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Nr. 54.

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Erscheint täglich außer Montags. Abonnements Preis für Berlin  : Vierteljährlich 3,30 Mart, monat­lich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags Nummer mit bem ,, Sonntags: Blatt" 10 Pfg. Bost- Abonnement: 3,30 Mart pro Quartal. Unter Kreuzband  : Für Deutschland   u.Desterreich- Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 3 Mart pro Monat. Eingetragen in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1891 unter Nr. 6469.

Vorwärts

8. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 fg. Inferate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochentagen bis 1 Uhr Mittags und von 3 bis 7 Uhr Nachmittags, an Sonn- und Festtagen bis 9 Uhr Vormittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 6, Nr. 4106.

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

Der Unteroffizier.

Donnerstag, den 5. März 1891.

Expedition: Beuth- Straße 3.

Schäße werden heute von den Pfaffen der Schule vor- Alles zur Ausführung der Bureaukratie und diese vermag enthalten, die an ihren Pforten wachen. Andere glauben niemals, auch nur einen frischen Hauch in die Segel der

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Wie eine heitere Sage klang es zuweilen aus den genug zu thun, wenn sie dem Volke einige färgliche Dosen Sozialpolitik zu bringen. Neue Ideen hat die Regierung Zeiten des alten Frigen herüber in die Nachwelt, bieten. Aber der Einzelne soll doch aus der Hinterlassen- nicht, es müßte denn die Idee von dem gesellschafts- und daß unter deffen Regierung die Schulmeisterstellen auf schaft der geistigen Heroen unseres Volkes die Grundlagen staatsrettenden Unteroffizier eine solche sein. Die Ueber­den Dörfern mit ausgedienten Husarenwachtmeistern und seiner Weltanschauung schöpfen und in Verbindung mit tragung des militärischen Drills und der vorgeschriebenen Unteroffizieren besetzt worden seien. Geschichtsschreiber den modernen Ideen die Probleme des Jahrhunderts be- Gesinnung in das bürgerliche Leben ist glücklicher Weise und Dichter haben ihren Wiz an dieser absonderlichen greifen so fordert der Geist der Zeit. eine vollständige Unmöglichkeit, an der auch durch den Einrichtung geübt und eine Menge von Anekdoten über Der Geist der Zeit ist für die leitenden Staats- Bivilversorgungsschein nichts geändert werden kann. die pädagogische Wirksamkeit jener alten Kriegsgurgeln" männer nur ein leerer Begriff. Sie verstehen sein Mögen die Herren machen, was sie wollen. Jeden­sind heute noch im Umlauf. Wir Kinder einer neueren Rauschen und Wehen   nicht. Darum halten sie es auch falls wird es für den künftigen Kulturhistoriker nicht und glücklicheren" Epoche sind natürlich mit den Sieben nicht für nothwendig, daß das Volk aus dem ewigen uninteressant sein, daß man an der Schwelle des meilenstiefeln unseres Kulturfortschritts längst über der Jungbrunnen unserer geistigen Kultur schöpfe; nicht ein zwanzigsten Jahrhunderts den geistigen Bestand unseres gleichen hinaus gekommen und können mit stolzem Hinweis Lessing  , ein Herder, ein Humboldt, ein Schiller, ein Volks auf den Unteroffizier zu begründen versucht hat. auf die Errungenschaften unseres Jahrhunderts betonen, Göthe  , ein Fichte und tausend andere hocherleuchtete daß solche Dinge heute unmöglich sind. Geister sollen seine Lehrmeister sein in Gesinnung und nein, für diese Mission ist bei uns in

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Ach, wenn es so wäre! Aber wenn auch der Unter- Wissen

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offizier nicht mehr zum Schulmonarchen ernannt wird und Deutschland   der Unteroffizier ausersehen. Das mit dem Politische Uebersicht.

mit dem Haselstock wie zur Zeit des alten Frigen

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rothen Gespenst eingeschüchterte Spießbürgerthum bengt der ungeberdigen Schuljugend Bucht" und Gehorsam ehrfurchtsvoll das Haupt vor solch großartiger Staats­einbläut­aus dem Munde des Herrn v. Caprivi weisheit mun, wir gönnen es ihin! haben wir neulich vernommen, daß der Unteroffizier in Aber, fragen wir, glaubt man denn an den grünen unseren Tagen zu einer weit höheren Kultur- Tischen wirklich, die fünfundvierzig Millionen Deutscher  mission berufen ist. Unter dem alten Frißen wurde werden ihre Literatur und ihre ganze historische Entzu streifen. T dem Unteroffizier nur übertragen, die Jugend zu be- wickelung bei Seite legen, um ihren geistigen Bestand auf lehren; Herr von Caprivi theilte uns aber mit, daß den Unteroffizier zu stellen? dem Unteroffizier, wenn er heute in den Zivilstand zu

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Berlin  , den 4. März.

Der Eisenbahn- Etat( von Elsaß- Lothringen  ) beschäftigte den Reichstag   doch etwas länger, als gestern erwartet wurde. Zunächst gab ein Antrag des Fortschrittlers Bröm el Gelegenheit, die Tariffrage zu streifen, jedoch auch nur Der Antrag wurde der Budgetkommission überwiesen. Er lautet:

Der Reichstag   wolle beschließen:

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Wenn der verflossene Reichskanzler das deutsche rücktrete, die Aufgabe erwachse, gute, d. h. kon- Volt nicht kannte, indem er seine Geduld und feine Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, servative Gesinnung zu verbreiten und nament- Unterwürfigkeit zu hoch anschlug, so kennen es seine daß bei der in Aussicht genommenen Reform der Personen­lich der Sozialdemokratie entgegen zu arbeiten. Also heute Nachfolger noch weniger, wenn sie glauben, es lasse sich und Gepäcktarife auf den Eisenbahnen in Elsaß- Lothringen  soll der ausgediente Unteroffizier die Erwachsenen auch im alltäglichen Leben Alles nach militärischen Vor­eine durchgreifende Ermäßigung der Tariffäße und Ver­einfachung des Tarifsystems, unter Ausschluß jeder Er­belehren und zwar über politische und soziale Fragen; schriften regeln und die Gesinnung nach dem Kommando höhung der bestehenden Säße, herbeigeführt wird. dies wird ihm von der Regierung zur Pflicht gemacht und des Unteroffiziers vorschreiben. Hierauf brachte der Sozialdemokrat Stolle die schlechte fie setzt Prämien aus, damit diese Menschenklasse, die mit Will man aus den Unteroffizieren wirklich das Bezahlung und lange Arbeitszeit der Eisenbahn ihrem ganzen Dasein an den Staat gebunden ist", mit dem machen, was in den Reden des Reichskanzlers als Ziel Bediensteten zur Sprache. Der Regierungsvertreter nothwendigen Eifer sich ihrer Pflicht hingebe.. antwortete ausweichend. vorzuschweben scheint, so erinnert das in verdächtiger ordentlich schwer, den Behörden das Geständniß zu entreißen, In solchen Fällen ist es außer­Man hätte unstreitig das Recht, durch diesen Ver- Weise an das Prätorianerthum. Wir haben daß irgend etwas, was die Behörden gethan haben, nicht wohl gleich von Einst und Jetzt in eine heitere Stimmung ver- feinen Grund, dem Stand der Unteroffiziere als solchem gethan sei. Die Fiftion amtlicher Unfehlbarkeit spukt ja setzt zu werden. Aber die Sache hat auch ihre ernste zu nahe zu treten, aber uns däucht, auch da wird der noch in Deutschland  . Man vermißt da recht sehr das Seite, denn wo liegt der Fortschritt, wenn heute den Er- Appetit mit dem Essen kommen und das Prämienwefen Untersuchungs- Verfahren des englischen Parlamentes, dessen wachsenen zugemuthet wird, was vor mehr als hundert hat seine gefährlichen Konsequenzen. Man wird mit dem Kommissionen mit hinreichenden Vollmachten zur Ermittelung Jahren und zwar zur Zeit einer großen, durch langen felben hier eine wirkliche Begehrlichkeit" entfesseln, der Wahrheit, auch wenn diese der Regierung unangenehm Krieg herbeigeführten Zerrüttung nur der Jugend zu- die sich später, unter veränderten Umständen, einmal sehr ist, ausgestattet sind. gemuthet wurde? fühlbar machen kann. Die andere Anschauung ist sich einig in dem Gedanken, Und das Alles soll einen Damm gegen die sozia­daß die geistigen Kosten der Volks- und Jugendbildung listische Bewegung bilden? Wir ahnen, daß man es in bestritten werden sollen aus den reichen Schäßen, die den Regierungs- und bureaukratischen Kreisen bereits auf­unsere besten und edelsten Geister, die großen Denker gegeben hat, diese große Bewegung mittelst einer sozial- Richter die Frage der Schienenkarte lle aufgeworfen. Gr jeder Art, aufgehäuft haben, indem sie sich abmühten für politischen Gesetzgebung zu bekämpfen. Verschiedene An- verlangte Aufschluß über die Angebote bei gewissen Lie­die Wohlfahrt des Volkes und der Menschheit. Jene zeichen machen dies sogar zur Gewißheit. Man überließ ferungen. Da er ihn nicht erhielt, so brachte er einen

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Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

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Die Falkner von St. Vigil. Roman aus der Zeit der bayerischen Herrschaft in Tirol

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durch Bild und Schrift, daß daselbst ein Unglücklicher in der Dunkelheit, während eines Schneesturmes, oder im Rausche sich zu Tode gestürzt hatte. Der ehemalige Mönch betete bei einer jeden Tafel für die Erlösung der armen Seele aus dem Fegefeuer. Stafi rief ihm über den Bach hinüber zu, daß er sich beeilen möchte. Als sie um die Felsenecke gebogen war, gewahrte sie ein wenig oberhalb des den Tannen stand, einen bemposten Stein, der wie eine Rasen Weges in dem Schatten einer alten Birke, die einsam unter bank zum Sitzen einlud. Stasi lief hinauf und setzte sich, Ich begreif's nicht, wie Einer die unschuldigen Thiere um den Ohm zu erwarten. Der Stein war breit genug, schießen kann," sagte Stafi." Thut es Dir denn nimmer um auch Ambros Raum zu gewähren und er nahm neben leid, wann so ein hübsches Thierl, das noch eben so luftig Stafi Play. umbergesprungen ist, von Deiner Kugel das Leben lassen Ambros lachte. Nein, das hat mir noch nimmer leid gethan."

wuß?

von Robert Saweichel.

Arm" um die Hüften seiner Nachbarin. Sie schob seinen " Hier ist gut sein", sagte Ambros und legte seinen Arm leise zurück.

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Bist Du so schen?" fragte er. Sie aber bückte fich, O!" sagte sie leise. ohne zu antworten und rupfte einige Grashalme aus dem Sie waren auf eine Brücke gelangt, die über einen Boden. Es war wohl das Bücken, welches ihr das Blut in Wildbach führte. Vinks stieg der Fels senkrecht auf. Es die Wangen trieb. Fünf Halme hatte sie gepflückt und bat nun Am­welche das Bett füllten, zeugten von der Gewalt des Ele- bros, fie in der Mitte zwischen Daumen und Zeigefinger ments im Frühjahr und Herbst. Einige entwurzelte Tannen zu halten. lagen quer über dem Bette, das eine kurze Strecke unterhalb Was soll's denn?" fragte er. der Brücke einen zweiten Absturz bildete. Jenseits der Sie wollte einen Kranz fnüpfen, um zu erfahren, ob Brücke brangen die Felsen unter einem scharfen Winkel vor ihr Bittgang ihrer Mutter helfen würde. Die ganze Partie lag in dichtem Waldschatten. Unterholz Das Drakel kam jedoch nicht zu Stande. Es ließ sich und Blattpflanzen gebiehen üppig in der feuchten Atmo- das Rollen eines Wagens vernehmen und kaum hatte Stasi sphäre. War es die kühle, feuchte Luft, in der Stafi er die entgegengesetzten Enden von zwei Halmen verknüpft, als ſchauerte? Gie fab fich noch bem Ohm um und ging dann mit ein Einspänner, in dem drei Personen ſaßen, um die Ede David war eine Strecke bog. Diese Personen bestanden aus einem jungen Manne, zurückgeblieben. An einigen Stellen verkündeten Botivtafeln welcher kutſchirte, und zwei Frauen. Stafi bemerkte den

beschleunigtem Schritte weiter.

Troß der Zurückhaltung des Regierungsvertreters wurde festgestellt, daß die Eisenbahn- Bediensteten 12, 14 und. 16 Stunden täglich zu arbeiten haben so lange, daß die Sicherheit des Betriebs unzweifelhaft darunter leidet. Nach Erledigung dieser Materie wurde von dem Abg.

Wagen zuerst und sagte: Da kommt Deine Schwester Lifei." So laß sie kommen," versetzte Ambros gleichmüthig, ohne den Kopf nach dem Fuhrwerk hinzuwenden, Stafi sah ihn erstaunt an.

fügte

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vorhiu.

Die schöne Müllerin, die Afra Arigaya sitzt neben ihr," sie hinzu. Meinetwegen", versetzte er in demselben Tone wie

Nur der kutschirende Bursche bemerkte das Paar. Er winkte verschmitzt mit den Augen herauf, und trieb das Pferd an. Da die Straße hier eine Strede ohne Steigerung hinlief, so rollte das Gefährt rasch vorüber. Stasi begleitete, diese wieder Ambros zuwendend, fragte fie, ob er ihren Kranz vergessend, den Wagen mit den Augen und denn nicht mit seiner Schwester zusammen in St. Lorenzen gewesen wäre?

" Es wird wohl so gewesen sein", gab er zu. Aber ich mußte doch nachschauen, ob der verdammte Korporal der Stafi nicht nachgeschlichen war." Er lachte.

Stafi erhob sich und ging auf die Landstraße, wo num tauchte. Scham und Verdruß, daß Ambros ihr absichtlich nachgegangen war, trieben ihr fast die Thränen in die Augen.

auch die gebeugte, breitschulterige Gestalt des Ohms auf­

" Jezt hab' ich halt gemeint, daß Du mitgefahren wärst," äußerte David Fenchler gegen den langsam heruntersteigenden Burschen. Es war noch Blah auf dent Wagen."

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Neben der schönen Müllerin, freilich," spottete Ambros. " Nein, da war kein Platz mehr," versetzte der Alte naiv. Aber neben ihrem Stiefsohn, dem Jerg. Ambros hatte sich wieder an des Mädchens Seite ges