ehrenrührigste Zumutungen der Redaktion einesgroßen liberalen Blattes an einen Mitarbeiter und um dieschnöde Maßregelung des Ungefügigen, da wird derFall einfach registriert oder auch völlig totgeschwiegen! Undzwar von denselben Blättern, die noch am Tag zuvor dieBacken nicht voll genug aufblasen konnten in Verfechtung derjournalistischen Standesehre!Wenn es die bürgerliche Presse mit der Wahrung derStandes-ehre denn wirklich so ernst nimmt, so sollte sie alle Mittelaufbieten, um dem(Äemaßregelten Genugtuung zu ver-schaffen! Das wäre umso dringender geboten, als es sich hierin der Tat um den Konflikt eines Journalisten mit seinemkapitalistischen Arbeitgeber handelte, bei dem die Journalistenzeigen konnten, daß sie nicht gewillt sind, durch ein materiellesAbhängigkeitsverhältnis die Ehre ihrer Ueber-zeugung antasten zu lassen!Hier ist Rhodus, hier sollten die Journalisten zeigen, wieernst es ihnen mit der Wahrnehmung ihrer Standesehre ist!poUtifcbc dcbcrlicbtBerlin, den 25. März 1908.Journalisten- und Arbeitersolidarität.Die„Kölnische Zeitung" knüpft an eine Darstellung des Kon-fliktes zwischen Reichstag und Journalistentribüne folgende De-merlung:„Das Verhalten der Zentrumspresse, die bekanntlich alleinBerichte über die Verhandlungen veröffentlicht, dürste Voraussicht-lich diese recht erwünschte Beschleunigung der Einigungsverhand-lungen nicht aufhalten. Bedauerlich ist, daß mit diesem Ab-fall eines Teiles der deutschen Journalistik die hier geboteneSolidarität der Presse erschüttert tvorden ist; aberdieser Präzedenzfall wird am meisten das Ansehen einer Jonr-nalistik schädigen, die die Pflichten deS Standes-bewußtseins dem Parteifanatismus auch dazum Opfer bringt, wo Parteiinteressen gar nicht in Fragestehen."DaS steht zu lesen in der„Kölnischen Zeitung", die nicht unter-läßt, bei einem Ausstand der Arbeiter die„sozialdemokratische Ver«hetzung" als Ursache festzustellen, die„nationale Arbeitervereine" und„gelbe Gewerkschaften" liebevoll begönnert, die den Streikbrecher fürein besonders nühlichcö Glied der Gesellschaft hält. Sollte derJournalistenstreik im Reichstag das nationalliberale Blatt zu derErkenntnis von der Ehrenpflicht der Soldarität gebracht haben, diesich durch keinen„ParleifanatiSmus" stören lassen darf, so wäre dasimmerhin ein Fortschritt. Man darf nur neugierig sein, ob die Er-kenntnis bis zum nächsten Ausstand von Arbeitern vorhält.Wir zweifeln daran.—_Sozialdemokratische Kandidaten für die preustischenLandtagswahlen.Die vereinigten Vorstände und Vertrauensleute der fozialdemo-kratischen Parteiorganisationen deS 8., 10. und 19. preußischenLandtagswahlkreiseS geben bekannt, daß sie folgende Genossen alsKandidaten aufstellen:Für den 8. Wahlkreis: Stadtkreis Altona mit Einschluß desStadtteils Ottensen: Dr. Leo A r o n s- Berlin.Für den 10. Wahlkreis: Stadt Wandsbek und KreisStormarn: R. v. Rosbitzki- Wandsbek.Für den 19. Wahlkreis: Herzogtum Lauenburg: FriedrichTesche- Hamburg.'-___-••- 1Ein wenig Nachhülfe im Denken.Die„Voss. Ztg." schreibt:-—„Der„Vorwärts" benutzt die Auseinandersetzungenzwischen Presse und Parlament zu Angriffen auf die Block-Parteien. Sie„ließen die Dinge ruhig ihren Gang gehen;der Streik beeinträchtigte weder ihre Partei-, noch ihreprivaten Unternehmcrinteressen; die Herren Zeitungsverlegerverdienten im Gegenteil daran". Es wird dann weiter von„kapitalistischen Interessen" geredet und behauptet,„daß diebürgerlichen Journalisten die abhängigsten Menschen vonder Welt sind." Es genügt, diese Bemerkungen wieder-zugeben und daran zu erinnern, wie groß die Unabhängigkeitder„edlen Sechs" vom„Vorwärts" war, die Knall und Fallauf die Straße gesetzt wurden."Die„Voss. Z t g.". die einst einen Redakteur maß-regelte, weil er Jude war, wäre warhaftig dab letzte Blatt,das von der Unabhängigkeit der Journalisten sprechen sollte lIm übrigen aber sollte die„Voss. Ztg." doch wirklichbegreifen, daß zwischen der brutalen Willkür-Herrschaft von Zeitungskapitalisten respektivepolitisch einflußreichen Kapitalistencliquenund dem Kontrollrecht einer demokratisch orga-nisierten Partei über ihr Organ immerhinein kleiner Unterschied besteht. Eine Unabhängigkeit sozialdemokratischer Journalisten im Sinne souveränen, persönlichenBeliebens gibt es selbstverständlich nicht und kann es nie-mals geben. Und gerade wir wären, um ein Beispiel zuwühlen, die letzten, die sich über„Maßregelung von Journa-listen" entrüsten würden, wenn sich die Masse der Anhängerder Freisinnigen Volkspartei eine Aufsichtsinstanz über ihrePresse schüfe, die den Müller- Sagan, K o p s ch undWiemer in der„Freis. Ztg." das Handwerk legte. EinePartei hat das unanfechtbare Recht, ihre Organe im Sinne derAnschauungen der Mehrheit leiten zu lassen. Und wenn denBlockhelden der„Freis. Ztg." ihr Handwerk nicht gelegt wird.so liegt das einfach daran, daß die Freisinnige Volksparteium kein Haar besser ist als das Redaktions-Trifolium der»Freis. Ztg."! Wenn aber ein Kapitalist oder eine kleineKapitalistenclique das Recht hat, einen Journalisten auf'sStraßenpflaster zu werfen, weil er nicht so schreibt, wie sie eswünschen, so wird dadurch der Journalist zum abhängigenLohnsklaven des Kapitalismus entwürdigt.—Volksschulfragen im sächsischen Landtage.Durch zwei Anträge, einer von den Nationalliberalen, derandere von den Freisinnigen herrührend, wurde am Montag in derZweiten Kammer deS Landtages eine lebhafte Debatte über dasVolksschulwesen entfacht. Die beiden Anträge forderten Beseitigungder geistlichen Schulaufsicht, Einheitsschule. Einschränkung des Re-ligionZunterrichtes und Herabsetzung der Klassenfcequenz. Danebenwurden noch Forderungen nach Reform des Seminarunterrichtesund besondere Wünsche der Lehrer geltend gemacht. Die national-liberale Begründung zu diesen Forderungen, die der DresdenerLandgerichtsdirektor Hettner gab, war ein rechter Eier-tanz um jene Forderungen, aber nichts weniger als ein entschiedenesEintreten dafür. Betonte er doch von vornherein, daß man an derreligiösen Grundlage für die Volksschule, ja nicht einmal anderen konfessionellen Charakter rütteln wolle. Auch seineNeigung für die Einheitsschule war recht platonisch. Vor allemwollte«nichts von einer baldigen Einführung der Einheits-schule wissen: nur ganz allmählich solle man dazu übergehen.mit dem System der dreiteiligen Volksschule, wie sie jetzt in Sachsenbesteht, zu brechen. Der freisinnige Redner vertrat dieselben Forde-rungen in etwas entschiedener, aber ebenfalls unzulänglicher Weise.Die Konservativen ließen durch den Bürgermeister Dr. Schanzau? Oclsnitz erklären, daß sie von einer Einheitsschule so wenigwissen wollten, wie von einer Einschränkung des Religionsunterrichts,nicht einmal das Einpauken von Bibelsprüchen und Gesangbuch-Versen wollen fie einschränken, damit der Arbeiter inZeiten der Not einen Schatz in den eingepauktenSprüchen habe, der ihnen Trost gewähre.Allgemein war man gespannt auf die Siellungnahme des neuenKultusminister S Beck, deS früheren Oberbürgermeisters vonChemnitz. Er übertraf die Nationalliberalen nochim Eiertanz; er tat. wie Genosse Goldstein treffend hervorhob.einen Schritt nach vorwärts, um gleich anderthalb nach rückwärts zutun. Er will weder von der Einheitsschule noch vonder Einschränkung des Religionsunterrichts etwaswissen. Durch die Einheitsschule werde— man höre und staune—das Bildungsniveau herabgedrückt und die Bildung von privatenStandesschulen gefördert.Genosse G o l d st e i n ging scharf vor gegen diese Volks-s ch u l r e a k t i o n. Er entwarf ein Bild der jetzigen Unzulänglich-keit der sächsischen Volksschulen, die überfüllte Klaffen und andereMängel aufweisen. Unbarmherzig geißelte er die frömmelnde Schul-Politik der bürgerlichen Parteien und die Knauserigkeit in Bolksschul-fragen. Für alle Dinge habe man Geld, nur für die Volksschulennicht. Schließlich wies der sozialdemolratische Redner darauf hin,daß in den beiden Anträgen die wichtigsten Forderungenfehlten, nämlich Beseitigung des Schulgeldes, Unentgeltlichkeitder Lernmittel und Aufhebung des Züchtigungsrechtes.Die Debatte, die Dienstag fortgesetzt wird, wird voranSfichtlichmit Ueberweisung der Anträge an die PetitionS- und Beschwerde-deputation enden._Oberschlefische Kultur.Im vberschlesischen Jndustriebezirl machen sich mancherleiLeute den geistigen Tiefstand der Bevölkerung zunutze. ZahlloseWinkelschreiber beuten die Unwissenheit der Leute in unerhörterWeise aus. Am sichersten kommen die Beutelschneider zum Ziele,wenn sie die Frömmigkeit der vberschlesischen Arbeiter, besondersder Arbeiterfrauen, für ihre Betrügereien benutzen. GewaltigeSummen werden den Armen jährlich abgenommen für allerleivöllig wertlosen„religiösen" Tand,„heilige" Bilder, Figuren,Bücher. Amulette usw.Die unglaubliche Unkultur der Bevölkerung wie die grenzen-lose Frechheit solcher Betrüger charakterisiert eine Verhandlung,die kürzlich vor der Strafkammer des Landgerichts Bcuthcn statt-fand. Dort hatte sich ein Grubenarbeiter Johann Leschczinskiwegen Betruges zu verantworten. Dieser, ein vielfach, auch mitZuchthaus, bestrafter Dieb, hat in einem vberschlesischen Industrie»dorf Chropaczow, einem Ort von etwa 9000 Einwohnern, längereZeit den Geistlichen gespielt. Er bedeckte die Wände seines Zimmersmit heiligen Bildern, errichtete sich einen Altar im Zimmer undverrichtete seine„Andachten" stets so laut, daß bald die Weiberund später auch die Männer zusammenliefen, um den„heiligenMann" zu bewundern und zu verehren. Es war ihm nun leicht,in die Wohnungen der Arbeiter zu kommen, um dort„Andachten"mit den Hausbewohnern zu veranstalten und. was der Zweck seiner„Frömmigkeit" war, die Dummen um ihr sauer verdientes Geldzu erleichtern. Er erzählte den gläubig horchenden Leuten, daßer lange Jahre in französischen Klöstern als Geistlicher gelebthabe, der Verfolgungen der Kirche wegen aber fliehen mußte..Seine„Gebete" verrichtete er nieist in einem unverständlichenKauderwelsch, das aber den Respekt vor dem frommen Manne nocherhöhte. Zlach seiner Behauptung hatten seine Gebete für Ver-torbeue ganz besondere Kraft und deshalb war er bald bei denLeuten, in deren Familie Todesstille vorgekommen,- besondersbeliebt. Für die Antworten, die er den Leuten von verstorbenenLieben überbrachte, ließ er sich mit jedem erreichbaren Betragebezahlen. Er nahm für einzelne„Antworten" auf Fragen anVerstorbene bis zu 00 M.Bor Gericht suchte er die Rolle deS„Heiligen" weiter zuspielen, behauptete, nicht geboren, sondern auö dem Grabe aus-erstanden zu sein und ermahnte auch den Vorsitzenden zur Büß-fertigkeit. Er verlangte ein Jahr Gefängnis, um für die sündigenMenschen recht lange Buße tun zu können. Das Urteil lauteteauf acht Monate Gefängnis.Außerdem wird sich dieser„Seelsorger" noch wegen andererTaten vor Gericht zu verantworten haben. Er nahm nämlich auchBeichten ab und legte den Frauen höchst sonderbare Bußen ans.Einer„Sünderin" gebot er z. B., sieben Salzheringe hintereinanderzu essen und das gehorsame Beichtkind folgte dem Gebot underkrankte infolgedessen schwer. Jüngeren weiblichen Beichtkindernlegte er dagegen Bußen aus, die ihm die gerichtliche Verfolgungwegen Sittlichkeitsdelikten zuziehen.Trotz alledem schwören heute noch viele Leute in Chropaczowauf den„heiligen Mvnn".— Oberschlefische Kulturl—Ein Dämpfer.Jüngst brachte die„Kölnische VolkSzeitung" eineNotiz ans Bayern, worin über die Fortschritte des k a t b o l i s ch e nVolks Vereins innerhalb der Grenzen der blanweißen Pfähleviel Rühmenswertes gesagt wurde. In der Notiz war auch der Satzenthalten:„Auf dem Lande vermochten die Genossenbisher wenig oder gar nichts auszurichten." EinMitarbeiter des genannten ZentrumsblatteS, der ohne Zweifel dieVeihältnisse etwas besser kennt, bezeichnet diesen Satz als unzutreffendund schreibt dann:„Es tut uns wirklich leid, diese Illusion zerstören zumüssen. Wir, die wir Tag für Tag hinausgehen ans das Landund dort unter den Arbeitern unsere Tätigkeit entfalten, müssendas gerade Gegenteil berichten. Es gibt kaum noch einDörflein, in welchem die Sozialdemokraten nickt wenigstenideelle Ansätze haben. Und eS gibt wohl kaum eineneinzigen Ort mit über 0000 Einwohnern, in dem nickt einesozialdemokratische Organisation Fuß geiaßt hat.In Bayern ersteht aus dem Lande vielfach«ine kleine Industrie.Fast in jeder derartigen Fabrik sitzen offene oder ver-kappte„Genossen". Es muß auch konstatiert werden.daß eine ganze Reihe katholischer Arbeitervereine nicht genügend,oft gar nicht Front gegen die freien Gewerkschaften machen. Vorallem aber sei betont, daß die bayerische Presse zum Teil derchristlichen Arbeiterbewegung sich nicht ausreichend annimmt."Nach der Ansicht dieses Mannes haben demnach die katholischen Arbeitervereine von vornherein diePflicht, die freien Gewerkschaften zu be»kämpfen— zur höheren Ebre deS Zentrums!Ob die freien Gewerkschaften ihre Ausgabe, die Interessen der Ar-beiter zu vertreten erfüllen, daS gilt als Nebensache, und wenn sie sichnoch so große Verdienste um die Arbeitersache erworben haben—tut nichts, der Jude wird verbrannt I Das nemit sich dann klerikale.Arbeiterfreundlichleit". Im übrigen darf man dem Manne gönnen.daß er durch die Tatsachen belehrt wird, wie vergeblich e« ist. derSozialdemokratie den Weg zu den Arbeitern auch m den schwärzestenGegenden verlegen zu wollen.Jnnungsmeister gegen die Jugendorganisationen.Einen Vorstoß gegen die freien Jugendorganisationen unter-nehmen— zweifellos einem Anstoß von außen folgend—die Skofi oder Innungen. In dem Protokoll der ersten ordent-lichen Generalversammlung Rostocker Innungen jeiner ArtJnnungskartcll) findet sich am Schlüsse cinc Aufforderung an dieMitglieder, die wir im Nachstehenden wörtlich folgen lassen:„Ten Innungen wird noch ausgegeben bei Abschluß vonLehrverträgen den Vermerk hineinzuschreiben, daß Lehrlingenur mit Zustimmung Ihres Lehrmeisters Vereinen an-gehören noch deren Versammlungen besuchen dürfen.Bei Zuwiderhandeln tritt eine Strafe von M..... ein.sDer Vorstand schlägt 50 M. vor, und bleibt es jeder Innungüberlassen, dies zu bestimmen. In den Vertrag muß es abergleich hinein)."Selbstverständlich wird den Lehrlingen die Zugehörigkeit zuVereinen, in denen sie christlich und patriotisch zurcchtgeknetctwerden, gern gestattet. Die Freie Jugendorganisationdagegen ist den Herren Meistern ein Greuel, weil in ihnen dieLehrlinge aufgeklärt und insbesondere auf ein höheres geistigesNiveau gebracht werden, als es das Deutsch des Jnnungs-Protokolls verrät.—Die Opfer.Endlich ist die offizielle Meldung eingetroffen, aus derdie Namen der„Gemeinen" und der„Subalternen" zu er-sehen sind, die am 16. d. M. in Südwestafrika ihr Leben oderihre Gesundheit„fürs Vaterland" lassen mußten. DieMeldung lautet:In dem Gefecht bei Geinab am 16. März gegen SimonCoppcr sind außer Hauptmann v. Erckcrt und Leutnant Ebingergefallen: Gefreiter Eugen Wendel, früher Dragoner 25,Bauchschuß; Gefreiter Ewald Bern eiser, früher Infanterie116, Brustschuß; Gefreiter Paul Du deck, früher Grenadier2, Kopfschutz; Gefreiter Friedrich Kubbutat, früher Jnsan-terie 43. Kopfschuß; Gefreiter Heinrich Laschet, früher Dra-goncr 15, Brustschuß: Gefreiter Friedrich Mohr, früher Ulanen7, Kopfschutz: Gefreiter Otto Rohkohl, früher Dragoner 15,Halsschutz; Reiter Bernhard Thimm, früher Canadier 1,Brustschuß: Gefreiter Friedrich W i l a t o w s k i, früher Hu-saren 1, Brustschuß; Reiter Gustav Brothagen, früher In-santerie 35, Brust-, Bauch- und Armschuß. Sämtlich 1. Kom-pagnie.Den Wunben find erlegen: am 17. März: Gefreiter MarZeibig, früher Jäger 13, Kopfschuß, l. Kompagnie; am18. März: Reiter Otto Franz, früher Gardefüsilier. Schußrechte Lunge und Kinn, 10. Kompagnie.Schwer verwundet tvnrden: Sanitätsuntcrossizier AlbertMesser schmidt, früher Landwehrbezirk Berlin III.Lungenschuß links. Fleischschuß Oberarm links, 7. Kompagnie;Sergeant August Schicke bat, früher Feldartillerie 15, Bauch-schütz links; Gefreiter Walter Krause, früher Landwchr-bezirk Brandenburg a. H., Knochenschuß linker Oberschenkel,linker Fuß, vier Beinschüsse; Reiter Franz Meyer, früherLandwehrbezirl Siegen, Schuß Hodensack; Gefreiter PaulSteinbring, früher Füsilier 33, Streifschuß linkes Knie,Knochensckmß linker Fuß, Fleischschuß rechte Schulter; LeutnantWalter von TschirnhauS, früher Infanterie 154, Fleisch-schütz beide Schultern. Sämtlich 13. Kompagnie. Reiter RudolfWegner, früher Grenadier 1, Schuß Unterkiefer, linke Brust;Reiter Rudolf Baumert, früher Pionier 5, Untcrleibschuß.Beide Maschincngewehrzug 2.Leicht verwundet sind: Oberleutnant Eduard Kraut-Wald, früher Fcldartillerie 1, Streifschuß rechte Hüfte, ersteKompagnie; Gefreiter Rudolf Malz er, früher LandwehrbezirlStettin, Fleischschuh rechter Oberschenkel, 7. Kompagnie; Gefreite'.-Johann D c i n l e i n, früher Landwchrbczirk Nürnberg, Schußlinker Oberschenkel, 10. Kompagnie; Gefreiter Ludwig F i s ch e r.früher datier. Feldartillerie 3, Schuß rechter Oberschenkel, sechsteBatterie; Gefreiter Otto Hesse, früher Gardcgrenadier 2,Schuß linker Oberarm; Gefreiter Otto Haase, früher Gardcgrenadier 4, Prellschuß rechter Oberschenkel; Oberleutnant Pau!Petter, früher Grenadier b, Oberscheiikelfchußz. SämtlichMaschinengrwchrzug 2._Ein zerstörtes Menschenleben.DaS Prügeln in der Kaserne hat wieder einmal ein jungesMenschenleben ruiniert. Vor dem Kriegsgericht der 33. Division inErfurt stand vor einigen Tagen der 20 Jahre alte Jäger zu PferdeWalter K ö r b s von der 5. Eskadron deS 2. Jägerregiments zuPferde in Langensalza, angellagt wegen Fahnenflucht undeiniger anderer damit zusammenhängender Delikte. Der freiwilligiin Herbst 1900 eingetretene Angeklagte wurde von zweials Zeugen vernommenen Kameraden als ein ungeschickterRekrut bezeichnet, der. wie jeder andere,„leicht ge-ch lagen" worden sei, Ohrfeigen und Rippen-st ö ß e erhalten habe. Am 14. Mai 1907 nahm er unberechtigterwciseauS dem offenen Spinde eines Kameraden etwas Schmalz, wofür ergemeldet wurde und außerdem Prügel mit einem Stocke über denKopf erhielt. Das brachte in ihm den Beschluß zur Reife zu deser-tieren, zumal er auch noch schwere Strafe lvegcn des Diebstahlsbefürchtete. Acht Monate lang hielt er sich in einem Orte inSckwarzburg- Rudolstadt verborgen, bis er im Januar diesesJahres als Fahnenflüchtiger entdeckt und verhaftet wurde.Als die Verhandlung bereits angesetzt war, erlitt er einenchweren hysterischen.Anfall, der ihn voll-tändig der Sprache beraubte. Bis heute ist ernoch völlig stumm. Gegen zwei inzwischen vom Militär ent-lassene Prügelhelden, unter denen sich auch der Stubenälteste desAngellagten befand, ist ein Strafverfahren wegen gemeiuschastlichcrKörperverletzung vor dem Zivilgericht eingeleitet. Der Verhandlungs-führer bezeichnete das Prügeln von Kameraden als eine, allerdingsunerlaubte. Gewohuheit beim Militär, die als„Erziehungsmethode"angewendet werde, aber es sei auch feige von den Geprügelte».wen» sie auS Furcht vor weiteren Prügeln— wie im vorliegendenFalle— die Mißhandlung nicht melden. Der Angeklagte ist allerStraftaten geständig. Der von der Verteidigung als Sach-verständiger geladene Stabsarzt, der den Angeklagten imLazarett behandelt, hegt nach seiner persönlichen Ansichtkeinen Zweifel, daß hier eine angeborene krankhafteVeranlagung zu Hysterie vorliege; infolge der durch den An-fall eingetretenen vollständigen Kehlkopf lähmung sei der An-geklagte als dien st unbrauchbar zu betrachten. Ein Psychiaterwürde ganz bestimmt sagen, daß der Angeklagte nicht für seine Tarverantwortlich zu machen sei. Gleichwohl halte er nicht den ß 5tStt.-G.-B. tVcrneüiung der freien Willensbestimmung) weder beiBegehung der Tat noch bei der gerichtlichen Verhandlung für zu-treffend. Der VerhandlungSsührer, KriegSgerichtSrat Seim, betontgegenüber dem ärztlichen Sachverständigen, daß in der Rechtspflegedas Bestreben bestehe, sich von dem Urteile des Psychiatersfreizumachen, denn wohl für jede Tak eines Angellagten lasse sichirgend ein geistiger Defekt geltend machen. Es könne demnach über-Haupt niemand mehr verurteilt werden. Ein Antrag der Ver«t e i d i g u n g, die Verhandlung zu vertagen und den Angeklagtenin der Landesheilanstalt in Jena auf feinen Geisteszustand unter-suchen zu lassen, wurde abgelehnt. Der Verteidiger führte alSdan»ferner auS, daß der Angellagte während seiner früheren Dienstzeitkörperlich und geistig wenig angestrengt worden sei; die neuen Ein-drücke beim Militär seien daher mit Macht auf ihn eingestürmt, undein nicht zu überwindendes A n g st g e f ü h l sei die Folge gewesen.daS seinen Höhepunkt erreichte, als er wegen der Lapalie der Weg-nähme von etwas Schmalz eine hohe Strafe befürchtete. Diele