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Genossen über daZ Verfahren der Polizei nicht beschwerten, so l>egt das daran, daß sie mit der Ausübung des Beschwerderechts schon bei früheren Gelezenheiten recht schlimme Erfahrungen ov- znacht haben. Daß unter Hunderttausenden von Än- bertern einig« Tausend noch die Möglichkeit finden, sich an emem Abende zu amüsiren, spricht durchaus nicht gegen den Nothstand. Die Vergnügungen der vornehmeren Klassen sind manchmal nicht ganz harmlos, wie z. B. die zahlreichen Bälle im Wintergarten, die Herrenabende oder die Balleteusen- feste. Von einer Humanität der Unternehmer ist keine Rede, sie handeln nur im eigenen Jntereffe, wenn sie auch in schlechten Zeiten eine Anzahl Arbeiter beschäftigen, weil sie bei eintretender Prosperität sofort eingearbeitete Leute brauchen. Die Löhne find das erste, was in schlechten Zeiten sinkt. In der Textilindustrie mag in letzter Zeit eine Besserung bemerkbar sein, aber das ist eine Saisonindnstrie, in welcher jetzt die Vorräthe für den Sommer gefertigt werden. Dazu kommt, daß die Baumwollenpreise Ende 1392 den niedrigsten Stand seit Jahren erreicdten, so daß die Spinner die Produktion einschränken und die Preise um 23 pCt. erhöhen wolllen. Um noch von den niedrigen Preise» zu profiliren, kauften die Baumwollenfabrikanten große Massen auf. Sie wollen wieder wissen, wie wir uns die zukünftige Gesellschaft dächten. Unser Programm können Sie jederzeit lesen. Wozu sollen wir hier darüber Reden halten, wo wir Sie doch nicht überzeugen! So lange wir in der Minorität sind, haben wir keine Veranlassung, unsere Pläne hier vorzutragen. Man thut immer so, als ob das Unternehmerthum eine von Gott   eingesetzte Ordnung fei. Wenn sämmtliche Aktionäre und Unternehmer mit Sack und Pack und Geld und Gut auf die schönen Schiffe in Hamburg   gepackt uno nach Afrika   geschafft würden, man würde garmchts davon merken; sie erzeugen ja nicht die Werthe, sondern die Arbeiter. Sie irren also ganz gewaltig, wenn Sie glauben, daß die Unternehmer- schaft eine unentbehrliche Einrichtung jeder menschlichen Gesellschaft sei. Der Abg. Buhl hat an der Hand der Einkommensteuer- Statistik zn beweisen versucht, daß die Einkommenverhältnisse der Arbeiter in Sachsen   günstige feien. Es wird sich später Gelegen- heit finden, die von ihm angeführten Zahlen auf ihren Werth zu prüfen. Es geht aber aus der amllicben Statistik hervor, daß die Einkommensterrcrpflichtigen bis zu 1600 M. in den letzten Jahren in stetem Rückgange begriffen sind. Daraus gehl hervor, daß auch die Klerndürger und der Bauernstand, nicht bloS die Arbeiter, leiden. Die erhöhten Spaareinlagen beweisen nichts. Ein großer Thcil der kleinen Kapitalisten macht diese Einlagen, weil sie jederzeit ohne große Umstände und Geldverluste ihr Geld aus den Sparkassen wieder herausnehmen können. Die Spar- kassen sind geradezu die Depots der Kapitalisten geworden. Das Königreich Sachsen hat allerdings unter sehr bedeutenden Kosten Gruben angekauft, um den Arbeitern zu helfen. Der Staat befand sich dabei in einer gewissen Zwangslage: eine ganze Reihe von Gruben stand still, und Taufende von Arbeitern mußten dem Hungertode verfallen, wenn der Staat nicht eintrat. Es war ein großer Nothstand vorhanden, dem Niciiimid anders als der Staat abhelfen konnte. Wir haben natürlich für die Vorlage über den Ankauf der Gruben gestimmt. Der Abg. Mehnert hat auf das große Arbeitcrfest im Trianon in Dresden  hingewiesen und gememt, es hätten sogar die Führer die Narrenkappe aufgesetzt, während sonst nur die große» Massen die Narrenkappen trügen. Ich erwidere ihm, bei uns haben die Führer nur einmal im Jahre die Narrenkappe auf, bei den anderen Parteien das ganze Jahr. Staatssekretär v. Bötticher: Ich hätte eS gern gesehen, wenn der Vorredner uns endlich einmal Ausschluß gegeben hätte über den sozialdemokratischen Zukunftsstaat(Zuruf des Abg. Bebel: Das loidet der Präsident nicht!) Bei dem Titel Staats- sekretär des Reichsamts des Innern kann über alles gesprochen werden. Ich habe in der Nothstandsdedatte anerkannt, daß es «ine Thorheit wäre, das Bestehen eines Nothstands zu leugnen; ich habe nur bestritten, daß ein Nothstand vorhanden ist, der das Einschreiten des Reichs erfordert. Trotzdem wird die Sachlage in der Presse der Sozialdemokraten immer noch falsch dargestellt. Es wird bei der öffentlichen Erörterung dieser Frage nicht immer streng die Wahrheit festgehalten Ich kann es begreifen, daß die Vorredner die ihnen zugehenden Zuschriften benutzen, aber wir können auch die uns zugehenden Mittheilungen nicht unberücksichtigt lasten, und diese besagen, daß wer Arbeit finden will, sie immer noch finden kann, wenn er nur dorthin geht, wo die Arbeit ist.(Zustimmung rechts.) Der Zudrang der Arbeitskräfte in die Industriezentren ist ein so großer, daß mehr Arbeitskräfte vorhanden sind, als verlangt werden. Aber man will diesen Zudrang zu den Industriezentren nicht hindern. Herr Bebel hat von der Sparsamkeit der Eisenbahnverwaltuiig gesprochen, namentlich von der Entziehung dar Pelze. Solche Pelze sind nur im Osten verivendet worden, sie sind auch nicht abgeschastt worden, fondern werden nach wie vor benutzt, nur da, wo die Beamten sich in geheizten Konpees befinden und der Pelz für sie eine Last ist, haben einzelne Direktionen den Pelz abgeschafft. Auch die viel getadelte lnonatliche Abrechnung ist kein Nachlheil für die Arbeiter. Jede Verwaltung will möglichst billig arbeiten: deshalb ist an die Stelle der vierzehntägigen die monatliche Abrechnung ge- treten, aber unter Ausrechterhaltung der vierzehntägigen Lohn- zahlung. Es müssen schwache Gründe sein, wenn man so mit persönlichen Spitzen und Jnvektiven vorgeht. Es ist ja mög- lich, daß die Mitglieder der Regierung mit wenig Verstand de- oavt sind.(Zuruf Bebcl's: Das habe ich nicht gesagt!) Es ist möglich, daß ein sozialdemokratischer Agitator mehr leistet im Sinne des Herrn Bebel, als«in Bundesrathsbevollmächtigter. Es besteht aber«in Unterschied: Wir wollen der Wahrheit aus den Grund kommen, aber Sie wollen nur Unzufriedenheit säen und da machen wir nicht mit.(Znstimmuna rechts). Abg. Mehnert(dk.) bestreitet, daß die kleinen Kapitalisten ihr Geld bei der Sparkaffe niedergelegt haben. Die Zahlen be- weisen, daß es sich dabei nur um die Einzahlung von kleinen Leuten, von Arbeitern handelt. Wenn die Sozialdemokraten nieinen, daß Verschwinden der Unternehmer aus der Gesell- schast würde kaum bemerkbar werden, so kann ich sagen: Das Verschwinden der Herren Sozialdemokraten würde nur wohlthätig wirken. Abg. Bachem(Zentr.): Die Ausbeute der heutigen Debatte war«ine sehr dürftige. Es ist manches wieder vorgetragen worden, was uns schon bekannt war; aber nicht ein Mittel der Abhilfe. Es würde um die Arbeiter sehr schlecht stehen, wenn alle Leute so verlegen um AbHilfsmittel wären, wie die Sozialdemokraten. Da könnten die Arbeiter noch lange auf Besserung warten. Gerade beim Gehalt des Staats- sekrelärs hätten die Sozialdemokraten die beste Gelegenheit, den sozialdemokratischen Zukunftsstaat zu schildern. Man hat aller- dings früher einmal gesagt, wir würden doch den Sozealdemo- kraten nicht folgen. Umsomehr müßten Sie unfern tauben Ohren predigen, und wir werden ehrlich bestrebt sein, aus dem, was Sie uns vortragen, recht viel zu lernen. Ich habe die Werke der Sozialdemokratie durchausstudirt mit heißem Bemühen", um den Zukunftsstaat kennen zu lernen, aberda stehe ich nun, ich armer Thor, und bin so klug als wie zuvor!"(Heiterkeit.) Steht der Zukunftsstaat in Köhlers oder in Bebel's Schriften oder bei Bellamy? Einige Balken und Schindeln habe ich wohl entdeckt, ober ein ganzes Gebäude nicht, und ich will doch erst wiffen, ob wir nicht verfrieren und verhungern, ehe das neue Gebäude aufgerichtet ist. Richter hat von ihrem Zuknnslsstaat ein viel klareres Bild gegeben als alle sozialdemo- kratischen Werke. Haben Sie etwa Richter's Zukunsts- staat in Ihr Programm aufgenommen? Wenn Sie das nicht thun wollen, dann müssen Sie ein Werk schreiben, in welchem Sie nachweisen, so wird der Staat aussehen. Im Zukunftsstaat wird ein größeres Maafi von Autorität von oben nolhwendig sein als bei uns und ein größeres Maß von Unterwerfung, ein stärkeres Gesühl der Solidarität und eine größere Berufsfreudigkeit von unten. Werden denn die Anhänger der Sozialdemokratie dieses übergroße Maß von Bcrufssreudig- kcit haben, werden sie Engel sein? Wenn ein Mann vorhanden wäre, der die Autorität über alle Arbeiter Härte, dann wäre die Umwandlung denkbar. Hat denn Liebknecht oder Bebel oder gar Herr Singer solche Autorität? In jeder anderen Partei sind fester stehende Autoritäten vorhanden. In der Sozialvemokratie herrscht nicht die Berufsfreudigkeit, sondern der Neid. Wird H>errn Liebknecht vorgeworfen, daß er 7000 M. Gehalt hat? (Auruf Liebknechts: In Ihren Zeitungen!) Nein, nicht in unfern Zettungen. sondern in Ihren Versammlungen. Eine Partei, in welcher solche Vorwürfe gegen die Führer erhoben werden, ist keine derartige, welche einen Zu- kunstMaat ausrichten kann. Sie schimpfen immer über die Tyrannei, aber ist denn die Tyrannei bei der Sozialdemokratie nicht ebenso groß? Es ist Herrn Bebel nur nicht gelungen, die Jungen«us der Partei hinauszuwerfen(Widerspruch bei den Sozialdemr'kraten), er würde es heute noch gern thun. In sozialdemokratischen Unternehmungen hat sich gezeigt, daß die Autorität dps Unternehmers nicht vorhanden war, und im sozial- demokratischem Siaale würde noch viel weniger Autorität vor- handen sein. Sie werden hier gezwungen werden, Ihren sozialistischen Staat darzulegen. Wenn Sie nicht eine sozialistische Bäckereigenoffeieschast leiten können, dann können Sie keinen Staat leiten. Wir machen den Sprung ins Dunkle nicht mit. und ich bin überzeugt, der deutsche Arbeiter macht ihn auch nicht mit(Zustimmung). Er wird fragen: Wie sieht der Staat aus, und wenn Sie ihn nicht darstellen können, fürchten Sie sich vor den Folgen! Die Arbeiter werden Rechenschaft verlangen von denen, die ihnen thörichte Phantasmara vorgetragen haben. Hier sind in Volksversammlungen die Backen vollgenommen worden. lvie werden das nicht von Ihren Rockschößen abschütteln können, wie Sie den Bergarbeiter- und Buchdruckerftreik von sich abgeschüttelt haben. Die kleinen Agitatoren leben von der Parteikasse, wie Sie davon leben.(Zustimmung.) Wir wollen in der ruhigsten, objektivsten Weise über Ihren sozialdemokratischen Staat sprechen, aber ein leeres Wahnbild werden wir nicht anerkennen.(Lebhafter Beifall rechts und im Zentrum.) Abg. Bebel beantragt die Vertagung der Verhandlung, wird dabei aber nur von den Freisinnigen und einigen Mitgliedern des Zentrums unterstützt. Da die Abstimmung durch Aufstehen und Sitzenbleiben zweifelhaft ist, erfolgt die Zählung des Hauses, welche die Anwesenheit von nur 147 Mitgliedern ergiebt, von denen 63 für und 79 gegen die Vertagung gestimmt haben. Das Haus ist also beschlußunfähig. Die Verhandlung wird ab- gebrochen. Schluß nach 5 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr. (Anträge aus dem Hause.) Pat'fctnatfit'ltfrfcn. Protrstversammliingen gegen die Militärvorlage haben stattgesunten in Wermelskirchen  (Res. Reichstags- Abgeordneter Schumacher). Bei der Gemeinderathö-Äahl in Groß-Kühnau bei Deffau wurden in der dritten Klasse die von den Arbeitern aus- gestellten zwei Kandidaten gewählt. Bei dieser Wahl ist die merkwürdige Thatsache sestgestellt, daß. entgegen den Bestim- münzen der Stadl- und Donorbnung, in der zweiten Klasse seit vier Jahren keine Ersatzwahl stattgesunden hat. Man hat dar- über jetzt bei der Dessauer Kreisdirektion Beschwerde geführt. Zum Ansfall der Angsburger GewerbegerichtS-Wahl schreibt dieMünchener Post": Der Sieg der Sozialdemokratie erhält seine besondere Bedeutung durch die eigenthümlichen Ver- hältniffe der schwäbischen 51reishauptstadt. In keiner größeren Stadt Bayerns   herrscht ein solcher Fabrikanten-Despolismus, nirgendwo ist der Ring des Unternehmerlhums, ohne jede Rück- ficht aus politische und konfessionelle Parteiverhältuisse, so eng zur Niederhaltung der Arbeiter geschlossen. Auch diesmal hatten sich alle Nichtsozialisten zu einer großen Koalition verbunden, wobei die Arbeiter die Statisten spielten und die Fabrikanten die Fäden zogen. Während sonst Augeburg wegen seines starren Konfessionalismus berüchtigt ist und hier seit alter Zeit keine protestantische Wurst in einer katholischen Pfanne gebraten werden kann, hatten sich hier die protestantischen und katholischen Ar- beiter und Gesellenvereinler schnell vereinigt, um die Sozial- demokratie zu bekämpfen. Aber alles nützte nichts, und die Freude unserer Augsvurger Genossen ist natürlich eine große. Partei-Organisation, Kreuznach wurde am 22. Januar nach einem Vortrage des Genossen Berg ein sozial- demokratischer Wahlverein gegründet. 20 Personen erklärten sofort ihren Beitritt. Don der Agitation. Auch im Gebiete zwischen München  und Salzburg   macht die sozialdemokratische Bewegung er- frenliche Fortschritte. In Traunstein  , Rosenheim  , Kolbernioor, Aibling  , Trostberg  , Berchtesgaden  , Reichenhall   und Salzburg   überall hat die Partei festen Fuß gesaßt, und die dort wohnenden Genossen lassen es sich sehr angelegen sein, die Ideen des Sozialismus immer weiter ins Land zu trageu. Wie bereits angekündigt worden ist, vertheilten am Sonntag die Genossen im Mannheimer   Wahlkreise ein Flugblatt, das die Roth- standsrede des Abg. Dreesbach enthielt. Die Verbreitung der in einer Auflage von 33 ovo Exemplaren gedruckten Schrift wurde im ganzen Wahlkreise vorgenommen, und in allen Ortschaften ist die Ausnahme der Genossen eine freundliche gewesen. Die Versammlungen, die Nachmittags und Abends in mehreren Orten stattfanden, sind gut besucht worden, so daß das agitatorische Unternehmen auch in dieser Beziehung ersichtlich guten Erfolg gehabt hat. Die süddeutschen Genossen sind überhaupt letzt außerordentlich thätig, um dem Sozialismus neue Anhänger zu gewinnen. In Leipzig   sprach Frau Klara Zetkin   auS Stuttgart  in einer stark besuchten Volksversainmlung über das Thema: Die Frauen des Proletariats mid der Mititarismus". Sie erntete rauschenden Beifall. Die Versammlung erklärte sich dann einstimmig mit der Resolutton einverstanden, die aus dem Ber  - liner Parteitag gegen den Militarismus beschloffen worden ist. Ucber die Berhaftung Friedrich KSster'S in Zürich  wird der Magdeburger  Volksstntime" von bort gemeldet, daß das Vergehen, weswegen seine Auslieferung perlangt wird, nach Ansicht seiner Anhänger ein politisches sei. Weiter heißt es in der Zuschrift:Köster hat gegen seine Auclieserung prolesttrt, so daß das Bunde-gericht in die Lage kommen wird, darüber zu entscheiden, ob dem Auslieferungsantrag entsprochen werden muß. Herr Proseffor Zürcher hat sich bereit erklärt, Köster's Sache vor dem Bundesgericht zu führe»." AuS New-Dork wird uns' geschrieben: Aus der im vorigen Briefe(Nr. 26 desVorwärts") gemeldeten neuen Wahlkampagne im Staate New-Iork ist nichts geworden, indem die Legislatur die Sache in nochmalige Behandlung nahm und den Beschluß faßte, die Wahlen zur Verfassutigs-Revisions-Konvention zusammen mit den allgemeinen Wahlen im November vornehmen zu laffen. Auch wurden einige Benderungen getroffen, so die, daß der Gouverneur keine Vertreter aus den Reihen der Prohibitionisten und Arbeiter-Organisalionen zu ernennen habe, sondern die bei den letzten Wahlen nach den Demokraten und Republikanern als stärkste Parteien aus der Wahlurne hervorgegangenen drei politischen Organisattonen je zwei Vertreter ernennen sollen, so daß neben der Prohibitionisten- nnd ver PeopleS- Partei auch die sozialistische Arbeiter-Partei durch zwei Abgeordnete auf der Konvention vertreten wäre. Damit hat es aber freilich noch gute Wege; es ist höchst wahr- scheinlich, daß man schon vor Annahme jener Bestimmung einen Trick" ausgeklügelt hatte, durch den die Konzession an die Minoritäten außer der republikanischen illusorisch gemacht wird. Selbstverständlich wird aber die sozialistische Arbeiterpartei an dem Wahlkampfe energisch theilnehmen. Es finden jetzt innerhalb der sozialdemokratischen Partei Urabstimmungen darüber statt, ob in diesem Jahre eine Parlei-Konvention stattfinden und die Partei auf dem internationalen Kongreß in Zürich   vertreten sein soll. Erster« wird von vielen Seiten für nöthig gehalten, um die Vereinigungsfrage definitiv zu regeln. Der frühere Pfarrer Rentecost, welcher vor einigen Jahren so viel von sich reden machte, und bis ins anarchistische Fahrwasser gehüpft war, ist nun Mitglied der korruptesten Ge- sellschaft in den Vereinigten Staaten  , dem Newyorker demokra- tischen RingJammany Hall" geworden, dem der andereviel- versprechende" Amerikaner, Henry George  , schon lange tangehört. » 9 Polizeiliches, Gerichtliches:c. Da? Dresdener Oberlandesgericht hat das Urtheil des Zwickauer   Landgerichts bestätigt, wonach unser Genosse G. G l a d e w i tz wegen Beleidigung des Reinsdorfer Gruben- Vorstandes ein Jahr lang im Gefängniß sitzen soll. Gladewitz will jedoch, wie dasSächsische Volksblatt" mittheilt, die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen, da er hierzu die erheblichsten Gründe hat. Hoffentlich blüht ihm Erfolg. Das Zwickauer   Urtheil hat in den weitesten Kreisen Befremden erregt. Der antisemitische Buchdruckereibesitzer F« r d. G l ö ß in Dresden   wurde wegen Beleidigung des Buchhändlers Her- mann Gold st ein, früher in Dresden  , jetzt amSächsischen Volksblatt" in Zwickau  , vom Dresdener   Gericht zu 16» M. Geldstrafe oder 10 Tagen Gefängniß, Tragung der Kosten, Urtheilspublikation imDresdener Anzeiger" und Erstattung der dem Kläger   erwachsenen nothwendigen Kosten verurtheilt. Glöß hat eine SchriftDer rothe Michel" herausgegeben, in welcher unter anderen Unwahrheiten auch die enthalten ist, daß Gold- stein sich der Unterschlagung von Abonnementsgeldern schuldig gemacht habe. Das Gericht stellte die Unwahrheit dieser Be- hauptung ausdrücklich fest. Bei der Strafabmessung berücksichtigte es, daß Glöß wegen Beleidigung noch nicht destraft war und die�Broschüre auspatriotischen" Gründen geschrieben worden ist. Die Untersuchung, welche gegen den Genossen Süßkind in Mannheim   wegen der Hänsler'schen Unterschlagungen eingeleitet war, ist, wie dieVolksstimme" mittheilt, vollständig eingestellt. Die Bielefelder  VolkSwacht" schreibt:Unsere Leser erinnern sich, daß im vorigen Frühjahre von einer Partei- Versammlung beschlossen worden war, Genosse Groth solle den Polizeiwachtmeister Thiele und den Schutzmann Lücke bei der Staats- anwaltschaft wegen des dringenden Verdachtes, falsche eidliche Aussagen in der Gerichtsverhandlung am 9. März 1892 gemacht zu haben, zur Anzeige bringen. Wie wir erinnern �vollen. handelte es sich darum, daß Thiele beschworen hatte, er habe bei der gewaltsamen Räumung des Wüstefeld'schen SaaleS im Sep- tember 1391 seinen Säbel nicht gezogen, und daß Lücke be- schworen hatte, er habe bei jener Räumung die auf der Bühne befindlichen Personen nicht mit Erschießen mittels seines er- hobenen Revolvers bedroht. Redakteur Groth hat den Auftrag der Versammlung vollzogen und vor einigen Tagen, wie wir zuverlässig ersahren, den Bescheid erhalten, daß die beiden An- geschuldigten auf Grund einer stattgehabten gerichtlichen Vor- Untersuchung durch Beschluß der hiesigen Strafkammer vom 6. Januar d. I. mangels genügenden Beweises außer Verfolgung gesetzt sind. Wir theilen lediglich diesen ge- richtlichen Beschluß unserem Leserkreise mit, da' wir überzeugt sind, daß er auch ohne eine begleitende Besprechung die ihm zu« kommende Beachtung und Bcurtheilung finden wird." Der Pegau   er Vertrauensmann unserer Partei soll 9 Mark Strafe bezahlen oder 3 Tage Höst verbüßen, weil er in einer Volksversammlung mehreren Personen auf deren Wunsch Parteimarken verabfolgt und das Geld dafür angenommen hat. Das soll eine gesetzwidrige öffentliche Sammlung gewesen sein, wozu angeblich die polizeiliche Erlaubniß hätte eingeholt werden müssen. Wegen Vornahme einer Tellersammlung was in Pegau   verboten soll em anderer Genosse 6 M. Strafe zahlen oder 2 Tagebrummen". Gegen das erster« Strafmandat wird Widerspruch erhoben. Dieselbe Pegauer Polizei läßt es nicht zu, daß auf die Tagesordnungen von Versammlungen der Punkt Parteiangelegenheiten" gesetzt wird. Wahrscheinlich ist er ihr ji, vieldeutig. Pegau   liegt natürlich in Sachsen  . Dslmlesu Zum Nothstand«. Herr Oberbürgermeister Zelle hat be- kanntlich verschiedene Deputationen von Arbeitslosen in liedens- würdigster Weife empfangen und denselben die Zusicherung ge- geben, zur Linderung des Nothstandes in Berlin   zu thun, was in seinen Kräften stehe. Um so unangenehmer wird von der nothleidenden Bevölkerung Berlins   die plötzliche Erhöhung des Koakspreises von 1 Mark pro Hektoliter auf 1,10 M. empfunden, wie solche seit Donnerstag voriger Woche, wie uns geschrieben wird, in der städtischen Gasanstalt in der Müllerstraße(und auch wohl in den sonstigen städtischen Gasanstalten) in Kraft getreten ist. Wenn man bedenkt, daß gerade die arme Bevölkernng auf dieses Feuerungsmalerial angeiviesen ist, wenn man steht, wie Frauen und Kmder sich mühsam scheffelweise den Koaks aus den Gasanstalten holen, so begreift man den Unwillen, welchem diese Maßnahme begegnet. Man hätte wohl erwarten sollen, daß in der jetzigen Zeit des doch nicht mehr hinwegzuleugnenden Nothstandes die Koakspreise eher herabgesetzt, als erhöht worden wären, zudem zu dieser letzteren Maßnahme gewöhnlichen Sterblichen ein zwingender Grund nicht ersichtlich ist. Man hat wenigstens noch nicht gehört, daß die GasanstaltSardeiter z. B. höhere Löhne erhalten und daß aus diesem Grunde die Koals» preise hätten erhöht werden müssen. Oder sollte gar der letzte Bergarbeiter« Ausstand die Koakspreise in Berlin   beeinflußt haben? Mag dem nun sein, wie ihm wolle, mag die Verwaltung der städttschen Gasanstalt zu der Erhöhung des Koakspreises ver- anlaßt sein, wodurch sie wolle, immerhin erscheint der jetzige Zeitpunkt zu einer derartigen Maßnahme durchaus ungeeignet, denn die arme Bevölkerung, die mit jedem Pfennig rechnen muß, wird hierdurch ganz erheblich belastet. Erschwerend tritt hinzu die Art und Weise, wir die Erhöhung des Koakspreises ins Leben getreten ist. d. h. wie sie den Konsumenten zur Kenntniß gebracht worden ist. Man beschränkte sich einfach darauf, am Verkaufsschalter in der Gasanstalt einen weißen Zettel anzu- kleben des Inhalts: Von heute(oder morgen) ab kostet das Hektoliter Koaks 1,l0 M.! Wohl nur die Wenigsten hatten rechtzeitig von dieserBekanntmachung" Kenntniß genommen und konnten sich danach ciltrichten. Die Meisten waren auf eine Erhöhung des Koakspreises nicht vorbereitet. Kinder, die von den Eltern geschickt worden waren, Koaks für den Familienbedarf zu holen und denen nicht mehr Geld als 1 M.(der bisherige Koakspreis pro Hektoliter) mitgegeben worden war, Leute, die sich nicht mehr Geld mitgenommen hatten, als sie zu gebrauchen venneinten, mußten mrverrichteter Sache wieder umkehren. Ja. unserem GewährSmanne passirte es sogar(und wie ihm ist es wohl auch Anderen ergangen), daß er überhaupt nur noch 1 M. im Vermögen besaß, die er in KoakS anlegen wollte, und nun in