Einzelbild herunterladen
 
  
Angesichts ihr Vrot erwerben müssen, werden auf die Straße ge- trieben und zu Vagabunden erzogen. Di« Sache würde agitatorisch ausgenutzt werden. Bei Anträgen wie der vorliegende decke sich der Begriff des Sozialen mit dem des Sozialdemokratischen, da er die Zerstörung des Familienlebens zur Folge hätte. Eine Frau, die arbeiten gehen müsse, würde in den meisten Fällen Verwandte oder Nachbarn finden, die sich während des Tages um die Kinder kümmere. Es sei zwar traurig, daß manchmal auch die Mutter auf Arbeit gehen m ü s se, u fi g l i eg e aber dazu gar keine Notwendigkeit vor, sondern nur dieSucht, etwas mehrGcld fürGenußzwecke zu erwerbe n." Referent ist der Stadtv. Jacobi(A. L.): Die Ausschußmehrheit hat die empfohlene Ausschaltung der privaten Wohltätigkeit nicht gutheißen können. Die Tätigkeit der betr. Vereine ist als scgens- reich und fördernswcrt anerkannt worden. Die öffentliche Kinder- crziehung statt derjenigen in der Familie glaubte die Mehrheit nicht auf diesem"Wege in den Vordergrund stellen zu sollen. Der Hinweis auf andere Kommunen blieb ebenfalls ohne Eindruck. Auch�der Magistrat stand der Ucbernahme der Vereine usw. auf die Stadt ablehnend gegenüber. �Stadtv. Wurm(Soz.): Tatsächlich irgcitdwie beachtenswerte Gründe gegen unseren Antrag sind in der sehr kurzen Ausschuß- beratung nicht vorgebracht worden. Man erklärte unseren Antrag einfach für unberechtigt, weil überflüssig; die Privatwohltätigkeit könne sehr Wohl die hier vorliegende Aufgabe erfüllen. Als wir das schreiende MißvcrhästniS zwischen Bedürfnis und Leistung betonten, erklärte man rund heraus, die Stadt habe keine Ver"- pflichtung, dabei mitzuwirken; sie würde dabei nicht eine Wohl- fahrtseinrichtung schaffen, sondern zur Verwahrlosung der Ar- beiter beitragen. Vorwürfe gegen die Arbeiterschaft, das war alles, was vorgebracht wurde: die Arbeiter würden nicht willens sein, die Kinder zu erziehen, sie würden mit beiden Händen zu- greifen, wenn ihnen die Stadt die Hand dazu böte, weil sie zu leichtsinnig seien, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Von einer Seite hieß es sogar, die Arbeiter gäben viel Geld für Streiks und Agitation aus, aber nichts für Wohltätigkeitszwccke. Ich habe ein hinfälligeres Argument kaum in der engherzigsten, reaktionärsten Gesellschaft vernommen als das, daß die Arbeiter durch Beiträge zu Wohltätigkeitszweck«n dazu helfen möchten, die Armut zu be- fettigen. Es ist wohl bei den Reaktionären ein beliebter Kniff, zu behaupten, den Arbeitern müfse es doch ganz gut gehen, weil sie so viel Geld sür Gewerkschaften usw. übrig hätten; aber daß es schon so weit mit Ihnen in der Blockfreundschaft gekommen ist, hätten wir nicht gedacht. Die Arbeiter geben Geld für die Ge- werkschaften her als einen Akt der Notwehr gegen die kapitalistische Ausbeutung; die Arbeiter verdienten höchstens den Vorwurf, daß sie das noch nicht in genügendem Maße tun. Aber die Arbeiter damit zu höhnen, das übersteigt alles, was ich bisher an rück- ständigen Anschauungen vernommen habe. Unser Antrag soll, so heißt es, das Familienleben zerstören; die Erziehung wäre nur in oer Familie wirklich gewährleistet. Es Handel: sich hier aber gerade darum, daß dort, wo die Familie zcr- stört ist, wo die Arbeiter sich um die Kinder nicht mehr kümmern können, die Kommune einschreitet. Nicht wir Sozialdemokraten haben zuerst Viesen Gedanken ausgesprochen, sondern eine national- liberal geleitete Stadt, München, ist damit vorangegangen. Der Münchener   Kindergarten, der nach 37 Jahren jetzt in die städtische Verwaltung übergegangen ist, sagt in seinem letzten Jahresbericht, daß die heutigen wirtschaftlichen Verhältnisse es den wenigsten Müttern aus dem Arbeitcrstande noch ermöglichen, sich der Er- zichung der Kinder zu widmen; die Kindergärten ergänzten die häusliche Erziehung. Also Ergänzung, nicht Zerstörung des Familienlebens und der Familienerziehung! In Berlin   sind Zehntauscnde und Aberzehntauscnde Mütter von früh morgens an auf Arbeit. Glauben Sie wirklich, wie es im Berichte heißt, daß es nicht so schlimm ist, wenn Mann und Frau auf Arbeit gehen, da doch die Nachbarn sich der Kinder annehmen? Wo kommen denn diese patriarchalischen Zustände in Berlin   plötzlich her? Nein, hier muß man Farbe bekennen und zunächst anerkennen, daß in dem großen Moloch Berlin   diese Zehntausende von Eltern ihre Kinder der Straße überlassen müssen. Ueber die Ziffern als Schätzungen wollen wir auch nicht streiten; sind sie zu hoch gegriffen, um so besser für Sie; dann brauchen Sie nicht so tief in den Stadtsäckcl zu greifen. Die Privat- Wohltätigkeit reicht nicht aus; das ergeben die Berichte der Vereine selbst. Der Stadtschulrat hat uns ja im Ausschusse mitge- teilt, daß die Schulvcrwaltung auf Grund einer Verfügung von 1335 die Möglichkeit hat, sich um die Einrichtung dieser Institute zu kümmern, daß sie hat einschreiten müssen dagegen, daß die Kinder in schlechten Räumen untergebracht sind, daß man Einspruch hat erheben müssen dagegen, daß den ganz kleinen Kindern soviel Bibelsprüche statt nahrhafter Suppen dargeboten wurden. Der edle Wettstreit" der Wohltätigkeitsvereine hat zu einem brauch- baren Ergebnis nicht geführt; sonst hätten wir uns nicht hinein- gemischt. Daß die Kindergärten zur Schulpflege der Stadt ge­hören, ist keine Erfindung von uns, sondern das Kultusministerium selbst, der Minister Falk erklärte 1876 in einem Reskript, die Unter- richtsverwaltung würde den Anschluß von Kindergärten an ein Schulsystem gegebenenfalls genehmigen, und forderte auch zur An- stellung von Kindergärtnerinnen auf. Die soziale Fürsorge soll helfend eii�greifen, bevor das Unglück geschehen ist, bevor die Kinder verwahrlost sind; sonst kann Berlin   sich des Tadels nicht recht erwehren, den jener gewisse Jemand erhob, der Berlin  , wie Herr Cassel sagte,gewerbsmäßig" als die sozial rückständigste Kommune der Welt bezeichnete. Die Art der Ablehnung unseres Antrages und seine Charakterisierung als Agitationsmittel kommt jenem Urteil recht nahe. Wir sind natürlich nicht zum letzten Male mit diesem Antrag gekommen; es wird mit ihm gehen, wie mit so vielen unserer Anträge, die sich schließlich Sie mögen wollen oder nicht durchsetzen. Die Arbeiter werden die Gelegenheit nicht versäumen, Ihnen auf diese Ablehnung und Motiv, erung die gebührende Antwort zu geben. Noch aber erwarten wir, daß das Plenum nicht billigen wird, was die Ausschußmehrheit Ihnen vor- schlägt, sondern daß Sie unseren Antrag annehmen. Wir wollen ja nur über dasWie" in einer gemischten Deputation verhandeln; selbst diesen ersten Schritt aber verweigPt die AuSschuhmehrheit! Stadtv. Dr. Ritter(Fr. Fr.): Wir. lehnen den Antrag ab. weil eine solche Einmischung nicht Sache der Stadt und weil der Antrag ein Eingriff in die heiligsten Rechte der Familie ist. Mit der Säuglingspflege läßt sich dieses Verlangen nicht in Parallele stellen. Sollen wir den Eltern auch noch vom 2. bis 6. Jahre die Kinder und die Sorge für sie abnehmen? Soweit können wir nicht gehen. Wer glaubt, daß wir mit den Ausschußausführungen die Arbeiter gekränkt haben, der ist für das Verständnis dieser Frage noch nicht reif.(Beifall bei der Mehrheit; Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Dr. Nathan(soz.-fortschr. Fr.): Es handelt sich hier gar nicht um einen Eingriff in die heiligsten Rechte der Familie, sondern man will gerade da etwas tun, wo keine Familien- crziehung möglich ist. Daß die Sache viel Geld kosten würde, leugnet niemand: aber davon ist zunächst noch gar nicht die Rede. Man hat aber selbst die Vorbedingung, eine Erhebung und die Beratung, w i e eventuell geholfen werden könne, abgelehnt. Ich vrotestiere übrigens mit aller Energie gegen die Behauptung, daß sich hier sozial und sozialdemokratisch deckt. Stadtv. Galland: Herr Wurm hat so dargestellt, als ob es sich hier um eine sozialdemokratische Erfindung handelt. (Stürmischer Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Die Kosten dieser Fürsorge für ein Kind sollen 6080 M. jährlich betragen; mir ist mitgeteilt, daß der Aroeiter in Berlin   jährlich 60 80 M. für Streikfonds und Gewerkschaften zahlt.(Große Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Stadtrat Flesch-Frankfurt a. M. hat fest- gestellt, daß dort ein Sechstel aller Fälle der offenen Armenpflege auf die Liederlichkeit der Eltern z,ir>ickzuführen ist; wie mag es da erst in Berlin   stehen I(Stadtv. Singer: Stellen Sie es doch fest!) Prof. Albrecht, ein Bahnbrecher der Wohlfahrtspflege, hat schon das Vorhandene auf dem Gebiete der Kindergärten als viel- leicht etwas zuviel erklärt!.(Hört! hört! bei ber Mebrheit.), Die Stadt wird allerdings auf einem Gebiete mehr tun müssen, nämlich in der Beschaffung von Lokalitäten. Es wäre zu erwägen, ob nicht für den Sommer auf den Dächern solche Lokalitäten ein- gerichtet werden könnten.(Beifall bei der Mehrheit.) Stadtv. Rosenow(N. L.): Städtische Kindergärten hätten nur problematischen Wert, aber die vorhandenen Vereine müssen mit aller Kraft gefördert werden. Das gilt sowohl von den Krippen wie von den Kindergärten. Die Debatte sollte sowohl die Stadt wie die Privatwohltätigkcit anregen. Dem Kollegen Wurm läge es ob, den Nachweis zu führen, daß ein solches Verlangen unbe­friedigt geblieben ist. Stadtv. Dr. LangerhanS: Ich mcierseils halte die Annahme des Antrages für außerordentlich gefährlich: die Wirkung auf das Gemüt der Arbeiter, sich dann ganz auf die Stadt zu verlassen, wird auch bei den Wohlmeinenden schließlich nicht ausbleiben. Ich habe auch den Verdacht, daß der Antrag dem Prinzip der öffent- lichen Kindererziehung vorarbeiten soll; dann ist er aber ein streng sczialdcmokratischer Antrag. Stadtv. Mommsev(Fr. Fr): Eine Enquete allein braucht noch kein Ausfluß sozialdemokratischer Tendenz zu sein; in diesem Falle würde die Enquete aber den Ausgangspunkt für ein in seinen Konsequenzen höchst bedenkliches Vorgehen bilden. Es gibt große Gebiete, wo die Privatwohltätigkeit viel segensreicher wirkt als die Kommune wirken kann; die Kommune kann die Erziehung der Kinder im Alter von 2 6 Jahren nicht mit Erfolg und nur mit ungeheuren Kosten übernehmen. Es ist ein Antrag Singer(Soz.) eingegangen, den Magistrat zu ersuchen, Erhebungen anzustellen darüber, in welchem Umfange da» Bedürfnis einer Fürsorge für die Kinder im Alter von 2 6 Jahren durch Aufnahme in Krippen und Kindergärten vorhanden ist. Stadtv. Wurm(Soz.): Herr Mommscn meint, die Kommune arbeitet teurer und schlechter, die Privatwohltätigkcit billiger und besser.(Widerspruch.) Verleugnen Sie sich doch selber nicht, es ist derselbe Gedankengang, auS dem heraus Sie früher erklärten, die Gaswerke würden besser verpachtet. Warum soll man dann nicht schließlich auch eine ganze Gemeinde vertrusten oder auf Aktien ausgeben? Wir bezwecken mit unserem Antrag keines- Wegs, noch kann er zur Folge haben, der Privatwohltätigkcit ihre Betätigung zu nehmen. Auf Grund der borliegenden Berichte haben wir erklärt: es reicht nicht, also soll die Gemeinde eintreten. Herr Rosenow sitzt in dem Kuratorium des Verein? für Volks- kindergärten; dieser Verein hat voriges Jahr einen öffentlichen Aufruf erlassen, worin an die Pfilcht der Gesellschaft(Hört! hört!) appelliert wird. Sie verlangen von uns den Nachweis, daß das Bedürfnis vorliegt. Seit wann kann das ein privater Abgeord- neter? Selbst wenn er es könnte, seine Untersuchungen würden als tendenziös abgewiesen werden. Wir kommen Ihnen ja weit ent- gegen; wir beantragen, es soll eine Erhebung veranstaltet werden. Das haben Sie im Ausschuß abgelehnt! Sie haben also nicht wissen wollen, wa? los ist; Sie fürchten, wenn man den Tat- fachen Offen ins Gesicht sieht, daß dann ein erschreckendes Bild herauskommt. Sie sagen, wenn man Tatsachen feststellen will, könnte erst ein Bedürfnis geweckt werden. Wir sagen, ein solches künstliches Bedürfnis kann nicht geweckt werden; eine Enquete- kommission hat doch festzustellen, was ist. Die notleidende Be- völkerung hört aus allen Ihren Gründen nur das Nein, sie hört, daß man nicht tun will. Wir bringen deshalb jetzt den Antrag ein, Erhebungen darüber vorzunehmen, in welchem Umfange das Bedürfnis der Aufnahme der Kinder von 2 0 Jahren in Krippen und Kindergärten vorhanden ist. Werden Sie dem Magistrat auch das Mißtrauensvotum ausstellen, daß er bei diesen Er- Hebungen tendenziös verfährt? Wir haben mehr Vertrauen zu ihm; es wird hier gehen wie mit unserer Statistik wegen der Speisung der Schulkinder, die Sie auch zuerst angegriffen haben und die sich dann als richtig erwiesen hat. In München   ist von den maßgebenden Stellen der Gemeindeverwaltung der Kindergarten für eine notwendige städtische Einrichtung erklärt worden. Wie kann man die Ausgaben der Arbeiter für die Gewerkschaften mit diesen Ansprüchen der Notleidenden in Parallele stellen? Liegen die Dinge doch so, daß die Leute infolge der kapitalistischen   Ordnung, die Sie vertreten(großer Lärm), nicht soviel verdienen, daß sie ihren Kindern die notwendige Erziehung angedeihen lassen können. Sollten Sie nicht wissen, daß von den 60-Ä) M. Krankenkassen  -, Sterbekassen-, Arbeitslosenversicherungsbeiträge zu zahlen sind? (Stürmische Rufe: Streiks!) Ja, ich will, gerade Ihr soziales Gewissen wecken, ich mache daraus kein Hehl. Sie haben keine Ahnung, daß die Gewerkschaften auch freie Kassen, Sterbekaffen usw. haben, Erzeugnisse der von Ihnen so gepriesenen Selbsthülfe! Wir haben auch nie bestritten, daß gerade die Not infolge unserer Wirt- schaftlichen Verhältnisse nicht bloß körperlich, sondern auch geistig den Menschen zermürbt. Die Kinder können doch nicht dafür, ob die Eltern liederlich sind oder notleidend. Darum hoffe ich, daß Sie wenigstens unserem jetzigen Antrag zustimmen werden. daß Sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen werden, Sie wollten nichts wissen. Strafen Sie mich doch Lügen! Lehnen Sie auch diesen Antrag ab, dann wird die Oeffcntlichkeit ihr Verdikt über Sie abgeben!(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Cassel(A. L.): Ich habe nicht von gewerbsmäßigen Verleumdern der Stadt Berlin  , sondern von einem Professor gesprochen, der einmal Berlin   die sozial rückständigste Stadt ge- nannt hat. Was wir auch beschließen, die Freunde des Herrn Wurm werden stets dafür sorgen, daß uns draußen das soziale Gefühl abgesprochen wird. Wir besitzen das in demselben Maße wie Sie, aber es kommt hier in Frage, was Aufgabe der Kommune ist und wie die Steuerzahler dabei fahren. Für geeignete Räume in städtischen Gebäuden soll auch nach meiner Meinung gesorgt werden. Alle Drohungen, Mahnungen und Belehrungen von Ihrer Seite haben wenig Zweck; wir sind nicht Männer, die sich durch Drohungen irgendwie einschüchtern lassen.(Stürmischer Applaus der Mehrheit.) Stadtv. Dr. Nathan: Wie soll sich ein Bedürfnis zeigen, wenn Sie keine Enquete veranstalten wollen? Herr Mommsen sagte doch ausdrücklich: wenn sich ein weiteres Bedürfnis zeige, solle die Privatwohltätigkeit stärker subventioniert werden. Es muß also doch eine Erhebung stattfinden, es muß tatsächlich festgestellt werden, was ist. Bei der Erwähnung der Streiks erscholl hier lebhaftes Oho! Was sollen die Arbeiter in den Hirsch-Dunckerschen Gewerk- vereinen davon denken. Es steht bürgerlichen Elementen, die sich freisinnig nennen, schlecht an, das Streben nach höheren Löhnen als verwerflich hinzustellen. Ein freisinniger Arbeitcrtag hat erst dieser Tage verlangt, daß die Partei ein freisinniges Kommunal- Programm aufstellt. Stadtv. Cassel: Hier im Saale   bezweifelt keiner das gesetz« liche Recht der Arbeiter, zu streiken.(Heiterkeit und Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Ich sehe darin etwas Erfreuliches, wenn die Arbeiter sich organisieren und den Spuren von Schultze» Delitzsch   folgen. Damit schließt die Debatte. An die Schlußworte deS Referenten, der sich gegen den Antrag Singer wendet, der ähnlich auch schon im Ausschuß ge- stellt gewesen sei. knüpft sich eine Geschäftsordnungsdebatte. Stadtv. Singer bestreitet dem Referenten das Recht, über einen erst im Laufe der Debatte eingebrachten Antrag sich kritisch zu äußern. Stadtv. Cassel verteidigt das Verhalten des Referenten, während Stadtv. Mommsen sich auf die Seite des Stadtv. Singer stellt. Der Antrag Singer wird abgelehnt, desgleichen der An- trag Arons und Genossen gemäß dem Antrage des Ausschusses. Im Gemeindebezirk H e, l i g e n s e e sollen zum Zweck späterer Anlage eines Grundwasscrwerks Ländereicn mit ungefähr 491 226 Quadratmeter Flächeninhalt für 3% Mil­lionen Mark angekauft werden. Stadtv. Sökcland(Fr. Fr.) beantragt AuSschußberatung, namentlich mit Rücksicht auf die hohen Preise, die gezahlt werden sollen. Stadtv. Dr. Wehl(Soz.): Auch wir finden die geforderten .Preise exorbitant bock: ö M. pro Quadratmeter für oeschlosseneS StaiionLland ist ungebührlich teuer. ES hätte doch unschwer billigeres Land dort erworben werden können; der Magistrat scheint einem Grundstücksspekulantentrio in die Hände gefallen zu sein. Auch nach der wirtschaftlichen, geologischen und hydrologischen Seite ist genaue Prüfung notwendig. Wieviel Wasser soll das Werk schöpfen? Wo bleibt die Borlage über das Werk Wuhlheide? Wie steht es mit der Senkung des Wasserspiegels, wenn der Groß- schiffahrtsweg Berlin-Str tin durch das Terrain ful;l;t? Aus diesen und anderen Erwägungen ist Ausschußberatuag notwendix. Die Vorlage geht an einen Ausschuß. Für die Verwaltung der höheren Lehranstalten, Realschulen und höheren Mädchenschulen wird aus Grund der Städteordnung Z 59 am 1. April 1908 ein« besondere gemischte Deputation aus vier Stadträten und fünf Stadtverordneten gebildet. Die Wahl der letzteren wird sofort vorgenommen und fällt auf die Stadtvv. Cassel, Arons, Mommsen, Rosenow und Schulze. Von der Deputation für das Fach- und FortbildungS- schul wefen sind neueGrundsätze" sür die Anstellung. Annahme und Besoldung dc» LehrerpcrsonalS an diesen Schulen aufgestellt. Die Versammlung wird vom Magistrat um ihre Zu- stimmung ersucht. Es kommen in Betracht 1. die mit Staats- Zuschüssen bedachten Anstalten: Baugewerlschulc, höhere Wcbcschule. I. Handwerkcrschule; 2. die von der Stadt allein betriebenen und unterhaltenen höheren Fachschulen(II. Handwerkerschule, Tischler­schule, Gewerbcsaal), Pflicht- und Wahlfortbildungsschulen. Stadtschulrat Michaelis: Ein EefamtorganifatioiiSplan kann Ihnen heute noch nicht vorgelegt werden, aber doch ein nicht un« wichtiger Teil, nämlich dieseGrundsätze", um deren freundliche Aufnahme ich bitte. Die Raumfrag» für die Fach- und Fort- bildungSschulen ist ihrer Lösung in den letzten beiden Jahren sehr viel näher gekommen. Die schwierige Aufstellung der Lehrpläne ist noch nicht abgeschlossen, da sich da» Bild der Gliederung noch ständig verschiebt: wir haben vorerst nur Planentwürfe. Diese können wir Jnnungsvorständen nicht ausantworten; in einem Falle hat eine öffentliche JnnungSversammlung einen solchen Entwurf bedauerlicherweise dem allgemeinen Hohn und Spott preisgegeben. Solches Vorgehen kann die Sache nicht fördern; Lchrplänc werden überhaupt nickst in öffentlichen Versammlungen gemacht. In den Wahlfortbildungsschnlen ist ein Versuch mit der Zuziehung des weiblichen Geschlechts gemacht worden, ein Versuch, der sich aus- gezeichnet bewährt hat. Im Fachschulwesen hat sich das seltsame Ereignis zugetragen, daß die von unS nach dem Wunsche deS In- nungsvorstandes vorgnenommene Auflösung der Schneiderfach- schule uns von der Fachzeitung und auch von der Handwerkskammer zum Vorwurf gemacht wird. Stadtv. Glavel(A. L.) beantragt Ausschußberatung der Vor» läge, da der Magistrat in derselben nicht die freundliche Haltung gegenüber den Lehrkräften eingenommen habe, die sein« Freunde einstimmig wünschten. Es seien nur die Honorare für Berlin   zu- gebilligt worden, die der Staat in den Provinzialfortbildungs- schulen zahle. Stadtv. Dr. Ar-ns(Soz): Im Ausschuß wird ganz besonders die BcsoldungSfrage für die dauernd anzustellenden Lehrer aufs gründlichste geprüft werden müssen. Um mit diesen Schulen wirk- lich Tüchtige« zu leisten, brauchen wir Lehrer, die pädagogisch und technisch besonders qualifiziert sind. Mit der Skala des Magistrats (2600 4650 M.) ist dieses Ziel aber auf keinen Fall zu erreichen. Der Magistrat bleibt damit hinter den Vorschlägen der Deputation weit zurück, während eine Reihe von Kommunen sowohl im Anfangs- wie im Endgehält über diese Vorschläge erheblich hinausgeht. Für jene niedrigen Sätze an diesen Schulen zu wirken, würde selbst sür die jetzigen Gemeindeschullehrer keinen Reiz mehr haben. Spar- samkeit auf diesem Gebiete wäre die größte Verschwendung. Stadtv. Mcybring(Fr. Fr.) spricht sich im Anschluß an die Ausführungen des Stadtv. Arons ebenfalls für Ausschuß- beratung aus. Stadtv. Dr. Preith(soz.-fortschr.): Da auch hier wieder kein Widerspruch erfolgt, so vermute ich nach meinen Erfahrungen, daß der Ausschuß das Gegenteil beschließen wird!(Heiterkeit und Oho!) Nachdem auch noch Stadtv. R-sen-w(N. L.) AuSschußberatung empfohlen hat, wird diese beschlossen. Für die Straßenreinigung sollen 14 neue Hentschelsche Straßenwaschwagen i 3000 M. angeschafft und 7 Spreng- wagen mit Millerschen Patentbrausen ä 600 M. versehen werden. Der Umbau der letzteren Wagen soll durch die A.-G. für Feld- und Klcinbahnbetrieb(vormals Orenstcin u. Koppel) erfolgen. Die Vorlage wird angenommen. Für die Grundstücke Friedrichstraße   03 103 soll eine neue Baufluchtlinie festgesetzt werden, die im wesentlichen mit der- jenigen der Nr. 104(Komische Oper) zusammenfällt. Auch diese Vorlage wird ohne Debatte genehmigt. Der Entwurf für die Brücke über den Landtvehrkanal im Zuge der Köthener Straße, der abgeänderte Entwurf für die Brücke über den Spandauer Schiffahrtskanal im Zuge der Föhrcr Straße und der Entwurf für die Hansabrücke zwischen FlenSburger und Levctzowbrücke sind vom Magistrat vorgelegt. Stadtv. Körte(Fr. Fr.) beantragt Ausschußberatung. Die Vorlage wird darauf einem Ausschüsse überwiesen; die beiden anderen Entwürfe werden genehmigt. Der Magistrat teilt die Ferienordnung für die Gemeindeschulen pro 1008 mit. Stadtv. Dr. Arons: Die Berliner   Volksschulen haben bisher 82 Ferientage jährlich gehabt; diese sind jetzt auf 70 herab- gesetzt worden und zwar durch eine voin Minister Studt bereits 1904 erlassene Verfügung. die aber erst drei Jahre später, zwei Tage vor seinem Ausscheiden, in Kraft gesetzt wurde. Erfreulicherweise hat eine ganze Reihe von Herren kürzlich im preußischen Abgeordnetenhause energisch Protest gegen diese Verkürzung erhoben. Hamburg   z. B. hat seine Ferien von 70 auf 85 Tage verlängert; allein Preußen hat sie verkürzt. Ich beklage das durchaus, weil eine neue soziale Ungleichheit in der Behandlung der Kinder verschiedener Bevölkerungsklassen geschaffen wird. ES wäre Aufgabe der großen Gemeinde von Berlin  , energisch gegen diese» Erlaß' auf- zutreten. Von Bedeutung ist eS, daß der Ministerialdireklor Sckwartzkopff sich zu seiner Rechtfertigung geradezu auf die Berliner  Schuldeputation berief. Ich weiß nicht, ob da« zutreffend ist. fordere aber die Schuldeputation auf, mit aller Erergie gegen die Verkürzung vorzugehen. Sradtschulrat Dr. Fischer: Der Wunsch des Herrn Dr. AronS ist bereits erfüllt. Als der Stadt die Weisung bezüglich der 70 Ferientage zuging, arbeitete sie eine ausführliche Remon« stration dagegen aus und ersuchte ausdrücklich darum, diese dem Minister zur Kenntnis zu bringen. Daraufhin kam vor ganz kurzer Zeit eine A b l e h n n n g in Form einer ziemlich nichts­sagende» Antwort; auf unsere Gründe war gar nicht eingegangen I Die Vororte Berlins   haben sich zu einem neuen Protest zusammen- getan, und ich werde dem Magistrat empfehlen, sich demselben anzuschließen. Zu bedenken ist, daß dem neuen Kultusminister nicht leicht sein mag, den letzten Erlaß seines AmtSvorgängerS sofort nach seinem Amtsantritt aufzuheben. Stadtv. Dr. Arons: Ich erbitte noch immer Antwort darüber, wie der Ministerialdirektor Schwartzkopff sich ausdrücklich auf die Berliner   Schuldeputatton berufen konnte. Diese soll ausgeführt haben, daß der größte Teil der Berliner   Volksschulkinder ja doch keine Sommererholungsreise machen könne und daß die Ferien eher eine Last als eine Freude für die Eltern seien. Stadtschulrat Dr. Fischer: Genaues kann ich nicht sagen, jeden- fall» liegt eine solche Antwort der Schuldeputation sehr lange zurück. Die Ferienordnuna wird zur Kenntnis genommen. Die Vorlage betreffend die Auswahl der 1903 neu«»md umzupflasternden Straßen geht an' einen besonderen PflastcrauSschuß., Auf Antrag Stapf(A. L.) wird der Entlvurs zu einer Ent- wässerungsanlage für die städtischen Anstalten in Buch einem Ausschuß überwiesen. Die Vorlage betreffend den Bau von No �auslassen zur Verhütuna von Ueberschwemmungen wird an»