Angst habe ihn in Verbindung mit den Mißhandlungen zur Fahnen«flucht getrieben. Deshalb sei Freisprechung geboten.Das Urteil lautete entsprechend dem Antrage auf siebenMonate Gefängnis, Versetzung in die zweite Klasse und drei TageHast. Die Art der Verbüßung der Strafe, zu deren Antritt derAngeklagte sich bereit erklärte, wird dem Ermessen der Aerzte über-lasse».—_Der Breslauer Polizeiprozeh in Stuttgart.Die Verhandlung vor der Stuttgarter Straflammer gegen denRedakteur des.Wahren Jakob", über die wir kurz berichtethaben, hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Mit solchen Prozessenalso glaubt man nördlich der Mainlinie„moralische Eroberungen"in Süddeutschland machen zu können!„So etwas lassen sich diePreußen gefallen?" meinte empört ein Zuhörer nach der Verlesungder Zeugenaussagen über die Taten der Breslauer Polizei.„Aas,halt die Fresse, ich hau' dich mitten entzwei!"schimpft der eine Breslauer Polizist.„tvaS machen Sie nochhier, Sie dickwampige Sau!" schreit der andere eineschwangere Frau an. Ein Bote, der den Arzt zu einem schwerblutenden Manne holen soll, wird nicht zum Haus hinaus-gelassen. Ein Arzt sagt aus:„Der größte Teil der Verletzungenbefand sich auf dem Nacken. Dies erregte die Verwunderung derAerzte." Und dann der„Fall Biewald"!Der Oberstaatsanwalt Faber, den das Unglück getroffen, dieKlage der Breslauer Polizei vertreten zu muffen, beniühte sichredlich, von der Anklage zu retten, waS nicht zu retten war. Aberdie BreSlauer Polizeitaten auf sein staatsanwaltliches Gewissen zunehmen, das brachte auch er nicht fertig. Um so schärfergingen die Verteidiger mit den BreSlauer Ordnungshüter» insGericht.„Der Wahrheitsbeweis für die geübte Kritik ist gelungen",sagte der eine; der andere erklärte:„Ein Teil der Polizei istgegen Wehrlose vorgegangen in einer alles»nenschliche Gefühl ver-letzenden Weise. In einer ganzen Reihe von Fällen ist der Beweisdafür erbracht. Es ist der Nachweis erbracht, daß die Schutzmann-schaft zum Teil vom Geist der Roheit und Gewalttätigkeit beseeltgcivesen ist." Der Oberstaatsanwalt erkannte diese Kritik still-schweigend als berechtigt an. Nur dagegen wehrte er sich in einerkurzen Schlußbemerkung, daß der Richter, der die Zeugenvernehmungin Breslau vorgenommen hat, in einseitiger und parteiischer Weiseseines Amtes gewaltet habe. Ein Akt der Kollegialität, vomJuristen dem Juristen geleistet. Der Eindruck der Enthüllungeniiber die Ceschäftspraxis des Breslauer Richters konnte der Ober-staatsanwalt mit seiner Beinerkung aber nicht im geringsten ab-schwächen. Die schneidende Kritik der Verteidiger an den Tatender BreSlauer Polizei mußte er unerwidert lassen. Hier wäre jedesWort vergeblich gewesen. Das fühlte er wohl. Darum schwieg er.Das Urteil steht noch aus. Für den nominell Angeklagten, denGenossen Heymann, ist eS auch ziemlich gleichgültig, ob die Richterauf eine Geldstrafe erkennen oder nicht. Für die Breslauer Polizeiauch. Denn die fürchterliche moralische Niederlage, die sie sich vordem Stuttgarter Gericht geholt hat, ist durch kein Gerichtsurteil mehrzu wenden. Das Urteil über Kritiker und Kläger spricht die Oeffent-lichkeit, das Volk. Und dieses Urteil ist bereits gefällt. Unwider-ruflich.—_Eine kleine Rufsenhekescheint die Stuttgarter Polizei inszenieren zu wollen. Unwider-sprachen gebliebenen Alättermeldungen zufolge sind den Russen inStuttgart die Pässe zivecks Revision abverlangt worden. ZweiRussen, die schon längere Zeit in Stuttgart in Arbeit standen, sollenersucht worden sein, Württemberg zu verlassen. Die öffentlicheMeinung geht dahin, daß preußische Einflüffe im Spiel sind.—Evangelist Binde.In Aplerbeck, einem'Städtchen in Westfalen, weilt gegen-wärtig der E v a n g e l i st B i n d e. der dort vom 2ö.— 3t. Märzreligiöse Vorträge hält, und zwar über folgende Themata:Schicke dich an. deinem Gott zu begegnen! Wie enthüllt sich dasGeheimnis Christi? Wonach lohnt es sich zu ringen? Wie findetman Jesum? Zu spätes Suchen, vergebliches Suchen! Unentrinn-bar! usw. Außerdem wird Herr Binde an jedem Wochentage nach-mittags 4 Uhr im Saale des Blaukreuzhauses eine B i b e l st u n d ehalten.In den Ankündigungen wird der Redner als der„ehe-malige Soziali st und Anarchist und nunmehrigeEvangelist Fritz Binde aus Siegen" bezeichnet. Bindestand allerdings im Rheinlande einige Zeit der Sozialdemokratienahe; er zog sich dann als Anarchist von der Oeffentlichkeit zurück,führte in Vohwinkel längere Jahre ein stilles Dasein, bis er dannauf einmal als Redner im Dienste der Frommen auftauchte. DerUmstand, daß er für sein jetziges Austreten sich aus seine früherepolitische Stellung als„Sozialist und Anarchist" beruft, beweist, daßman auch im Reiche der Frommen die Reklame zum Gimpelfang zuschätzen weiß.—_Ocfterreid).Freiheit der Wissenschaft.T er Fall des Jnnsbruckcr Professors für Kirchenrecht, Wahr-<n u n d, der eine so energische Streitschrift gegen die kirchlicheUnterdrückung der freien Forschung verfaßt hat, kam heute imBudactausschuß des österreichischen Abgeordnetenhauses zur Be-sprechung. Interessant sind die Aeuherungen des Unterrichts-Ministers Marchet, weil sie den ganzen Abstand zwischenihm und seinem preußischen Kollegen zeigen, obwohl Marchet alsKollege des Christlichsozialen Gcßmann keinen so leichten Standhatte. Der Minister stellte nämlich fest, daß Wahrmund Professordes ÄirchenrechtS an der juristischen und nicht an der theo-logischen Fakultät ist, und betonte, die Freiheit derLehre und der wissenschaftlichen Forschung solle für den Kirchen-rcchtslehrcr gelten wie für den Rcchtslehrer und jeden Wissenschaft-liehen Forscher. Der Minister berief sich auf die im Abgeordneten-Hause abgegebene Erklärung über die staatSgrundgesetzlicheGarantie der wissenschaftlichen Forschung, dieeine unverrückbare Richtschnur bilden werde, und er-klärte, aus diesem Gesichtspunkte ergebe sich auch die Antwort aufdie Frage, ob ein Hockschulprofessor von seiner Lehrkanzel cnt-fernt werden müsse, weil er von dem ihm zustehenden Rechte derfreien wissenschaftlichen Forschung Gebrauch machte. Diese Ant-wort sei v e r n e i N e N d. Er stehe nicht an, den allgemeinenStandpunkt dahin zu präzisieren, daß die Freiheit derwissenschaftlichen Forschung sich auf jedemGebiete, also auch auf religiösem Gebiete, un-gehindert betätigen und entfalten können. Siemüsse aber auch freigehalten werden von all dem. wodurch sie sichmit den tief im Gefühlsleben vieler Menschen wurzelnden re-ligiösen Uebcrzeugungen ohne Not in Widerspruch setze.So muß ein Minister in dem klerikalen Oesterreich dieklerikalen Anmaßungen zurückweisen, wenn er in dem Hause desgleichen Wahlrechts möglich sein will. In dem„aufgeklärten"Preuxen übertrumpft Herr Holle die kirchliche Bevormundungnoch durch die staatliche Unterdrücknna der Freiheit der Wissen-schaft.«fVanfcrdcb.Die Einkommensteuer.Paris, 24. März. Dcputiertenkammer. In derVerhandlung über das Einkommensteuergesetz erklärte Finanz-Minister Caillaux betreffend die Besteuerung der jranzösl.ichen Rente, et könne keine Verpflichtung eingehen, dieselbevon der Steuer zu befreien, da auch die ausländischen Wertpapierebesteuert würden.--Belgien.Der Staat und die klerikalen Schulen.Brüssel, 23. März.(Eig. Ber.) Die belgischen Klerikalen, dieschlechthin nicht mehr wagen, die Einführung des obligatorischenUnterrichts rundweg zu bekämpfen, lassen in ihrer Presse immerzuvernehmen, daß mit einer derartigen Reform eine Gleichstellung derklerikalen privaten Lehranstalten mit den„offiziellen" in materiellerBeziehung verbunden sein mußte. Nun ist Belgien auch noch vorEinführung der Schulreform nicht mehr allzuweit von dieser Gleich-stellung entfernt. Die Klerikalen lvaren, wenn cS galt, sich Forde-rungen zu bewilligen, ja niemals prüde, wie ein Vergleich zwischenden StaatSansgaben für die offiziellen und kongregationistifchen(freien) Schulen, ergibt. Außer bestimmten Summen für die oll-gemeine Verwaltung der Volksschulen, die Einrichtung derSchulen usw., verausgabt der belgische Staat rund 16 Millionenjährlich, wobei zu bedenken ist. daß in den klerikalen Kommunen,z. B. Flanderns, auch die offiziellen Schulen vollständigklerikalen Charakter haben. Wie rasch und kräftig dieKlerikalen ihre Fangarme nach den StaatSgeldern zur Unter-stiitzung ihrer Schulen ausgestreckt haben, erhellt daraus,daß vor dem Jahre 1895 die klerikalen(privaten) Schulenso gut ivie staatlich subventioniert waren. Um die ganz kleinenKinder schon dem fegensreichen Einfluß der Nonnen auszusetzen(dieanläßlich des Trennungsgesetzes in Frankreich zu Tausenden nachBelgien importiert wurde»), gibt der belgische Staat alleinfür die klerikalen Kindergärten 150 VW Fr. jährlich ausNicht einbegriffen in die sieben Millionen, die die belgischenSteuerzahler dem Klerus für seine Schulen zahlen, sind die beträcht-lichen Subventionen, die sich die klerikale Partei für diverse klerikaleFachschulen, für landwirtschaftliche, berufliche und Hausfrauenschulenbewilligt.— Aber wie gesagt, die Klerikalen sind nichts weniger alszufrieden und klagen über Benachteiligung gegenüber den den„gott-losen" offiziellen Schulen gewidmeten Ausgaben. Und sie werdensich weitere Millionen bewilligen, so lange sie dazu Gelegenheit.haben.—_Die Kongovorlage in der Kommission angenommen.Brüssel, 25. März. Die Kolonialkommission hat heute cnd-gültig Über das Kolonialaesetz und den KongoanglicderungSvertragabgestimmt. Das ganze Gesetz wurde mit 11 gegen 1 Stimme a n-g e n o m m e n, der AngliederungSvertrag mit 10 gegen 2 Stimmenbei einer Stimmenthaltung.England.*Eine neue Niederlage der Liberalen.London, 25. März.(Privattelegramm des„Vorwärts".) InP c ck h a m. einem südlichen Vorort Londons, fand gestern eineparlamentarische Nachwahl statt, der man mit großem Jnter-esse cntgegengefehen hatte. Der Bezirk war durch den verstorbenenliberalen Abgeordneten Clark im Unterhause vertreten worden,der bei den letzten Hauptwahlcn mit 5903 Stimmen gegen 3564konservative Stimmen gesiegt hatte. Die liberale Mehrheit be-trug also 2339 Stimmen. Gestern kehrte sich das Parteiverhältnisum. Ter Konservative Gooch erhielt 6979 Stimmen undsiegte mit einer Majorität von 2494 Stimmen über den LiberalenGontrcy, der 4476 Stimmen erhielt. Die Wahlagitation waraußerordentlich lebhaft. Der Konservative trat für den Schutz»zoll ein. Der Liberale hatte auch die Frauenrechtlerinnengegen sich, die wegen der ablehnenden Haltung der Regierungzum Frauenstimmrecht gegen den Liberalen agitierten. Die ent-scheidende Rolle aber spielte die von der Äkgierung� eingebrachteS ch a n k b i l l, die die Konzessionen für den Ausschank alkoholi-scher Getränke beträchtlich vermindern will. Den Konservativenstand das mächtige Brauerkapital zur Seite und die Wirteagitierten mit Feuereifer gegen den Liberalen.Bei der großen symptomatischen Bedeutung/ die man in Eng.land dem Ausfall der Nachwahlen beimißt, bedeutet der Sieg derOpposition eine gewisse Schwächung der Negierung. Wahrscheinlichwird auch die Schankbill, die den Liberalen so sehr geschadet hat,ziemlich starken Aenderungen unterworfen werden.-*Hfien.Japan und China.Die chinesische Regierung hat in dem Fall„Tatsu Maru"nachgegeben, weil sie die japanischen Kriegsdrohungen ernst nahm.Die Stimmung ist auch tatsächlich in Japan seit längerer Zeitsehr gereizt. Mit der Eintracht, die zwischen Japan und Chinawährend des russisch- japanischen Krieges bestand, ist es längstvorbei. Wiederholt kam es bereits zu den schärfste» Konfliktenzwischen den beiden. So im Januar d. I. aus Anlaß einer Eisen-bahnkonzession, die China an eine englische Gesellschaft erteilt hatte.Japan erklärte, die projektierte Bahn sei als Zweigbahn für die füd-mandschurische Bahn aufzufassen und verletze infolgedessen denVertrag, welchen China seinerzeit— mit Rußland geschlossen habe.Japan, das soeben in der Rolle deS„Befreiers Ostasiens" paradierte,berief sich aber nunmehr auf die schmählichen Bedingungen, welchedaS Zarentum China aufnötigte, um sich den Weg zu weiterenOkkupationen freizuhalten. Die gesamte politische OeffentlichkeitJapans geriet damals in Aufruhr und verlangte den Krieg gegenChina. Dieses hat damals, wie auch jetzt, nachgeben müssen. Wie wareS diesmal? Japan schmuggelt Waffen nach den aufständischen Provinzenin Südchina und eS bedroht die chinesische Regierung mit dem Krieg,wenn sie diese Waffen konfisziert. DaS kennzeichnendste bei derganzen Angelegenheit ist aber der Abschluß: die aufrührerische Be-völkernng SüdchinaS revoltiert nunmehr erst recht gegen die Re-gierung: sie protestiert dagegen, daß die Regierung die Waffen frei«gegeben hat— dieselben Waffen, die zur Ausrüstung dieser auf«rührerischen Bevölkerung bestimmt waren und die die Regierungihr hat entziehen wollen. Doch daS gerade zeigt uns,um tvaS es sich dabei handelt: eS ist in China einestarke politische Bewegung der nationalen Bour-geoisie, die sich gegen die Herrschaft der fremden Kolonial-mächte und die unter ihrem Einfluß stehende chinesische Regierungwendet. Dieser nationalen Bewegung der chinesischen Bourgeoisie.die sich auf die Volkömassen stützt, kann auch Japan nicht stand«halten. Es muß Schritt für Schritt auö den zahlreichen Stellungen,die es in China besetzt hat, weichen. Deshalb die Erbitterung, diesicher noch steigen wird und die geringste Veranlassung tatsächlich ineine Kriegsgefahr verwandeln kann.mm,Die Lage.Port au Prince» 25. März. Die Lage scheint sich ge-bessert zu haben. Fünf Offiziere, die als Verschwörer der-haftet worden waren, sind wieder auf freien Fuß gesetzt worden.Gegen hundert auf die deutsche und französische Gesandtschaftgeflüchteten Personen ist von der Regierung zugestanden, daß siedie Gesandtschaften unbehelligt verlassen können, doch machen siekeinen Gebrauch davon, da sie der Regierung mißtrauen. Fünffremde Kreuzer liegen noch auf der Reede»Hus der parte!»Di« sozialdemokratische Agitation im Nralgcbiet-DaS Uralgcbiet mit seiner nach Hunderttausenden zählendenArbeiterbevölkcrung bietet ein reiches Feld für die sozialdemo-kratische Agitation. Parteiorganisationen entstanden dort ver-hältnismäßig spät, dafür nahm aber die Bewegung nach 1965 einenungeahnter Aufschwung. Die Reaktion machte sich auch dort deut-lich bemerkbar, allein ungeachtet der ungünstigen Verhältnisse wirddie Agitation rege weitergeführt und nirgends macht sich ein solcherRückgang der Organisation bemerkbar, wie er für viele andereOrtschaften Rußlands zu verzeichnen ist. Die Organisationenhoben zwar teilweise abgenommen, sie haben aber trotz aller Ver-folgungen ihre Stellung behauptet. Einige von ihnen(in Jschcwskund Motowilichi) haben gute Fortschritte zu verzeichnen. DieAgitation wird gegenwärtig meist«durch illegale Parteizeitungcnund Flugblätter geführt. Parteiblätter erschienen und erscheinennoch heute in Wjatka. Perm, Jschcwsk, Tagil, Ekaterinburg undUfa. Außer den lokalen Blättern, die nur selten und unpünktlicherscheinen, werden vom Gankomitce herausgegeben:„Der UralcrArbeiter",„Die Bauernzeitung" und„Die Soldatcnzeitung", dieim verflossenen Jahre in einer Gesamtauflage von 125 660 Exemplaren verbreitet wurden. Außerdem wurden unzählige Flug-blätter herausgegeben, die in den lokalen Geheimdruckereien an-gefertigt wurden. Im ganzen funktionieren gegenwärtig im Ural-gebiet 11 Geheimdruckereien. Die beste von ihnen befindet sichin Ufa, die im verflossenen Jahr eine halbe Million Flugblätter.Zeitungen und Broschüren herausgab.(„Der Proletarier".),Gemeindewahlerfolge.Auf dem Lande beginnt es in Schlesien sich mächtig zuregen. Sogar in Dirschel bei Leobsckiitz, in der schwärzestenGegend Oberschlesiens, gelang es unseren Genossen, einen der Ihrenin daS Gemeindeparlament zu bringen. Ferner verniehrten die Ge«nosien in L eip e- P ete rs d orf bei Breslau die Zahl der vonibne» gestellten Gemeindevertreter von zwei auf drei, während inS ch o t t w i tz bei Breslau ein Genosse mit 20 von 21 Stimmenund außerdem zwei von den Sozialdemokraten aufgestellte nicht-sozialdemokratische Angesessene gegen die Amtsvorsteherkandidatevden Sieg errangen._Unsere Toten.In M'a g d e b u r g starb der Genosse Franz König st edt.Zu Anfang der 80er Jahre, unterm Sozialistengesetz, hat er sich dieSporen des Parteikämpfers verdient. Im großen MagdeburgerGeheimbunosprozeß von 1887 wurde er zu sechs Monaten siebenTagen Gefängnis verurteilt. 1890 wurde Königstedt Expedient derncugegründeten„Volksstimme", nachdem er wegen Beteiligung aneiner Lohnbewegung der Tischler gemaßregelt worden war. Seinneuer Beruf trug ihm eine Anklage wegen Verbreitung verbotenerSchriften ein— er sollte zwei Kolporteuren, die mitangeklagtwurden, verbotene Broschüren gegeben haben. Inder UntersuchnngS-Haft wurde in der Zelle Königstedts eine Wursthaut gefunden, undals er sich weigerte, die Person anzugeben, die ihm die Wurst zugesteckthatte— es war ein Wachtposten— ließ der Erste Staatsanwalt Maizierunseren Genossen in Ketten legen. Ueber diese charakteristischeEpisode aus der Magdeburger Parteigeschichte schreibt die Magde-burger„Volksstimme" in ihrem Nekrolog:.. Die Fesselung geschah in der Weise, daß der Verbrechermit einer schweren Kette an den Fußboden geschlossen wurde unddaß eine zweite schwere Kette sein linkeö Handgelenk mit denbeiden Fußknöcheln verband. ES wurde später festgestellt, daß diebeiden Ketten ivesentlich schwerer waren als jene, die der Raub-mörder Erbe zu tragen hatte, ein entmenschter Mädchenmörder.der damals gleichfalls in Untersuchungshaft faß und bald daraufzum Tode verurteilt wurde. Und damit noch ein Unter-schied zwischen dem sozialdemokratischen Sünder und dem ver-tierten Mädchenmörder bestand, waren die Handschellen und Fuß-ringe Erbes innen mit Leder bekleidet, die Handschellen und Fuß-ringe, die Franz Königstedt schmückten, waren blank und durch-scheuerten in wenigen Stunden die Haut. Der Sozialdemokrathatte eben dickere Haiid- und Beingelenke als der Raubmörder.Folglich war das Verfahren aus„technischen Gründen" ganzberechtigt und die Humanitätsduselei der Presse unbegreiflich, dieLärm schlug, als sie von dieser unerhörten Behandlung einesUntersuchungsgefangenen hörte.Zwanzig Tage lang, vom 10. bis 28. April 1392, trug FranzKönigstedt dieses köstliche Geschmeide deS Ersten StaatsanwaltsMaizier. Und nur„infolge seines WohlverhaltenL" wurde er vonder eisernen Last befreit. Dann erhielt er noch zwei Monatewegen Lieferung verbotener Schriften und einen Monat wegen„Bestechung des Wachtpostens". Und dieser quittierte mit1'/, Jahren Gefängnis feine christliche Barmherzigkeit. Der ErsteStaatsanwalt Maizier aber wurde bald LandgerickitSpräsident inNeuruppi» und würde sich noch weit höher hinaufgestrebert haben,wenn nicht der Tod ihn für seinen Ehrgeiz viel zu früh in dieFesseln geschlagen hätte, die sich nicht mehr abstreifen lassen...."Bis zu feinem Tode hat Genosse Königstedt, der später Gast-Wirt wurde, mit immer demselben regen Eifer für die Partei ge-arbeitet. Neben vielen anderen Vertrauensämtern hat er seit 1901daS eines Stadtverordneten bekleidet. Ein schmerzhaftes Leidenhatte ihn lange schon geplagt— nur 49 Jahre ist Franz Königstedtalt geworden. Ehrendes Andenken dem Braven!In München ist der Genosse Maurer Michael Völkl nachlängerer Krankheit, 51 Jahre alt, gestorben. Er war jahrzehntelangfür die Partei« und Gewerkschaftsbewegung in München tätig. Seitder Einführung des Instituts der aus den Arbeitern gewähltenstädsischen Baukontrolleure bekleidete er dieses Vertrauensamt.Personalien. Zum Arbeiterfekretär in Neumünster(SchleSW.-Holstein) wurde Genosse Ludwig N a d l o f, seit 1902 Redakteur der„BreSlauer Volkswacht", gewählt.PoUreUiclu«, OcruhtUdies iiTw.Die unschuldige Polizei. Zu 500 MarkGeldstrafe wurdeam Dienstag von dem Landgericht zu Duisburg Genosse Heiseals verantwortlicher Redakteur der„Niederrheinischen Ar»beiterzeitung" wegen Beleidigung einiger Polizeibeamten ver-urteilt. In einer am 18. Oktober 1906 in dem Duisburger Partei-blatt erschienenen Notiz war behauptet worden, daß auS der Ham-borner Polizeiwache Hülferufe und da« dumpfe Klatschen vonSchlägen gehört worden sei; erstere wurden in der Verhandlungauch zugegeben. doch von Schlägen wollte keiner der Polizistenetwas wissen. Charakteristisch für die Verhandlung war. daß samt-liche EntlastlingSzeugen unvereidigt blieben, weil sie angeblich derMittäterschaft verdächtig erschienen. Der Staatsanwalt hatte dreiMonate Gefängnis und sofortige Verhaftung wegen Fluchtverdachtsbeantragt, mußte sich jedoch sagen lassen, daß bisher noch keinsozialdemokratischer Redakteur durch feige Flucht sich einer Strafeentzogen habe.Die ArbeitSwilligen-Ehre. Gen. Simon von der„Schwäbi«ichen Volkszeitung" zu Augsburg wurde wegen Be-leidigung eines Arbeitswillige» zu 20 Mark Geldstrafe ver-urteilt. Der Wahrheitsbeweis soll in einer Hinsicht nicht gelungensein. Da« Gericht war der Ansicht, daß der Beleidigte nicht als„Gewohnheitsfäufer" gelten könne, wenn er öfters, auch während derArbeit, sich betrinke._GewerkfebaftUebe�Berlin und Qmgegenci.Friedcnsberhandlungen im Baugewerbe.-Die letzten entscheidenden Verhandlungen im Bangt-werbe zwischen den beiderseitigen Hauptvorständen sindgestern(Mittwoch) in Berlin eröffnet worden. Leiter der