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feürb� daß er lediglich zur Aufnahme einer Streik- und nicht nebenbei noch der Kriminalstatistik diene, so würden die GeWerk- schaften auch bezüglich der Streikstatistik dem Amt behülflich sein können. Die Antwort des Staatssekretärs atmete den Polizeigeist, dem sich anscheinend kein preustisch-deutscher Minister entziehen kann, selbst wenn er so vorurteilsfrei ist, wie Posadowskys Nachfolger von sich behauptet. Bethmann-Hollweg erkannte unumwunden die großen Mäng.el unserer amtlichen Streikstatistik und die hohe Be- deutung gerade' dieser Erhebung cm. Aber er blieb, wie sein Vor- gänger, dabei, müßten in dem Fragebogen auch die Fragen nach Kontraktbruch, Belästigung von Arbeitswilligen und dcrgl. gestellt, kurzum polizei-kriminalistische Recherchen unternommen werden. In Wirklichkeit haben solche Fragen mit einer Streik- sta t i st i k nichts zu tun. Diese soll nur die Zahl und Dauer, den Umfang, die Ursachen und den Ausgang der Streiks, ihre Ver- tcilujig auf die Erwerbszweige und Landesteile erfassen. Es kenn- zeichnet recht gut die Art der deutschen Sozialstatistik, daß selbst in sozialpolitisch weit hinter uns zurückgebliebenen Ländern die offi- zielte Streikstatistik vorurteilsfreier erhoben wird als bei uns. In Deutschland macht man es noch immer durch die Art der Frage- stellung den Arbeiterorganisationen leider unmöglich, der offiziellen Streikstatistik Unterlagen zu liefern: diese Ermittelungen werden bei uns von den Polizeibehörden angestellt. Selbst in Spanien bedient sich das offizielleInstitut der sozialen Re- formen" zwecks Aufstellung der Streikstatistik in erster Linie der Prodinpial- und Ortsjuntas. Das sind die durch das Gesetz vom 13. März 1900 vorgesehenen sozialen Ausschüsse, zusammengesetzt aus Arbeiter- und Unternehmcrvertretern, ergänzt durch Ver- treter der Geistlichkeit und der Zivilverwaltung. Die von den Juntas auf Verlangen desInstituts" ausgefüllten Fragebogen sind vor ihrer Absenkung den Arbeiter- und den Unternehmer- delegierten zur event. Korrektur oder Ergänzung vorzulegen, da- mit etwaige Unrichtigkeiten ausgeglichen werden. Es wird zwar auch gefragt nach denfreiwillig oder gezwungen Streikenden", indessen ist den Arbeitervertretern Gelegenheit gegeben, sich zu verteidigen. Früher hat auch dieGeneraldirektion für Statistik" in Italien sich vorzüglich der Polizeibehörden für die streit- statistischen Erhebungen bedient. Das von den Sozialisten ge- forderte, auf Grund des Gesetzes vom 29. Juni 1902 errichtete Arbeitsamt" ist den besseren Weg gegangen. Es wendet sich direkt an die beteiligten Kreise. Arbeiter und Unternehmer, bezw. deren Organisationen, erhalten die streikstatistischen Bogen, die keine kriminalstatistischen Fragen enthalten, zur Ausfüllung. Erst wenn diese direkte Befragung kein Material liefert, oder nebenher, werden die betreffenden Gemeindevorstände, bei Grubenstreiks die Aufsichtsbeamten befragt. Das niederländischeZentralburcau für Statistik" wendet sich gemäß den Verordnungen von 1906 an die Arbeits- kammern um Angabe der Adressen der an dem betreffenden Streik beteiligten Arbeiter- und Unternehmcrverbände oder der Arbeits- sührer. Der Arbeitskammersekretär ist gesetzlich verpflichtet, die Adressen zu ermitteln und demZentralbureau" anzugeben. Dieses wendet sich direkt an die Streikbeteiligten, erfragt aber keine kriminalistischenNebenumstände" und wird deshalb fast immer von den Arbeitern unterstützt. Wenn eben möglich, sucht das Zentralbureau" ohne Hülfe der Polizeibehörden auszukommen. In den skandinavischen Ländern(Schweden , Norwegen , Dänemark ) ist man auch nicht der Meinung, eine offizielle Streik- statistik müssenebenbei" polizeilichen Recherchen dienstbar gemacht werden. Das schwedische arbeitsstatistische Amt wendet sich direkt an die Arbeiter- und Unternchmerorganisationen. Diffe- rieren die erhaltenen Auskünfte, so sucht sich das Amt durch un- mittelbaren Schriftwechsel oder durch seine Ortsvertreter aufzu- klären. Außerdem wird die Fachpresse als Auskunftsmittel benutzt. Das norwegische statistischeZentralbureau" entnimmt sein streikstatistisches Material den Berichten der Arbciterfachvereine, den Arbeitsmarktberichten und den Unternehmerzeitschriften. Im Statistischen Bureau " für Dänemark verschafft man sich durch unmittelbare Befragung der beteiligten Zentralverbände der Ar- beiter und Unternehmer das Grundmaterial für die Streikstatistik; erst nach Versagung dieser Quellen wendet man sich event. an andere Auskunstspersonen. Aehnlich organisiert sind die bekannteren streikstatistischen Auf- nahmen in England, Frankreich , Belgien und O e st e r- reich, wo sich die arbeitsstatistischen Aemter unmittelbar mit Fragebogen an die Berufsorganisationen wenden bezw. durch eigenS angestellte Korrespondenten das Urmaterial sammeln lassen oder " die Gewerkvereinsberichte benutzen. Zu polizcilich-kriminalistischen Zwecken wird die offizielle Streikstatistik mißbraucht in Ungarn und Rußland ! Auf diese trübselige Gemeinschaft kann sich dasLand der Sozial- reform" wirklich nichts einbilden. In Ungarn sind die unteren Polizei- und gewerblichen Aufsichtsbehörden von amtswegen ver- pflichtet worden, den Gewerbeinspckwren von allen Arbeitsstreitig- leiten Nachricht zu geben, einen von der Gewerbeinspektion aus- gegebenen Fragebogen auszufüllen, der dann an dieAbteilung für Gewerbefördcrung" im Handelsministerium gelangt. Die dort bearbeitete Statistik erfaßt auch dieEinschüchterung Arbeits- williger": in welchem Betracht, dafür bürgen die berichterstattenden Polizeibehörden. Die russischen Fabrikinspektoren haben die Anweisung, über jeden in ihrem Jnspektionsbezirke befindlichen und der In- spektion unterstellten Betriebe eine Zählkarte auszufüllen. Das so gewonnene, naturgemäß sehr mangelhafte Material wird in der Jndustrieabteilung" des Gewcrbeministerium verarbeitet, wobei demTerrorismus gegen Arbeitswillige", denKontraktbrüchigen" ebenfalls nachgegangen wird, wie in Deutschland . Die Ansicht, eine Streikstatistik müsse auch zur Sammlung von polizei-kriminalistischen Daten benutzt werden, teilt demnach Herr von Bethmann-Hollweg mit seinen Fachkollegen in Spanien , Ungarn und Rußland . Es ist gewiß kein Zufall, daß in diesen drei Ländern die breite Masse des gcwerbstätigen Volkes keinen faktischen Einfluß auf die Regierung des Landes hat. In dieser Hinsicht gesellt sich der preußische Staat würdevoll zu ihnen."Da bekanntlich die reichsdeutsckje Sozialpolitik bestimmend von dem preußischenVorstaat" bcinflutzt wird, so ist hinreichend erklärt, warum zum großen Schaden der Statistik gerade in Preußen- Deutschland wie in Spanien , Ungarn und Nußland mit den offiziellen streikstatistischen Erhebungen solche Ermittelungen verkoppelt sind, die den Gewerkschastsfeinden Waffen liefern sollen. Solange hierin kein Wandel geschaffen wird, kann man den Gewerkschaften nicht verdenken, daß sie sich weigern, mitzuhelfen an derMaterialsammlung" für ein von den zentralindustriellen Scharfmachern gewünschtes Erdrosselungsgcsetz gegen die Gewerk- schaften. Solange bleibt die amtliche deutsche Streikstatistik aber auch in beklagenswerter Weise so unvollständig und unzuverlässig wjx bisher._ Hus der parte!* Gemeindewahlsiege in Schlesien . In Klein-Krauschen wurde in der dritten Abteilung ein Genosse wiedergewählt, bei erstmaliger Wahlbeteiligung errangen die Sozialdemokraten in Lolwitz zwei und in Groß-Walditz drei Sitze. Aus den Organisationen. Der Sozialdemokratische Verein zu Görlitz beschloß, den Monatsbeitrag von 30 Pf. auf 40 Pf. zu erhöhen.__ Die Marxfeier der deutschen Arbeiter in Brüssel . Der Deutsche Arbeiterverein" inBrüssek, wie stets jedes Ereignis der deutschen Sozialdemokratie mitfühlend und initfnernd, war auch diesmal, gleich den Organisationen der deutschen Länder, mit am Platze, das Andenken Karl Marxens zu seiern. Diesmal freilich hatte der Berein auch noch seinen be» sonderen Grund zur ErinnerungTfeier für den großen sozialistischen Denker, dessen Name mit demDeutschen Arbeiterverein" selbst ver- knüpft ist. Ist eS doch der Ruhm und der Stolz des Vereins, daß Karl Marx sein Begründer war. Die Ansprache des Genossen H u y s m a n, des Sekretärs des Internationalen sozio- listiichen Bureaus, mit der der Festabend imWeißen Saale" oes Maison du Peuple" eröffnet wurde, spiegelte auch diesen Doppel- sinn der Marrfeier für denDeutschen Arbeiterverein" wider. Huysman hob auch den ollgemeinen Einfluß der deutschen Theoretiker und Führer auf die belgische Sozialdemokratie hervor. Für sie wie für die übrige sozialistische Welt wird auch weiterhin trotz aller bürgerlichen undrevisionistischen" Einflüsse der Name von Karl Marx ein führender bleiben. Nach der Festrede des Genosse» Brach Witz, eines alten Mitgliedes und treuen Kämpen, gaben noch die Gesangsvorträge der Deutschen Gesangsseklion dem Fest- abend einen wirksamen und gemütvollen Abschluß. Im BrüsselerPeuple ", unserem belgischen Bruderorgan, würdigten am Sonntag in interessanten Beiträgen die Gen. Louis B e r t r a n d der gründliche Kenner der belgischen Arbeiter- bewegung, Vandervelde und Huysman den 25 jährigen Todestag Marxens. Zwei Bilder veranschaulichten die Häuser,"die Marx während seines Brüsseler Aufenthalts in der Vorstadt St. Josse und auf dem Platz St. Gudule bewohnt hat. Der Artikel Huysmans , der sich auf die Erinnerungen des 48 er Stefan Born bezieht, bringt in Erinnerung, daß unter einem libe- ralen belgischen Minister Karl Marx aus Brüssel und aus Belgien ausgewiesen worden sei. Hus Industrie und Kandel . Die Lage im sächsisch-thüringischen Webcrbezirk. Die Lage der Arbeiter in den Webereien im sächsisch-thüringischen Textilbezirk ist trostloser denn je. Die Weber müssen jetzt tagelang auf Schuß und Kette warten. Eine große Zahl ist gezwungen, auf nur einem Stuhl zu arbeiten. Es wird minderwertiges Material verarbeitet, das alle Augenblicke reißt usw. Schon diese Tatsachen lassen ahnen, daß die Lohnverhältnisse tief- traurig sind. Natürlich resultiert daraus eine Unterernährung der Webereibevölkernng. Fleisch und Butter sind Seltenheiten auf deren Tüche. Meist kann nur ein bißchen Fett auf das Brot gekratzt werden, und in vielen Fällen auch das nicht. Unter diesen Um- ständen ist es kein Wunder, daß die Krankenziffern rapid in die Höhe schnellen. Beispielsweise hatten die drei Geraer Kassen(Ortskranken- lasse der Stadt, Ortskrankenkasse der Landgemeinden und die Texlil- betriebskrankenkasse) in der vergangenen Woche einen Krankenzufluß von weit über 300. Bei der Ortskrankenkasse der Stadt erfolgten an einem einzigen Tage 50 Krankmeldungen. Der Texttlarbeiier- Verband halte im Gau Gera im letzten Jahre rund 40 000 Mark Krankenzuschuß zu leisten, fast ebenso viel wie die übrigen Unterstützungen(für Streiks, Gemäß- regelte, usw.) zusammen ausmachten. Außerdem hatte der Verband im Gau Gera rund 15 000 M. Sterbegeld zu bezahlen. Das sind geradezu beängstigende Zahlen. Einen Beweis dafür, daß auch eine große Arbeitslosigkeit herrscht, kann man in der großen Zahl der leerstehenden Stühle finden. In Ronneburg (S.-A) waren am Sonnabend voriger Woche zum Beispiel bei der Firma Kraschwitz u. Zetzsch? von 286 vorhandenen Webstühlen nur 72 mit Arbeit belegt. Noch schlimmer liegen die Dinge in der Rönne- burger Wollenweberei- Aktien- Gesellschaft. Dort sind von den über 200 Stühlen gar nur 36 bezogen gewesen, und ähnlich liegen die Verhältnisse an vielen anderen Orten. Gera er- freut sich auch des traurigen Ruhms, die größte Kindersterblichkeit der Welt aufzuweisen, linser Genosse Lewcn beantragte im Ge- meinderat, energische Gegenmaßregeln zu ergreifen, und waS tat das städtische Gesundheitsamt? Es beschloß, die Mütter durch be- iehrende Broschüren zum Selbststillen zu veranlassen l Das wird sich natürlich als SyiiphuSarbeit erweisen, denn einmal müssen die Arbeitermütter baldmöglichst wieder in die Fabrik laufen, um Mehrwert zu schaffen, und andererseits ist es doch auch beim besten Willen unmöglich, aus den durch Degeneration ausgemergelten Leibern der Arbeiterinnen gute Milch zu ziehen. Wahrlich es fehlt nicht mehr viel und das schlesische Weberelend vor sechzig Jahren er- hält sein Gegenstück._ Gewerkschaft Tremonia, Dortmund . Daß trotz Lohnerhöhung im letzten Jahre noch eine erkleckliche Steigerung des UcberschusseS möglich war. zeigt auch der Geschäfts- abschluß des Bergwerks Tremonia . Es betrug: 1906 1907 die Kohlenförderung in Tonnen.. 265 507 294 173 'die Kokserzeugung,.. 43 817 44 370 die Zahl der Arbeiter..... 1 059 1 140 der Reingewinn(Mark)...,. 428 253 601 764 mithin pro Arbeiter: Kohlenförderung in Tonnen... 250,7 258,0 Reingewinn in Mark...... 404,4 519,0 Bei solchen Resultaten müssen die Klagen der Kohlenmagnaten über die hohen Lohnlasten doch eigenartig berühren. Schutz der nationalen Arbeit. In der am Sonnabend abgehaltenen Generalversammlung der Hamburg -Amerikanischen Paletfahrt-Aktiengesellschaft wurde aus- geführt, daß das Unternehmen sich den englischen Kohlen zuwenden müsse, da die deutschen Preise nicht den herrschenden Verhältnissen angepaßt werden. Die Kohlenmagnaten pfeife» darauf! Ludwig Löwe «. Co., Mtiengesellschaft in Berlin . Nach dem Rechenschaftsbericht der Direktion für das Geschäftsjahr 1907 erzielte die Gesellschaft einen Bruttogewinn von 3 124 922 M.(im Vorjahre 2758473 M.) Aus dem mit 1349844 M.(im Vorjahre 1374197 M.) verbleibenden Neingewinn soll bekanntlich eine Dividende von 16 Proz,(wie im Vorjahre) auf das Aktienkapital von 7 500 000 M. ausgeschüttet werden. Norddeutscher Lloyd . Im letzten Jahre erzielte daS Unternehmen einen Neingewinn von 6 034 316 Mark(i. V. 12 786 579 Mark), aus dem, wie bereits mitgeteilt, eine Dividende von 4'/- Prozent auf das ganze Aktienkapital von 125 Millionen Mark ausgeschüttet werde» soll, während im Vorjahre 3'/, Prozent Dividende zur Ver- teilung gelangten, wovon 100 Millionen Marl voll. 25 Millionen Mark aber nur mit 25 Prozent Einzahlung für drei Monate teil- nahmen._ Die deutsche Mehlansfnhr und die schweizerischen Müller. Man schreibt uns: Seit dem 1. Juli 1906 hat sich der Mehlexport Deutschlands nach der Schweiz rapid gesteigert. Während im ersten Halbjahr 1906 nur 14 525 Doppelzentner deutsches Mehl in die Schweiz eingeführt wurden, betrug die Einfuhr im zweiten Halbjahr des gleichen Jahres schon 69 144 Doppelzentner, um sich im Jahre 1907 auf 341 454 Doppelzentner zu erhöhen. Der Grund dieser Zunahme liegt in der Ausfuhrprämie, die Deutschland den deutschen Mehlen, und ganz besonders den feinen Weizenmehlen gewährt. Deutschland legt bei der Zollrnckvergütuna durch Gewährung von Einfuhrscheinen das Mahlergebnis von 75 Kilogramm Mehl auf 100 Kilogramm Weizen zugrunde, und zwar je 30 Kilogramm Mehl 1. Klasse(im Handel mit Nummer 00 und 0 bezeichnet), je 40 Kilo- gramm Mehl 2. Klasse(Handelsiiummer 1. 2, 3) und je 5 Kilo- gramm 3. Klasse(Nummer 4 und 5), und gewährt bei der Aus- fuhr von: 100 kg Mehl 1. Klasse einen Einfuhrschein auf 160 Kg Weizen 100 2. llT'/j« 100 1, o, ff 100 ff so baß der Wert eines solchen EinfuhrscheineS auf Grund deS deutschen Getteidezolles von 6,50 M. pro 100 Kilogramm beträgt: bei Mehl 1. Klasse 8.80 3fr. 2. ff 6,46 ff , 8. v 5,50« Nun behaupten die schweizerischen Müller, es sei eine ganz Willkür» liche Annahme, daß 100 Kilogramm Mehl erster Klasse einem Weizen- quantum von 160 Kilogramm enlsprechen, während 100 Kilogramm Mehl zweiter Klasse bloß 117Vz Kilogramm Weizen und 100 Kilo- grainm Mehl dritter Klasse gar nur einer Einfuhrmenge von 100 Kilogramm Weizen gleichkommen sollen. In Wirklichkeit ergeben 100 Kilogramm Weizen 80 Kilogramm Mehl und 20 Kilogramm Kleie. Wenn nun die Kleie beim BeredelungSverkehr unberücksichtigt bleiben soll, so wäre für die Zollrückvergüiung das Verhältnis 80: 100 oder 100: 125 zu akzeptieren. Für 100 Kilogramm Mehl wäre daher ein Einfuhrschein auf 125 Kilogramm Weizen zu verabfolgen. Die Erteilung eines EinfuhrscheineS auf 160 Kilogramm Weizen im Werte von 8,80 M. für je 100 Kilogramm Mehl erster Klasse überstiege aber das natürliche Produktionsverhältnis um 35 Kilo- gramm. Diese 35 Kilogramm im Zollwerte von 1.»2>/z M, bilden also eine Extraprämie auf die ivkehle erster Klasse, die für die Einfuhr in die Schweiz ausschließlich in Frage kommen. Dagegen bleiben die Viehle 2. Klasse um 7>/z Kilogramm oder 41'/« Pf-, die Mehle 3. Klasse aber um 25 Kilogramm oder 1,37'/z M. unter der vollen Rückvergütung. In der Tat findet diese verschleierte Exportprämie einen präg» nanten Ausdruck in den jeweiligen deutschen Mehlpreisnoiierungen. Im Dezember 1906 kostete in Mannheim : Preis ab Mannheim Nettopreis für für Jnlandkonsum Export Mehl Nr. 0.... 26,35 M. 17.55 M. 1.... 24.85 18,39 . 2.... 23,85 17,39. per 100 Kilogramm inkl. Sack. Das Mehl Nr. 0, das infolge seiner weißeren und besseren Onalität für den Konsumenten in Deutschland 1,50 M. mehr kostet als Mehl Nr. 1, stellt sich für den Export ins Ausland nicht nur nicht höher, sondern sogar noch um 84 Pf. billiger als das geringere Mehl Nr. 1. Das Mehl Nr. 2. das in Deutschland 2,50 M. weniger kostet als das Mehl Nr. 0, stellt sich für den Export nur um 16 Pf. niedriger als Mehl Nr. 0. Es ist daher begreiflich, daß der deutsche Exporteur nicht Mehl Nr. 2 zur Ausfuhr bringt, sondern nur Mehl Nr. 0, das ihm zum Ankauf für den Export nicht mehr kostet als Mehl Nr. 2. im Auslande aber einen viel höheren Verlaufswert hat als jenes. Die Vorgänge zeigen wieder mal charakteristijch. wie dem deutschen Volke zugunsten seiner Agrarier das Fell über die Ohren gezogen wird. Ist es nicht geradezu unerhört, daß man im Inland sür die gleiche Sorte Mehl 8,80 M. und 6,46 M. pro 100 Kilo- gramm mehr zahlen muß als das Ausland? Ebenso bezeichnend ist es aber, wie der Getreidezoll voll im Jnlandpreise zum Ausdruck kommt, und die Behauptung, daß der Zoll vom Ausland getragen wird, sich wieder einmal als Märchen erweist. Gegen diese Differenzierung der Zollrückvergütung nach der Feine und Weiße des Mehles, die kein anderes Land als Deutsch- land kennt, machen nun die schweizerischen Müller mobil. Sie fordern daher, die Einsuhr von deutschem Mehl erster Klasse so lange mit einem Zollzuschlage zu belegen, als Deutschland diesem Mehl eine Exportprämie gewährt. Zur Zeit hatte dieser Zollzuschlag pro 2,40 l,921/j Mark pro hundert Kilogramm be- tragen. Der schweizerische Bundesrat hat sich natürlich beeilt, mit der deutschen Regierung Verhandlungen zugunsten der schweizerischen Unternehmerinteressen anzukämpfen. Die deutsche Regierung hat es jedoch abgelehnt, ihren Müllern daS Geschäft zu versalzen und be- streitet, daß die von ihr beliebte Differenzierung der Ausfuhr- Vergütung den Charakter einer verschleierten Exportprämie habe. _ Einschränkung der Roheisenerzeugung. Die Friedrich-Alftedhütte Aktiengesellschaft, die der Firma Krupp gehört, wird einen Hochofen vom 1. April ab wegen Arbeitsmangels ausblasen. Das Ausblasen eines Hochofens ist gleichbedeutend mit dem Außerbetriebsetzen einer ganzen Reihe anderer Schmelz- und Wärmeöfen. Der englische ArbeitSmarkt. Nach derLabour Gazetie' vom 15. d. M. zeigte der Arbeitsmarkt im Monat Februar eine bedeutende Verschlechterung gegen den Parallelmonat des Jahres 1907. Die 268 berichtenden Trades-UnionS, die eine Gesamtmitgliedschaft von 639 073 haben, wiesen eine Arbeitslosigkeit von 6,4 Prozent auf gegen 3,9 im Februar 1907. Jedoch scheint ein Teil dieser Arbeits- losigkeit den gewerblichen Konflikten der Mechaniker und Schiffbauer an der Nordoslküste geschuldet zu sein, da sie eine Anzahl von Arbeitern in Nebenbeschäftigungen in Mitleidenschaft zogen. Dänische Arbeitgeber boykottieren eine Stadt. Der Haupt- vorstand der Dänischen Arbeitgcbervercinigung hat an die Mitgliedr im ganzen Lande die Aufforderung gerichtet. für die Stadtgcmeinde Esbjerg bis auf werteres keine Arbeiten oder Lieferungen irgendwelcher Art zu übernehmen. Die Arbeitgeberschaft von ESbjerg hatte schon vor einigen Monaten einen solchen allgemeinen Boykott ihrer Heimatgemeindc durchzuführen versucht, aber offenbar ohne den gewünschten Erfolg. Nun hat die Landcszentrale der dänischen Untcrnehmerorganisation die Sache in die Hand genommen. Der Grund ihres Vorgehens ist, daß die Stadt mit ihrer sozialdemokratischen Mehrheit im Ge- meinderat der unverschämten Uebcrvorteilung durch die Meister- ringe im Maurer- und Zimmerergewcrbe überdrüssig geworden ist und nun ihre Bauarbeiten in eigener Regie ausftihren läßt. Bei Submission städtischer Arbeiten pflegten die Unternehmer so hohe Forderungen zu stellen, daß nicht nur der, der den Zuschlag erhielt, einen wucherischen Profit herausschlug, sondern auch seine Kollegen, die nichts mit der Arbeit zu schaffen hatten, ein ansehn- liches Abstandsgeld erhielten, was man alsMeisterschwein" bc- zeichnet. Die Forderungen der Herren waren so unverschämt, daß der städtische Architekt bei einem solchen Angebot ganz entrüstet ausrief:Das ist aber doch zu verrückt!" Die Wirkung des Boykotts wird sicherlich keine andere sein, als daß der Kommunalsozialismus schnellere Fortschritte macht. Soziales. Gibt es keine Klassenjustiz? Aus Halle a. S. berichtet man uns vom 21. Märzt In der letzten Zeit erfolgten vom hiesigen Schöffengericht auf Grund von Anzeigen seitens der Polizei während des GaSarbeiterstreikL wegen Streikpostenstehens mehrere Freisprechungen, die damit begründet wurden, daß die Polizei kein Recht habe. Streikposten ohne weiteres von der Straße wegzuweisen. Heute kamen nun bei anderer Bc- setzung des Gerichts zwei Fälle zur Verhandlung, die genau ebenso lagen wie die früheren, aber zu Verurteilungen führten. Und das kam so: Als Schöffen wirkten ein Malermeister und der Maurer- meistcr Rcichardt, der als Borsitzender des BauarbeitgcberverbandeS in den Kreisen der Arbeiter als ein Scharfmacher schlimmster Sorte bekannt ist. Schon» in dem ersten Fall griff Herr Reichardt in auffälliger Weise in die Verhandlung ein. erinnerte unter anderem den Zeugen, Polizisten Julius, au Verkehrsstörungen während des Bauhandwcrkcrstreiks usw. Das Gericht kam zur Verurteilung des Arbeiters Lasch mit der Begründung: So sollte unsere Polizei hinkommen, wenn ihr bei Anordnungen nicht unbedingter Ge- horsam geleistet wird? Schon wenn ein Polizist glaubt, die Sicherheit ist gefährdet, hat er ein Recht zum Einschreiten. Als darauf im zweiten Falle gegen den Arbeiter Kcrstcn verhandelt werden sollte, bat der Verteidiger der Angeklagten, Rechtsanwalt Tittcnbergcr. den Schöffen Rcichardt als befangenen Richter ab- zu lehnen. Herr Reichardt sei Vorsitzender des Unternehmer- Verbandes und er habe als Stadtverordneter auch gegen die Wünsche der städtischen Arbeiter Stellung genommen. Das Ge- xicht erklärte aber den Schöffen Reichardt sür nicht befangen und