Oder ein ander Beispiel! Die SchlachtenbulletinS der Jour- nalistentribüne melden preislichst, der Verein Berliner Presse unter- stütze ihren Streik und wolle sogar, wenn auch noch keinen seiner servilen Lakaienbälle, so doch eine„Extrasitzung" dem Falle widmen. Dieser BnndeSgenossenschaft sollten sich die Streikenden auch nicht gerade rühmen. Denn jener biedere Verein hat mit seinem gewerbs- mäßigen Almosenheischen bei mehr oder minder berühmten Mimen, mit seiner Sanktion von Preßbeteiligungen in den Fällen Schweitzer und Stephany und anderen Dingen, mehr die„Ehre und Würde" der Presse mehr geschädigt, als sämtliche Schimpfwörter der deutschen Sprache sie schädigen könnten, selbst wenn sie mit voller Zentrumslungenkrast auf sie geschleudert werden. Genug dieser Beispiele, die wohl schon zur Genüge zeigen, daß der gerechte Streik der Journalistentribüne von einer sehr zweifel- haften Bundesgenossenschaft für sehr ungerechte Zwecke aus- gebeutet werden kann und auch schon ausgebeutet wird. Die freisinnige Presse tobt nicht umsonst wie besessen für die„Ehre und Würde der Presse", sie will damit den infamen Verrat vergessen machen, den sie eben in Sachen des Reichsvereinsgesetzes begeht. Hiergegen sich beizeiten zu verwahren, ist unseres Erachtens für die Arbeiterpresse umso nötiger, je mehr auch sie verpflichtet ist, den Streik der Journalistentribüne, soweit er in der Tat einem Bewußt- sein für Ehre und Würde der Presse entspringt, an ihrem Teile zu unterstützen. Es ist ein recht bescheidener Anfang, gewiß, aber gut Ding will Weile haben, und wenn die bürgerliche Presse endlich von ihrer feigen Knechtscligkeit gegen die unterdrückenden und ihrer feigen Verlogenheit gegen die unterdrückten Klaflen ablasien will, so soll es ihr an unserem kundigen Rat und unserer wohlwollenden Unter- stllhung nicht fehlen. Allein loenn ein noch recht schüchterner Aus- nahmefall— denn schließlich wiegt das„europäische Ereignis" an wirklicher Bedeutung für menschliche Kultur nicht den kleinsten Streik auf. den hungernde Proletarier gegen entwürdigende Behandlung kämpfen—, benutzt werden soll, die schmähliche Regel zu bestätigen, so muß hier von vornherein eine klare und scharfe Grenzlinie gc zogen werden.. Die„ehelichen Anwälte der(Polen ". Die Kunst des Beschönigens steht augenblicklich beim Blockfreisinn in hoher Schätzung. Gewiegte Schminkkünstler, die es verstehen, „verblühten" Gesichtern jugendliche Frische zu verleihen, finden in der freisinnigen Presse zurzeit lohnende Beschäftigung. Es gilt zu beweisen, daß der Freisinn die Vereins- und Versammlungsfreiheit nicht verraten hat, wie böswillige Leute behaupten, sondern daß er sie im Gegenteil tapfer verteidigt hat; daß er die Polen nicht unter- drücken hilft, sondern daß er der ehrliche Anwalt der Polen ist. Diesen Ton hat bekanntlich Staatsmann v. Payer angeschlagen. Ihm pfeifen nun die anderen Staatsmänner, so in der Presse des entschiedenen Liberalismus sitzen, gelehrig nach. U. a. auch der sehr freisinnige Dr. Oehlke der ebenso freisinnigen„BreSl. Ztg." Er redet ein Langes und Breites über die Unfruchtbarkeit des prinzipiellen Stand Punkts in der geschwollenen Manier des Lakaien, der einmal mit- reden darf. Die Zulassung der Jugendlichen zu Vereinen und Ver- sammlungen hält er für eine„sehr untergeordnete Frage". Daß infolge der Zurückweichung des Freisinns die schulentlassene Jugend den Einwirkungen der reaktionären Parteien ausgeliefert wird, deren religiös-hurrapatriotische Jugetidvereine natürlich von den Bestimmungen des Vereinsgesetzes nicht getroffen werden, daß eine organisierte Gegenwirkung wider diese Vereine stark erschwert wird, das sieht Herr Oehlke nicht oder will er nicht sehen. Und dann fährt der ehrliche Anwalt deS UmfalleS und der dO prozentigen Eni rechtung fort: »Hinsichtlich deS Sprachenparagraphs aber sind wir taffächlich die ehrlichen Anwälte der Polen gewesen. Wir haben im Reichstage zu retten gesucht, was an Freiheit für sie zu retten war, und was sie sicher verloren hätten, wenn die ganze Materie aus- schließlich im Landtag zur Entscheidung gekommen wäre." Indes hält die Pose des ehrlichen Polenanwalts nicht lange vor. Herr Dr. Oehlke hat anscheinend empsimden, daß die Beteuerung der polenfreundlichen Gründe deS UmfallS nicht allzu- viel Kredit finden und ärgerlich darob fällt er aus der Rolle und beginnt wütend auf die Polen loszuhauen, die die Mißhandlung durch die preußische Reaktion nicht mit der sanftmütigen Ergebung, nicht mit der„Würde" hin genommen haben, mit der ein loyaler deutscher Freisinn alle- zeit die Fußtritte der preußischen Jnnkcrkaste quittiert hat. „Steht uns das Jntereffe unserer deutschen Reichsbürger nicht doch näher, als daS des ewig gegen den Staat frondierendeu PolentumS?" fragt der freisinnige Mann, der längst vergessen hat. daß er nicht wegen der Verletzung polnischer Interessen, sondern Wegen Verletzung eines freisinnigen Grundsatzes angeklagt ist. Ja, es ist allerdings wahr, die preußische Polenpolitik hat die Polen stark gereizt— aber die Polen haben in der Abwehr doch die Würde und Besonnenheit vermissen lassen, sie haben sich erlaubt, zu hassen und in den Aeutzerungen ihres Hasses temperamentvoll über die Stränge zu schlagen, sie haben auf die Provokation der Hakatisten mit ebensolchen Provokationen geantwortet, sie haben in ihrem Kampfe dem Deutschtum nicht immer objektiv Gerechtigkeit wider- fahren lassen k Kurz, sie sind sehr schlechte Gesellen, denen es eigentlich gar nicht übel genug gehen kann, für die ein deutscher Freisinn gar keine Veranlassung hat, seinen Sitz am äußersten Ende der Regierungsbank zu riskieren. Ja, wenn die Polen loyale preußische Staatsbürger wären, dann würde der Freisinn sie mit Löwenmut zu verteidigen bereit gewesen sein— zumal es dann gar nicht notwendig gewesen wäre. Man sieht, der Blockfreisinn hat nicht mehr weit zum HakatiS- muS. Wenn die Blockpolitik noch einige Zeit dauert und ein ähn- licher Happen wie die Börsenreform den Staatsmännern an die Nase gehängt wird, die die Unfruchtbarkeit als prinzipiellen Stand- punkt angesehen haben, so nimmt der Freisinn schließlich auch noch den HakatismuS an— mindestens zu 40 Prozent. In der Wüste predigen die wenigen, die den Umfall verdammen. Resigniert schreibt v. Gerlach in der„Welt am Montag": „Eins schien bisher für den deutschen Liberalismus fest- zustehen: der Grundsatz des gleichen Rechtes für alle. Liberale, die für Ausnahmegesetze sind, gab es nicht, abgesehen von Nationalliberalcn natürlich, die ja längst konservativ geworden sind. Jetzt hat der Liberalismus sich selbst aufgegeben. Die Kon- servativen können jubeln. Wer die Polen unter Ausnahme- gesetze stellt, soll die Sozialdemokraten davon verschonen? Die Antisemiten können triumphieren: es ist erreicht! Wer die Polen ob ihrer Rasse entrechtet, wie soll der grundsätzlich einem Antijudengesetze opponieren?" Und voll grimmer Satire, aber wenig kampflustig sagt der demokratische„Nürnberger Anzeiger": „Am Schicksalstagc des 18. März 1908 starb der deutschen Demokratie politisch ein Mann, der bislang vielen als ihr Führer gegolten: Friedrich Ritter v. Payer. Er war einer von denen, die schon die Nähe der Macht nicht vertragen konnten. Mag er weiter mit Seiner Eitelkeit, dem viclbeheimateten Herrn Müller, bei Fürst Bülow dinieren,»nag er sich immerzu als »Staatsmann" betätigen, für die deutsche bürgerliche Demokratie, der er das Odium deS nacktesten Prinzipienverrats aufgeladen hat. ist er nicht mehr, darf er nicht mehr sein!" Indes ist gerade aus Nürnberg ein Kampfruf ergangen. Der Gesamtausschuß des demokratischen Vereins zu Nürnberg hat folgende Resolution gefaßt: „Der Ausschuß nimnit mit Entrüstung Kenntnis von der Haltung der demokratischen Fraktion des Reichstages in der Sprachenfrage des Rcichsvereinsgesetzes. Der Ausschuß beantragt: 1. Beim Parteivorstand in Karlsruhe die unverzügliche Einberufung eines außerordentlichen Partei- tagcs der deutschen Volkspartei behufs Stellung- nähme zur Haltung der demokratischen Fraktion im Reichstage. 2. Beim engeren Landcsausschuß der deutschen Volkspartei in Bayern iMünchen) die Einberufung einer außcrordent- lichen Landcsversammlung, um über den Austritt der bayerischen Organisation aus der Gesamt- Partei zu beschließen, falls die Reichstagssraktion ihre Stellungnahme in Sachen des Sprachenparagraphen nicht ändert. Was wird dabei herauskommen? Wir vermögen leider an einen Erfolg der Nürnberger Demokraten nicht mehr zu glauben Das„Berliner Tageblatt", das den Umfall nicht verteidigt, hofft auf eine Verständigung zwischen Fraktion und Parteiorgan» sation. Auf eine Verständigung— nicht auf eine Unterwerfung der Fraktion( Politilcbs ücbcrlicbt. Berlin , den 23. März 1908. Kleinkram im Dreiklafsenhause. Während der Reichstag unter Ausschluß der Oeffei»tlichkeit sich gestern über auswärtige Politik unterhielt, verhandelte das spärlich besetzte Abgeordnetenhaus über Ouellenfchutz und Hebammentaxe Das von der Regierung vorgelegte Qucllenschutzgesetz wurde von Zentrums- und FrcisinnSrednern als Eingangspforte zun» ZukunftS staat denunziert, Ivcil es gewisse EnteignuirgSvorfchriften enthält. In der Tat stattet cS die Öuellenbcsitzer mit allerhand Privilegien aus, die für Vertreter des Proletariats unannehmbar sein würden, wenn solche im Gcldsacksparlament säßen. Der nationalliberale Abgeordnete L u s e n S k y riskierte den faulen Witz, daß das Gesetz am meisten in Hessen-Nassau begrüßt werde, weil eS nämlich für Heffen-Nassau keine Geltung haben soll. Nachdem daS Ouellenschutzgefetz glücklich unter Dach und Fach gebracht worden war, verwandelte sich das ganze HauS in einen hcba»»»menfreundlichen Block und dosierte eine Vorlage, die den Hebammen direkt kleine Verbesserungen ihrer Lage bringen soll. Bei dieser Gelegenheit war es, daß Müller- Sagau- Berlin unter Hinblick auf die schwache Besetzung des Hauses mit zumeist recht bejahrten Herren sich den Scherz leistete: die Sache scheine ja nur Großväter zu interessieren. Schließlich kam noch ein freisinniger Antrag an die Reihe, der ein paar modern misfchauende Flicken auf die urreaksionäre und hochagrarische sogenannte Kreisordnung heften will. Prompt diente ein Konservativer seinen Blockbrüdern mit einem Gegenantrag, der vielmehr den agrarischen Charakter der Kreisordnung, dieser Selbst verwaltungskarikasiir. noch mehr festlegen soll. Beide Anträge »vanderten an eine Kommission, worauf sich da« Haus verlief, um sich für die bevorstehende Lesung der Sekundärbahnvorlage zu stärken. Vom Journnlistenstreik im Reichstage. Der Verein Arbeiterpresse hat durch seinen Vor stand an die Journalisten der Rcichstagstribüne folgenden Brief gerichtet: „Der unterzeichnete Vorstand deS Vereins Arbeiterpresse be glückwünscht die Pressevertreter auf der Tribüne des Reichstages zu ihrer energischen Abwehr ungerechtfertigter und beleidigender Angriffe und wünscht ihnen vollen Erfolg in ihrem Kampfe. (gez.) Emanuel Wurm , Heinrich Schulz. Robert Schmidt, Max Grunwald , HanS Block." Trotz des einmütigen Zusammenhaltens und der störungsfreien Solidarität der deutschen Journalisten aller Partei- richtungen hat sich an der Situasion im Reichstage nicht das geringste geändert. Der Abg. Gröber bleibt bei seinem un anständigen Verhalten, die einmal ausgestoßene und bekannt gewordene Beleidigung nicht zurückzunehmen, Müller Meiningen veranstaltet eine verzweifelte Hetzjagd auf alle bürgerlichen Journalisten von Einfluß, um ihnen zu erklären, daß er aufgeregt, sonst aber ein warmer Freund der Presse sei, und der Präsident Graf S t o l b e r g gleicht andauernd dem Greise auf dem Dache, der sich nicht zu helfen weiß, macht heute Vermittelungsvorschläge, um sie morgen wieder Herr Gröber nicht will, zieht ab- Muadan. Kröcher, Normann und zu Rate und kommt zu keinem begann der Reichstag heute die deS Auswärtigen Amtes, und um Stunde nervös auf seinem wem er eher zu Gefallen sein sollte, dem unfähigen Reichstagspräsidium oder der Presse. Schließ- lich winkte er aber, zum Reden aufgefordert, mit verzweifeltem Achselzucken ab, und so ist denn die Welt um die glänzende Chance gekommen, das Bülowsche Geschwätz einmal nicht zur Kenntnis nehmen zu brauchen. Die Situasion bleibt also völlig ungeklärt, die Aussichten auf eine Einigung werden durch die lange Zeitdauer, die inzwischen verstrichen ist. nicht besser. Es läge im dringenden Interesse der deutschen Volksvertretung, die verfassungs- niäßig garantierte Oeffentlichkeit der Verhandlungen wieder herzustellen.—_ zurückzunehmen, weil wechselnd Bassermann, Rogalla v. Bieberstein Entschluß. Inzwischen Beratung des Etats Bülow saß Stunde Platze und wußte nicht, Der blamorene Europäer. err Müller- Meiningen bestreitet in einer Zuschrift an i>ie Presse, daß er das Gröbersche Schimpfwort der Presse „denunziert" habe. Nach einer Mitteilung der Tribünen- Journalisten des Reichstags stellte jedoch der Journalist, der mit Herrn Müller-Meiningen während der fraglichen gesprochen hatte, fest, daß er erst durch er-Meiningen erfahren habe, daß Gröber den Ausdruck„Saubengels" gebraucht habe. Nur habe Herr Müller die Mitteilung nicht am Anfang des Gespräches gemacht, sondern erst am S ch l u ß. als er„ans dem Spnmge gewesen" sei, in den Sitzungssaal zurück- zukehren. Durch diesen Journalisten erhielt dessen Kollegen- chaft von der Aeußerung Gröbers also überhaupt erst kennwis l Wenn Herr Müller-Meiningen bestreitet, daß er Herrn Gröber habe denunzieren wollen, o mag die A b s i ch t auf sich beruhen. Die Tatsache der Denunziation steht jedenfalls fest l Ebenso die Tatsache, daß es Herr Müller-Meiningen war. der die Entrüstung des Zentrums er st auf die Journalisten- tribüne ablenkte und"dadurch Gröbers Bemerkung irovozierte. Schließlich erklärte der betreffende Journalist, der das Gespräch mtt Herrn Müller-Meiningen gepflogen hatte, daß er Herrn Müller in keiner Weise Ursache gegeben habe, sich, wie er daS nachher tat. gewissermaßen im Auftrage der Gesamtheit der Journalisten über die Ungehörigkeit eines einzelnen von ihnen zu entrüsten. Nicht Herr Gröber ist also bei der ganzen Affäre der blamorene Europäer, sondern Herr Müller-Meiningen! Sozialisten in der bürgerlichen Presse. Wie die vorletzte Nummer der„Sozialistischen Monatshefte", findet auch die letzte Nummer(Heft 6 des Jahrg. 1908) in der Prcffc der bürgerlichen Parteien große Anerkennung. Besonder- erfreut sich ein„W a h l r e ch t s k a m p f und W a h l k a m p f" b:- titelter Artikel Richard Calwers, in dem die„Klassenkampftaktil" bei den preußischen Landtagswahlen verworfen und unserer Park: die unbedingte Unterstützung der sich für ein„freies Wahl- recht" erklärenden bürgerlichen Kandidaten empfohlen wird, viel- seitiger Zustimmung. Zitiert werden in den bürgerlichen Blättern meist folgende Sätze: Es handelt sich vielmehr darum, ob wir einen langwierigen Weg zur Erreichung eines freien Wahlrechts zum preußischen Abgeordnetenhausc nicht scheuen wollen, nachdcin man erkannt bat, daß es einen kürzeren nicht g»bt. Nehmen wir die Hülfe, von welcher Seite sie kommt! Wir müssen zunächst darauf aus- gehen, solche Männer in den Landtag zu lvählcn, die eine fort- schrittliche Acnderung des Wahlrechts gleich uns erstreben. Ohne Rücksicht auf die C-ringung eigener Mandate muß es unsere Aufgabe sein, durch die Stimmen der dritten Wählcrklassc die Entscheidung zwislben den Kandidaten der ersten und zweiten Klasse in einem für die Wablrechtskampagnc fort- schritttichen Sinne herbeizuführen..... Wir dürfen in diesem Kampfe mit de» uns in der Wahlrcchtsfrage nahestehenden Par- teien zum Vorteil der Anhänger des bestehenden Wahlrechts nicht auch dann in Wettbewerb treten, wenn da- durch der strikte Gegner unserer Bestrebungen in den Sattel gehoben wird. Auf diesein Wege kommen wir nie und nimmer in der WahlrechtSfragc vorwärts. Wollen wir in absehbarer Zeit vorwärts komincn, so in ü s s e»» wir sogar in scheinbar lveitc st geh ender Uncigen- nützigkeit die Parteigruppen im preußischen Landtag zu verstärken suche», die sich für eine freiere AuSge staltung des Wahlrechts erkläre»» und dafür eintreten wollen..... Wenn bis zur Landtagswahl die bisher empfohlene Taktik nicht aufgegeben wird, wenn Liberale und Sozial- demokraten in den nämlichen Wahlkreisen sicki gegenseitig bekämpfen, um den gemeinsamen Gegner zu stärken, dann bleibt die Zusammensetzung des preußischen Ab- geordnxtenhauscs in» allgemeinen genau so, wie sie ist, und die Frage einer Wahlrechtsreform ist dann auf lange Zeit hinaus wieder vertagt. Am besten gefällt natürlich dieser Vorschlag einer Unter- stützung der sogenannten„wahlrechtfrcundlichcn" Parteien den Frei- sinnigen� doch findet selbst die„Kreuz-Ztg." Calwcrs Ausführungen treffend", In Zentrum und Wahlrecht. einer Zentrumsversammlung in Berlin hat der Reichstagsabgeordnete Giesberts, der dort über die preußische Wahlrechtsfrage redete, sich auf das Wort Bismarcks von dem elendesten aller Wahlsysteme berufen und im Anschluß daran gesagt:„Die Wahlkreiscinteilung und die plutokratische Zuspitzung des Wahlrechts führen zu ganz eigenartigen Ergebnissen." Herr Giesberts hätte hinzusetzen sollen, daß das Zentrum, wie seine Abstimmung über den freisinnigen Wahlrcchtsanttag beweist, es ablehnt, an diesen„ganz'eigenartigen Ergebnissen", soweit sie durch die Wahlkreiseinteilung bewirkt werden, etwas zu ändern! Und die„Westdeutsche Arbeiterzeitung", der Herr Giesberts einst an leitender Stelle vorstand, schrieb noch vor kurzen»: »Die Zentrumspartei hat m der preußischen Wahlrechtsfrage getan, tvas sie in der Blocks ra tun konnte: sie hat den» An- trage auf Einführung des ReichStagswahlrechtS in Preußen ein- stimmig zugestimmt, die Reueinteilung der Wahlkreise unter dem' gegenwärtigen Wahlsystein aber abgelehnt. Und daran tat sie gut. Denn eine Wahllreiscinteilung in der Blockärn hätte zweifellos dahin geführt, daß die Zentruni Spartet zur Oh i»»nacht geon, etrisiert worden wäre mit de»» Ziele: Teilung der Beute zwischen Nationalliberalen und Kon- fervativen." Die Begründung, weshalb das Zentrum sich der Neu- einteilung der Wahlkreise widersetzt, ist Schwindel. Die Blockära" hat im Abgeordnetenhause nichts zu bedeuten und das Zentrum braucht von seinen guten Freunden, den Kon- ervativen, in diesem Falle gar nichts zu fürchten, aus den: einfachen Grunde, weil die Konservativen sich ebenfalls einer Neu einteilung der Wahl- kreise widersetzen. Zudem hat das Zentrum diese Ncucinteilung der Wahlkreise bereits abgelehnt zu einer Zeit, als es noch regierende Partei im Reiche war und niemand noch an den konservativ-libcralcn Block dachte! Wenn das Zentrum die jetzige höchst ungerechte und widersinnige Wahlkreiseinteilung beibehalten will, so nicht mit Rücksicht aus die„Blockära", sondern mit Rücksicht aus den Vorteil des Zentrums, das in hervorragendem Maße von der Bevorzugung der kleineren ländlichen Wahl- kreise profitiert. Daß dadurch gerade das industrielle Prolc- tariat in der skandalösesten Weise entrechtet wird, ist dem „arbeiterfreundlichen" Zenttum gleichgültig!— Zeitungsreklame auf Reichskosten. Die»Frankfurter Zeitung " macht über die Afrika -Expedision de? Herzog? Adolf Friedrich zu Mecklenburg neuerdings interessante Mitteilungen. Die Expedition des Herzogs, von dessen wissenschaftlicher Befähigung wenig bekannt ist, der aber alS großer Liebhaber des JagdsportS gilt, ist nicht nur durch Berliner und andere Museen und Institute, sondern auch von dem Reich mit 60000 Marl unterstützt worden. Und zwar, wie die.Franlfurter Zeitung' seinerzeit behauptete, auf Be- fürworiung des Vorsitzenden der landeskundlichen Kommission für die Schutzgebiete, der mit dem Verleger der»Täglichen Rundschau" identisch ist. Ihren wissenschaftlichen Charakter hat die Expedition erst durch die Teilnahme jüngerer Fach- leute der Botanik, Zoologie»ind Ethnographie erhalten. Inzwischen sind einige Berichte des Herzogs in der„Tägliche» Rundschau" erschienen. Dies Blatt, daö 20000 M. Beitrag zur Expedition geleistet hat, hat dafür das Recht erworben, daß die Berichte der Expedition ausschließlich in seinen Spalten veröffentlicht werden; das amtliche ..Kolonialblatt', das Organ der Regienlng. ist darauf angewiesen, sie nachzudrucken! Die Hauptaufgabe der Expedition soll angeblich in der Et- forschung der Kiwuvulkane bestehen, eine Aufgabe, die nach der Versicherung der.Frankfutter Zeitung" von einem oder mehreren Gelehrten im Auftrage des Reiches viel wohlfeiler hätte ge-
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