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An der amtlichen Meldung ist verschiedenes auf- fallend. Erstens fehlt seltsamerweise jede Angabe über die Stärke des angegriffenen Feindes. ES wäre doch von Interesse, zu erfahren, wieviel Waffenfähige Simon Copper noch geblieben sind. Lluffallend ist ferner, daß die Copper- Leute zwar 58 Tote, aber anscheinend keinen einzigen Ber- ivnndeten hatten! Sollte es ihnen gelungen sein, alle ihre Verwundeten, auch die Schwerverwundeten, mitzu- nehmen die Zahl der Verwundeten mußte im Verhältnis zu den Getöteten mehr als 1<X) betragen so könnte doch von regell o�s er Flucht" keine Rede sein! Es wäre also sehr wünschenswert, wenn über den Verbleib der Verwundeten nähere Mitteilungen gemacht würden. Schließlich ist es ein starkes Stück, daß in dem Tele- gramm trotz aller früheren Beschwerden wiederum nur die Namen der gefallenen Offiziere genannt sind. Man kann sich diesmal auch nicht damit herausreden, daß das Heliogramn, seiner Kürze wegen diese Namen nicht hätte enthalten können. Denn wenn man so ausführlich über den Verlauf des Gefechts berichten konnte, hätte man mit Leichtigkeit auch die Namen der Gefallenen und Ver- wundeten mitteilen können. ES handelt sich also wieder um die vielgcrügte alte Rücksichtslosigkeit gegenüber den Angehörigen der Schutztruppe! Des frelünns Verrat vollendet. Die Blockmehrheit derReichSvereinSgefetzkommifsion hat ihr Werk vollbracht die preußische Regierung und die Preußischen Junker haben, waS sie wollten. Sprachenzwang und Jugendausschluß sind bewilligt. DaS.moderne, freiheitliche" Vereinsgesetz, das den Junkern und der preußischen Regierung gefällt, ist fertiggestellt für die Annahme im Plenum. Der Freisinn hat ein positives Ergebnis der Blockpolitik ge- rettet auf Kosten seiner Grundsätze, auf Kosten seiner Ehre. Er hat seine Zustimmung zu einer schmählichen AuS- nahmebestimmung gegeben, hat sich den Forderungen einer wüsten, unsinnigen Unterdrückungspolitik gefügt. Er ist restlos untergetaucht in den Sumpf der Reaktion, in den Morast völliger politischer Charakterlosigkeit. Besudelt vom Kopf bis zum Zeh, schmutztriefend aus allen Poren, so entsteigt er der zweiten Lesung des ReichSvereinSgesetzeS in der Kommission, zu verächtlich fast, um noch ein Gegenstand des Hasses sein zu können. Weshalb er das Schmutzbad gewagt, das ist offenes Ge- heimnis. ES ist nicht nur das brennende Bedürfnis, den Wählern eine Frucht der Blockpolitik vorweisen zu können, es ist vor allem die Angst vor dem Unwillen der Börse, wenn die Börsenreform über dem Vereinsgesetz zu Falle kommen würde. Es ist ein niederträchtiger Schacher mit dem Volksrecht, der hier getrieben loorden ist und kein Regen noch so feierlicher Erklärungen und Ver- Wahrungen wäscht dem Freisinn je den Schmutz dieses unerhört un- sauberen Geschäfts ab. Das wissen die Herren und deshalb die lächerliche Beteuerung des Gegenteils in der gestrigen Kommissions- sitzung! Deshalb der unverschämte Appell an die Wahrheitsliebe der Gegner! Diese Braven! Kein Wort haben sie fallen lassen über die Börsenreform, als sie den Kompromiß zusammenflickten und keiner der Konservativen ist so unzart gewesen, sie dabei an dieses zweite Schacherobjekt zu erinnern. Wir glauben ihnen aufs Wort! Aber die ungenannte Gesetzesvorlage über die Börsen- reform stand deshalb nicht minder greifbar bei all den Unter- Handlungen im Hintergrunde und dieaus rechtlichen Gründen" Umfallenden wußten ganz genau, daß ihr Umfall beim Vereins- gesetz den Umfall der Konservativen bei der Börsenreform zur Be- dingung hatte. DieKrcuzzeitung" und diePost" yatten es ihnen ja deutlich genug gesagt. Und siehe, kaum ist der Umfall des Freisinns vollzogen, so steht auch schon fest, daß die Konservativen sich erweichen lassen, die Regierungsfassung der Börsenrcform- Vorlage wiederherzustellen! Die Börse, die vor einigen Tagen noch in arg katzenjämmerlicher Stimmung war, heut sieht sie die Welt im rosigen Schein, und jener Direktor der Deutschen Bank hat recht behalten, der am Sonnabend seinen Berufsgenossen versicherte, es stehe nicht so schlecht um die Börsenreform, denn der Freisinn werde sicherlich beim Vereinsgesetz nachgeben. Vcreinsfreiheit gab der Freisinn für Börsenfreiheit dieses Brandmal auf seiner Stirn kann er nicht löschen. Es wird noch seinen Leichenstein zeichnen. Vorläufig glaubt der Freisinn allerdings noch nicht ans Sterben aus dem Gold der Börse denkt er neue Lebenskraft zu ziehen. Er hat Anspruch auf Dankbarkeit von jener Seite. Das werden unsere Börseaner besonders empfinden, wenn ihre ge- liebten Agrarier, Junker und Junkergenossen, Konservative und Antisemiten aller Farben zur Rettung der Börsenreform werden herbeieilen sehen. Welch ein Schauspiel! Die Junker würden es sicherlich sich und der Welt gern ersparen, aber sie werden ihren Blockfreunden schon den Gefallen tun müssen, da die Sozialdemo- kratie sich unmöglich der Mithülfe bei der Realisierung des Ge- schäfts schuldig machen kann. Was der Freisinn der Reaktion bewilligt hat, das wollen wir rm freisinniges Blatt sagen lassen, das allerdings den Umfall be- kämpft hat. DieFranks. Ztg." sagt über das Kompromiß: ... Nach früheren Statistiken weisen in der Provinz Posen 16 Kreise weniger als 66 Proz. polnische Bevölke- rung auf. In w c st p r c u ß i s ch c n Kreisen mit polnischer Be- völtcrung sind es ebenfalls 4 oder b, in denen die 60 Proz. nicht erreicht werden. Unter diesen nach dem Kompromiß schon jetzt vom Sprachenvcrbot betroffenen Kreisen sind solche, in welchen die Polen die Mehrheit der Bevölkerung bilden, andere, in denen sie Ii,'A und fast die Hälfte der Gesamt- bewohnerschaft ausmachen. Und in allen diesen Ge- bietsteilen sollen sie nicht in öffentlichen Versammlungen polnisch sprechen dürfen? Und selbst da, wo sie die überwiegende Mehr- zahl bilden, bis fast zu 90 Proz., soll ihnen dieses Recht nur noch zwei Jahrzehnte bleiben?... Aber auch für den Westen, wo das Sprachcnverbot überall praktisch werden würde, wirkt es nicht weniger ungerecht,- denn hier ist seine Wirkung eine wirtschaftliche, weil sie die öffentliche Besprechung von Lohn- fragen unter den Polen hindert...." Dazu der Ausschluß der Jugendlichen unter 13 Jahren aus allen politischen Vereinen und Versammlungen, die Erdrosselung der freien Jugendorganisationen Süddeutschlands ! Wahrlich, das Werk ist würdig einer Partei, die sich freisinnig nennt! Möge das deutsche Volk es ihr gedenken!' politische(leberlickt. Berlin , den 19. März 1908 Kolonialblockzersplitterung und Jonrnalistenstreik. Zu einer wahren Komödie der Irrungen sind die Differenzen unter den kolonialfreun�lichen Parteien in der heutigen Reichstags- sitzung ausgewachsen. Zunächst tat Herr Erzbergcr dem Staatssekretär Dernburg den Tort an, zu erklären, daß er sich eigentlich vollständig auf den Boden der Kolonialpolitik des Zentrums gestellt habe. Das System Dernburg stehe in einem wohltuenden Gegensatz zu dem System Liebert. Nur> an der Christlichkeit der Dernburgschen Politik hatte Herr Erzbergcr noch gelinde Zweifel. Herr Müller aus Meiningen war offenbar sehr peinlich davon berührt in seinem freisinnigen Blockherzen, daß die Zentrumskonkurrenz den Sohn der Börse den Armen seiner frei- sinnigen Freunde zu entreißen suchte, und richtete deshalb an Herrn Dernburg die flehentliche Warnung des getreuen Kultur-Eckart, nur ja sich von den Römlingen nicht umgarnen zu lassen. Sonst erging er sich in einigen beachtenswerten Ausführungen über di-- Notwendigkeit, die Eingeborenenrechte zu erforschen und festzu- stellen. Herr Dernburg folgte der Müllerschen Mahnung, die Distanz zwischen ihm selbst und dem neuen Freund Erzberger zu markieren, wodurch er denn ganz von selbst wieder der Liebertschen Auffassung über die Negcrausbeutung näherkam. Möglichst neutral zwischen den sämtlichen bürgerlichen Rich- hingen suchte sich der ci-devant Kolonialdirektor, Erbprinz zu Hohenlohe-Langenburg , duri�uwiuden, dessen Lebens- maxime es ist, niemals Anstoß zu erregen. Ein wahres Muster von Korrektheit dieser gute Prinz! Zwischendurch empfahl Herr v. Treuenfels einen konserva- tiven Antrag aus Errichtung eines Denkmals für die in Südwest- afrika gefallenen Krieger, was den üblichen patriotischen Applaus bei allen staatserhaltenden Elementen auslöste und Herrn D e r n- bürg das Stichwort gab, eine Depesche aus Südwestafrika zu ver- lesen, die einenSieg" über den einzigen bisher noch das Feld haltenden Hottentottenführer Simon Copper zu berichten wußte. Genosse Eichhorn wies mit einigen kräftigen Worten die alberne Verdächtigung des Herrn v. Treuenfels zurück, daß die Sozialdemokratie die deutschen Soldaten beschimpft hätte. Wir hätten vielmehr nur gegen die AusbeutungS- und Unterdrückungs- Politik Front gemacht, ließen aber keineswegs die einzelnen Sol- daten die Fehler der Politik entgelten. Dann erörterte Eichhorn eingehend die Eingeborenenpolitik der Regierung. Was Dernburg vorschlage sei keineswegs etwas völlig Neues. Sein Verfahren gegenüber den Eingeborenen beseitige nicht die Ausbeutung, sondern wolle nur an Stelle der wilden Ausbeutung die or- ganisierte Ausbeutung setzen. Stelle er doch nach seinen eigenen Worten die Neger als wertvolle Aktiven in Rechnung. Alle die Fürsorgcmaßregeln, die da ge- plant seien, hätten den Zweck, die Arbeitslraft des Negers erfolgreicher auszunutzen, als das mit den brutalen Mitteln der Liebert und 5wnsortcn möglich sei. Um dieKultur", die da in die Kolonien getragen werden solle, sei es sehr windig bestellt. Erst solle man einmal wirkliche Kulturpolitik in Deutschland selbst treiben. Nunmehr erschien Herr Paaschs auf der Bildfläche, um ganz in dem Sinne, wie Semler und er selbst das in der Kom- Mission schon vorher getan hatten, den Staatssekretär in der satt- sam bekannten halb verschleierten Manier wegen seiner angeblich übergroßen Negerfreundlichkeit anzugreifen und Herrn v. Liebert in Schutz zu nehmen. Der Sinn dieses Vorstohes war dem ge- ämten Haufe, das mit gespannter Aufmerksamkeit zuhörte, voll- kommen klar. Es war die Kandidatenrede Paasches als Kandidat der agrarischen Fronde für den Posten des Kolonialsekretärs. Herrn Dernburg schien der Zweck auch völlig klar zu sein. Er beobachtete die Taktik, darzulegen, eigentlich bestehe zwischen Paasche und ihm selbst gar kein wesentlicher Unterschied. Wozu also der Lärm? Er werde mißverstanden. Die Plantagenbesitzer und Farmer drücke er alle mit gleicher Liebe an seinen Busen. Charakteristisch war bei diesen Ausführungen das Verhalten der [taatserhaltenden nationalen Parteien. Sie bezeugten durch ivachfende Unruhe und Geschwätz ihre Nichtachtung. Herr Dernburg hatte nicht mehr das Ohr des HauseS. In dieser Situation griff er zu dem bei nationalen Staats- männern beliebten Trick, plötzlich mit einem scharfen Ausfall gegen die Sozialdemokratie zu schließen, um den üblichen Beifall zu er- zwmgcn. Aber auch das mißglückte, da ein Zuruf von unserer Seite:Das war aber mal ein schöner Abgang!" bewirkte, daß das Haus durch allgemeine Heiterkeit sein Verständnis für Dein- burgS Manöver kundgab. Die Debatte hatte noch ein eigenartiges Zwischenspiel ge- zeitigt. Bei der Rede Erzbergcrs hatte irgend jemand auf der Tribüne laut gelacht. Herr Gröber antwortete darauf mit einer groben Jnvcktive. Herr Müller- Meiningen aber fühlte sich gezwungen, als Mundstück derGesamtheit der Journalisten" dem Delinquenten noch eine Extrarüge mit seinem höchsteigenen Dichtermunde zu applizieren. Eichhorn wies diese Anmaßung gebührend zurück. Die Journalisten selbst verlangten vom Präsidenten Genug- tuung und traten, als sie ihnen nicht in angemessener Weise zu- teil wurde, um 6� Uhr in den Streik ein! Aus dem Abgeordnetenhause. Die dritte Lesung des K u l t u s e t a t s im Dreiklaffen- hause gab zu der üblichen blockbrüderlichen Auseinander- setzung zwischen konservativen Dunkelmännern und liberalen Dämmerlingen Anlaß. Nirgends vertiefte sich die Diskussion und selbst der tragische Fall des Schülers Mathcus vermochte in dieser Atmosphäre kein reinigendes Gewitter zu erzeugen. Es versteht sich von selbst, daß die Freisinnigen, welche an sich berechtigten Beschwerden sie auch vorbrachten, überall auf der Oberfläche blieben. Am Schlüsse der Sitzung. fand sich der Studtblock zusammen und lehnte die von der Gesamt- linken beantragte Wiederherstellung des dem Holle zum warnenden Exempel gestrichenen Kreisschulinspektors ab, ob- wohl die um Zedlitz denen um Friedberg und Kopsch das Blockalmosen erwiesen, für ihren Antrag zu stimmen. Am Freitag wird die dritte Etatlesung fortgesetzt und soll sie beendet werden._ Die Vernichtung des kleinen Grundbefitzes. Herr v. P o dbielS ki, der in seiner Person so trefflich die feudalen mit den kapitalistischen Bcreicherungsmethoden zu verbinden wußte, äußerte sich in einen, Interview in folgender interessanter Weise über die Zukunft der Landwirtschaft: ES ist meine feste Ueberzengimg, daß die Zukunft der deutschen Landwirlschaft im Großgrundbesitz ruht. Der kleinere Grundbesitz, nock mehr der mittlere, ist unbarmherzig an daS Elend der Landarbeiter not gefesselt. Der Groß- grundbesitz kann sich von diesem Elend durch Anwendung der n, odernen technischen Errungenschaften, namentlich der elektrischen Kraft, freimachen. Ich muß immer lachen, wenn ich noch den Landmann hinter dem Pfluge hergehen sehe. Bei mir sitzt der Knecht auf dem Pfluge, dem motorisch angetriebenen Pflng. Dagegen kann auch das Genossenschaftswesen nicht helfen. ES ist kein All- Heilmittel Mag cS sich auch vortrefflich bewähren, wo z. B. Molkerei- oder Kreditgenossenschaften in Frage kommen es dem gemeinsamen Erwerb und Betrieb großer Maschinen nutzbar zu machen. ist ein Ding der Unmöglichkeit. weil sich in der Landwirtschaft beispielsweise das Be- dürfmS zu dresche» gleich»ach der Erute so häuft, daß man in einer Genossenschaft, die eine Dreschlokomobile der- wertet, nicht wüßte, wer die Maschine zuerst bekommen soll. ES muß doch jeder Genosse seinen Scheunenbau haben, um dort die Ernte sicherzustellen, während der Großgrundbesitz gleich frisch weg vom Erntefeld drischt und das gedroschene Stroh in Diemen aufstapelt, während er mit dem Verlauf des ErdruscheS ruhig die Konjunktur abwartet. Diese Ueberlegenheit ist durck nichts auszugleiche n." Man muß es Herrn v. Podbielski lassen, daß er, was an ihm lag, zur Förderung dieser Entwickelungstendenzen in der Landwirt- schaft getan hat. Der von ihm mit erstrittene Zolltarif begünstigt den Großgrundbesitz auf dem Gebiete, wo seine Ueberlegenheit am stärksten hervortritt, auf dem Gebiete dcS Getreidebaues, am meistcu und schädigt durch die Verteuerung der Futtermittel die klein- bäuerliche Viehzucht, das Rückgrat des landwirtschaftlichen Klein- und Mittelbetriebes. Herr v. Podbielski und seine Leute vomBund der Landwirte" dürfen sich wirklich rühmen, daß sie zur Vernichtung des Kleinbetriebes das ihre beigetragen haben. Nur schade, daß sie den armen Bauern so ganz anderes erzählen. Saubengels". Als in der Reichstagssitzung vom Donnerstag Herr Erzberger in trivialem Pathos ausrief, daß auch"der Neger eineunsterbliche Seele" habe, erscholl auf einer ter Tribünen Lachen. Ob die Heiterkeit des oder der Lacher mm Herrn Erzbergers Schmierenpathos, derunsterblichen Seele" im Allgemeinen oder der einem Neger zugeschriebenen unsterblichen Seele galt, gleichviel: Herr Erzberger ent- rüstete sich in edlem christlichen Bckennerstolze darüber. daß man im Reichstag anscheinend nicht einmal von der Unsterblichkeit der Seele sprechen dürfe. Und Herrn Gröber beraubte das Lachen gar so sehr aller christlichen Seelenruhe, daß er die Lacher, die sich seiner Ansicht nach auf derJournalistentribüne befanden,S a u b e n g e l L" titulierte I Und was tat Herr Müller-Mciningen? Dieser Freisinnige protestierte nicht etwa gegen die Unverschämt heit des biederen Zentrumsmannes, sondern er glaubte die angeflegelten Journalisten dadurch in Schlitz nehmen zu müssen. daß er behauptete, es habe ja nur einer der Journalisten gelacht. Jämmerlichkeit, dein Name ist Freisinn! Erst Genosse Eichhorn sagte, was zu sagen war. Die Journalisten empfanden die ihnen von Herrn Gröber angetane Beschimpfung als gemeinsame Ehrenkränkung und richteten deshalb an den Präsidenten folgendes Schreiben: Berlin , den 19. März 1908. Der Abg. Gröber hat. als während der Rede des Abg. Erz- berger aus der Journalisten tribiine angeblich gelacht wurde, in den Saal gerufen:Das sind wieder dieselben Sau- bengels wie neulich!" Die auf der Journalistentribnne anwesenden unterzeichneten Mitglieder der Presse sind nicht gesonnen, diese Beschimpfung hin- zunehmen. Sie richten an den Herrn Präsidenten die Bitte, ihnen die Genugtuung zu verschaffen. die der Würde des deutschen Reichstages und der Würde der deutschen Presse entspricht. Baale. Berlowitz. Henninge. Neumann. Adolf Zimmermann . H. G. ErdmannSdörfer. Nagel. E. Mendel. Dr. B. Borchardt. Emil Zimmermann . Dr. Bahr. Dr. Hermann Rösemeier. Nudolf Friedemann. Dr. H. Elkan. Rudolf Wagner. Hugo Frenz. Heinrich KerriS. Alfred Schultz. Hermann Abrahamsohn. Adoli Petrenz. Dr. Paul Hamburger. Dr. Otto Schmelzer. E. Heil- mann. Heinrich Hink. A. Kuntze. Kurt Metger. H. Kötschlc. M. Winterberg. Willy Ohm. M. Wießner. Wilhelm Lorenzcn. Pasiavant. Der Präsident Graf Stolberg jedoch wiederholte nur die Drohung, bei einer Wiederholung eines solchen Zwischenfalles die betreffende Tribüne räumen zu lassen. Den Gröberschen Ruf erklärte er überhört zu haben; sei er in der Tat gefallen, so bedaure er ihn. Diese Form derGenugtuung" entsprach selbstverständlich den Empftndungen der Journalisten so wenig, daß sie a u Protest ausnahmslos dieTribüne verließen. Es dürfte wohl in keinem anderen Parlamente der Welt möglich sein, daß ein Abgeordneter auf der Tribüne tätige Journali st en öffentlichSaubengels" tituliert, ohne sofort vom Präsidenten und dem gesamten Hause zur Ordnung gerufen zu werden I Sozialpolitik auf dem Stuttgarter Rathause. Au? Stuttgart wird uns geschrieben: Seitdem die Sozialdemokratie auf dem Stuttgarter Rathause z.l einer achtunggebietenden Macht geworden ist, wird den Fragen sozialpolitischer Natur weit mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als das früher der Fall war. Die Wohnungsfürsorge, die Arbeits- verinittelung, das Bestattungöwesen usw. sind für manche Orte vor- bildlich geworden. Ganz besonders lassen sich unsere Genossen die Förderung der Volksschule angelegen sein. Die vor einiger Zeit vorgenommene Neuregelung der Gehalisverhältnisse der Volk?- schullehrer wird allen billigen Ansprüchen gerecht. Für die Bolls- schulkinder ist die Lernmittelfreiheit eingeführt worden. Bedürftig- Kinder erhalten ein warmes Schulfrühstück, in einem Viertelliter- Milch und einem Brot bestehend, unentgeltlich. Das Frühstück gilt selbstverständlich nicht als Armenunterstützung. Kinder bemittelter Eltern können das Frühstück gegen Bezahlung einer geringen Summ- (42 Pfennig wöchentlich) erhalten. Die Abgabe geschieht derart, daß die Kinder nicht wissen, ob das Frühstück bezahlt wird oder nicht. Von der Stadt wurden im vergangenen Jahre 1080 erholungs- bedürftige Volksschulkinder in Solbäder, Ferienkolonien und Erholungsheime geschickt. 30 000 M. waren für den Zweck in den Etat eingesetzt. Von den rund 10 000 Volksschulkindern unterzogen sich 8037 freiwillig der Untersuchung durch den Stadt- arzt, der zugleich als Schularzt fungiert. Auf Grund dieser Unter- suchung wurde die Errichtung einer S öb ü l e r z a h n k li n i k be- antragt. ES hat sich nämlich herausgestellt, daß nrnd 90 Prozent der Kinder zahnkrank sind. Genieinderat und Bürgerausschuh be- schlössen in ihrer letzten gemeinsamen Sitzung. 11 000 Mark für die Zahnklinik auszuwerfen. Neben dem Stadtarzt soll ein beamteter Schulzahnarzt angestellt werden, der keine Privatpraxis treiben darf. Als Gehalt für den Schülerzahnarzt sind 3850 Mark, sonstige Kosten 3150 Mark vorgesehen. an einmaligen Ausgaben für die erste Einrichtung sind 4000 M. in den Etat ein- gefetzt. Die freie zahnärztliche Behandlung soll später aus die Kinder der Bürgerschule ausgedehnt werden. Weiter wnrde beschlossen, wiederum, wie im Vorjahre. 30000 M. für die Verschickung der erholungsbedürftigen Schulkinder in Solbäder und Luftkurorte in den Etat einzusetzen. UeberdieS soll mit dem Verein für freie Arztwahl ein Abkomme'., dahin getroffen werden, daß von den Spezialärzten für Augen- und Ohrenkrankheiten und der Orthopädie für Uutersnchung der Schulkinder nur der niedrigste Satz berechnet wird. Für die so« genanntenlleinen Heilmittel" und für Arzneien wurden von den bürgerlichen Kollegien 3000 M- bewilligt. Die Fürsorge unserer Genosse» für die Schule hat der Sozialdemokratie das Bertraue»