mit sein Schweigen borhalten können. Da er ai5et zwei Beispiele genannt hat, Altenburg und Frankfurt a. O., so mich er sich auch ineine Antwort gefallen lassen. Bei der Wahl in Altenburg war ein Protest eingegangen, der sich darauf stutzte, dag der M i n i st e r in einer Versammlung aufgetreten sei und dort gesagt habe, man müsse eüien beiseren konservativen Kandidaten suchen, der geeigneter sei, die Wahl de? Sozial- demokraten zu hintertreiben, und zwar war das sechs Mouate vor der Wahl geschehen. Ter Reichstag erblickte bierin eine Wahl- ßeelltflussuiig, und weil ich Stellung genomnien habe gegen diese Frontverändcrung des Reichstages, das; eine Wahlbeeinflnssung be- straft wird an dem, gegen den sie siib richtet<Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten>. iveil ich dieien Bcswlutz des Reichstages als eine schainlofe Vergewaltigung bezeichnet habe.(Lebhafte Fit« stimmung bei den Sozialdemolraten. Unruhe rechts.) Präsident Graf Stolbcrg: Sie haben hier einen Beschluß des Reichstages als Schamlosigkeit bezeichnet.' Ich rufe Sie zur Ordnung! Abg. Fischer(Soz.). fortfahrend: Wie lag eS denn in Frankfurt a. O.? Dort war Braun ge- wählt, also auch der S o z i a l d e m o k r a t. Da waren die Block- brüder...(Unruhe bei den Freisinnigen)... ob Sie Block- briider sind, hängt nicht von Ihrer Entscheidung ab; Sie bleiben nur so lange im Siock, als Sie von den Konservativen geduldet werden.(Große Heiterkeit bei den Sozialdemokraten und im Zentrum.) Da war also wieder eine amtliche Wahlbeeinfluffung durch die Unterschrift des Regierungspräsidenten gegeben. Und da wirft Herr Kopsch mir Umfall vor, weil ich nicht so dumm war, fasziniert durch das Wort„Wahlbeeinflusfuaa" gegen die Gültigkeit der Wohl zu stinimen.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Ich bedauere, daß Herr Spahn nicht da ist. der es für unmöglich erklärte, daß eine Wahlbeeinflussung angenommen wird zuungunsten dessen, gegen den sie sich gerichtet hat. Wenn ich eintrete dafür, daß Müller n>cht gewählt wird, und wenn dann trotzdem Müller gewählt wird, ist es dann nicht eine politische Felonie(Stürmische Zustimmung bei den Sozialdemokraten, wilde Unterbrechungen seitens des Blocks) zu sagen, weil eine Wahlbeeinflnssung stattgefunden hat, muß Müllers Wahl für ungültig erklärt werden. Weil ich diese Vergewalti- g u n g nicht gutheißen wollte, wirft Herr Kopsch mir Umfall vor. Wenn Herr Kopsch seinen politischen Verstand nur ein bißchen anstrengen wollte(große Heiterkeit), könnte er vielleicht dazu kommen, daß es für ihn der politischen Situation angemessen wäre, zu schweigen, nicht aber der Sozialdemokratie einen Vorwurf zu machen, daß sie Recht Recht sein lassen wollte. Also mit dem Fall in Frankfurt haben Sie(zu den Freisinnigen) ein schlechtes Geschäft gemacht, wie Sie immer ein schlechtes Geschäft machen, wenn Sic Ihren Umfall be- streiten. Sie sind ja auch wohl im Falle Manz nicht umgefallen.(Stürmische Heiterkeit bei den Sozialdemokraten und im Zentrum, wiederholte Unterbrechungen seitens der Frei- fiimigen. lo daß die nächsten Worte des Redners verloren gehen.) Ist die,.Berliner VolkSzeitung" ein freisinniges liberales Organ?(Zurufe bei den Freisinnigen: Rein! Stürmische Heiterkeit bei den Sozialdemokraten und im Zentrum.) Also die.Berliner VolkSzeitung" ist noch nie ein'frcisiunigeS liberales Organ gewesen. Was würde wohl der alte Bern st ein zu Herrn Kopsch sagen, wenn er da§ hörte?(Zuruf bei den Freisinnigen: Ledebour war Redakteur der„Volks-Zeitung" I) Ledebour ist es schon l ä n g st nicht mehr. Er hat dre„Volks-Zeitung", soviel ich weiß, in den letzten Fohren des Sozialistengesetzes, alio in den achtziger Jahren, re- digiert. Damals war er eben noch nicht Sozial- demokrat. Auch ich habe in meiner Jugend eine andere politische Auffassung gehabt als heute. Ich bin in cmer katholischen Gegend geboren und war in meiner Jugend ein strammer Zentrumönrann. (Stürmische anhaltende Heiterkeit.) Solange ich lein eigenes politisches Urteil gehabt habe, wandelte ich in den Bohnen, die ich in meiner Vaterstadt sah. Später kamen andere Interessen und eine andere politische Eniwickelung. Das ist überall so. Herr Kopsch sagt, sie seien eben leine Buchstabengläubigen, und eS komme lediglich darauf an, unter welchen Verhältnissen sich eine Wahl vollzieht, um zu be- urteilen, ob amtliche Wohlbeeinflussung vorliegt, man könne nicht allgemeine Grundsätze aufstellen. Nun hören Sie, was ein anderer Freisinniger über diesen schönen Grundsatz, die Frage der amtlichen Wohlbeeinflussungen dürfe nicht grundsätzlich wie bisher, sondern nur nach der Lage der einzelnen Fälle beurteilt werden, sagt. Als in der B u d g e t k o m m i f f i o n dieser schöne Grundsatz vertreten wurde, sagte Herr Müller-Mrimugcn, das führt nach meiner Meinung zu einer tiefen moralischen«nd politischen Verwirrung. (Stürmische Heiterkeit.) Ich möchte nun gern die Antwort des Herrn Kopsch haben, ob er diesen Ausspruch von Müller- Meiilingen desavouiert oder sich von ihm getroffen fühlt. Sie sagen, die Frage der amtlichen Wahlbeeinfluffung ist auch unter dem Gesichtspunkte zu betrachten, daß, was den Polizeibeamten recht sei, auch Leuten in anderer autoritativer Stellung billig sein müsse. So erleben wir es doch alle Tage, daß katholische Geistliche von der Kanzel gegen respektive für ReichstagSkandidaten predigen, und doch hat der Reichstag noch niemals deswegen die Kassation einer Wahl aus- gesprocheit. Wir Sozialdemokraten haben von jeher den Standpunkt einge nommen. daß so gut wie feder andere Staatsbürger auch der Geistliche das Recht hat, für feine politische Meinung zu agitieren, daß d agegen, wenn ein Beamter die ihm übertragenen a m t- l i ch e n Funktionen zum Zwecke einer Propaganda verlvendct, hierin ein Mißbrauch oder eine unzulässige Wahl- beeinflussung zu sehen ist. Und daher haben wir auch in allen Fällen, in denen von Geistlichen dieses geschehen ist, gegen d a S Zentrum gestimmt. AnderSSie(zu den Freisinnigen). Sie haben Von dem Augenblicke an, wo die amtliche Unterstützung zugunsten eines Freisinnigen erfolgte, sich dlefe amtliche Wahlbeeinflussung gefallen lassen.(Lebhafte Zu- stimmung bei den Sozialdemokraten und im Zentrum.) Die liberale Partei hat einen großen Beschwerdebrief gegen den Erzbischof Abert losgelassen, weil er dem Pfarrer Grandinger verboten hat, für den Liberalismus zu agitieren. Sie haben sich von dem Erz- bischof die Abfertigung gefallen lassen müssen, waruin Sie sich nicht auch beschwert haben, als er den Pfarrern im Falle Manz nicht ver- boren hat, für den Freisinn zu agitieren.(Große Heiterkeit bei den Sozialdemolr. und t. Zentr.) Das war Ihnen damals gut und recht. Ich kann das nicht begreifen. Wenn es amtliche Wahl- veeinflusiung ist. wenn ein Polizist mit der Hclmspitze auf dem Äovie konservative Stimmzettel verbreitet, so rst e« auch amtliche Wahlbeeinfluffung, wenn ein Pfarrer in seinem Amte Agitation treibt. Den Einfluß traue ich doch dem Pfarrer oder Erzbischof immer noch zu, welchen der Nachtwächter deswegen hat, weil er die Dienst- inütze ausbat.(Heiterkeit.) In der Wahlprüfungskommission ist der Vertreter derFreisinnigen stark gegen meine Auffassung aufgetreten, daß in dem Schreiben des Erzbifchoss zugunsten Manz' eine amtliche Wahlbeein- flu ff un g liege.(Zuruf bei den Freisinnigen: Die Wahl des EudcrS steht zur Diskussion!) Daß Ihnen meine AuS- führungen nicht paffen, glaube ich schon. Herr v. Oertze» hat von der ultramomanen Propaganda gesprochen, von der Stellung der Freisinnigen, und so werden Sie auch mir gestatten müssen, zu sagen, wie Sie früher zu dieser Frage gestanden haben, als Sie durch die Blockpolitik noch nicht jeden Boden unter den Füßen verloren hatten.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) In der Frage EnderS hat ein Freisinniger in der Wahlprüfuiigskommifsion dafür gestimmt, daß in der Unterschrift deS Bürgermeisters eine amtliche Wahlbeeinflussung nicht zu erblicken sei, ein anderer Freisinniger hat dagegen gestimmt, weil bei ihm die Blockstimmuiig noch nicht so weit gediehen war. Beim Erzbischof von Bamberg hat eS sich darum gehandelt: Die Zentrums- l e i t u n g hat die Parole ausgegeben: Gegen den Frei- finnigen! Der Erzbischof hat dagegen als oberster Beamter' deS Klerus erklärt: Nebt, unter Iciiten Umstände» für den Sozial- demokraten! Da haben die Freisinnigen gesagt: Der Bischof hat ganz recht!(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten und im Zentrum.) Am!6. November lOOtZ hat Herr Müller- Meiuiugen erklärt:„Wir müffen jede Beeinfliissung der Wahlen durch Staats- beamie unbedingt bekämpfen. Es kann ja dahülgestellt sein, ob die Geistlichen mittelbare oder unmittelbare Beamte sind— das tenlrum hatte nämlich erklärt, die Geistlichen seien keine eamten— der Geistliche hat nach meiner Ueberzeugung ein viel weitergehendes Rechtskriterium als jeder Staatsbelimte. Er kann gesellschaftliche Aechtung und wirtschaftliche» Boykott herbei- führen. ES ist doch kein Ziveifel, daß er ein öffentlicher Beamter ist.... Wir müssen unter allen Umständen daran festhalten, daß jeder Einfluß unzulässig ist. der zugunsten eines Kandidaten von jemand� ausgeübt wird, der mit einer derartig hohen öffentlichen Autorität bekleidet ist." Und an einer anderen Stelle sagt er: „Ist denn die Stätte, an der der Geistliche steht, weniger heilig als die, an der ich als deutscher Richter stehe?" Und weiter sagte Herr Müller:„Soll denn der Reichstag das, was das elsäffische Bezirksamt für unmoralisch und ungesetzlich erklärt hat, für moraliich und gesetzlich erklären?" Und er verlangt dann ausdrücklich eine prinzipielle Eulscheidung. Nun frage ich Herrn Kopsch, ob bei der Entscheidung im Falle der Wahl Buch- wald in Sachseu-Altenburg und ob hier ein Umfall der Frei- sinnigen in der Frage der Wahlbeeiiifluisuiigen stattgefunden hat, Ja oder Nein? Vielleicht kann nian auch den Freisinnigen zu- rufen, waö damals Herr Müller-Meiningen den Naiionalliberalen zugerufen hat:„E S i st e i» e t i e f t r a u r i g e Erscheinung. wenn wir sehen, wie sich liberale Elemente au einer derartigen Komprouiißpolitik beteiligen.(Große Heiterkeit im Zentrum und bei den Sozialdemokraten.) Ja. eS ist eine tief traurige Erscheinung, wenn wir sehen, wie sich liberale Elemente an einer derartigen Blockkompromißpolitik, wie wir sie im Falle EnderS haben, beteiligen.(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Und vielleicht kann man auch dem Schlußsätze zu- stimmen, den Herr Müller-Meiningen gegen daS Zentrum sprach: „Daran sind Sie selbst schuld, denn Sie sind eben Regieru ugs- Partei s�ns pirrsso(Stllrmiiche Heiterkeit bei den Sozial- demokraten) und wollen unter allen Umständen mit der Rechten konkurrieren in der RegierungSfreundlichkeit". Ich gehe noch einen Schritt weiter und sage, die Herren von, Zentruin haben gegen die Regierung doch immer noch ein weit weit stärkere« Rückgrat gehabt. als Sie.(Stürmische Zustimmung bei den Sozialdemolraten.) Abg. Mugban(frs. Vp.): Wie schwach die Position der Sozialdemokraten ist(Stürmische Heiterkeit bei den Sozialdemokraten), geht schon daraus hervor, daß ihr Redner eine ganze halbe Stunde lang über eine andere Wahl gesprochen hat als die, die zur Debatte steht. Herr Fischer ist eben zu spät aufgestanden, er hat gewissermaßen eine rednerische Nachgeburt gehalten.(Heiterkeit.) Fischer meint, daß er selbst nie im Irrtum ist und hat meinen Parteigenossen einen Meinungsumschwuna in der Kominission vorgeworfen. Auch spricht er immer von der ronservativ-liberalen Paarung. Demgegenüber konstatiere ich, daß die Sozialdemokratie in den letzten B Jahren das Zentruin und den Klerikalismus unterstützt.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Da gehört wirklich Mut dazu, uns einen Fall vorzuwerfen, bei dem cö sich nicht einmal um die Unterstützung eines Freisinnigen durch den Erzbischof handelte— die verlangte er nicht, sondern nur nicht zu stimmen für den Sozialdemokraten. (Stürmisches Lachen bei den Sozialdemokraten.) Die Bedeutung der Sozialdemokratie besteht heute nur darin, daß die Herren vom Zentrum so gnädig sind, sie ab und zu zu unterstützen. S i e sinken in völlige Bedeutungslosigkeit zurück, tvenn das Zentrum nichts mehr mit ihnen zu tun haben will.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) In den Fällen Braun in Frankfurt und Buchwald in Altcnburg handelte eS sich darum, daß durch amtliche Wahlbeeinflussung ein falscher Kandidat in die Stichwahl gekommen ist. Das Urteil des Volkes hat übrigens die Kassierung der Wahlen bestätigt: Braun und Buchwald sind bei der Nachwahl durchgefallen. Schließlich hat die Sozialdemokratie gerade bei der letzten Wahl Q u i d d e und Blumenthal zugunsten von Reaktionären durchfallen lasten. Wer im Glashause sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.(Sehr gut! bei den Freisinnigen; Lachen bei den Sozialdemokraten.) Mit dem jetzigen sozialdemokratischen Abgeordneten Ledebour habe ich noch 1830 freisinnige Wahlsiege gefeiert(Heiterkeit bei den Frei- sinnigen), aber ich mache ihm den Wechsel seiner Uebcrzeugung so wenig zum Vorwurf, wie etwa Herrn v. Gerlach. Herr Abge- ordneter Fischer hat dann viel über Schichtung von WahlkuvertL und andere Wahlmißbräuche gesprochen. Bei der Wahl von EnderS ist dergleichen nicht einmal behauptet, aber irgendein kluger„Vor- wärtS"-Leser(Zuruf rechts: GibtS ja gar nicht!— Heiterkeit bei den Freisinnigen) soll es morgen glauben. Aber Ihr Hohn über den„Blockfreisinn" rührt uns nicht mehr, wir sind abgehärtet gegen ihre Schimpfworte.( Stürmische Zurufe bei den Sozialdemokraten: Abgebrüht!) Jüngst sprach Herr Frank emphatisch von der Bildung der Jugend in den sozialdemokratischen Jugendvereinen. Nach dem, wie sich die Sozialdemokraten selbst hier im Hause be- nehmen(Große Unruhe bei den Sozialdemokraten), kann man sich denken, wie großartig diese Bildung ist. Jedenfalls werden wir der Sozialdemokratie endlich einmal zeigen, daß dir Zeit ihrer Herrschaft in Gemeinschaft mit dem Zentrum vorbei ist.(Stürmisches Gelächter bei den Sozialdemokraten, Bei- fall beim Block.) Abg. Wellstein(Z.): Ms Vorsitzender der Wahlprüfungskom. Mission muß ich Sie davor warnen, ohne jeden vernünftigen Grund eine Praxis zu verlaffcn, die der Reichstag seit mehr als 33 Jahren befolgt bat. Um an diesen Grundsätzen festzuhalten, wollen wir in der Kommission noch einmal prüfen, ob diese Bürgermeister hier Polizeigewalt hatten. Ich beantrage zu diesem Zweck Rück- Verweisung der Wahl an die Kommission. Abg. v. Dziembowski-Pomian(Pole): Der Reichstag muß Wahlprüfungcn grundsätzlich entscheiden, sonst taucht in jedem Falle der Verdacht von Fraktionspolitik und Parteipolitik auf. Abg. Dr. Heinzc(natl.): Das Wahlgeheimnis ist heute ge- nügend gesichert; deshalb werden wir auf Grund der Unterschriften von Bürgermeistern Mandate prinzipiell nickt mehr beanstanden. (Sehr gut! rechts.) Abg. Richard Fischer-Berlin (Soz.): Herr Dr. Heinze hat zuerst eine Rede dafür gehalten, daß man in Wahlprüfunaen keine Grundsätze haben solle, daß der Reichstag in der glücklichen Lage sei, sich in WahlprüfungSsachcn an keine Formen und Grundsätze binden zu brauchen.(Zurufe bei den Nationalliberalen: Formalismus!) Zum Schlüsse hat er dann eine grundsätzliche Entscheidung dafür gewünscht, daß den Bürgermeistern die amtliche Wahlbeeinflussung erlaubt sein solle. Hai denn dann aber der L a n d r a t und der Regierungs- rat nicht das gleiche Recht, seinen Namen unter den Wahlaufruf zu setzen und für einen Kandidaten zu agitieren? (Zuruf rechts und bei den Notionalliberalen: Gewiß?) Damit beseitigen Sie den Begriff der Wahlbeein- f l u s s u n g und kassieren Wahlen nur noch wegen direkter Wahl- fälschung.(Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten.) Das war der Sinn der Ausführungen des Abg. Heinze. Er hat dann weiter dem Zentrum mit Konsequenzen für die Agitation der Pfarrer gedroht. Ich weih nicht, ob daS Zentrum auf den Kuhhandel eingehen wird. Ich glaube, daß es daS nicht nötig hat, sondern den Nationalliberalen sagen wird: Euch können wir alle Tage haben.(Schallende Heiterkeit.) Der Abg. Dr. Mugdan hat gemeint, ich hätte sehr wenig über die Wahl von Enders gesprochen. Vielleicht verrät er uns, was er denn über die Wahl von EnderS gesagt hat.(Heiterkeit.) Warum ich in meiner zweiten Rede so wenig über EnderS gesagt habe, danach mag er seinen Parteifreund Koosch fragen(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten), der anfing, un» Umfall und Grundsatz. losigkeit vorzuwerfen. Der Abg. Dr. Mugdan hat dann noch ein- mal auszuführen versucht, daß wir in den Fällen Braun und B u ch w a l d materiell unrecht hätten. Aber Wir haben sa i n diesen Fällen Seite an Seite mit dem Freisinn gestimmt.(Lebhafte Zustimmung und Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Wenn toegen amtlicher Wahlbeeinfluffung zu- gunsten des unterlegenen Kandidaten die Wahl des siegreichen Kandidaten kassiert werden könnte, dann brauchte ja in einer frei- finnigen Domäne, vielleicht in Berlin l, das ist ja wohl die letzte FrcisinnSdomäne, aber auch die ist eS nicht mehr lange(große Heiterkeit) ein konservativer Beamter Wahlbeeinflussungen zu- gunsten des konservativen Kandidaten üben und das Mandat mü�te kassiert werden. Weil daS U n f i n n wäre, deshalb haben wir bei den Wahlen in Altcnburg und Frankfurt a. O. gegen die Kassierung gestimmt.(Abg. Bebel ruft: Und mit dem Freisinn zusammen!) Der Abg. Dr. Mugdan hat dann etwas von dem grundsätzlichen Standpunkte des Freisinns gc- sagt, der jetzt eine Rolle spiele.(Große Heiterkeit bei den Sozial- demokraten.) Das einzige Gute dabei ist. daß er selbst gesagt hat. der Freisinn spiele zufällig diese Rolle.(Erneute Heiterkeit.) Ich glaube, daß keine Partei im Reichstage den Freisinn um diese seine zufällige Rolle beneidet.(Schallende Hcitcrreit und lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Die Mehrzahl der frei- sinnigen Wähler möchte auch schon lieber heute als morgen d:-:- einflußreiche Rolle aufgeben, und wenn die Freisinnigen Grund- satzpolitik statt Mandaispolitik trieben, so hätten sie sie längst auf- gegeben.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Aber sie holen sich lieber Mandate von der Gnade der Konservativen und der Gnade des Fürsten Bülow, die allerdings eine besondere Art von Gnade ist, weil sie im Abgeordnetenhause auch zuweilen in Fuß- tritten sick äußert.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Der Abg. Dr. Mugdan hat dann ein großes....(schallende Heiter- keit im ganzen Hause) Wort über unseren Verrat an den dcmo- kratischcn Grundsätzen gesprochen. Aber die Abstimmung gegen Quidde und Blumcnthal ist von der großen Mehrheit unserer Parteigenossen und unserer Parteileitung gemißbilligt worden. während die freisinnigen Wähler unter Zustimmung und auf Aufforderung der Parteileitung in II Walilkrciscn von vornbercin zugunsten der Konservativen und Antisemiten auf die Aufstellung von Kandidaten verzichtet haben, in den Stichwahlen 7mal für die Konservativen(Bravo ! bei den Konservativen),"mal für die Rcichspartei, llmal für die Nationallibcralen und 7mal für die Antisemiten und den Bund der Landwirte eingetreten sind. (Stürmischer Beifall rechts, lautes Lachen bei den Sozialdemokraten). Wer so handelt, sollte doch nickt über Grund- sätze der Politik sprechen, sondern offen sagen, daß er Mandats- Politik, Mandatsfchachcr treibt. Der Abg. Dr. Mugdan hat dann über die politische Bildung und den Amtand gesprochen, den wir haben und den wir der Jugend übermitteln. Darüber mit ihm viel zu reden, hat keinen Sinn.(Sehr wahr! bei den Sozialdemo- kratcn). Aber als wichtigste Eigenschaft erziehen wir den jungen Leuten Charakterfestigkeit an, nicht Grundsatzlosigkeit. Charakterschwäche und ewige Wandelbarkeit. Wir stellen es in den Jugcndvereincn als g r u n d s a tz. und charakterlos hin, wenn jemand aus politischen oder anderen äußeren Gründen sogar seinen Glauben und seine Konfession wechselt.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Herr Mugdan sprach wiederum von unserer Verbindung mit dem Z.entrum. Haben wir denn die Kolonialpolitik, die Steuer« Politik, die Handelspolitik des Zentrums unterstützt?(Zuruf des Abg. Dr. Mugdan ). Herr Mugdan kann ja viel im Behaupten und in politischer Grundsatzfestigkcit, aber daß wir die Zollpolitik des Zentrums unterstützt hätten, das kann selbst er nicht be- bauptcn. Die Zollpolitik des Zentrums i st vom Freisinn zum Siege geführt worden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wenn Eugen Richter nicht die Zolloppofitiou verraten hätte, wäre der Zolltarif gescheitert.(Leb- hafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Wann immer wir aber mit dem Zentrum gegangen sind, ist der Freisinn auf unserci: Seite gewesen. Herr Mugdan sollte also vorsichtiger sein und nickt ein so kurzes Gedächtnis haben. Die Periode Windthorst— Richter— Grillenberger ist eine Zeit, auf die der Freisinn stolz sein kann. Vom Block hingegen mit den Konservativen� und Nationalliberalen wird gerade der Freisinn selb st später am tiefsten schweigen.(Große Heiterkeit und lebhafte Zu- stimmung.) Durch wessen Hülfe ist denn Herr Mugdan selbst gc- wählt worden?(Zurufe bei den Freisinnigen: EnderS.) DaS gehört auch mit unter diese? Rubrum. Auch Enders ist nur mit Hülfe der Konservativen und Nationallibcralen gewählt worden, genau wie Herr Mugdan selbst.(Lebhafter Beifall bei den Sozial- demokraten. Unruhe bei den Freisinnigen.) Im Falle EnderS sind noch eine ganze Reihe von Protest- gründen nicht beachtet worden, so die nicht genügende Auslegung der Listen an einem Wahlort. daS gleickzeitige Verlassen des Wahl- lokales durch den Vorsitzenden und den Protokollführer und das Versprechen von Bier an Arbeiter für die Wahl von EnderS. Gegen diesen Unfug und diese Schweinerei(Heiterkeit) haben bei der Wahl des Abg. Schwabach in der Wahlprüfiingskommission selbst die Konservativen mit der größten Energie protestiert. In diesem Falle sollte man nicht anders urteilen, und wir unter- stützen deshalb den Antrag auf Rückvcrweisung an die Wahl- Prüfungskommission.(Bravo ! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Raab(Wirtsch. Vg.) protestiert dagegen, daß man die politischen Beamten zu Eunuchen machen wolle und lehnt für seine Person die Verantwortung für den„grundsatzloscn AntisemitiS- muö" Richard Fischers ab, der sogar auf der ReichLtagStribüne den Freisinn mit einem»dreckigen Judenbengel" verglichen hätte. (Heiterkeit,) Abg.- v. Oertzcn(Rpt.) bekänipft den Antrag Wcllstein auf Zurückverweisung der Wahl an die Kommission. Abg. Kopsch(fts. Vp.): Bei der Frage der Wahlbeeinflnssung muß nach Grundsätzen gcurteilt werden; aber was Kollege Wcllstein so nennt, ist nichts als F o r m al i S m u S. Tic Verhältnisse sind nicht in ganz Deutschland dieselben, in den östlichen Provinzen ist der Einfluß der Beamten viel größer als im Süden, das hat auch Fischer zugegeben. Herr Fischer hat auch aus die „Berliner Volkszcitung" hingetviesen. Ter politische Standpunkt einer Zeitung ist ihre Sache. Aber Mehring und Ledebour waren Redakteure der„Volkszcitung" zu einer Zeit, als sie bereits eingeschriebene Mitglieder der sozialdemokratischen Partei waren und haben da» aialS im Namen des Fortschritts gesprochen.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Unwahr!) Seit Jahren hat übrigens die „Volkszcitung" alles getan, um da? Ansehen und die Tätigkeit unserer Partei herabzusetzen.(Sehr wahr! bei den Freisinnigen.) Daß die Sozialdemokraten mit zweierlei Maß messen, bciveist auch der Umstand, daß Herr Fischer in der Kommission einen Zettel für seinen Parteigenossen Aöhle für gültig zu erklären beantragte, aus dessei. Rückseite das Wort Lump stand.(Zuruf bei den Sozial- demokraten.) Er meinte, das wäre ein Kosename.(Stürmische Heiterk-it.) Wg. Geyer(Soz.) ES ist nicht richtig, daß die Bürgermeister ohne Einfluß sind. sie haben auf dem Lande sogar einen sehr großen Einfluß. Wenn man das leugnet, so heißt das ja, ihre Stellung herabsetzen. Herr Kopsch ftagtc, ob unzulässige Wahlbeeinflnssung nur bei Bürger- meistern und Beamten anzunehmen sei, dagegen nicht bei Geist- lichcn und Psarrern. Er verlangte es bei beiden. Auf diesen Standpunkt hat die Sozialdemokratie stets gestanden; aber die Haltung der freisinnigen Partei in dem vorliegenden Falle bedeutet eine Verengerung dieser Praxis statt ihrer Wünschens- werten Erweitcrungeti. Diese Verengerung der Praxis muß dazu führen, daß bei künftigen Wahlen der ganze Beamtenapparat in Tätigkeit gesetzt wird.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wenn die Blockparteien das wollen, so müssen sie wohl der Ansicht sein, dadurch den Block retten zu können; denn ich kann nicht an- nehmen, daß die Rettung eines einzelnen Mandats die Ursache dieses UmfalleS ist. Wenn Sic also meinen, damit dem Block zu dienen, nun, so bin ich überzeugt, daß Ihre Wähler nicht Ihnen zustimmen werden. Im Falle EnderS handelt eS sich darum,
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