9t. 57. 35. ZahtMg. L StilM dcs.AmSrls" Kerlim KIKsdlM. Sonnabend. 7. Mar; t908. Rcichstacf. 117. Sitzung vom Freitag, den 6. März 1003, nachmittags 1 Uhr. Am BrmdeSratStische: v. Bethmann-Hollwe�. Aus der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zwrlten Beratung deS Etats des Reichsamt des Inner«. Bayerischer Ministerialdirektor Dr. Burkard: Der Abg. Fuhr- mann hat gestern behauptet, der bayerische Finanzminister habe sich für direkte Reichssteuern ausgesprochen. Das ist nicht richtig. Der bayerische Finanzminister hat vielmehr erklärt, daß der Reichstag, lornn er neue indirekte Steuern bewilligen solle, wohl auch die Erb- schastSsteuer für Kinder und Ehegatten verlangen würde, ivas gegen- über direkten Reichssteuern immerhin das kleinere Uebel wäre. Freilich hat er sich durch diese Erklärung nicht für alle Zukunft binden wollen, wir sollten uns überhaupt hüten, solche bindenden und programmatischen Erklärungen abzugeben. Abg. Hoch lSoz.): Der Mg. Gras Könitz hat gestern erklärt, dast die gegen- wärtig bestehende Teuerung aller Lebensmittel nicht durch die hohen Zölle, sondern durch die Preispolitik der Syndikate verschuldet sei. Das ist nicht richtig. Eine Preissteigerung hat auch bei Gegen- ständen stattgefunden, in denen eine Syudizierung bisher noch nicht staltgesunden hat. Man kann daher mit gutem Recht die hohen Zölle für die Preissteigerung verantivortllch machen. Wir können den Parteien. welche die hohen Zölle und Steuern beschlossen haben, den schweren Vorwurf nicht ersparen, dost sie sich am arbeitenden Bolke auf das schwerste versündigt habe». (Sehr wohrl bei den Sozialdemokraten.) Alles das, was wir vorausgesagt haben und was die bürgerlichen Parteien als ganz unnwglich bezeichnet haben, ist durch den Gang der Dinge als wahr bezeichnet worden. Die Ausführungen, welche Graf Kunitz gegen die Kartelle machte, könne» wir vollständig unterschreiben. Das können wir um so leichter, als das, was Graf Kanitz uns gestern hier vorgeführt hat, unsere Auffassung vom Gang der wiit- schaftlichen Entwickelung durchaus bestätigt hat. Wir sind der Meinung, dost die heutigen Produktionsverhältnisse dazu führen müssen, dost daS ganze wirtschaftliche Leben unter den Einfluß einiger weniger Groß- k a p i t a l i st e n gerät, daß daS Spiel der freren Kräfte auf- gehoben wird, daß nicht mehr davon gesprochen werden kann. unsere wirtschaftliche Entwickelung vollziehe sich in freiheit- lichen Bahnen. Wir haben von jeher auf dem Standpunkt gestanden, daß die Entwickelung mit Naturnotwendigkeit dazu führen muß, daß die große Masse des arbeitenden Volkes ganz und gar der wirtschaftlichen Ucbermacht einer kleinen Clique ausgeliefert wird. Die Entwickelung hat dem ersten Satz unserer wiitschastlichen Grundsätze vollständig recht gegeben. Wenn wir die heutigen Zustände vergleichen mit denen vor 20 Jahren, so muß man sagen, baß wir heute eine ganz neue Wirtschafts- ordnung gegen früher haben. 1893 fand hier die be- kannte ZukufnftsstaatSdebatte statt. Damals verlangten die Herren Eugen Richter und Freiherr v. Stumm von uns Sozialdemokraten eine ganz genaue Geschäftsordnung für den Zukunstsstaat. Sie sagten: Wenn Ihr Sozialdemokraten uns nicht ganz genau sagt, wie es in Eurem Zutuiiftsstaat aussehen wird, so können wir uns nicht dazu entschließen, unsere Zustiinnlung zu einer neuen wirtschaiilichen Ordnung zu geben. Inzwischen hat sich unsere alte Wirtschaftsordnung gewandelt, von Grund auf ge- ändert, ohne daß die Herren ihre Zustimmung dazu zu geben brauchten. Grai Kanitz führte auS, daß eS so nicht weiter gehen könne, daß wir Zuständen entgegengingen, bie un- erträglich wären. Ich hoffe, daß Graf Kanitz und seine Freunde eS nun begreifen werden, wenn die Arbeiter schon seit langem diese Zustände als unerträglich empfunden haben, und mit allen Kräiten danach trachten, eine andere, brfferr, höhere Wirtschaftsordnung zu erlangen. Und ich hoffe, daß Graf Kanitz und seine Freunde in den Leuten, die eine Umänderung der auch von ihm als unerträglich enipfundenen Zustände hcrbeisiihrcn wollen, nicht mehr Verbrecher oder schlechte Menschen sehen, die man bekäinpfen muß. sondern Leute, die sich uni das Wohl des Vaterlandes ver- dient machen.(Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) Wenn Graf Kanitz schon die jetzigen Zustände als unerträglich verurteilt, wie viel mehr müssen sich die Arbeiter dagegen wenden. Denn die Arbeiter leiden nicht nur als Konsumenien unter der Preispolitik der Syndikate, sondern sie leiden auch unter der Lohnpolitik der Syndikate.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Gerade jetzt, wo ein wirtschaitlicher Niedergang zu verzeichnen ist, versuchen die Großkapitalisten mit ihren Arbeitern zu machen, was sie wollen. Sowohl derZentralverband deutscher Industrieller, kleines feuilleton. Ein Lawinenunglück vor hundert Jahren. Das schreckliche Lawinenunglück in Goppcnstein ruft lebhaft die Erinnerung an frühere Naturereignisse dieser Art wach. Eines der furchtbarsten Lawinenjahre— so lesen wir im Berner„Bund"— war das Jahr 1808, und die Ecbreckenstage vom Dezember jenes Jahres blieben den Bergbewohnern noch lange im Gedächtnis. Nach längerer Regenzeit fielen damals in den schweizerischen Bergen etwa vier- zehn Tage lang ungeheuere Schnecmassen, was zu den schlimmsten Befürchtungen Anlaß gab. Daß die Besorgnisse nicht unbegründet waren, sollte sich leider nur zu bald zeigen. Am Abend des 12. De- zembcr gingen im ganzen Berner Oberland und in der Urschweiz gewaltige Lawinen nieder, die überall Tod und Verderben im Ge- folge führten. In den Aemtern OberhaSle, Jnterlakcn, Frutigen und Obcrsimmental kamen an jenem Abend insgesamt 36 Per- sonen umS Leben;!98 Stück Groß- und Kleinvieh wurden getötet; 14 Wohnhäuser und 168 Scheunen und Alphütten wurden gänzlich zerstört. Weitaus am schwersten betroffen wurde die Gemeinde Gadmcn. Das Dörflein Obermad wurde fast vollständig zerstört; von den 70 Einwohnern des Ortes kamen 23 ums Leben. Von überall kamen Hiobsposten, so von Ebligcn und Ringgenberg am Brienzer See. von Saxctcn, Lütschental und namentlich auch aus Grindelwald . Bei Burghaucncn wurden drei Häuser mit zu- fammen 14 Personen weggefegt. Im ganzen Grindelwaldtale wurden mindestens 60 Jucharten Wald zerstört. Auch in den Ur- kantonen ereigneten sich am gleichen Abend zahlreiche Unglücksfälle infolge von Lawinenstürzen. Bei Gersau wurde ein Haus weg- gerissen, wobei Vater, Mutter und fünf Kinder umkamen. In Oberrickenbach wurden mehrere Personen getötet, und zu Bürglcn und Unterschächen im Kanton Uri wurden nicht weniger als 60 Häuser durch Lawinen zerstört, wobei ebenfalls Menschenleben zu beklagen waren. Im März 1809 bat die Bernische Regierung in einem Aufruf die Bevölkerung des Oberlandes, am Ostersonutag eine Liebessteuer für die durch die Lawinen an den Bettelstab ge- brachten Bewohner des Landes einzusammeln. Die Saug- und StaunngStherapir bei afrikanischen Völkern. Prof. Bier hat bekanntlich in Deutschland die Saug, und StauungStherapie, wie sie schon früher in unvollkommener Weise bestand, wieder in die wissenschaftliche Welt eingeführt. AuS den Angaben von Dr. Wohlgemuth in der„Deutschen Medizin. Wochen- schrift" ergibt sich nun. daß eine afrikanische Völkerschaft, die OvamboS, eine solche schon lange kennen. Bei Entzündungen der Haut, bei tiefer liegenden Schmerzen, wie z.'B. bei Gesichtsnerven- schmerzen usw. benutzen sie das obere Ende eines OchsenhorneS. wie der Verein der Eisenhüttenleute haben erklärt, daß sie ihre Betriebe so einrichten wollen, wie sie es für nötig halten. und daß die Arbeiter nichts dreinzuredm haben.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Arbeiter sollen sich also gefallen lassen, was die Herren in ihrer Weisheit und Güte dort oben festsetzen. Es ist im Laufe der Debatte wieder- holt vom wirtschaftlichen Niedergang gesprochen worden. Aber es ist noch nicht darauf hingewiesen worden, welch Unterschied besteht zwischen den Folgen, die dieser Niedergang für die Arbeitgeber auf der einen und für die Arbeiter auf der anderen Seite hat. Die Kapitalisten füllen in den Zeiten guten Geschäftsganges ihre Reservefonds, mit denen sie bei schlechten Zeiten den Gewinnausfall decken. Die großen Kartelle und die großen Unternehmer können einen Wirt- schaftlichen Niedergang ziemlich lange aushalten. Sie r e d u- zieren die Produktion und entlassen Arbeiter. Und wenn dann wieder bessere Zeiten kommen, dann ist meist die Herr- ichaft des Großkapitals noch stärker wie vor dem Beginn der Krisis. (Sehr wahr l bei den Sozialdem.) Man hat gesagt, die Arbeitslöhne seien stärker gestiegen als die Preise. Selbst wenn daS richtig wäre, so beweist das nur, daß die Arbeiter während der guten Geschäftszeit etwas weniger hungern müssen. Wenn die Krisis aber jetzt so weiter geht, wenn die Großunternehmer, wie sie eS im Baugewerbe wollen, nicht nur die Löhne herabdrücken, sondern auch die Gewerkschaften knebeln, wenn sie das erreichen dann werden die Arbeiter gerade jetzt während der Krisis aus das denkbar tiefste Niveau herabgedrückt» dann wird die gesamte Arbeiterschaft in ihrer Lebenshaltung, in ihrer ganzen wirtschaftlichen Stellung herabgedrückt und wenn der neue Aufschwung einsetzt, müssen sie wieder von vorne anfangen.(Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten.) Die schwierige Loge des arbeitenden Volkes ist verschärst worden gerode durch die Zollpolitik und die Syndikate. Selbst für weite Kreise des Unternehmertums, des kleinen, daS am Syndikatsprofit keinen Anteil hat. sind die Zu- stände unerträglich geworden. Da hat man nun verlangt, daß der Staat eingreisen und die Syndikate brav und artig machen solle, daß sie niemals von ihrer wirtschaftlichen Uebermacht Ge- brauch machen. Ich hätte allerdings erwartet, daß daS Zentrum nicht diese Kartellresolntionen. sondern das Kartellgesetz einbringen werde, das der Kollege Spahn angeblich schon jähre- lang in seiner Schublade hat.(Heiterkeit.) Ich weiß nicht, worauf Herr Sp«hn noch wartet. Die Verhältnisse sind heute so weit, daß eS Zeit ist. einzugreifen.(Vielfaches Sehr ivahr!) Es fragt sich nur, wie eingegriffen werden soll. Graf Kanitz hat der preußischen Regierung den Vorwurf gemacht, daß sie eigentlich schuld sei an der Syndikatswirtschast. Ich bin nicht berufen und nicht im entferntesten gewillt, die preußische Regierung zu verteidigen.(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Aver was verlangt denn Gras Kanitz von der Regierung? Sie schwebt doch nicht in der Lust; sie ist doch nichts weiter, als ei« Ausschuß der Befitzendeu (Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten), und wenn ein Minister sich einfallen läßt, einen Seitensprung zu machen, so kann sich bald der Zentralverband Deutscher Industrieller rühmen: Wir haben auch diesen Staatssekretär beiseite geschafft.(Schi wahr I bei den Sozial- demokiaien.) Die Regierung ist nichts weiter als ein Organ der Großkapitalisten. und da kann ste natürlich nicht gegen die Kapitalisten vorgehen. Was der Abg. Frhr. v. G a m p gesagt hat. daß gesetzliche Maß nahmen gegen die Kartelle unmöglich seien, ist ganz zutreffend. In Einzelheiten und Kleinigkeiten kann vorgegangen werden, aber es kann nicht verhindert werden, daß die, die die Wirtschaft- liche Macht habe», sie mißbrauchen zum Schaden der Gesamtheit.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Wer die Macht hat. macht von ihr zu seinem Nutzen Gebrauch, und auch das preußische Junkertum hat seine Macht stets ausgenutzt. rücksichtslos und schamlos gegen die Gesamtheit. (Lebhafte Zustimmung links.) Mit aller Gesetzgeberei können Sie den Kartellen keinen andere» Charakter gebe», als sie ihrer ganzen wirtschaftlichen Struktur nach haben. Das Versagen der wirtschaftlichen Gesetzgebung gegen die Kartelle hat sich in allen Staaten gezeigt; eS wird sich auch in Deutschland zeigen. Dabei möchte ich mir eine Nebenbemerkung ge statten. Es ist gesagt worden, es lohne nicht mehr, die Kartellenquete weiter zu veröffentlichen, da die Karrelle sich täglich veränderten und weiter entwickelten und die Tatsachen, die in der Kartellenquete fest- gestellt seien, längst überholt wären. Aber es ist doch auch von Wert. das Talsachenmaterial über die Entstehung der Kartelle kennen zu lernen, z. B. die Mittel, durch die bei der Entstehung des Außen syndikats die außenstehenden Werke hereingezwungen wurden. Was sollen wir aber nun tun, um diese wirtschaftliche Gefahr der Kartelle dessen Spitze durchlöchert ist. Der eine Ovambo setzt das Horn auf die schmerzende Stelle, nimmt seinen Zeigefinger, an dem er eine kleine Lehmkugel angedrückt hat, und die Spitze des Horns in den Mund, und der Saugapparat sitzt fest wie ein Bierscher Apparat. Ebenso wird es bei Geschwüren gemacht. Stauungen bei Binde- gewebsentzündungen usw. werden nicht durch Gummischläuche wie bei uns, sondern durch eine ziemlich dehnbare, aus Gräsern ge- flochtene Schnur um das betreffende Glied, und zwar oberhalb der gebrochenen Stelle, ausgeführt, was vollkommen richtig geschah. Es muß den Arzt merkwürdig berühren, wenn er sieht, daß noch ver- hältnismäßig nahe dem Urzustand stehende Völker schon lange Mittel anwenden, die wir zu unseren neuesten Errungenschaften rechnen. Tdeater. DaS Neue Operetten-Theater. das bisher im Ber« liner Theater zu Gast war. hat am Donnerstag sein neues Haus am Sänffbauerdamm mit Hellbergers.Opernball" eröffnet. Die flotte Aufführung war in Besetzung und Inszenierung ganz die alte geblieben. So bliebe nur vom Hause zu sprechen. Aeußer- lud bietet es nichts des Erwähnenswerten und innerlich gewährt es dasselbe Schauspiel wie die moderne Operette, die immer noch von der Nachahmung der alten lebt, ohne irgend etivaS ihr gleichwertiges hervorzubringen. Ein Logenrheater mit zwei Rängen, das Parterre ist für die Garderobe reserviert. Enge Treppen, enge Gänge. Vieles noch unfertig. Die Ausschmückung beruht auf dem alten Dreiklang rot weiß-gold. DaS ist traditionell und soll freudig stimmen. Mit den Sluckkünsten und der Malerei hätte man uns besser ganz ver- schonen sollen. Ob die geradezu verschwenderisch blendende Helle des elektrischen Lichts den Augen wohltut? Bkan hätte einfacher, gediegener und geschmackvoller sein können. Aber paßt das vielleicht nicht zur Operette? Akustisch scheint daS neue Theater besser gelungen. Man hört und sieht und sitzt gut. und da der Raum nicht ss beängstigend als ein Turminneres wirkt, wie bei der Komischen Oper und in etwas auch beim Hebbel-Theater, so ist auch daS Raumgefühl ein erträgliches. Ueber die Hauptsache: die Pflege der Operette, wird man erst nach weiteren Proben reden können. LeharS Neuestes soll als erste Novität herausgebracht werden.-»r. Humor und Satire. — Ungeeignet..... Was, Sie wollen Ihren Sohn Chemie studieren lassen? Der stottert ja!"—„Schadet denn das, Herr Professor?"—„Aber gewiß I Der kann ja nicht eimnal die einfachsten chemischen Benennungen aussprechen, wie zum Beispiel: Pstramstftz'Ichsmiäoclldüortnxbsn�IoarHiänckl" — Umgekehrt. A.:„ES ist wohl manchmal schwer, einen Patienten so lange am Leben zu erhalten, bis der Arzt kommt?*—. für die Gesamtheit des Volkes unschädlich zu machen? Sind doch die Zustände zugegebenermaßen unerträglich. Wenn wir nicht in der Lage sind, den Kartellen ihren gemeinschädlichen Charafter zu nehmen, so ergibt sich als notwendiger Schluß, daß wir die Produktions- mittel, die in den Händen der Minderheit eine unerträgliche Last für die Gesamtheit geworden sind, ins Eigentum äieler Gesamtkeit überftikren müssen. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Wenn man die Voraussetzung zugibt, daß die wirtschaftliche Uebermacht der Kartelle den Interessen der Gesamtheit direkt zuwider läuft, muß man natur- notwendig auch den zweiten Sctiritt unseres Programms mitmachen, unter Einführung der sozialistischen Produktion, der Produktion durch die Gesamtheit im Interesse der Gesamtheit zustimmen. Dann wird auch dem Zustande ein Ende gemacht werden, daß die reichen Leute die Güter in ihren Speichern aufhäufen und die große Masse des arbeitenden Volkes in Elend und Hunger zugrunde geht, weil zu viel vorhanden ist. Mit der Beseitigung der Ausbeutungsvorrechte des Großkapitals wird auch der Abfluß der Produkte gesichert, nicht zum Fluch und Schaden für die Bevölkerung, sondern zum Segen für das ganze Volk.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Denn im selben Maße, wie die Produktion und Verteilung der Güter sozialisiert und verbessert wird, steigt auch das Kulturniveau des ganzen Volkes. Dann brauchte das Proletariat auch die Wohltaten der reichen Leute, auf die sich die Herren Gamp und Dirksen so viel zugute tatSu, bei Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit und der Tuberkulose nicht mehr. Ist es denn nicht geradezu ein skandlöser Zustand, daß diejenigen. die sich mühen und quälen, zum großen Teile in so furchtbarem Elend leben, daß sie trotz allen ehrlichen Fleißes noch nicht einmal in der Lage find, ihren Kindern Milch zu verschaffen? Ist eS nicht geradezu skandalös, daß diese Leute aus Mangel an Nahrung der ProlelarierkrankHeit zum Opfer fallen und Almosen annehmen müssen von Leuten. die nichts tun und Millionen verdiene«, indem sie die Arbeiter ausbeuten?(Vielfaches Sehr gut l bei den Sozialdeniokraten.) Wenn nicht mehr eine AuSbeutungs- clique sich großsaugen kann an dem. was das arbeitende Volk erzeugt, braucht eS keine Wohltaten mehr.(Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten.) Das Ziel der ganzen parlamentarischen Arbeit muß es heute sein, der sozialistischen Produktion und Gllterverteilung die Bahn zu ebnen, und die Sozialpolitik darf nur die Aufgabe haben, der Uebermacht des Großkapitals entgegenzutreten. Die einzige Aufgabe der Sozialpolitik besteht darin, der Allmacht des Großkapitals die Grenzen zu ziehen, die notwendig sind zum Wohle der Gesamtheit und im Interesse der Kulturentwickelung. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Vorgestern hat der Herr Staatssekretär uns vorgeworfen, wir seien einseitig, und zwar hat er diesen Borwurf erhoben, nachdem er uns erzählt hatte, er selbst sei nicht so einseitig, er hole sich seine Ansichten nicht nur auS den Reden der einen Seite, sondern auch auS denen der anderen. Von dieser Art Einseitigkeit, vor der sich der Herr Staats» sekretär bewahrt, sind auch wir vollkommen frei. Auch wir verfolgen sehr eifreig alles, was in dem gegnerischen Lager vor sich geht, und holen uns unsere Auskünste, genau wie der Herr Minister, von allen Seiten. Aber von seinen Handlungen sprach der Minister nicht und mit vollem Recht. Denn wenn eS daraus ankommt, in sozialpolitischen Fragen Stellung zu nehmen, dann heißt es, e n t- weder— oder. Entweder fördert man das G r o ß k a p i t a l in seinen Bestrebungen, oder wenn man das nicht will, wenn man die Willkür des Großkapitals beschränken will, so muß man eben gegen das Großkapital und gegen die Ausbeutung Stellung nehmen. (Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Sie haben ja Zeit genug gehabt das zu tun. als die Arbeiter von der Sozialdemokratie noch nichts wußten, sondern im Schwanz der liberalen Parteien sich be- fanden. Aber weil Sie für die Arbeiter nichts taten, weil Sie gegen das Großkapital nie etwas unternahmen, haben die bürgerlichen Parteien den Boden unter den Arbeitern verloren. (Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Eine ähnliche Entwickelung vollzieht sich jetzt. Der Abg. Stresemann hat sich darüber gefreut, daß die HandlungSgehülfen in Massen für die bürgerlichen Parteien eingetreten sind. Warten wir es ruhig ab, wie lange eS den bürgerlichen Parteien gelingen wird, das Vertrauen der HandlungSgehülfen zu erhalten. Die HandlungSgehülfen sind bereits mit ihrer Lage unzufrieden und begnügen sich nicht mit schönen Worten, sondern wollen Taten sehen. Versprechungen sind ihnen im Reichstage gemacht worden. Aber schon bei dem Anfang, beim§ 63 deS Handelsgesetzbuches, Junger Arzt(ohne Praxis):„Ja— aber oft noch schwerer, einen Arzt so lange am Lebe» zu erhalten, bis ein Patient kommt." („Fliegende Blätter .") — Auf dem Dorf. Sie sind ein Vagabund, Sie arbeite» nicht.— Und Sie, Herr Bürgermeister, arbeiten ja auch nicht.— Das ist ganz'was anderes: ich bin Rentier. � Zu Fuß. Der Gendarm: Sie laufen da auf ber Land- ftraße herum, das ist verboten. — Der Vagabund: Schön. Herr Wachtmeister. Ich wußte das nicht... Ich will versuchen, mir ein Automobil anzuschaffen. („I/assistts au beurreu; Die Vagabunden.) Notizen. — Skandinavischer Kunst in Wort und Ton ist der volkstümliche Kunstabend in Charlottenburg am Sonntag, den 8. März, in der Kaiser-Friedrich-Scbule am Savignyplay gewidmet. Ibsen , Strindberg. Björnson, Kjelland, Bang. Jens P. Jacobson, Drach- mann. Wied kommen durch berufene Künstler zu Worte, in Tönen wird GriegS, SindiNgS usw. gedacht und skandinavischer VolkSgesang vermittelt werden. — Das Meininger Theater , das völlig niedergebrannt ist, verdient keine besondere Landestrauer. Es war ein gleichgültiger alter Kasten. Was das Theater an wertvollen Erinnerungen, Re- quisiten, Archivsachen besaß, befand sich größtenteils in anderen Räumen oder scheint gerettet zu sein. Die Bedeutung deS Meininge. Theaters für die beut, che Bühne ist nicht an ihr Haus gebunden. Was unter dem theaterfreudigen Herzog Georg in de» 60cr und 70er Jahren heranreifte und dann auf den langen Gastspielreisen (1874—1890) hinausgetragen wurde, ist Gemeingut des deutschen Theaters geworden, das vertiefte Verständnis für„historische" Inszenierung, das Stteben nach Ort- und Zeitkolorit, die Erzeugung von Stimmung und malerischen Effekten und vor allem die lebendige Regieführung, die die Massen gliederte und in bewegte Gruppen auslöste. Die Mciningerei, soweit sie Stilfererei des Echten war, ist tot, aber die Gefahren opernhaster Ueberinszenierung bestehe» weiter. — Vom Gefängnis zur Akademie. Jean Richepin ist in die französische Akademie gewählt worden! Unter den Chanson- dichter» war er eine Zeitlang der freieste und feinste, er fand neue Stoffe und Töne und seine Lyrik, die den Elenden und AuS- gestoßenen Worte innigsten Mitempfindens lieh, brachte ihm bereits einmal eine staatliche Anerkennung: als Verfasser eines Vagabunden- liebes wurde er ins Gefängnis geschickt. Inzwischen ist er zahmer geworden, so daß er jetzt leider schon für die Akademie die Reife zu* besitzen scheint.
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