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Nr. 50. 25. Jahrgang. t MW ilkü Joruiötto" Kerl'm SollwMfilt. Freitag. 28. Felmm 1908. Reichstag Iii). Sitzung vom 27. Februar. l Uhr nachmittags. Am BundeSratstische: v. Bethmann-Hollweg  . Auf der Tagesordnung steht die erste Beratung des Gesetzes betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, die in der Haupt- fache den sogen, kleinen Befähigungsnachweis bringt. Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg  : Was die Vorlage bringt, ist Ihnen schon seit April v. I. bekannt. Es handelt sich in der Hauptsache um den sog. kleinen Befähigungsnachweis. Ich möchte Sie aber bitten, diese Vorlage nicht mit anderen Materien zu verquicken und die Vorlage schnell zu erledigen. In der Vorlage ist der Grundsatz aufgestellt, dah nur der lehren soll, der etwas gelernt hat, und dies nachweisen kann. Mit zünftlerischen Be- strebungen hat diese Frage nichts zu tun, Sie liegt lediglich auf erzieherischem Gebiete. An der Heranbildung eines guten Nach- Wuchses hat die Allgemeinheit ein ebenso großes Interesse als der Handwerkerstand selbst. Der Grundsatz völliger Lehrfreiheit führt zu einer Verschlechterung des Nachwuchses, wie die Zeit des I�aisser faire, laissez aller gezeigt hat.(Sehr richtig! im Zentrum.) Nach der ganzen Vorgeschichte des Entwurfs brauche ich jetzt wohl aus die Einzelheiten des Entwurfs nicht einzugehen. Das kann eventuell im Laufe der Debatte geschehen. Abg. Malkewitz(k.): Wir wünschen, daß der Nachfolgeir des Grafen v. Posadowsky das große Werk der Revision der Gewerbe- ordnung vorbereiten möge, ein Werk, das der Vereinheitlichung und Vereinfachung der sozialpolitischen Gesetze würdig an die Seite zu stellen ist. Den Staatssekretär möchte ich fragen, ob die Nachricht, die heute in der Deutschen Mittelstandskorrespondenz stand, daß eine Instanz geschaffen werden soll, welche in Zukunft über die Zugehörigkeit zum Handwerk oder zur Fabrik entscheiden soll, zutrifft. Das Handwerk faßt den kleinen Befähigungsnachweis, den die Vorlage bringt, als e r st e n Schritt zur Verbesserung der Lage des Handwerks auf. Wir freuen uns, daß der Gedanke des kleinen Befähigungsnachweises bis weit nach links Freunde gefunden hat, freilich bis zu einer gewissen Grenze; die Sozialdemokratie wird nicht einer Vor- läge zustimmen, von der wir eine Stärkung des Handwerks er- warten, denn die Sozialdemokratie wünscht, daß das Handwerk so bald wie möglich vom Erdboden verschwinde.(Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Wenn Sie das bestreiten, verraten Sie eine große Unkenntnis dessen, was Ihre eigene Partei will.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Aber bis in die Kreise de?Berliner Tageblatts" erwärmt man sich jetzt doch schon für den kleiner, Befähigungsnachweis, bringt doch dasBe rliner Tageblatt" anläßlich des Falles Friedberg   den Vorschlag der Einführung eines Befähigungsnachweises für das Bankier- gewerbe.(Heiterkeit.) Freilich meinen manche, daß gerade Friedbcrg diesen Befähigungsnachweis erbracht habe, da er be- wiesen habe, daß er vortrefflich verstand Schaum zu schlagen, die Kundschaft einzuseifen und über den Löffel zu barbieren.(Heiter- kcit.) Auf Einzelheiten gehe ich nicht ein, beantrage vielmehr, um die Vorlage möglichst bald zu erledigen, sie an eine Kommission von 28 Mitgliedern zu verweisen.(Bravo  ! rechts.) Abg. Euler(Z.): Die Wünsche der Handwerker, daß nur der lehren soll, der selbst etwas gelernt hat, haben mit der Zeit in den weitesten Kreisen Anklang gefunden. Die Forderung des allgomeimen Befähigungsnachweises ist vorläufig von dien Handwerkern als unerreichbar zurückgestellt worden; um so energischer muß aber der kleine Befähigungsnachweis gefordert werden. Redner geht näher auf die Wünsche ein, welche auf den Tagungen der Handwerker zum Ausdruck gebracht worden sind. Die äußerste Linke freilich meint, auch der Handwerker sei Arbeiter und solle das je eher desto besser erkennen. Wir aber wollen feste Merkzeichen einführen, wo der Lehrling aufhört und der Gehülfe anfängt, wo diefer aufhört und der Meister anfängt; das hat einen großen idealen Wert zur Hebung des Standesbewußtseins. Das Handwerk hat immer noch seinen goldenen Boden und wir hoffen, daß diese Vorlage geeignet ist, ihm den goldenen Boden zu erhalten. Abg. Linck(natl.): In früheren Jahren trat die national- liberale Partei nicht für den kleinen Befähigungsnachweis ein, freilich war das Handwerk damals in dieser Frage selbst geteilt. Der wirtschaftliche Niedergang des Handwerks beruht auf vielen Ursachen: aber die mangelnde Ausbildung des Nachwuchses ist eine der Hauptursachen. Deshalb wird die Uebcrtragung der Lehrlings- ausbildung an geprüfte Meister ein wesentliches, wenn auch nicht das einzige Mittel zur Stärkung des Handwerks sein. Wir halten das Handwerk, im Gegensatz zur Sozialdemokratie, auch heute noch für notwendig in unserem Wirtschaftsleben und für lebenskräftig. Rleines feuilleton. Anatole FranceSPinguine  ". Ueber sein neues Buch:Die Pinguine" hat Anatole France   einem Mitarbeiter desAthenäum" nachstehende Mitteilungen gemacht.Die Pinguine" lebten, in ihrer Unschuld glücklich wie Adam und Eva. auf der einsamen Insel Alca und wußten nicht, daß im Nacktgehen etwas Böses liege. Eines Tages aber wurden sie von einem heiligen Manne in Menschen verwandelt und getauft, und von Stund an begann ihr Unglück. Dem Heiligen tat die auf seine Veranlassung geschehene Ver- wandiung der Pinguine bald leid. Er kam mit ernem seiner Jünger an die Küste der Insel, auf der sich die Pinguine befanden. Die Vö�el gingen ihren gewohnten Beschäftigungen nach; die schönsten Weibchen waren von ihren Liebhabern umgeben, die den nicht bekleideten und verhüllten Schönheiten der Weiber durchaus keine besondere Aufmerksamkeit schenkten. Der Heilige aber war ob so vieler Nacktheit, einpört und kam ans den Gedanken, die Pinguine zum Anstand zu erziehen und ihnen zu zeigen, wie man sich kleidet. Er nahm sich einen Haufen von Häuten und Fellen vor. um aus diesem Kleidungsstücke für die Pinguindamen herauszusuchen; in diesem Augenblicke trat sein Jünger zu ihm und sprach:Weshalb wollt Ihr die Pinguine kleiden? Sie werden dadurch nur eitel werden. Mit der Kleidung und dem dazu gehörigen Schmuck werdet Ihr den Frauen eine furchtbare Waffe geben, und es wird daraus großes Unheil ent- stehen. Ich will es Euch bald beweisen." Und der Jünger wandte iich an die häßlichste Pinguinsrau und lehrte sie die Kunst, die die Fehler der Natur verbessert. Die Pinguinfrau tonnte jetzt ihre natürlichen Mängel unter den harmonischen Falten eines roten Gewandes verbergen und wußte mit der Hand ein Eckchcn ihres Gewandes elegant und verführerisch in die Höhe zu heben. Dann flocht sie sich geschickt das Haar, setzte einen Hut auf und ging am Strande spazieren. Als die Pinguine sie sahen, stießen sie einen Schrei der Bewunderung aus; sie verließen sofort die nackten Weibchen und folgten dem be- kleideten. Leider ließ sich auch der Jünger des Heiligen verführen. Aber der Heilige bekannte sich trotzdem nicht als besiegt und lehrte den Pinguinen nach wie vor, wie man die Nacktheit zu bedecken habe. Die Pinguine bildeten schließlich einen Gesellschaftsverband und hatten nun alle Trübsal, die die Menschen haben. Anatole France   hat nicht gesagt, wie die Pinguine von ihrer ursprünglichen Reinheit zu der tiefen modernen Korruption gelangt sind; die Pinguine sollen schließlich ihre Insel niittelö eines Explosivstoffes in die Lust sprengen. Musik. Das Gefühl des Fremdartigen, daß manche bor der Musik erfaßt, entspringt wohl großenteils dem Gedanken daran, daß Die schwerste Zeit des Handwerks, glauben wir, liegt hinter ihm. Zur Mitarbeit an gesetzgeberischen Maßnahmen, dem Handwerk sein Wiederaufleben zu erleichtern, ist die nationalliberale Partei gern bereit.(Bravo  ! bei den Nationalliberalen.) AM Albrecht(Soz.): Die Vorredner haben sich einmütig mit der Vorlage einber- standen erklärt, aber angedeutet, daß von unserer Seite eine Zu- stimmung nicht erfolgen wird. Allerdings habe ich die Absicht, gegen die Vorlage zu sprechen. Aber nicht etwa deswegen, weil wir, wie Sie meinen. Feinde des Handwerks sind, und darauf warten, daß das Handwerk zugrunde geht, und die Hand- wcrkcr dann zu uns kommen. Wir sind vielmehr der Meinung, daß dieser kleine Befähigungsnachweis dem Handwerkerstande nicht den Vorteil bringen wird, den sich verschiedene Herren und die Regierungen davon versprechen. Auch er gibt nicht die Garantie für einen besseren Nachwuchs des Handwerks, und dafür, daß kein Pfuscher ins Handwerk hineinkommt. Mit dieser Meinung stehen wir nicht allein. Herr Euler meinte allerdings, wir seien prinzipielle Feinde des Handwerks. Da will ich ihn doch aufmerksam machen auf einen Artikel im De- zemberhcft 1807 der MonatsschriftSoziale K u l t u r". die von seinem Parteifreund Prof. Hitze redigiert wird. In diesem Artikel sagt ein Herr Georg N e u h a u S, als er die Ergebnisse der Berufs- und Betriebszählung in Preußen bespricht:Aber die Zurückdrängung der kleinen und Mittelbetriebe durch die Groß- und Riesenbetriebe hat in vielen Branchen sehr zugenommen. Ob man das nun, wie es zu ge- schehen pflegt, bedauern soll, ist doch noch die Frage. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Nur dann kann man hierauf eine objektive Antwort geben, wenn man vorzugsweise das Wohl der Gesamtheit, nicht das der einzelnen, ins Auge faßt. Wird wirklich billige: und mindestens ebenso gut vom Großbetrieb produziert, wie vom Kleinbetrieb, so mag dieser schlafen gehen."(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Hier hat wohl Herr Neuhaus dem Prof. Hitze ein KuckuckSei ins Nest gelegt. (Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Sic sehen, es gibt auch außer uns Sozialdemokraten Leute, die auf dem Standpunkt stehen, daß die heutige Wirtschaftsweise, der kapitalistlsche Groß- betrieb, den Kleinbetrieb ruiniert, und die sich sagen, wenn der Kleinbetrieb nicht mehr existenzfähig ist, und der Groß- betrieb billiger und besser produziert, so müssen wir damit vorlieb nehmen, auch wenn uns die einzelnen leid tun.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wir sind ja auch nicht so schlechte Menschen, sind wir ja doch zum größten Teil selbst Handwerker. Drei Biertel meiner Fraktionsgenossen sind Handwerker.(Wider- sprach rechts und Zuruf: Einmal gewesen!) Warum wir jetzt nicht mehr Handwerker sind, ist leicht zu sagen. Der kleine Handwerker, der heute als kleiner Handwerker existieren will, muß drei Grund- forderungen erfüllen. Zunächst muß er einem patriotischen Klim- bimverein angehören(Heiterkeit), dann muß er einen sehr schmieg- samen Rücken haben und sich beugen können, dann muß er aus Kommando Spalier bilden und auf Kommando Hurra! hurra! hurra! schreien.(Große Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Das ist der beste Be- fähigungSnachweis für den kleinen Handwerker in der heutigen Gesellschaft.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Wenn man heute eine selbständige Meinung hat, kann man als Handwerker nicht existieren. Bei einem Sozialdemokraten läßt kein Angehöriger der bürgerlichen Parteien arbeiten, die meisten selbst bei einem Freisinnigen nicht. Heute kann es der kleine Hand- werker zufolge der konservativ-liberalen Paarung allenfalls noch riskieren, liberal zu sein. Freilich auch nicht in den Gefilden Ost- und Westelbiens, wo Herr Malkewitz wohnt.(Abg. Malkewitz: Da wohne ich ja gar nicht!' Heiterkeit.) Wir Sozialdemokraten haben eine eigene Meinung und wagen es auch, sie zum Ausdruck zu bringen, und deshalb haben wir als Handwerker keine Existenz. «Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Herr Euler hat aus den goldenen Boden des Handwerks hingewiesen und behauptet, er solle durch die gegenwärtige Vorlage nicht herbeigeführt, sondern erhalten werden. Herr Euler sieht also heute noch einen goldenen Boden des Handwerks. Wir tun das nicht. Wir sehen heute vielmehr, wie das Handwerk einen Kampf auf Tod und Leben gegen das private und das koalierte Großkapital führt.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Und dabei geht es zugrunde, weil es materiell nicht kräftig genug ist. Ich behaupte sogar, daß eS überhaupt niemals einen goldenen Boden des Handwerks gegeben hat.(Oho! rechts.) Nur für einzelne wenige war dieser vorhanden. Aus der Geschichte des Handwerks können Sie lesen, mit welchen Mauern das Handwerk sich um- geben hat, so daß es eben so schwer war, Meister zu werden, alseine höhere Stelle im Staate einzu- die Tonkunst den übrigen Künsten gänzlich unvergleichbar ist. Um« so dringender tut der Schulerziehung und dem weiteren BildungS- wesen eine solche Einführung in die Musik not, welche auch die zugänglicheren übrigen Künste als Anknüpfung benützt. Es be- steht geradezu ein gut Stück gemeinsamen Lebens nicht nur zwischen Tonkunst und Dichtkunst, sondern auch zwischen Tonkunst und Bild- kunst. Einmodern französisch-russischer Liederabend", den am Mittwoch die russische Sängerin Alexandrine D e w e t t gab, über- raschtc uns durch eine ganz besondere Verwandtschaft modernster Komposition mit Modernstem aus anderen Gebieten. Wer von der französischen   Lyrik eines Paul Bourget   und eines Paul Verlaine  etwas gehört oder gelesen hat, wird diesmal mit viel Interesse die Vertonung solcher Lieder durch den Franzosen C. A. D e b u s s y angehört haben. Der Komponist, 1862 geboren, trifft gerade diesen lyrischen Ton in einer vielleicht noch steigernden Weise. Mit raffinierten Harmonien, die ihm anscheinend schon lange ver- argt worden sind, verfolgt er das leise Zitternde, die verhaltene und doch nach allen Seiten losdrängende Stimmung seiner Vor- läge. Aber noch mehr: all die französischen   Lieder, die wir da hörten, und zahlreiche von den modern russischen, die sich an- schlössen, sind Landschaftsbilder. So dringt die Uebermacht der Landschaft aus der heutigen Malerei auch in die Musik herüber. Es ist aber nicht mehr die großlinige, elementare Innigkeit des deutschen Dichters Eichendorff   und seiner deutschen Vertoner, sondern eine komplizierte Welt von Lichtern und Farben und An- spielungen und Geheimnissen. Die verträumten Farbenflccke der neueren Landschaftsmaler Englands und Frankreichs   sind hier musikalisch wiedererstanden. Nur wenig von diesem raffinierten Träumen in der russischen  Musik! Hier glüht und sprüht es überall von irgend einem leiden- schaftlichen Widerstreben, wie wir es aus der russischen Literatur und zum Teil auch auS russischer Bildkunst kennen. Dann wieder Jan S i b e l i u s. der wohl bekannteste Name unter den neuesten Finnländcrn, mit der unvergleichlich ruhigeren Zeichnung seiner Tonbilder! Vielleicht ein Schüler von ihm ist Wladimir Metzl  , dessen Vertonung von zwei Gedichten unseres Caesar Flaischlcn auf eine weitere Entwickelung des Komponisten gespannt macht. si. Humor und Satire. H a e ck e l. .Wir dulden zwar Haeckel, den Protisten, Doch nie den Monisten und Propagandisten�,»» Sich ducken und bücken, Und ja nicht mucken, Alles erforschen mit heißem Bemüh'»_ Und bloß die Konsequenzen nicht zieh'n, Verstohlen flüstern:Heut liegt der Fall fo.* Doch niemals beizufügen:Ja also l* nehmen. Meister konnte nur werden, dessen Vettern am Ruder waren; für den größten Teil der Handwerker aber gab es leinen goldenen Boden. Der größte Teil bliebalter Stromer". Vor einigen 30 Jahren, als ich die Welt am Wanderstabe durchmaß, gab es noch solche alten zünftigen Gesellen, die man alsalte Stromer" verhöhnte, und denen man spöttisch zurief, sie hätten das Heiraten verpatzt.(Heiterkeit.) Nun ist ja die Frage des Befähigungsnachweises in diesem hohen Hause keine neue. So lange die Gewerbefreiheit existiert, ist ja von einem Teil der Hand- werker danach gestrebt worden, das Zunftwesen wieder hcrbcizu- führen. Der Herr Staatssekretär hat bestritten, daß die Vorlage mit dem Zunftwesen etwas zu tun hat. Ich werde später darauf zurückkommen, daß es doch der Fall ist. Schon im Jahre 1886 wurde hier von den Abgg. Ackermann, Biehl und Genossen ein Gesetz- entlvurf eingebracht, der den Befähigungsnachweis verlangte. Damals sprach mein verstorbener Freund Grillenberger dagegen und führte aus:Wenn wir Sozialdemokraten BosheitLpolitik treiben wollten, müßten wir für den Gesetzentwurf eintreten, um Ihnen zu beweisen, daß das Gesetz dem Handwerkerstände nichts nutzen kann." Denselben Standpunkt muß ich heute im Einver- ständnis mit meiner Fraktion diesem Gesetzentwurf gegenüber ein- einnehmen. Würden wir Bosheitspolitik treiben, so würden wir dafür stimmen. Was könnte uns wohl davon abhalten; unsere Wähler, die Arbeiter, würden unS sicherlich keinen Vorwurf daraus niachen. Aber wir können nicht dafür stimmen, weil wir wissen, daß in der Vorlage eine zünftlerische Tendenz enthalten ist, und sie nur den Anfang zu weiteren zünftlerischen Schritten bildet. Und weil wir ferner wissen, daß dem Handwerkerstande mit dieser Vorlage nicht geholfen werden kann.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Nach der Begründung der Vor» läge gewinnt es den Anschein, als ob die Einführung des kleinen Befähigungsnachweises nur deshalb durchgeführt werden müßte, um einen fachlich und sittlich besser ausgebildeten Nachwuchs für das Handwerk zu gewinnen. Indirekt sagt man, daß die ganze heutige Misere im Handwerkerstand darin zu suchen ist, daß der Handwerkerstand weder sittlich noch fach» lich auf der Höhe steht.(Widerspruch im Zentrum.) Wir Sozialdemokraten sind nicht dieser Meinnng. Wir sind vielmehr überzeugt, daß der Handwerkerstand, auch der Teil, der unter der Gewerbefreiheit großgezogen ist, sittlich und technisch voll- kommen auf der Höhe steht. Wenn man sich die Aus- stellungcn der Handwerker ansieht, so muß man sagen, es wird heute bedeutend mehr geleistet von feiten des Hand- wrks als vor 30 und 40 Jahren.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Ich bin im Handwerk aufgewachsen und lange darin tätig gewesen. Ich habe noch bei alten Zunftmeistern als Geselle gearbeitet, oder vielmehr als Gehülfe, denn Geselle ist bei Ihnen ja eine höhere Kulturstufe.(Heiterkeit bei den Sozial- dcmokratcn.) Von vielen dieser alten Zunftmeister habe ich nichts lernen können, sondern viele haben von mir etwas gelernt.(Heiter- keit.) Es ist ja in der Vorlage gesagt, heute werden höhere An- forderungen an das Handwerk gestellt. Das Handwerk ist aber auch imstande, diesen höheren Anforderungen heute zu entsprechen, und deshalb meine ich, ist es auch imstande, Lehrlinge auszubilden und für einen tüchtigen Nachwuchs zu sorgen. Ich betrachte die Borlage als einen Eingriff in die Gewerbefreiheit. Der Vorredner bestritt das allerdings, und auch die verbündeten Regierungen suchen sich zu salvieren, indem sie in der Begründung behaupten, daß man sich mit den bewährten Grundsätzen der Ge- wcrbefreiheit nicht in Widerspruch setzen soll. Aber durch den Befähigungsnachweis soll doch ein Privileg für diejenigen geschaffen werden, die sich der Meisterprüfung unterzogen haben, sie sollen das Privileg bekomme». Lehrlinge auszubilden. Und das ist allerdings ein Eingriff in die Gewerbefreiheit.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Die Gewerbefreiheit ist durchaus nicht unser Ideal. Wir können uns etwas Besseres denken, nämlich die sozialistische Produktion und Distribution der Güter. Aber zehnmal lieber ist uns doch noch die Ge- werbe frei hei t als das Zünftlertum, wie es von manchen Handwerkern wieder erstrebt wird, dafür danken wir doch. (Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Heute hat man ja wenig davon gesprochen, meine Vorredner sind nicht darauf ein- gegangen, daß sie mit der Vorlage nicht recht zufrieden sind und daß ihre Forderungen bedeutend weiter gehen. Auch die Regierung sagte in der Begründung, man solle nicht glauben, daß in der Be- zcichnungkleiner Befähigungsnachweis" ein Nachgeben gegenüber der Forderung des sogenanntengroßen oder allgemeinen Be- fähigungsnachwcises" oder gar ein Schritt auf dem Wege zu seiner Einführung zu finden sei. Sie hätte sich das sparen können, denn das glauben wir ihr nicht, und die Zünftler sind ebenso schlecht wie Alsstiller Gelehrter" forschen und finden. Dochtaktvoll" schweigen und nichts verkünden. Vertuschen, vornehm sein und wedeln, Das ist nach euerem Herzen------ ihr Edeln l Ich aber liebe den prachtvollen Mann da Am stärksten für seine Propaganda. Denn ärgert sich auch Schmidt und Schulz, Das Herrlichste bleibt: der Impuls. (Peter im.Tag'.) Notizen. Theaterchronik. Im Lessing-Theater kommt am nächsten Mittwoch Artur S ch n i tz l e r S EinakterzhkluSLebendige Stunden" neueinstudiert zur Aufführung.   DaS Hebbel- Theater   hat mit der Leitung derNeuen Freien Volks- b ü h n e" die Vereinbarung getroffen, die SonntagSnachmittags- Vorstellungen den Mitgliedern der Volksbühne zu reservieren. Vom Variötö. Im Linden-Kabarett(Unter den Linden 22) tritt am Sonntag, den 1. März, der Sittenschilderer Hans Hyan   zum ersten Male auf. Die Literatur imKientopp'. Mit Hülfe des Kinematographen soll eS möglich gemacht werden, die künstlerischen Leistungen berühmter Schauspieler und Schauspielerinnen weilesten Kreisen vorzusühren, gerade so wie eS der Phonograph mit der Kunst berühmter Sänger und großer Musikvirtuosen getan hat. Eine französtsche Kincmatographenfinna hat sich an eine Reihe hervor» ragender französischer Bühnenschriftsteller gewandt, damit sie für ihr Unternehmen kurze Stücke und Skizzen entwerfen, in denen dann hervorragende Bühnenkünstler zu Reproduktionen für den Kinemato- graphen sich darstellen sollen. Die Szenen dürfen natürlich keinen Dialog enthalten, sondern sind allein auf die pantomimische Bor- führung angewiesen. Alfred Capus   hat sich bereit erklärt, einige Bilder aus dem täglichen Leben, eine Scheidung, eine Verhaftung, eine Gerichtssitzimg usw. zu schildern. Unter den dafür gewonnenen Schauspielern befinden sich Sarah Bernhardt  , die Röjane und Le Bargy. Eine neue Fundstelle deS Radium». DaS JoachimSthaler Bergwerk in Böhmen   hatte bisher ein natürliches Monopol in der Erzeugung des RadiumS, das aus dem dort ge- förderten Uranpecherz gewonnen wird. Inzwischen ist aber auch, wie dieFranks. Ztg." erfährt, die fabrikmäßige Gewinnung von Radium in dem deutschen Kurorte Kreuznach unternommen worden. Die städtische Salinenverwaltung gewinnt starke Radiumsalze auS den Niederschlägen der Soolquellen, die wie die meisten Heilquellen stark radioaktiv sind.