Mit dem preußischen Dreiklassenwahlrecht könnte dasDeutschland von heutzutage ebenso wenig in einen großen Kriegziehen, wie mit einem Vordcrladcrgewehr.Das polnische Ausnahmegesetz vor Semlherrenhanse.DaS HerrenhanZgebäude in der Leipziger Straße, jenes Denk-tnal Preußischer Reaktion und ministeriellen Staatsstreichs, botgestern einen seltsamen Anblick. Die Tribünen, auf die sich sonsthöchstens einmal bei grimmiger Winterskälte ein armer Obdachloserverirrt, um seine erfrorenen Glieder zu wärmen und sich durchdie Debatten der„Edelsten und Besten der Nation" in einen er-quickenden Schlaf einlullen zu lassen, waren überfüllt. Sogardie Hoslogc erfreute sich eines so zahlreichen Besuchs, daß derPräsident des Abgeordnetenhauses v. K r ö ch er mit einemPlatz auf den Stufen fürlieb nehmen mußte. Au'der geräumigen Journalistentribiine vollends, die an gewöhnlichenTagen fast nur leere Plätze aufweist, war ein solches Gedränge,daß es kaum möglich war, die tiefe Weisheit, die unten im Saaleverzapft wurde, niederzuschreiben und der Nachwelt zu überliefern.Auch die Mitglieder des Hauses und die Vertreter der Staats-regierung, an ihrer Spitze Fürst B ü l o w, hatten sich in ungewöhn-licher Anzahl eingefunden.In der Tat war eS ein hochpolitisches Ereignis, daS alles aufdie Beine gebracht hatte. Zur Beratung standen die Beschlüsse derKommission zur Enteignungsvorlage der Regierung.Beschlüsse, durch die der Gesetzentwurf eine für die Regierung un-annehmbare Fassung erlangt hatte. Und nicht die Linke, die wohl-weisen Oberbürgermeister und Universitätsprofessoren, waren eS, diedie Vorlage so umgemodelt hatten— sondern die Hoch-feudalen, die Herren von der äußersten Rechten, die die vondem Ministerium Bülow geforderte EuteignungsbefugniS erheblicheingeschränkt hatten, weil sie mit feiner Nase wittern, daß eS. wennerst der Grundbesitz nicht mehr sicher ist, möglicherweise auch mit ihrerBorherrschast mal ein plötzliches Ende nehmen kann. Da die Re-gierung aber auf ihrer Vorlage in der Fassung, wie sie sie vom Abgeordnetenhause erlangt hat, besteht, so stand ein interesianterKampf zwischen Bülow und den„treuesten Stützen des Staates" iuAussicht.Zwar hat die Kommission des Herrenhauses nach langer De-batte dem Prinzip der Enteignung schließlich zugestimmt, aber siehat von der Enteignung ausgenommen alle Grundstücke, diefeit 10 Jahren ununterbrochen in der Hand des-selben Besitzers sind, und alle Fid eikommisse,sofern die Errichtung derselben seit mehr als10 Jahren bestätigt oder genehmigt worden ist.Damit ist der Regierung nicht gedient, sie verlangt die un-beschränkte Möglichkeit der Enteignung einer Gesamtfläche bis zu700 OOO Hektaren._ DaS war der springende Punkt, um den sich die Debatte drehte.Auf der einen Seite die Vertreter der Regierung, denen einigeHerren von der Linken zu Hülfe kamen, auf der anderen Seite derFeudaladel, der aufs heftig st e gegen den Vorschlagder Regierung tobte. Vergebens hielt sogar der Minister-Präsident Fürst Bülow in höchst eigener Person eine seinerbekannten salbungsvollen vulgär-staatsmänniichen Reden, vergebensbemühte sich Freiherr von Rheinbaben die große Gefahran die Wand zu malen, in der der mächtige preußische Staatschwebt, wenn es nicht gelingt, die Polen auszukaufen— diesmalmachten die Phrasen vom Ministertisch keine» Eindruck auf diefeudale Aristokratie. Selbst ein stüherer LandwirtschastS-minister Freiherr v. LuciuS, der unter Bismarck einerder Träger der damaligen Polenpolitik war, verwarf diegeplante Enteignung, und ein anderes Mitglied, Herr v. Schulen-bürg verstieg sich in seiner Besorgnis vor der Revolution sogarzu der Aeußerung, das Herrenhaus grabe sich selbst sein Grab, eSspreche sein Todesurteil aus. wenn es der Vorlage zustimme. Dazuaber hat das Herrenhaus aus leicht erklärlichen Gründen keineNeigung, die Herren sind zu sehr von der Notwendigkeit ihresDaseins im Interesse der Zurückschraubung der Kultur durchdrungen.Zur Abstimmung kam eS nicht; die Entscheidung der edlenHerren Ivird erst morgen fallen.DieGenossenpoUtifcbe dcberftcbt.Berlin, den&>. Februar 1908.Reichsgericht und Wahlpriifnngen.Position„Reichsgericht" im Justizetat gab demStadthage ti noch Gelegenheit, die wichtigeFrage der Richter»»abhängigkcit zu erörtern. Erwies an dem Beispiel des Hochvcrratsprozesscs gegen denGenossen Liebknecht nach, daß es ein unhaltbarer Zustand sei,wenn eine so schwere Anklage ausgesprochen politischenCharakters nur in einer einzigen Instanz erledigt werdenmutz. Gerade für Hochverratsprozesse sei deshalb die Be-rufung notwendig.Das Haus trat dann in Wahlprüfungen ein, die beider Wahl des liberalen Abgeordneten E n d e rs im MeiningerOberland zu einer erregten Debatte zwischen dem GenossenFischer einerseits und den freisinnigen Abgg. K o p s ch undM u g d a n andererseits führte. Mit scharfem Spott wußteFischer die Grundsatzlosigkeit der Freisinnigen in Wahlfragenzu kennzeichnen, wie sie, je nachdem ob ihre Partei Vorteil davonhatte oder nicht, die obrigkeitliche oder bischöfliche Empfehlung einesKandidaten mißbilligten oder nicht. Die Freisinnigen suchtensich dafür durch allerhand persönliche Anrempelungen undVerdächtigungen zu revanchieren, mutzten sich aber sogar vondem Vorsitzenden der Wahlprüfungskommission, dem Zentrumsabgeordneten W e l l st e i n. nachweisen lassen, daß sie in derFrage, ob ein Kandidat durch Amtspersonen(Bürgermeister)empfohlen werden dürfe, mit den Traditionen des Hauses gekrochen habe.Der nationalliberale Dr. H e i n z e kam den fteisinnigenBlockbrüdern zu Hülfe, indem er die Frage, ob noch ErHebungen über die Bürgermeisterunterstützung veranlaßtwerden sollten, zu der allgemeinen Prinzipienfrage erweiterte.ob überhaupt sogenannte amtliche Wahlbeeinflussungen dieserArt zu Wahlkassierungen führen sollten. Der Block bejahtebei der Abstimmung mit Mehrheit diese Heinzesche Frage.Zur Geschäftslage des Reichstages.Der Seniorenkonvent des Reichstages hatgestern unter Vorsitz des Präsidenten vereinbart, daß für dienächsten Tage die Etatsberatung unterbrochen wird und diezweite Beratung der beiden GewerbeordnungS-Novellen folvie des B e r n e r Abkommens betr.Arbeiter in nenschutz erledigt werden soll. DannWird die Etatsberatung mit dem Reichsamt desInnern fortgefetzt, nachdem zuvor noch die sozialdemo-kratische Interpellation wegen der S ch i f f a h r t s-abgaben erledigt ist. Die dann noch restierenden Etatssollen in zweiter Lesung bis etwa zum 24. März fertig gestelltwerden, damit die dritte Beratung des Etats bis zum 1. Aprilbeendet sein kann.Vor den O st e r f e r i e n. die am 10. April beginnenund bis Ende April dauern werden, sollen noch die beidenGesetzentwürfe betreffend den Wechselprotest und denVersicherungsantrag die zweite und dritte Lesungpassieren.Nach den Osterferien kommen dann die in derKommissionsberatung befindlichen Regierungsvorlagen in dasPlenum und werden dort dann für ihre gesetzgeberische Ver-abschiedung den Rest der Session in Anspruch nehmen.Der Seniorenkonvent war einig dann, daß der Reichs-tag im Sommer n e r t a g t werden müsse, da an eine voll-ständige Erledigung der in Beratung befindlichen Regierungs-vorlagen im Laufe der gegenwärtigen Tagung nicht zu denkensei. Hierzu käme noch, daß weitere Vorlagen(Beamten-b e s o l d u n g, I u st i z r e f o r m usw.), deren Erledigung all-festig gewünscht wstd, in Aussicht stehan.Deutsche Diplomatie.Die deutsche Blockregierung hat sich von der Betroffen-heit des ersten Augenblicks, in die sie die Nachrickit von der österreichischen Sandschakbahn verletzt halte, erholt. Nachdem sie erstdurch die von uns bereits gekennzeichnete überhastete Erklärung derdeutschen Botschaft in Petersburg den russischen Chauvinisten ver-sichert hatte, sie sei von der österreichischen Aktion ebenso überrascht,wie die russische Regierung, sie habe sie in keiner Weise unterstütztund wolle mit der Sache nichts zu tun gehabt haben, hat sie nun-mehr an die österreichische Regierung ein Schreiben gerichtet, in demsie sich ihr anbietet, ihre Aktion zu unterstützen. Erst de-trauert man mit Rußland die Ueberraschung. dann freut mansich mit Oesterreich über diese Trauer. Immerhin ist dasletztere viel gescheiter, als zu der langen Wurst, die ein andererfortgetragen hat. ein langes Gesicht zu machen. Die deutsche Bot-schast in Petersburg aber kann ja, um die Ohrfeige wegzuwischen.die man ihr von Berlin aus appliziert hat, ihre Erklärung in derWeise deuten, daß sie bloß, um daS mordSpatriolische Geschrei inRußland zu beschwichtigen, ihr Bedauern darüber habe aus-sprechen wollen, daß die deutsche Regierung nicht früher schondie österreichische Aktion habe unterstützen können....Ist das nicht ein köstlicher Beitrag für die kopflose Art, wie inDeutschland AuslandSpolitik gemacht wird? Aber, freilich. Bülow,der Vielbeschäftigte und Vielgeplagte, ist immer wo anders undnicht dort, wo man ihn finde» zu können glaubt. Er hatte ebenso-wenig Zeit, sich um die Vorgänge auf den, Balkan und in PeterS-bürg zu kümmern, wie seinerzeit um die Verträge mit den kolonialenGesellschaften. Sein Geist ist in diesem Augenblick so voll von derPolenbekämpfung, daß andere Ideen der Staats-Politik keinen Platz mehr darin finden. Vielleicht auch handeltes sich bei der Petersburger Kundgebung gar nicht um dieInitiative der dortigen Botschaft, sondern um eines jener Tele-gramme aus Berlin, die man sich so ott vergebens zu erklären sucht.Man war in der Wilhelmstraße vielleicht gerade deshalb ammeisten von der österreichischen Aktion überrascht, weil seit vielenJahrzehnten Oesterreich zum erstenmal mit Erfolg eine selbständigeHandlung in der auswärtigen Politik unternahm. 1878 erhielt. esBosnien doch nur als Geschenk Bismarcks. Dem BerlinerVertrag verdankt eS übrigens auch sein jetziges„Recht" auf denSandschal Nowibazar. Aber freilich, hier wie überall kommt eSviel weniger auf das Recht an, als auf die Betätigung diesesRechtes. Und Oesterreich hat gezeigt, daß es sich stark genug fiihltaus eigener Kraft seinen Willen bei der Pforte durchzusetzen.Löbliche Unterwerfung.Am Montag fand die Sitzung der„Gesellschaft zurVerbreitung von Volksbildung" statt, die bekanntlichüngst von Herrn Holle wegen Verbreitung der Schriften vonDarwin und Haeckel mit seiner Ungnade bedroht wurde. EinigeOptimisten halten erwartet, daß der ZentralauSschuß gegen die Unter-werfung unter die Gebote deS Herrn Holle Protest erheben werde. Nichtsdavon geschah. Der Vorsitzende, Prinz Heinrich zu Schönaich-Carolath,sprach sogar seine Freude aus, daß der Konflikt in einer für dieGesellschaft durchaus annehmbaren Weise beigelegtworden sei. Durchaus annehmbar: das stimmt. Die Gesellschafthat nämlich alles angenommen, waS die preußischen Bekämpfer derVolksbildung von ihr verlangt haben. Für diese glorreiche Tatsprach der ZentralauSschuß dem Herrn Vorsitzenden mit allen gegenzwei Stimmen seinen wärmsten Dank aus. Wenn der Verein sichaber noch weiter Gesellschaft zur Verbreitung von Volksbildung nennt, so weiß man jetzt, daß das eine falsche Firmen-bezeichnung ist.—_Kitzliche fragen.Zum Bericht der Wahlprüfungskommission desReichstags über die Wahl des Abgeordneten Eickhoff(Lennep-Mettmanu), der die Gültigkeitserklärungder Wahl beantragt, haben Gröber und Genossen(Zentrum)'olgenden Antrag gestellt:1. den Herrn Reichskanzler zu ersuchen:über die Behauptung der Wablunfechtung. daß der Wahl-kreis mit Flugblättern und Schriften überschwemmt wurde.welche im Kolonialamt hergestellt, verpackt und versandtworden sind, als ZeugenGeneralmajor Keim,Unterstaatssekretär v. Loebelleidlich vernehmen und hierbei erheben zu lasten, ob und inwelchem Umfange die in der Wahlanfechtuiig bezeichnetenSchriften zur Versendung in den Wahlkreis gelangten und anwelche Adrcsten die Versendung erfolgte;2. die Entscheidung über die Gültigkeit der Wahl deZ Abgeordneten Eickhoff bis zur Erledigung dieser Beweiserhebung aus-zusetzen.Die sozialdemokratisch eReichstags fraktionhat daraus beantragt, dem obigen Antrag Gröber folgendeNummer hinzuzufügen:3. den Generalmajor Keim eidlich darüber vernehmen zu lasten,welche Tatsachen oder Erklärungen seitens der Beamte» desReichSkanzteramtS ihn veranlaßt haben, Herrn Eickhoff gegenüberin seinem Briefe vom 17. Januar 1907 in so positiver Form zuerklären, daß die„amtliche Unterstützung seiner Wahl iu jederWeise sichergestellt" sei.Man darf neugierig sein, ob der Block die Schamlosigkeithaben wird, die Anträge abzulehnen und so den Herren Keimund Loebell die kitzligen Fragen zu ersparen.—Nur ein Misiverständuis!Die„Rhein.- Wests. Zeitung" hatte gegen DernburgS„humanes",.negerfreundliches" Kolonialprograuun die heftigstenAngriffs erhoben. Nicht der Eingeborenen wegen treibe DeutschlandKolonialpolitik, sondern im Interesse der kolonialen Ausbeuter. Waserklärt demgegenüber Herr Der n bürg? Er sandte der Redaktio::deZ PanzerplattenorganS einen Brief, in' dem er bedauert, von demOrgan für marinistische und koloniale Volks- und Eingeborenen-Ausplünderung in i tz v erstand e n worden zu sein! In dem BriefDernburgS beißt eS:„Die Redaktion beliebe daraus zu ersehen, daß ich mich indenjenigen Pnnkten. welche ihr hauptsächlich zur KritikAnlaß gegebeu haben, d u r ch a u s auf demselben Bodenbefinde.ES ist mir nicht eingefallen, Neger und Weißeirgendwie gleichzustellen. Die slritik des Neger-charakterS und denen, waS von ihm moralisch zu erwarten ist,spricht dies deutlich auS.Ferner stehe ich auf dem Standpunkt, daß für jetzt und ab-sehbare Zeit von einer Rassenjustiz nicht abgesehenwerden kann." usw.Die, R h.- W e st f. Ztg." erklärt denn nimmehr auch, daß sieHerrn Dernburgs Absichten zu schroff beurteilt habe. Namentlichauf tatkräftige Unterstützung seiner Eisenbahnbaupläne könneder Staatssekretär des ReichslolonialamtS bestimmt rechnen.DaS„Berk Tagebl." tut, als ob die„ R h.- W e st f. Z t g." vondem„geschickten Brieffchreiber" zur Nachgiebigkeit gezwungen wordensei. Es ist aber gerade umgekehrt. Dernburg hat im Gegenteilerklärt und sogar im einzelnen betont, daß er sich im w e s e n t-l i ch e n mit dem Organ deS kolonialen Hunnentnms /durchausauf demselben Boden befinde". Und Dernburgkonnte die Stellungnahme der„Rh.-Wests. Ztg." unmöglich miß-verstehen! Das Panzerplattenorgan aber nahm eben DernburgS Zu-schrist als das, waS sie sein sollte, ein verschmitztes Augen-blinzeln, das etwa sagt: Regt Euch doch nicht auf, ich meine cSja gar nicht so schlimm I_Meidet Nen-Deutschland!Die„Windhuker Nachrichten" enthalten in ihrerletzten hierher gelangten Nummer vom 22. Januar 190bfolgendeWarnung:Jeder Pastagierdampfer bringt eine Menge Neuankömmlingein" Land. Die Eisenbahnzüge können alsdann kaum alle dievielen Personen mifuehmsn und ihre Wagen sind wäbrend derzwei- bis dreitätigcn Fahrt nach Windhuk überstillt wie SonnlagS-Ausflüglerzüge daheim. In Windhuk angekommen, geht eS dannan ein Suchen und UmHerl aufen nach B e s ch ä ft i g u n g.Bon Geschäft zu Ecschäfl. von Haus zu HauS fragen sie nach An-stellung. und fast überall heißt es: Bedaure! Nachdem daS soeinige Tage gegangen ist, kommt zu der ersten die zweite Sorge:die vorhandenen Mittel gehen auf die Neige. Nun trinneben die Frage nach Beschäftigung die weitere nach einem billigerenUnterkommen, als der bis dahin benützte Gasthof eS zu gewährenvermag, an den Neuling heran. Aber auch da gibt es nieist nurEnttäuschung. Denn bei dem großen Wohnungsmangel ii:jeder irgend bewohnbare Raum besetzt, und die Verpflegung aucnaußerhalb der Gasthöfe bei den hohen Preisen fürLebensmittel kostspielig. Traurig ist eö zu beobachten,wie solche Enttäuschten bei denjenigen Stellen, an welchen sie amehesten Arbeitsnachweis zu erhalten hofften, z. B. in der Expeditionunseres BlatreS, iminer von neuem und mit immer tieferins Gesicht geschriebener Sorge kich erkundigen.Schließlich verschwinden sie von hier, wo sie geblieben, wissendie Gölter.— So wiederholt sich das Schauspiel alle paarWochen.So sichts in„Ncndcutschland" aus. allwo Palmcnhainraus verloren gegangenen Dattelkisten wachsen l Und für dic->gastliche Land sind allein in den letzten paar Jahren fünfhundert Millionen Mark verpulvert worden!—Der geschändete vornehme Rock.Wie wir im Oktober 1907 berichteten, soll der Gefreite derLandivehr K. auS Bcrgedorf sich dadurch des Ungehorsams schuldiggemacht und eine„starke Gefährdung der militärischenDisziplin, wie auch eine Schädigung des An-fehenS des Heeres herbeigeführt haben." daß er inUniform der S. Jäger— er war zu einer Uebung einberufen—mit dein Tambourmajor eines TronnnlerkorpS. das an dem vom.Bergedorfer EcwertschastSkartell veranstalteten Festzuge teilnahm,gesprochen habe» soll. Urteil: Zwei Monate Gefängnis. Wie das Kriegsgericht feststellte, hat der Angeklagte nicht am Festzuge teilgenommen, aber er hat mit demTambourmajor gesprochen, als dieser, ein Bekanntervon i hin, ihn freundschastlich anredete. Der Angeklagte hättealso Kehrt machen und schleunigst die Flucht ergreifen müsscii. DieVerhandlung fand damals unter Ausschluß der Leffentlichkeit statr,„wegen Gefährdung militärdienstlichcr Interessen". In der Urteils-begründung heißt eS unter anderem, ein Beweis dafür, daß die amFestzuge teilnehmenden Korporationen als solche der sozial-demokratischen Partei angehören, sei nicht erbracht.Im Gegenteil sei festgestellt, daß der sozialdemokratische Verein vonBergedorf an der Festlichkeit nicht teilgenommen habe. WaS jedochdie Mitglieder der einzelnen Vereine anlange, so sei durch dasZeugnis des Polizeiosfizianten P r a e k e l und deS AmtSanwaltsN e n t w i g bewiesen, daß dieselben in ihrer überwiegenden Mehrheitgleichzeitig Mitglieder der sozialdemokratischen Partei seien. DerAngeklagte habe somit gegen das Verbot des Generalkommandosund gegen§ 92 des MilitärstrafgesetzbuÄeS verstoßen. In solchemFalle könne auf Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren erkannt werden.Als straferschwercnd sei zu berücksichtigen, daß er sich in vollerUniform an der s o z i a l d e ni o k r a t i s ch e n(!) Festlichkeitbeteiligte, strafmildernd, daß die Beteiligung eine rein vorüber-gehende und vielleicht nicht voll überlegte war.Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Vernftmg ein, die inder letzten Sitzung des Oberkriegsgerichts des 0. Armeekorps(Altona) zur Verhandlung kam. Der Zeuge Amtsanwalt N e n t-w i g- Bergedorf bezeichnete das Gewerkichaftslartell als„sozial-demokratisch" und das GewerkschaslSfest als ein:„sozialdemokratische Demonstration". Die Teilnahmedes Angeklagten in Uniform habe unter dem ni ch t sozialdemo-kralischcn Publikum(einigen Beamten!) Entrüstung hervor-gerufen.(!) Der als Sachverständiger vernommene GewerkschaflS-beamte KriSmannSky- Bergedorf führte zwar den Nachweis.daß die Gewerkschaften als solche mit der sozialdemokratischen Parteinicht das geringste zu tun hätten, aber das Gericht schloß sich derAuffassung des AmtSanwaltS Nentwig an und verwarf die Be-ruftmg. Der Angeklagte muß also zwei Monate brummen k—-Eine Schulschmach.In Lenthe», dem auö dem siebenjährigen Kriege bekanntenDorfe in der Nähe von Breslau, verbreitet sich die Genick-starre inner den Schulkindern mit einer geradezu unheimlichenSchnelligkeit. Halte sie zu Anfang nur leichtere Formen, so ist ihrjetzt bereits ein neunjähriger Knabe zum Opfer gefallen. AloSeuchenherd ist unbedingt die katholische Schule anzusehen. deren Zustand selbst von einem so loyalen Blatte wie di:„Schlesische Zeitung" als jeglicher Beschreibung spottendbezeichnet wird. Die Aborte"find als direkt gefährlich zubezeichnen. Um das Klassenzimmer nur einigermaßen warm