ofrilo hat 823 500 OuadraMometer FlZche. Die Viehzucht ist dereinzige Produktionszweig, der ernstlich in Betracht kommt. DieViehfarn, muß(nach Dernbnrg) 10 000—20 000 Hektar groß sein.Nehmen wir als Durchschnitt IS 000 Hektar, so ergibt sich, daß inder Kolonie, da 823 200 Quadratkilometer 82 3S0 000 Hektar sind.5i90 solcher Viehfarmen Platz finden könnten, wenn nichtnoch größere Flächen fiir Ortschaften und flir Wüstenstrecken ab-zurechnen wären, die für den Farmbetrieb nicht in Betrachtkommen.Von den reichen Mineralschätzen, die dem Lande nachgerühmtworden sind, hat man bis jetzt sehr wenig gefunden. Zwei ganzeKupferminen sind im Beginn des Betriebes. Angebliche Goldfundeerwiesen sich als Schwindel.Und für eine Kolonie mit diesen glänzenden Aussichten sindallein in den Jahren 1839 bis 1907 an Reich Szuschutz(inklusive Kriegskosten, exklusive Dampfersnbvention und Anteil derMarinekosten, sowie des Anteils an der Kolonialverwaltung inDeutschland) 464 273 000 M. ausgegeben und für 1908 sollen über40 Millionen neu hinzukommen, die neuen Eisenbahnpläne noch nichtgerechnet, die Dernburg noch im Sacke hat.In der Tat eine wertvolle Kolonie!Und um der Behauptung dieser wertvollen Kolonie ist Lebenund Gesundheit Tausender deutscher Soldaten aufs Spiel gesetzttvorden und sind Zehntausende von Eingeborenen erschossen oder inKonzentrationslagern, wo die Sterblichkeit 45— 6V Proz. betrug, vomLeben zum Tode gebracht worden oder in der Wüste Omaheke denQualen des Durst- und Hungertodes überliefert worden!Und der Rest der Unglücklichen, der noch geblieben, wird jetztunter„verantwortlicher Redaktion" Dernburg verhindert, sich ausdem Elend wieder zu erheben, wird versklavt des Profits der Farmerund Minengesellschaften wegen!Kulturpolitik IAber die Wörmann und die Tippelskirch und Podvielski u. a.mehr zogen und ziehen ihre Profite aus dieser Kolonie. Und dieMinengesellschasten und die Banken und die Lieferanten des Eisenbahn-Materials— sie alle wissen, weshalb Südwestafrika trotz alledemdoch eine wertvolle Kolonie ist.Für einige Kapitalisten nämlich! Denn die Kosten trägt ja dasdeutsche Volk l_poUtifcbe Qeberficbt.Berlin, den 12. März 1908.Seefahrtsfragen.Eine Nachmittags- und eine Abendsitzung wurden heuteim Reichstage dazu verwandt, um die Einzelberatung desReichsamts des Innern zu Ende zu bringen. AllerhandSpezialfragen wurden dabei abgehandelt, doch entfiel derHauptteil des Interesses auf Seefahrtsfragen.Ehe es dazu kam, brachte noch Genosse S a ch s e die Miß-stände zur Sprache, die sich aus der neuerdings mit Hoch-druck betriebenen Jnvalidenrentenherabsetzungergeben haben. An einer Fülle von Einzelheiten wies er nach,daß besonders in Schlesien diese Rentenverkürzung besondersnachteilige Wirkungen für die Invaliden der Arbeit gehabthat, während umgekehrt die Verwaltungskosten gestiegen sind.Direktor Caspar glaubte diese Beschwerden dadurchentkräften zu können, daß er behauptete, nur so würde sichdie Erhöhung der Jnvalidenkassenbeiträge vermeiden lassen.Aber das ist doch immer noch kein Grund für die Ungleich-Mäßigkeit der Regulicrungsmethode in den verschiedenenLandesteilen und für die auffällige Erhöhung der Ver-waltungskosten.Genosse H u e nahm lloch Gelegenheit, die völlig unzu-treffende Behauptung des Abgeordneten Mugdan vom Tagevorher zu widerlegen, daß die Sozialdemokratie nicht gewagthabe, die Forderung der Bergarbeiter nach freier Arzt-Wahl ihrerseits zu vertreten. Der freisinnige Dr. M u g d a nblieb natürlich eiscnstirnig bei seiner unrichtigen Behauptung.Ter IZ. März In Bllen and Berlin.Bevor es in Berlin zur Explosion kam, erlebte Wien seineStraßenkämpfe und den Triumph des Volkes. Metternich,der allmächtige österreichische Staatsmann, der„Staatskünstlcr derheiligen Allianz", hatte in Oesterreich 33 Jahre lang sein berüch-tigtes System zu konservieren vermocht. Er hatte in den Habs-burgischen Landen den Nationalitätenstreit dazu benutzt, die ein-zelnen Völker gegeneinander auszuspielen und im Schach zu halten.Dabei war er so unvorsichtig, den Magyaren konstitutionelle Zu-geständnisse zu machen, die das Selbstgefühl der Ungarn der-artig gesteigert hatten, daß gerade von Ungarn aus das Signalzur allgemeinen Erhebung gegeben wurde. Die inneren Zu-stände Oesterreichs schildert Marx folgendermaßen:„Die Re-gierung des Fürsten Metternich stützte sich auf zwei Klassen, diefeudalen Grundbesitzer und die hohe Finanz; und sie versuchte demEinfluß und der Macht jeder dieser Klassen durch die andere dieWage zu halten, so daß die Regierung volle Freiheit des Handelnsbehielt.... Was die anderen Klassen der Bevölkerung anbelangt.so kümmerte sich Metternich wenig um ihre Zustimmung. Ihnengegenüber kannte er nur eine Politik: ihnen in der Formvon Steuern soviel als möglich abzuzapfen undsieglet chzeitigruhigzuerhalten...Die Industrieerfreute sich eines ausgiebigen Schutzes, der in den meisten Fällenbis zum völligen Ausschluß jeder auswärtigen Konkurrenz ging.Aber dieser Vorteil war ihr hauptsächlich mit Rücksicht auf dieVermehrung ihrer Steuerkraft gewährt worden und wurde ingroßem Maßstab« wett gemacht durch Beschränkungen der In-dustrie, Privilegien von Zünften und anderen feudalen Korpo-rationen... Der Kleingewerbetreibende wurde in dieengen Schranken dieser mittelalterlichen Zünfte eingepfercht, dieeinen ununterbrochenen Krieg der einzelnen Gewerbe unterein-ander um ihre Privilegien im Gange hielten. Der Bauer undder Arbeiter endlich wurden bloß als steuerbares Material be-handelt.... Jede alte, festgesetzte, angestammte Autorität wurdein derselben Weise wie die des Staates aufrechterhalten, die Au-torität des feudalen Grundherrn über den Gutsuntertancn, diedes Fabrikanten über den Fabrikarbeiter, die des Handwerks-meisters über seine Gesellen und Lehrjungen... und jede Artdes Ungehorsams von ihnen als eine Uebcrtretung des Gesetzesmit dem Universalwerkzeug der österreichischen Justiz bestraft—dem Stock."Zuerst regten sich die Ungarn und Tschechen. Dannaber wurde es auch in Wien lebendig. Es wurden Adressen an denKaiser Ferdinand entworfen und eingereicht, die die bekannten Volks-forderungen enthielten. Namentlich die W i e n e r Studenten bcmäch-tigtcn sich der Bewegung und erfüllten sie mit Lebhaftigkeit. Einevon 2000 Studenten besuchte Versammlung richtete an den Kaisereine Adresse, welche die Volksrechte heischte. Am 13. März kamks vor dem Ständehaufe, wo die Stände tagten, zu einer ge-Beim Titel S e e a m t entspann sich die erregte Debatteüber die Seemannsfragen, in der der Reederstandpunkteifrige Vertreter fand in den freisinnigen AbgeordnetenH e ck s ch e r und H o r m a n n sowie dem unermüdlichenWortführer aller großkapitalistifchen Interessen, dem national-liberalen Dr. S e m l e r, während unsere Genossen Metzger-Hamburg und S ch w a r tz- Lübeck, teilweise unterstützt vondem antisemitischen Abgeordneten Raab, die Beschwerdenund Forderungen der Seeleute zur Geltung brachten.Metzger verlangte Auskunft von der Regierung überzwei wichtige Fragen, weshalb nämlich die Regierung nicht,wie es selbst das Seeamt aus einem bestimmten Anlaß ge-fordert habe, dafür Sorge trage, daß die Schiffskohle bei demAntritt einer längeren Fahrt auf ihre Entzündbarkeit undihren Ursprung nach Zechen geprüft würde, um Anhalt dafürzu gewinnen, welche Zechen schwefelkieshaltige Kohlen licfcr-ten. Ferner fragte er nach dem Schicksal einer vor 6 Jahrenvom Reichstag einmütig angenommenen Resolution, in der dieEinsetzung eine Seebehörde zur Kontrolle der Seetüchtigkeitausgehender Schiffe, Festsetzung ihrer Ladelinie usw. ge-fordert wurde.Die Beantwortung übernahm der Direktor v. Jonquiöres,der während der ganzen Debatte die Reden der oppositionellenRedner durch höhnische Grimassen kommentierte und ineinem derartig anmaßenden Tone auf den Reichstag los-belferte, wie sich das klügere und taktvollere Regierungs-Vertreter noch nie herausgenommen haben. Offenbar kam es ihmgar nicht zum Bewußtsein, wie komisch es wirken mußte,als ein so untergeordnetes Organ in der bureaukratischenMaschinerie, wie seine eigene geheimrätliche Nummer 00,die Verteidigung des bekannten Reeders Lcis durch HerrnHeckscher unmittelbar darauf mit den Worten belobigte:„DieN e i ch s v e r w a l t u n g ist sehr erfreut..." Gleichfallsals„Reichsverwaltung" erklärte dieser schneidige Bureaukrat,die vor sechs Jahren angenommene Reichstagsresolution aus-zuführen, liege kein Anlaß vor. Dieses provokatorische Auf-treten gegen den Reichstag trat in peinlichen Gegensatz zuder auffälligen Nachgiebigkeit gegen das Kohlensyndikat. Dadiese hochansehnliche Körperschaft sich geweigert hat, die Nach-forschungen nach den Kohlenzechen zu gestatten, die gefährlicheSchiffskohle liefern, meinte Herr v. Jonqui�res, lasse sich nichtsweiter dagegen von feiten der Regierung tun.Genosse S ch w a r tz brachte dann aus dem reichen Schatzseiner dreißigjährigen seemännischen Erfahrung zahlreiche Be-weise dafür bei, wie notwendig es sei. den Beschluß desReichstages betreffs der Kontrolle der Seetüchtigkeit der Schiffeauszuführen, und wies darauf hin, wie jetzt schon durch dieungünstige Lage der Seeleute die Lust zur Ergreifung desseemännischen Berufs gerade in der Küstenbevölkerung im Ab-flauen begriffen sei.Durch einen Schlußantrag wurde abermals unseren Ge-nossen Hoch und Metzger die Möglichkeit abgeschnitten, aufverschiedene Angriffe sachlich zu erwidern. Nach einer Füllepersönlicher Bemerkungen vertagt sich das Haus um ß'/z Uhrauf 8 Uhr zu einer Abendsitzung.Eine sozialdemokratische Interpellation.Im sächsischen Landtage hatte Genosse G o l d st e i neine Interpellation eingebracht, durch die er die Regierung auf-forderte, Aufklärung darüber zu geben, ob die von mehreren Eisen-bahnvcrwaltungen an die Eisenbahnangestellten ergangenen Aus-forderungen, aus Konsumvereinen auszutreten, vom Finanzmini-sterium veranlaßt worden seien? Tatsächlich waren solche Auf-forderungen fast zu gleicher Zeit in einer großen Anzahl Eisenbahn-stationen in Sachsen ergangen. Am Dienstag kam die Interpellationdes einzigen Sozialdemokraten im sächsischen Dreiklassenparlamentzur Verhandlung. Nach einer kurzen, sachlichen Begründung durchGenossen G o l d st e i n nahm der Finanzminister das Wort, umeinen Rückzug anzutreten. Die Regierung, so führte eraus, habe wohl ein« Umfrage angeregt, aber diese sei so ungeschicktin Szene gesetzt worden, daß daraus die Beschwerde resultiere.waltigen Volksansammlung. Ein junger Wundarzt stieg auf dasDach eines Brunnens und ließ die Freiheit hochleben. AlSbalderscholl es von allen Seiten:„P r e ß f r e i h e i t!"„Konsti-tution!"„Ministerverantwortlichkeit!" Als einStudent der bewegten Masse eine Rede Kossuths, des Führers derungarischen Opposition, vorlas, ertönte aus tausend Kehlen derRuf„Fort mit Metternich",„Weg mit den Jesuiten",„Volksbewaffnung" usw. Man drang in das Ständehaus,dessen Räte auseinanderstoben. Jetzt griff das Militär ein.Der Erzherzog A l b r e ch t ließ scharfe Salven auf die unbe-waffncte Menge abgeben. Es kam zu einer Reihe von Straßen-kämpfen, bei denen das Volk 50 Tote und Verwundete hatte, dar-unter auch Frauen.Der Kaiser Franz Ferdinand hatte nicht den Mut, es zumAeußersten kommen zu lassen. Er gab dem Drängen der ent-sandten bürgerlichen Deputationen nach und willigt« in die ge-forderte Entlassung Metternichs. Vom Burgplatz auswurde der Sturz Metternichs den Massen verkündet. Ein unge-heurer Jubel erfüllte die ganze Stadt.Am folgenden Tage erschien allerdings eine Proklamation, daßder Kaiser beschlossen habe, zur Wiederherstellung der Ruhe demFeldmarschalleutnant Windisch grätz alle nötigen Vollmachtenzu übertragen und ihm alle Zivil- und Militärautoritäten unter-zuordnen. Diese Proklamation löste indessen einen solchen Sturmder Empörung in der Wiener Bevölkerung aus, die sich inzwischenallgemein bewaffnet hatte, daß der Kaiser seine Proklamationzurücknahm und das feierliche Versprechen abgab, eine Konsti-tution zu gewähren. Eine Verordnung verkündete für Oester-reich Proßfreiheit, Errichtung einer Nationalgardemit freier Wahl der Führer, Einberufung von Abge-ordneten aller Provinzmlständc, der verschiedenen Gebiete undStaaten des Kaiserreiches in möglichst kurzer Frist, mit ver-stärkter Vertretung des Bürger st andes, zum Be-Hufe der Vereinbarung mit dem Kaiser über die von ihmbeschlossene Konstitution des Vaterlandes.—In Berlin nahmen die Ereignisse ebenfalls ihren stür-mischen Fortgang. Die Forderungen des Volke? in Köln, dieAdressen aus allen größeren Städten de» Rheinlandes an denKönig wirkten aufpeitschend auf die Berliner. Auch von Königs-berg war eine von Rupp, Jacoby und Dinier entworfene undzahlreich unterzeichnete Adresse nach Berlin gebracht worden, inder es hieß, daß nur ein durch freie Einrichtungen er-starktes und den Interessen Deutschlands sich hin-gebendes Preußen Schutz bieten könne, und nur durch einewahre, aus allen Ständen des Volkes hervorgegangeneVolksvertretung, durch unbedingte Preßfreiheitund durch ein deutsches Parlament Teutschland die Krafterlangen könne, allen Feinden zu widerstehen.Seit Anfang März fanden in Berlin bewegte Versammlungenstatt. In einer solchen Versammlung vom 7. März kam ein-Adresse zustande, in der die Volksforderungen in entschiedenerSprache vertreten wurden. Der Deputation, welche die AdresseDie Regierung könne und' wolle den Beamten die Mitgliedschaf!bei den Konsumvereinen nicht verbieten. Bon den besser bezahltenBeamten aber erwarte sie, daß sie sich der Tatsache bewußt lverden,daß der Mittelstand durch Konsumvereine geschädigt werde; dcnunteren Beamten und Arbeitern könne man aber den Vorteilgönnen, den die Konsumvereine ihnen bringen. Das gelte abernur für Konsumvereine, die rein wirtschaftliche Zwecke verfolgen;dagegen werde die Eifcnbahnverwaltung alle Beamten und Arbeiterdie Beteiligung an Konsumvereinen untersagen, die sozial-demokratische Zwecke verfolgen. Da es solche Konsum-vereine gar nicht gibt, blieb dieser Teil der ministeriellen Verlegen-hcitsrede unklar.Genosse Goldstein blieb dem Minister die Antwort nichtschuldig. Er forderte den Minister auf, Farbe zu bekennen undoffen zu erklären: Ihr kleinen Beamten bleibt ruhig im Konsum-verein. Der Finanzminister, der sich eben in VerlegenheitSredcngeübt, übte sich jetzt im VcrlegenheitSschweigen. Dadurch trat abernur um so deutlicher zutage, daß die sozialdemokratische Jnter-pcllation einen vollen Erfolg hatte.Delirium.Der fromme christliche„Reichsbote" läßt sich voneinem Destillenbcsucher schreiben:Wie Arbeitslose über Tachstuhlbranbe urteilen. Währenddie Bewohner der obersten Etagen besonders von Eckhäuserngegenwärtig berechtigte Besorgnis bei jedem Feuerlärm erheben— weiß doch niemand, wann und von wem ihm der Dachstuhlüber dem Kopfe angesteckt wird— behandeln in Destillen eingewisser Schlag Arbeitsloser die Tagesfragc„D a ch st u h l-b r a n d" mit besonderer Befriedigung.„Durch dieseSchadenfeuer wird wenigstens ArbeitSgelcgcn-hcit geschaffen, und es wird noch viel mehrbrennen!" Das waren die Worte, die unser Gewährsmannam Mittwochabend in einer Großdestillation in Berlin ZW.hörte. Mit dieser letzteren Auffassung wären allerdings diepsychologischen Rätsel der Dachstuhlbraudstifter erklärt. Wennaber als Nachwehen der vorjährigen Streiks im Baugewerbeeine Horde Brandstifter gezeitigt worden wäre, dann empfiehlt essich, die Arbeitslosen, mit denen man sonst Mitleid haben möchte,ganz besonders scharf zu bewachen und alle als vermutlicheBrandstifter Festgenommene auf ihre sozialen Verbindungen zuprüfen.Dem Gelvährsmaml des„Reichsbotcn", der seine geistigeNahrung in Destillen schöpft, kann man eS nicht übel nehmen.wenn er sich durch Mitteilungen über das, was„ein gewisserSchlag Arbeitsloser" in seiner Gegenwart erzählt, ein paarneue Schnapsgroschen zu verdienen sucht. Wenn aber dieRedaktion des„Reichsboten" die Phantasterei des Deliriuni-kranken weitergibt und behauptet, diese Aeußerungen seienNachwehen der vorjährigeil Aussperrung im Baugewerbe.die eine Horde Bran'dstifter gezeitigt habP sofinden wir dafür keine Entschuldigung, so lange uns nichtnachgewiesen wird, daß auch die„Reichsbotcn"-Redakteure ge-wohnheitsmäßige Destillenbesuchcr sind. Die Ausgesperrtendes Vorjahres gehören nicht zu dem„gewissen Schlag Ar-beitsloscr", die mit.,Reichsboten"-Gewährsleutcn gemeinsamdie Schnapspulle leeren und dabei dem Bruderherz— hupp!— anvertrauen— huppi—, welche entsetzlichen Ver-wirrungen das Delirium in ihrem armen Gehirn an-gerichtet hat>_So denken alle preußischen Freisinnige»!Nämlich wie Eickhoff über den Sprachenzwangin der Reichsvereinsgesetzvorlage! Der BerlinerMitarbeiter der„Münchener Neuesten Nach-richten" telegraphiert diesem Blatte so.Ob er recht hat?Aus der freisinnigen Presse erfährt mans nicht. Für die„Vossische Zeitung" und die„Freisinnige Zeitung" existiert derNeichsvereinSgesetzentwurf nach wie vor nicht!dem König überreichen sollte, wurde jedoch vom Polizeipräsi-denken erklärt, er habe gemessenen Befehl, die Ueberreichuugdes Beschlusses zu verhindern, und wenn es dabei zumBlutvergießen kommen sollte! Immerhin hatte dieAdresse den Eindruck auf den König gemacht, daß er am 8. Märzin einer Proklamation eine durchgreifende Reform de» Prcß-gesetzcs mit Zensurfrciheit in Aussicht stellen ließ, ftcilich auchvon„Garantien gegen dcn Mißbrauch der Preßfrciheit"sprach. Am 9. März fand abermals Unter den Zelten eine große,von Tausenden besuchte Volksversammlung statt. Die Vcrsamm-lung beschloß, die Stadtverordneten zu ersuchen, dieAdresse dem König zu überreichen. Als am Abend die Stadtvcr-ordnctenversammlung tagte, waren die Zuhörerräume überfüllt.Es wurde zunächst über die Arbeitslosigkeit diskutiert, diein Berlin eine sehr große war. Auf dem neugeschaffenen Bureaufür Arbeitsnachweis hatten sich am ersten Tage 700 Arbeitslosegemeldet, von denen nur 3 Arbeit vermittelt werden konnte. DieFrage der Arbeitslosigkeit wurde vertagt, die Ucberreichung derAdresse der Volksversammlung abgelehnt.Am 13. März verbreitete sich mit Nachrichten von der fort-schreitenden Bewegung im Nhcinlande die Kunde, der Prinz vonPreußen habe in einer Ansprache die Truppen auf denKampf vorbereitet und werde nach dem Rheinlande ab-gehen, um dort die Volksbewegung blutig zu ersticken. Infolgedieser Nachrichten füllten sich die Straßen mit Menschen. TieRegierung traf Gegenmaßregeln. Zahlreiche Kavallerieabteilungendurchstreiften die Straßen. Schloß und Zeughaus wurden von-Infanterie besetzt, sogar Geschütze waren aufgefahren!Wiederum tagte Unter den Zelten eine große Volksversammlung.in der unter anderem eine Verbesserung des Loses derArbeiter und Schaffung eines Arbeitsministe-r i u m s defordert wurde. Am Brandenburger Tor kam es zwischender Kavallerie und dem aus den Zelten zurückströmenden Volk zueinem Zusammen st oß. Die Kavallerie hieb scharfein und am Schloß wurde das Volk gar mit demBajonett attackiert! Schon an diesem Tage wurde derVersuch gemacht, Barrikaden zu errichten. Noch einmal indessenberuhigten sich die Wogen der Volksbewegung.Bemerkenswert ist, daß schon in diesen Tagen die liberalePresse hämische und verächtliche Angriffe gegendas Proletariat richtete. So schrieb die„V o s s i s ch eZeitung" über das Publikum der Versammlung vom 13. März:„Wirklich bestand der große Teil der gestrigen Versammlung nuraus Gesindel und unerwachsenen Leuten, welche ohneirgend ein politisches Bewußtsein dort nur Nahrung für ihrenMutwillen suchten und sich nicht scheuten, im Interesse dessenhierbei das Leben und das Eigentum ihrer besonnenenMitbürger zu gefährden."Man sieht, die liberale Presse verstand sich auf ihr Ver-leumdungshandwerk proletarischen Kundgebungen gegenüber vorsechzig Jahren schon genau so gut wie heute!