschnappen. Aber nicht zufrieden damit, erwachsenen weiblichen Arbeiter herab. was gleichbedeutend mit der Einführung der Leibeigenschaft daß in ihrem Interesse dem Volt die nothwendigsten Lebens- Das sind die herrlichen Löhne, welche die Arbeiter der wäre, dann würden die Herren Agrarier selbst es mittel vertheuert werden, verlangen sie eine weitere Herab- fürstlichen Brunk entfaltenden Herrschaftsbesitzer erhalten, bald zu bereuen haben. Dann würden wir sehr bald drückung des Volks, dem sie den spärlichen Antheil, welchen die sich als Vertreter der nothleidenden Landwirthschaft auf Verzweiflungs- und Racheakte von seiten der Arbeiter er­der Arbeiter von der Frucht seiner Arbeit genießt, noch spielen und dann noch klagen, daß sich die Arbeiter ihnen leben, denen man die Möglichkeit entzogen hat, sich wenigstens mißgönnen. Der ländliche Arbeiter steht heute noch unter entziehen und andere Stätten aufsuchen, wo sie ein menschen- durch die Flucht ihrem Joche zu entziehen. Freilich die der Gesinde Ordnung vom Jahre 1810; er entbehrt das würdigeres Loos zu erreichen hoffen. Selbstsucht macht blind, und der Uebermuth einer herrschen­Koalitionsrecht und damit die Möglichkeit, mit seinen Ge- Nach diesen Löhnen kann man auch berechnen, welches den Klasse ist noch nie durch rechtzeitige Erkenntniß der nossen   auf die Besserung ihrer Lage hinzuwirken; nur die die Opfer" sind, die durch die sozialpolitische Gesetzgebung Folgen gezügelt worden. Die argrarischen Junker sind heute Freizügigkeit ist es, die ihn vor der völligen Leibeigenschaft den agrarischen Junkern auferlegt sind. Sie haben durch wie der Militarismus oben auf. Aber Beide beschleunigen unter der Herrschaft des Gutsherrn schützt. Aber gerade dieselbe nicht nur fein Opfer auferlegt erhalten, sondern selbst ihren Sturz, indem sie ihre Anforderungen bis zur diese Freizügigkeit ist den Agrariern ein Dorn im Auge, und sind noch obenein beschenkt worden. Die Arbeiter unerträglichkeit steigern.- fie ihm zu entreißen, darauf zielt ihr fortgesettes Streben. Der auf den Herrschaften des Fürsten   v. Trachenberg   erhalten Arbeiter soll an die Scholle gebunden werden, natürlich wieder im Krankheitsfalle 63 resp. 37 Pf. Billiger wäre auch der im Jnteresse der nothleidenden Landwirthschaft. Bei dieser Armenverwaltung die Erhaltung eines Kranken nicht zu Gelegenheit verfehlen die Agrarier nicht, das Loos der stehen gekommen. Was er jetzt von der Krankenversicherung ländlichen Arbeiter in den glänzendsten Farben zu schildern erhält, ist keine höhere Leistung als die, zu welcher die und die Ursache, weshalb sie dennoch sich derselben durch Armenverwaltung verpflichtet war. Aber zu dem, was er ihren Fortzug nach den Städten und dem Westen entziehen, jetzt erhält, hat er selbst zwei Drittel beigetragen und um nur dem Uebermuth, der Frivolität, der Genußsucht und eben so viel ist die gutsherrliche oder herrschaftliche Armen­Zügellosigkeit der Arbeiter zuzuschreiben. Im Gegensatz zu verwaltung erleichtert worden. Der Gewinn liegt auf der Aus dem Reichstag. Die zweite Lesung des Etats dem glänzenden Loose der Arbeiter können sie nicht genug Hand. begann heute damit, daß bei der Position Reichstag" von alle die Opfer" aufbauschen, welche ihnen, den armen Und wie steht es mit den Opfern, die den Agrariern den Abgeordneten Bebel und Heine der Umstand zur Sprache Agrariern, die sozialpolitischen Gesetze zu Gunsten der durch die Alters- und Invalidenversicherung aufgelegt sind? gebracht wurde, daß infolge nun schon bald zwei Jahre Arbeiter auferlegen. In den genannten Gegenden schafft diese Versicherung nur andauernder Beurlaubung des zweiten Bibliothekars die Betrachten wir nun einmal die glänzende Lage der die vielberufene 30 Pfennig Rente. So viel hätte der Geschäfte der Bibliothek und speziell die Fertigstellung des Arbeiter und die den Gutsbesigern auferlegten Opfer hinfällige Greis und Invalide aber auch der Armenver Kataloges leide. Herr Präsident von Levezow gab die Ver der Gesetzgebung an der Hand amtlicher Thatsachen. waltung gekostet. Die Besitzenden sind durch die Versiche- zögerung zu und entschuldigte dieselbe mit der über Er­Der Kern der Agrarier hat seinen Siz in den rung von den Kosten der Armenverwaltung befreit; zu der warten sich lange hinziehenden Erkrankung des in Frage preußischen Ostprovinzen und zwar gerade dort, wo der Rente des Arbeiters aber haben sie nur einen kleinen Theil kommenden Beamten. Damit wurde dieser Gegenstand ver­Großgrundbesitz vorherrscht. Der auf grund des Kranken- beizutragen, da die Rente sich zusammensetzt aus dem lassen, nachdem die Etatsposition genehmigt war. Den Posten Versicherungsgesetzes festgesetzte ortsübliche Tagelohn gewöhn Reichszuschuß von 50 Mark und den Beiträgen, welche Gehalt des Reichskanzlers" benügte dann der Abgeordnete licher Tage- Arbeiter steht daselbst auf der niedrigsten Stufe, Arbeiter und Arbeitgeber zu gleichen Theilen aufzubringen Dr. Barth, um an die Anfrage, ob die Reichsregierung etwa gesonnen sei, von der Bahn der Handelsverträge während das Einkommen der Grundbesitzer ein wahrhaft haben. fürstliches ist. Diese Gegenden sind im Reichstag durch die Unter dem Gewicht dieser Thatsachen erscheinen die wieder abzuweichen, eine weit ausholende handels- und eingefleischtesten Agrarier vertreten. Klagen und Ansprüche der Agrarier als ein Zeichen des rücksichts- 30llpolitische Debatte einzuleiten. Freihändler und Schutz­Obenan unter ihnen steht Herr v. Kardorff als Ver- losesten Egoismus und der unverschämtesten Anmaßung. zöllner schickten nun, nachdem einmal der Fehdehandschuh treter des Wahlkreises Wartenberg- Dels. Im Kreise Sie bestreiten dem Arbeiter das Recht, ein leidlich erträg- hingeworfen war, ihre Kämpen ins Treffen, und so wurde Wartenberg beträgt der ortsübliche Tagelohn für erwachsene liches Dasein vom Staate zu verlangen und halten es dabei die ganze Sigung ausgefüllt mit Reden der Herren männliche Arbeiter eine Mart, für erwachsene weibliche für Pflicht des Staates, ihnen selbst ein Herrendasein zu Dr. Frege, Graf Ranih und Schalscha, denen außer 60 Pf. im Kreise Dels beträgt er gar nur 90 resp. 60 Pf. fichern. Ein Recht des Arbeiters auf Brot erkennen sie Dr. Barth, Rickert und Wilbrandt entgegentraten. Heraus In diesem Wahlkreise liegt das Herzogthum Dels, dessen nicht an, aber ein Recht auf Champagner soll ihnen der kam bei der ganzen langen Rederei nichts. Erwähnenswerth ungeheure Einfünfte der Regent von Braunschweig   ge- Staat verbürgen. nießt.

Derselbe ortsübliche Tagelohn gilt in den ausgedehnten Besitzungen des Herzogs v. Üjest, des Fürsten   v. Pleß   und einer Anzahl anderer Magnaten.

Feuilleton.

Nachdrud verboten.)

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-

Haus Nuzingen.

Soziale Studie von H. de Balzac  . Deutsch von Curt Baate.

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13

Aber Aiglemont, Aiglemont, der eben noch mit uns frühstückte, hat bei Nuzingen eine Million stehen! höre: ich weiß nicht, ob es noch genug solcher Attien giebt, um ihn zu decken; und dann bin ich auch sein Freund nicht. Ich faun ihm Nuzingens Geheimniß nicht verrathen, und Du darfst ihm nichts sagen. Sprichst Du ein Wort, so stehst Du mir für die Folgen. Behn Minuten lang vermochte Godefroid die Lähmung, die ihm in allen Gliedern lag, nicht abzuschütteln. Willigst Du ein oder nicht? fragte Rastignac un barmherzig. Godefroid nahm Feder und Dinte und schrieb nach Naftignacs Dittat den Brief.

-

Armer Vetter! seufzte er. Jeder ist sich selbst der Nächste, erwiderte Rastignac und nahm von Beaudenord Abschied.

-VO

Während Rastignac in Paris   manövrirte, sah es auf der Börse folgendermaßen aus.

Es zeigt sich hier, daß wir in einem Klassenstaate leben, und thöricht wäre es, von diesem zu erwarten, daß er nicht die Interessen der herrschenden Klassen zu seinen eigenen mache. Wir hegen auch keine Hoffnungen, daß

anern zusammenständen, zu denen bald dieser, bald jener trete, wovon sie wohl sprächen und warum sie nach der unwiderruflichen amtlichen Feststellung der Tageskurse nicht nach Hause gingen.

"

Berlin  , den 26. Januar.

sind nur die Erklärungen des Staatssekretärs v. Marschall  , aus denen rund und nett hervorging, daß die Reichs­regierung entschlossen ist, auf dem Boden, welcher mit den im vorvorigen Jahre abgeschlossenen Handelsverträgen be­treten wurde, weiter fortzuschreiten. Diese Erklärung hat

" Ihr begreift", fuhr Biriou fort, weshalb Nuzingen gerade um vier Uhr seine Bombe mit geschickter Hand unter den Säulengang der Börse warf und platen ließ. -Wissen Sie schon das Neueste? wandte sich Du Tillet Lieber Freund, erwiderte ich, die Leute haben ge- an Werbrust und zog ihn in einen Winkel.- Nuzingen ist gessen und verdauen nun. Während der Verdauung in Brüssel   und seine Frau hat beim Gericht bereits Antrag schwagen sie über den Nachbar; ohne dies gäbe es teine auf Gütertrennung eingereicht! Sicherheit im Pariser Geschäftsleben. Hier tauchen zuerst

"

-

Sie stecken wohl bei der Liquidation mit ihm unter

neue Unternehmungen auf, und es giebt manchen Mann einer Decke? erwiderte Werbrust und lächelte. in diesen Gruppen, Palma   zum Beispiel, der da genau fo

"

-

Reden Sie keinen Unsinn, Werbrust! Sie wissen ja,

viel Autorität genießt, wie Arago), Mitglied der Königlichen in wessen Händen seine Wechsel sind. Ich wollte Ihnen Akademie der Wissenschaften, in seinem Fache. Sagt er von aber ein gemeinschaftliches Geschäft vorschlagen. Die Aktien unserer neuen Gesellschaft find um zwanzig Prozent ge­einem Geschäft, es macht sich, so ist es schon gemacht." Ein hervorragender Mann dieser Jude!" rief Blondet. stiegen; nach Schluß des ersten Vierteljahrs werden sie um Er besitzt zwar keine Universitäts  , wohl aber Universal- weitere fünf Prozent steigen, weil, Sie können es sich ja Bildung. Seine Universalität schließt aber Tiefe bei ihm denken, eine großartige Dividende zur Vertheilung gelangen nicht aus. Was er weiß, weiß er gründlich. Für wird. Geschäfte hat er den intuitiven Blick des Genies. Er ist der Reichskanzler der Börsenwölfe, die den hiesigen Platz beherrschen. Sie machen kein Geschäft, das Balina nicht vorher geprüft hat. Er hört mit größtem Ernste zu, prüft, denkt nach und sagt dann zu dem, der mit ihm spricht und ihn seiner Aufmerksamkeit wegen schon für gewonnen hält: Für mich ist das nichts!

Am auffälligsten finde ich, daß er zehn Jahre lang Werbrust's Kompagnon gewesen ist und sich nie ein Zwie spalt zwischen ihnen eingestellt hat."

So etwas ist nur bei sehr starken, oder bei sehr Ein Freund ans der Provinz, ein Tropf natürlich, schwachen Menschen möglich", sagte Couture. Alle Anderen fragte mich einmal, als vir zwischen vier und fünf streiten und trennen sich bald in Feindschaft von einander." an der Börse vorbeigingen, weshalb denn eigentlich

um

von Börsi diese Beit plaudernde Gruppen

*) Berühmter Astronomt, 1853. D. Uebers.

Sie sind ja gut im Zuge, alter Schwede! meinte Werbrust. Der Teufel könnte seine langen, spitzen Klauen nicht besser ins Butterfaß stecken!

- Lassen Sie mich nur ausreden, sonst wird es für unser Geschäft zu spät. Die Jdee dazu kam mir, als ich die Neuigkeit erfuhr. Ich sah nämlich mit diesen meinen Augen Frau von Nuzingen in Thränen schwimmen; sie fürchtet, ihr Vermögen zu verlieren.

-

"

Armes Mäuschen! sagte Werbrust ironisch.  - Und was weiter? setzte er hinzu, als Du Tillet schwieg.

Wohlan! Bei mir liegen tausend Aktien zu tausend Franks, die ich für Nuzingen unterbringen soll. Ver­stehen Sie? Vollkommen.

-

" Kaufen wir also für diese Million Nuzingen'sche