dieser Angeregenheit die drei freisinnigen Parteien geschlossen hintersich hat." Bemerkenswert ist auch, daß, während die„Franks. Ztg."und der schwäbische„Hohenstaufen" ein solches Kompromiß für unmöglicherklärten, das offizielle Organ der schwäbischen Demokratie, der„Stuttgarter Beobachter", der die Blockpolitik stets sehr befürwortethat, die Meldung von diesem Kompromiß ohne Kommentar undohne ein Wort des Protestes gebracht hat lNach alledem scheint es sicher, daß in der freisinnigen Volks-Partei, vielleicht auch in der süddeutschen, eine schwache Strömungfür den Kompromiß bestand und daß die Gegenströmung erst nachlängeren Auseinandersetzungen gesiegt hat, den Umfall und Verratdes Freisinns vorläufig verhindert hat!Auf wie lange V Wer kannS wissen! Sollt eS wirklich für immersein, so sollt es uns freuen!Ltälltnche„Selbstverwaltung".Die preußischen Städte schicken sich an, in diesem Jahre das.hundertjährige Bestehen der Städteordnung festlich zu begehen undlxie Privilegierten Beherrscher der Rathäuser rufen laut und stolzhinaus, daß die Städte sich selbst vorwalteten und sich in ihre Ge-schä fte nichts dreinzureden lassen brauchen. Aber wie unberechtigtist ixoch dieser Stolz auf die Selbstverwaltung. Gewiß, auf demPapie r ist sie gewährleistet: aber bei jedem selbständigen Schrittvon erheblicher Tragweite wird den Verherrlichern der Selbst-Verwaltung zu Gcmüte geführt, wie schlecht es um die Selbst-verlvaltmng bestellt ist. Wir brauchen nicht in die Ferne zuschweifen, um für diese Behauptung Beweise zu erbringen,„dasGute liegt ja so nahe." Die städtische Verwaltung Berlin kannreichlich mit solchen Beweisen aufwarten. Nur einige wenige Tat-fachen: Berlin als Eigentümer seiner Straßen schließt mit einerprivaten Verkehrsgescllschaft Verträge ab, bis zu einem gewissenZeitpunkt und unter gewissen Bedingungen. Die Verkehrsgesell-schaft hat aber nach„oben" gute Verbindungen und erreicht, ohnedaß die Stadt gefragt wird, eine Verlängerung ihrer Konzessionauf 30 Jahre. Will aber die Stadt auf ihrem eigenen Grund undBoden selbfhändige Bahnen bauen, so muß sie erst die Regierungfragen, ob sie das darf; und ehe sie Antwort be-kommt, vergehen Jahre. Schwierigkeiten über Schwierig-leiten bereitet man ihren Verkehrsprojekten. Inzwischen reicht eineprivate Erwerbsgesellschaft neue Verkehrsprojekte ein und sichertsich unter Umgehung der Stadt von vornherein die größtmöglichsteFörderung. Die Stadt wird nur ganz nebenbei gefragt.Wie auf dem Gcsiiete des Verkehrswesens, so auf verschiedenenanderen Gebieten. Zu den Kosten der königlichen Polizei hat dieStadt pro Kopf der Bevölkerung 2,50 M. beizutragen. Die Gesamtsumme deträgt im kommenden Etatsjahr nicht weniger als4 883 980 M., also nahezu fünf Millionen Mark. Zusagenhatdagegen die Stadt Berlin nicht das geringste. Dasgleiche trifft für das Feuerlöschwesen zu. Die Stadt hat die nichtunerheblichen Kosten von 21/i Millionen Mark zu tragen. Irgend-ein eigentliches Bestimmungsrecht hat sie jedochnicht. Das trübste Kapitel aber bildet das der Schulverwaltung.Es ließen sich Bände schreiben über die Zurücksetzungen, Demüti-gungen und Verhöhnungen, denen die städtischen Verwaltungen geradeauf diesem Gebiete durch die Regierung ausgesetzt sind. Es istschon soweit gegangen, daß einfach die Regierung bestimmt hat, zuwelchen Zwecken die städtischen Gebäude auf städtischem Grund undBoden, beispielsweise die Turnhallen, verwendet werden dürfen.Erst in den allerletzten Tagen ist es weiten Kreisen von neuemzum Bewußtsein gebracht worden, wie das SelbswerwaltungSrechtauf dem Gebiete des Schulwesens aussieht. Gelegentlich der Er-örterung der Ursachen des Selbstmordes eines 16jährigen Schülersin der letzten Stadtverordnetenfitzung mußte der Schulrat für dashöhere Schulwesen erklären:„Ich spreche öffentlich das Bedauern aus, daß, während dieStadt die Lasten für die höheren Schulen trägt, daö Provinzial-schulkollcgium es nur soweit für gut befindet, uns Mitteilungvon wichtigen Vorgängen zu machen� als es ihm im Augen-blick opportun erscheint. So bin ich öfter über andereVorgänge, wichtige Revisionen, Mißergebnisse einesAbiturientenexamens, gewaltsame Entfernung von Schülern voneiner Anstalt und dergleichen, nicht unterrichtet worden.(Lautes,andauerndes Hört! hört!)"Um das Gemeindeschulwcsen steht es nicht besser. Die Stadthat wohl eine Schuldeputation; allein diese hat sich im wesentlichenKulturpolltllche Glossen.AuS den Briefe« des Zaren Nikolaus ll. an eine ungenanntePersönlichkeit in Hessen.Es ist mir gelungen, etliche Briefe abzufangen, die mittels Tele-funken von ZarskojeSelo nach einem Ort in Hessen gesandtwurden. Ich lasse das Unwesentliche auS und brmge das anderewortgetreu zur Kenntnis der Leser.„Ich glaube nicht, daß der Abgeordnete Ulrich sich für Pogrom-zwecke gebrauchen ließe. Welchen Zweck hat eS dann, ihn zuempfangen?Wer ist dieser Mann? Woher kommt er?Seine Vorfahren, die aufsässigen Bauern, wurden gestäupt undgerädert, ihre dürren Leiber baumelten an den Galgen und dientenden Raben zum Fräße, dem Volle zur patriotischen Ermahnung. Injüngerer Zeit, vielleicht war auch der Großvater oder Urgroßvaterdieses Ulrich darunter, drängten sich die Bauern, wie eine Herdeverschüchterter Schafe, im Schloßhofe, mit der Mütze in der Hand,und warteten zitternd, bis man ihnen die Säcke abgenommen hat.Mucksten sie aus, so wurden ihnen die Hofen abgezogen und dieStaatsraison wurde ihnen an einem Körperteil beigebracht, derweniger harr ist, als ihre Bauernschädel. Auf demselben Schloßhof,in de» jetzt der„Genosse" Ulrich, neben dem Großherzog stehend.aus dem Renaissancefensier herunterschaut ISoll der durch Jahrhunderte geweihte Unterschied zwischen demBauer, dem die Peitsche die Haut in Fetzen riß, und dem gesalbtenHerrscher auf den. Throne ausgemerzt werden? Und ist es klug,neben sich einen Mann zu haben, in dessen Kopfe solche Er-ümerungen aussteigen müssen?...Ich begreife, ein kleines La'id, keine ausgiebigen Jagdgrllnde!Das RegierungSgeschäft wird langweilig, wenn eS nicht mit Jagdenabwechselt. Ich weiß es aus eigener Erfahrung. Mein Land istzwar groß und meine Wildbestände enorm, aber zwischen mir undmeinem Wilde steht mein Volk. Ich kann nicht hinaus. Wennich zur Jagd gehe, werde ich selbst gejagt.(Hier hörte die Wer-bindung plötzlich auf, die Störung wurde aber bald beseitigt)....mit der Krone auf dem Kopf und dem Szepter in der Hand unddem Gefühl, daß unter dem Throne eine Bombe mit breilnenderLunte steckt...Ach, wie sehr ich mich der idyllischen Stunden erinnere, die ichhinter der Mauer des Schloßgartens in Darmstadt verbracht habe!Wir spielten Blindekuh mit den Kindern, schaufelten Sand, pflücktenBlumen. Wie schön war das!Auch das ist vorbei. Alles ist hin. Ich habe keine Zeit mehr,keine Möglichkeit, ich muß mein Volk zur Besinnung bringen. Dieeinzige Erholung, die ich mir gönne, ist. daß ich im Geiste diePogrome der Schwarzen Hunderte mitmache. Aber es muß doch einals ausführcudeS Organ der borgesetzten Behörde des Provinzial-schulkollegiums zu betätigen, d. h. gewissermaßen Laufburschen-dienste zu verrichten. Das geht soweit, daß die Regierung sich sogardas Recht anmaßt, auf die Zusammensetzung der Schuldeputationeinen Einfluß auszuüben. Die Wahl des Genossen Singer indiese Deputation und seine Nichtbestätigung durch die Schulauf-sichtsbehörde ist der sprechendste Beweis hierfür. Ein reaktionäresSchulgesetz hat Vorsorge getroffen, daß das bisher bestrittene Rechtder Bestätigung der Mitglieder der Schuldeputation ihr nunmehreingeräumt worden ist. Daß diese Behörde von diesem Rechte denausgiebigsten Gebrauch machen wird, wenn es sich um Sozialdemo-kratcn hanöblt, braucht nicht weiter gesagt zu werden. Die Arbeiter-klasse ist eben überall entrechtet. In einer Besprechung der Sach-läge meint sogar die„Krcuzzeitung" dreist und gottesfürchtig:„Die Stadtverordneten werden nicht mehr wie bisher dieStelle, die sie Herrn Singer in der Schuldeputation zugedachthaben, unbesetzt lassen können. Das ergibt sich aus§ 44 II Abs. 4des Schnlunterhaltungsgesetzcs. Hier wird für den Fall, daßeine Person, der die Bestätigung versagt worden ist, wieder-gewählt wird, die Stelle nicht unbesetzt bleiben kann und eineErsatzwahl binnen einer zu bestimmenden Frist nicht erfolgt, derSchulaufsichtsbehörde die Befugnis zur Erncn-nung eines Ersatzmannes gegeben. Vielleicht vcr-anlaßt die Möglichkeit der Anwendung dieser Vorschrift die frei-sinnigen Berliner Stadtverordneten, nachdem die Schulaussichts-behörde der Wahl des Herrn Singer die Bestätigung versagthaben wird, auf ihre Neigung zur Berufung von Sozialdemo-kratcn in dre Schuldeputation endgültig zu verzichten."Also auch das noch! Bleibt die Stadtverordnetenversammlungauf dem von ihr eingenommenen Standpunkt betreffs SingersWahl stehen, wird die Regierung einfach eine anderePerson ernennen.Diese wenigen Beispiele zeigen zur Genüge, daß es ein Selbst-betrug ist, von dem„Palladium der Selbstverwaltung" zu reden.Sie steht nur auf dem Papier; in Wirklichkeit hat sie nieexistiert— und sie wird keine Existenz erlangen, bevor nicht dasheutige Wahlrecht zum preußischen Dreiklassenparlamcnt fällt.Der»rief des Kaller;.ES ist nicht zu verkennen, daß der Brief deS Kaiser? an denenglischen Marineminister den guten Beziehungen zwischen Englandund Deutschland nicht gerade genützt hat. Die englische Presseerörtert sehr lebhaft die Angelegenheit und fast einmütig wirddie Veröffentlichung des Briefes verlangt. Schon um ver-dächtigenden Uebertreibungen von der Art des„Times"-ArttkelS wirksam entgegenzutreten, wird es notwendig sein,daß das deutsches Auswärtige Amt die Zustimmung zurVeröffentlichung erteilt. Die Betonung, daß es sich nur umeinen Privatbrief handelt, fällt hier nicht ins Gewicht. Gerade jene.welche allen Akten des Monarchen so übertriebene Bedeutung bei-zulegen pflegen, haben kein Recht, sich darauf zu berufen.Meinungsäußerungen deS Kaisers, mögen sie auch private undpersönliche Form haben, wird stets polittsche Bedeutung beigelegt;sie sollen daher nicht ohne Zustimmung und wirkliche Ver-antwortung der Minister gemacht werden.Daß aber der Brief deS Kaisers immerhin einige polittscheBemerkungen enthält, bestätigen auch die neueren Nachrichten. Dasenglische Ministerium hat sich in einem KabinettSrat mit demBriefe beschäftigt, worauf der Minister Asquith im Unterhause er-llärte, es handele sich um eine rein private und p e r s ö n-liche Mitteilung, die ebenso beantwortet worden sei, ohne daßdaß Kabinett vom Brief oder von der Antwort etwaserfuhr. Ueber den Marinevoranschlag fei übrigens schonvor Ankunft deS Briefes endgülttg entschieden worden. Die„DailyMail" erzählt folgendes über die Entstehung der Korrespondenz:Lord E S h e r, ein Vertreter König Eduards, habe vor einiger Zeitseine Beteiligung an einem englischen Flottenverein, dem dasMarineprogramm der Regierung ungenügend erschien, in einemSchreiben abgelehnt, worin folgender Satz vorkam:„ES gibt nie-mand in Deutschland, vom Kaiser abwärts, der nicht den Fall SirJohn Fishers willkommen heißen würde." Gegen diesen Passus wendetsich der Brief des Kaisers. Gegen Lord Esher sollen dabei einige scharfeAusdrücke gebraucht worden sein. Ueber die britische Flotteläge der Kaiser nur, er könnte beweisen, sie sei fünfmal so starkwie die deutsche.anderes Gefühl sein, einer lebenden Sau, wie bei der Hubertus-jagd im Grnnewold, den Bauch aufzuschlitzen, als von aufgeschlitztenFederbetten zu lesen IES leuchtet mir also ein, daß Abwechselung notwendig ist.Aber ist es denn unumgänglich, sich mit dem Pöbel gemein zumachen, um sich Zerstreuung zu schassen? Man kann zur Jagd nachBeeton, man kann Automobil fahren, Extrazng, Segelboot, mankann daö heilige Land und den König Peter von Serbien aussuchen,man kann nach Korfu reisen oder nach den Südseeinseln. Nur wenneine Revolution im Lande ist, merkt das Volk die Anwesenheit desFürsten, sonst entbehrt es ihn leicht."...Das Antwortschreiben auf diesen Brief fehlt uns. Indessenscheint in Hessen ein bedauerliches Vorkommnis stattgefunden zuhaben, worauf der zweite Brief Bezug nimmt.„Ich babe eS geahnt, ich habe es vorausgesagt. Wenn derMann in schmieriger Arbeitskleidung im Eisenbahnwagen erscheint,rückt alles anSeinander, er aber setzt sich breit hin, zieht noch denZigarrenstuinmel aus der Tasche und erfüllt bald den ganzen Raummit seinem Proletarieraeruch.Darum ist eS besser, man läßt ihn nicht erst in den Wagenhinein.Wenn der Bauer auf dem Ball erscheint, ist er erst bettoffen.verwirrt und eingeschüchtert von dem vielen Licht und Glanz; kommter aber aus dem Staunen heraus, so tolpaticht er in seinenschweren Stulpstiefeln über dem Parguett und alles muß ihm aus-weichen.Darum ist eS besser, man läßt ihn nicht erst hinein.Durch vornehme Herablassung sollte das Herz deS gemeinenMannes gewonnen werden?(Das scheint eine Anspielung zu seinaus eine Antwort aus Hessen). Ein neuer Bund sollte geschlossenwerden zwischen dem Fürsten und dem Volke? Mit dem Volt fürdas Volk")? Welche Illusionen, welche staatsgesährliche Schwärmerei IWelche Verkennung der göttlichen Mission und der politischen Auf«gaben der Fürsten I Wir sollen mit dem Volke gehen, nicht dasVolk mit Uns? DaS Volk soll das Ziel angeben, und Wtr ihmfolgen? Aber wenn das Volt selbst seine Ziele undWege bestimmen, für sich selbst sorgen soll, wozubraucht eS Uns? Nein, nicht so. sondern mit demVolke gegen das Volkl Mit der Armee gegen denPöbel, mit den Bajonetten gegen die Mäuler, mit der Staats-gewalt gegen den auirührenschen Geist, um das Volk dorthin zulenken, wo es Uns paßt und wie es Uns die göttliche Vorsehungeingibt IWas wird praktisch erreicht durch den Verkehr deS Fürsten mitdem Manne aus dem Volke?Erst sperrt der Plebejer daS Maul auf und glotzt den Fürstenmit staunenden Auge» an, wie ein Wundertier. Dann fühlt er sichgeschmeichelt.„Seine Hoheit sagten"— wiederholt cr auf Schritt«) Dies ist nachher von einem hessischen Minister als politischerGrundsatz hingestellt worden.Endlich liegt auch eine offizielle Aeußerung deS deutschenAuswärtigen Amtes vor. Darin wird erklärt: die Be-hauptung der„Times", daß der Kaiser einen Versuch gemacht habe,sich in die britischen Flotteupläne zu mischen, sei unwahr. In'seinem Brief korrigiert der Kaiser nur gewisse irrtümlicheAnsichten, die in England bezüglich der EntWickelungder deutschen Flotte herrschen.Aus alledem geht hervor, daß in dem Briefe Vergleiche überdie deutsche und die englische Flottenstärle vorkommen. In Eng-land herrscht aber in Flottenfragen eine nervöse Stimmung. DieEngländer führen die Notwendigkeit der Vermehrung der eng-tischen Flotte auf das Wachtum der deutschen Flotte zurück. Außer-dem widerspricht es dem konstitutionellen Empfindender Engländer, daß ein Monarch über die Köpfe der eigenen Mi-nistcr hinweg mit fremden Ministern unterhandelt. Trotzdemnimmt der größte Teil der englischen Presse zu dem Vorfall einedurchaus verständige Haltung ein und weist die chauvinistischeHetze der„Times" zurück. Die richtige p o l i t'i s ch c Konsequenzzieht das„Daily Chronicle". Es schließt aus der Vermittelung desKaisers aus die Notwendigkeit eines Meinungs-auLtauscheS der deutschen und englischen Regierung überdas wachsende Uebel des Wettbewerbs in denRüstungen. Wir haben gestern schon betont, daß eine solcheVerständigung sowohl im Interesse dcS deutschen als des englischenVolkes dringend notwendig wäre. Nachdem es Bülow gelungen ist,den Vorschlag Campbcll-Banncrmanns. eine internationale Ver-ständigung über die Herabsetzung der Flottcnrüstungen zu ver-eitcln und durch seine geniale Staatskunst Deutschland vor demAuslande als Friedensstörer hinzustellen, wird jetzt eine solcheVerständigung zwischen Eirglcmd und Deutschland alleinnach dem Zwischenfall des KaiserbriefeS um so dringender.Sie ist durchaus möglich, und wenn sie nicht herbeigeführtwird, so sind dafür lediglich die egoistischen materiellenInteressen der Flottentreiber und Kolonial»interesscnten verantwortlichepoUrtfebe dcbcrlicbtverlin. den 7. Marz 1308.Ausbeutungsfreiheit auf Gegenseitigkeit.Im preußischen Dreiklassenparlamcnt wurde heute dieBeratung des Eisenbahnetats beinahe zu Ende geführt. Zuerstsprach man noch einige Stunden lang über den konservativenAntrag, im Bereiche der preußischen Eisenbahnverwaltung Maß-nahmen über die Kohlennot und die Kohlenteuerung zu treffen.Die nationalliberalen Abgg. Voltz und Hirsch-Essen warfen sichzu Verteidigern deL Kohlensyndikats auf und priesen seinePreispolitik als überaus maßvoll. ES hätte die Preise nichteinmal um so viel in die Höhe geschraubt, als die Selbst�kosten, insbesondere die Arbeitcrlöhne, gestiegen seien.Das Wunder, daß die Dividenden sich trotzdem verdoppeltund verdreifacht haben, erklärten sie nicht. Zugleich schlugendie bezahlten Agenten des Kohlensyndikats den Agrarierneine Ausbeutungsversicherung auf Gegenseittgkeit vor. Siewollten sich verpflichten, nichts gegen die übermäßigen Fleischund Brotpreise zu tun, wenn die Agrarier den Stahl- undKohlenherren unbegrenzte Preistreiberei freiließen. In der Tatwird nach diesem Rezept verfahren. Dafür sorgt schon diepreußische Regierung als ehrlicher Makler zwischen den beidenAusbeutungscliquen. Heute aber leistete sich Graf Kanitzebenso wie der Zentrumsabgeordnete Hager noch einigedemagogische Redensarten gegen das Kohlensyndikat, gegendie sozialpolittschen Lasten und die unerhört hohen Löhne derGrubenarbeiter. Der Antrag wurde schließlich in die Budget-kommission verwiesen.In der Einzelberatung der verschiedenen Titel wurdeüber die geringe Voraussicht bei Bahnhofsanlagen und überschlechtes Wagcnmaterial vielfach Klage geführt. Auch derBerliner Vorortverkehr wurde besprochen. Hervorzuheben istaber vor allem eine beiläufige Bemerkung des Eisenbahn-Ministers Breitenbach auf eine Anfrage des Abg. Macco nachdem Schicksal der Seknndärvorlagc. Der Eisenbahnministcrversprach nämlich, daß die Vorlage kommen und vcr-abschiedet werden solle, auch wenn die Legislaturperiode desund Tritt. Bald gewöhnt cr sich daran.„Ich und der Fürst"—heißt es jetzt. Dann wird er zudringlich, sucht sich anzubiedern, faßtde» Fürsten beim Rockknopf, baucht ihm seinen iaulen Odem insGesicht. So ein VolkSmensch kann furchtbar eilig werden, wenn ersich sicher fühl». Er kennt keine Rücksichten. Schließlichspreizt er sich im Fauteuil, den er erst kaum zu berührenwagte, und nun heißt eS:„Alter Knaster, laß doch dasdämliche Politificren, von Politik verstehst Du nichts, wollen wirnicht lieber eine Skalpartie spielen?"Ist eS nicht unerhört, im großherzoglichen Palais, vor demGroßherzog und seinen Minister» die Arbeiterdemonstrationen, denVolkstumult zu verteidigen? Ist das em geeignetes Gesprächsthemabei einer Hofaudienz? Fehlte noch, mit dem Fürsten über denLiffaboner Königsmord sich zu unterhalten.(Offenbarer AnachroniS-muS!) Fehlte noch, den Fürsten zu ftagen. was er dazu sagenwürde. Wenn da« Volk zu ihm kommen würde, um ihn. Wie denunglücklichen Ludwig XVI. ins Gefängnis abzuführen.Ach------"Damit schließt der zweite Brief. Ein Wirbel von Funkenfolgte, ein wirres Tanzen der Gedanken, daß nichts mehr zu eni-Ziffern war. AuS dem dritten Brief nur noch ein kurzes Stück,das uns sofort in die Mtte der Sache einführt.„Da? war gewiß recht gut gemeint, aber e« war ungenügend.In dem Berkehr zwischen dem Fürsten und dem Voll muß Klarheirherrschen, volle Klarheit. DaS Volt ist wie ein Kind, eS nimmt alleDinge ernst und gerade. Darum muß die Sprache, in der man zuihm spricht, einfach und eindringlich lein.ES genügt nicht, zu sage», daß Sttnßendemonstrattonen„Ge--ahren für ihre Teilnehmer und Dritte bringen". Es muß gesagtwerden, worin diese Gefahren bestehen. Sic bestehen darin, daßSchutzleute mit blankem Säbel dreinhanen. und wenn das nicht ge-nügt, Maschinengewehre vorgesahren werden.Es genügt nicht, zu sagen, daß kein Recht der„borzugSweisenBenutzung der Straßen zu politischen Zwecken bestehe".— sondern esmuß gesagt werden, daß dieses Recht allerdings bestehe, aber nursür patriotische Huldigungen.ES genügt nicht, zu sagen, daß eS keinen Anspruch gebe,„denVorttag eines Wunsches an die Krone von Tausenden begleiten zulassen". Es muß gesagt werden: Wenn dieser Wunsch den Wünschender Krone widerspricht, so darf man ihn nicht erst auslommen lassen;wenn er aber allen Wünschen der Krone entspricht, so wende mansich an die Schwarzen Hunderte, und. wo diese nicht sind, an denReichsverband gegen die Sozialdemokratte, um unter demSchutze der Polizei eine möglichst tumulluarische Demonstrationzu organisieren, und dann gehe man gegen Andersgesinnte mit allerEnergie vor.Kurz und klar:Wenn ihr demonstriert, so wird brcingehauen,Wen w i r demonstrieren, so hauen wir drein.Man muß zum Volke nicht durch die Blume sprechen, sonderndurch den Schlund der Kanonen." Pv.