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Der Fall Hill. Der Wechsel in der amerikanischen Botschaft zu Berlin scheint sich wieder zu einer artigen Klatsch- a f f ä r e auswachsen zu wollen. Nach einer Tarstellung des Londoner Standard" sei eine Bemerkung W i l- Helms II. dazu benutzt worden, um. gegen Herrn Hill, der zum Nachfolger des jetzigen Botschafters Tower von der amerikanischen Regierung bereits ernannt war, in Washington zu intrigieren. Die Aeutzerung des Kaifers hätte gelautet: Sagen Sie dem Präsidenten Sdbosevelt, daß ich mit ihm böse bin, weil er Towers Rücktrittsgesuch angenommen hat." Diese jedenfalls scherzhafte Aeußerung, die an den amerikanischen Vizekonsul in Berlin bei einem Diner ge- richtet worden war, habe dieser oder einer seiner Freunde nach Washington berichtet. DerStandard" meint sehr richtig, der Fall liefere dem Kaiser eineneueMahnung, wie leicht seine privaten Aeutzerungen als amtlicheMeinungskundgebun genausgelegt werden. In Washington hat der Fall ziemlich große Erregung hervorgerufen, um so mehr, da die deutsche Regierung bereits ihre Zustimmung zur Ernennung Hills ausgesprochen hatte. Deutschland hat wirklich Pech. In den?Privatbrief" an Lord Tweedmouth spielten bekanntlich einige sehr un- liebenswürdige Aeußerungen über einen hohen englischen Hofbeamten eine gewisse Rolle. Jetzt sind es wieder einige allzu liebenswürdige Worte. Es ist uns nicht bekannt, daß in anderen Ländern solche Unglücksfälle so häufig sind, wie just in Deutschland . Man kann nur wünschen, daß das Auslandprivaten Aeußerungen" keinen politischen Charakter beilegt, da der andere Wunsch, daß solche, um mit Fürst Bülow zu reden,zugleich private und zugleich politische Worte, Reden. Telegramme, Briefe" vermieden werden, offenbar unerfüllbar bleiben muß. Der regierende Bürgermeister von Hamiurg, Dr. v. Mönkeberg, ist am Freitagmorgen an den Folgen eines Schlaganfall», der ihn Sonntag ereilte, im Alter von 68 Jahren gestorben. Noch am Sonn- abendabend vertrat er in der BiirgerlchaftSsitzung das Staatsbudget für 1008. In dem Verstorbenen verliert der Senat seinen fähigsten Kopf. Neben dem damaligen zweiten Bürgermeister Dr. Burchard war der Verblichene ein energischer Gegner der Wahlrecht«- Verschlechterung, aber beide wurden von dem Scharfmacher- flügel im Senat überstimmt. An der parlamentarischen Beratung des Wahlgesetzes beteiligte Dr. M. sich nicht, sondern er überließ die Vertretung der Vorlage zwei unbedeutenden Senatoren. Der Kaiser hat von Venedig aus ein Beileidstelegramm an den Hamburger Senat gerichtet._ Innungen gegen Jugendorganisationen. Es scheint, als ob ein allgemeiner Vorstoß der Innungen gegen die freien Jugendorganisationen stattfindet. Eben haben wir die Meldung vom Vorgehen der Rostocker Innungen veröffentlicht, da bringt dieSchleswig«Holsteinische Volkszeitimg" zu Kiel aus einem Zirkular der dortigen Malerinnung folgende Stelle zum Abdruck: Kürzlich haben wir erfahren, daß ein Teil unserer Lehrlinge der hier bestehenden ,, Vereinigung der Lehrlinge, jugendlicher Arbeiter und Arbeiterinnen von Kiel und Umgegend" angehört. Die Bereinigung hält satzungsgemäß regelmäßige Versammlungen im GewerkickaftShausc ab; ihre Mitglieder find zur monatlichen Beitragszahlung verpflichtet. Wir ersuchen Sie a) Ihre Lehrlinge zu fragen, ob sie der Vereinigung an- gehören, und diejenigen Lehrlinge, die Mitglieder der Vereinigung sind, uns namhaft zu mache», damit wir das weitere veranlassen: b) in die fortab von Ihnen abzuschließenden Lehrverträg« alsbesondere Bedingimg" die Bestimmung aufzunehmen, daß der Lehrling nur mit Ihrer Zustimmung einem Verein angehören darf. Auf dem kürzlich in Rcumünster abgehaltenen Obermeister« tag gelaugte zum Ausdruck, daß das Jugendorganisationswesen viel weiter ausgedehnt sei, alS malt glaube, und daß die Innungen alle Ursache hätten, jenen Organisationen energisch entgegenzutreten." Der Kampf, den die Jnmingen den freien Jugendorganisationen ansagen, wird sie stählen und stärken, wenn alle Genossen und Ge- nossiimen, vornehinlich die proletarischen Eltern, ihre Pflicht Um. Herr Müller-Meininge«. Wie UNS aus München gemeldet wird, sollte daS Mitglied der Freisinnigen Volkspartei , der königliche LandgerichtSrat Dr�jur. Ernst Müller in München , bekannt unter dem Namen Müllcr-Meiningen, zum OberlandeSgerichtSrat befördert werden; auf Nachsuchen des Herrn Müller ist diese Beförderung jedoch verschoben worden, da sie eine Nachwahl �zum Reichstag und bayerischen Landtag nötig machen würde, die Herr Müller zurzeit gern vermeiden möchte. Die Internationale Zuckcrkommission ist von der belgischen Re- gierung auf Veranlassung der italienischen Regierung zu einer Konferenz in Brüssel zusmnmenberufrn worden. Nach der Agence HaveS-Reuter glaubt die italienische Regierung, daß sich in Italien . welches nach den Bestimmungen der Internationalen Zuckerkon- vcntion von gewissen Verpflichtungen befreit ist, solange es keinen Zucker exportiert, daS Bedürfnis nach Aussuhr von Zucker fühlbar machen werde, bevor die auf b Jahre erneuerte Konvention abge- laufen ist. Um die Regelung der sich hieraus ergebeirden Fragen herbeizuführen, hat sie die belgische Regierung um Einberufung der Zuckerkommission ersucht._ Die Kartellenquete beendigt. Nach der Mitteilung der«Nationalzeitung" ist die Kartell- enquete beendet. Die bisherigen Ergebnisse der auf Wunsch deS ReichtStageS von der Reichsregierung eingeleiteten Enquete über das Kartellwesen sind in einer amtlichen Denkschrift niedergelegt, von der drei Teile erschienen sind und ein vierter vorbehalten war. Wie verlautet, ist jedoch von dem Erscheinen dieses Teiles vorläufig Abstand genommen worden. Von den erschienenen brachte Teil I eine Zusammenstellung der bestehenden Kartelle nebst Statuten und Lieferungsbeiträgen, Teil II enthielt das inländische Recht und Teil III gab eine Uebersicht der Kohlensyndikate: ern vierter Teil sollte, soweit bekannt, die Eisenkartellc behandeln. Eine ZuchthauS-Meuterek vor Grricht. Im Juli vorigen Jahres brach im Zuchthause zu Rawitsch in Posen(berühmt geworden durch den Hauptmann von Köpenick) aus ganz gering- fügigen Ursachen eine folgenschwere Rebellion auS. Ein Insasse namenS Walter war unter den Leidensgenossen als einer bekannt, der sich Priemtabak und andereLeckerbissen" zu verschaffen wußte und meist den anderen nicht» davon abgab. AlS er sich am LS. Juli wieder einmal weigerte, ehrlich zu teilen, entstand ein heftiger Streit, den die Aufseher nicht zu schlichten vermochten. Mit allerlei Werkzeugen schlug man auf den Geizhals" los und als er sich(eS war in der großen Schneiderwerkstatt) mit Holzklötzen zur Wehr setzte, da schlug man ihn mit einem schweren Bügelholze derart auf den Kopf, daß er tot zusammenbrach. Die Folge davon war, daß alle 76 Teil- nehmer dieser Keilerei unter Anklage gestellt wurden; die vier Rädelsführer haben sich am 6. April vor dem Schwurgericht in Lissa i. P. wegen Todschlages'zu verantworten, während gegen die übrigen heute und morgen in Rawitsch verhandelt wird. Da das GerichtSgebäude für fo diele Angeklagte und Zeugen keinen Platz bietet, findet die Verhandlung im Znchthause selbst und zwar in demselben Saale , in dem Walter erschlagen worden ist, statt. Wir werden über den Prozeß berichten.-- Ein agrarisches Mittel gegen die Landflucht. Auf der 67. Delegiertenversal, imlung des Landwirtschaftlichen Zentralvereins zu Königsberg am 25. März stellte der Gutsbesitzer Henke-Reu-Waldeck den Antrag, beim preußischen Abgeordnetenhaus zu beantragen, daß es gesetzlich verboten werde, inländische Arbeiter bei dem bevorstehenden Bau des Masurischen Schiffahrtskanal zu be­schäftigen. Rur Gefangene. Zuchthäusler und billige ausländische Arbeiter dürsten dabei arbeiten. Begründet wurde dieser Antrag damit, es müsse unter allen'Umständen verhütet werden, daß etwa der letzte Rest der in Ostpreußen vorhandenen Landarbeiter lohnendere Beschäftigung beim Kanalbau finde. Erschwerung der Freizügigkeit, sowie das Verbot, ländliche Arbeiter beim Eisenbahn- und Kanalbau zu beschäftigen, da» sind also die Mittel der ostelbischen Junker, um die Landflucht auf- zuhalten._ Oertcmich-Clngam. Die Wahrmund-Affäre. Wien , 26. März. Vor dem Preß-Senat des Landgerichts fand heute die E i n s p r u ch s v e r h a n d l u n g des ProfesiorS Wahr- mund gegen die Konfiskation seiner Broschüre statt. Von den fünf inkriminierten Stellen wurde bezüglich dreier die Konfis- kation aufgehoben, bezüglich der beiden anderen wurde sie bestätigt. franhmcb. BertranenSseligkeit. Pari«, 26. März. Heute abend fand eine zahlreich besuchte Versammlung von Aktionären der Rochetteschen Gründungen statt. Die Versammlung, in der eS stürmisch zuging, protestierte gegen die Verhaftung Rochettes, der sie die erlittenen Verluste zuschrieb, und forderte seine vor« läufige Freilassung sowie Fortführung der Untemehmungen, bis Röchelte sich rechtfertigen könne. LieferungSschwkndcl. Paris , 27. März, llnglaubliche Zustände sind in den Garnisonen Bar-le-Dnc, Nancy und St. Mihiel aufgedeckt worden. Der Unterstaalssekretär für den Krieg Cheron machte die Fesistellung, daß aus dem Pariser Schlachthaus La Vilette das Fleisch von krankem Vieh nach verschiedenen Garnison - städten der Ostgrenze versandt werde. Eine sofort eingeleitete Untersuchung führte zur Verhaftung mehrerer Armee- l i e f e r a n t e n oben genannter Garnisonen. Weitere Verhaftungen dürften folgen._ Ein Matrosenstreik. Marseille , 27. März. Die Bewegung unter den eingeschriebene» Seeleuten, die wegen der Verurteilung von fünf ihrer Mitglieder eingesetzt hatte, nimmt große Dimensionen an. Di« ge- samt« Besatzung des DampferDiego Suarez " hat wegen schlechter Nahrung und Behandlung die Arbeit eingestellt. Das Syn- dikat der Marinecingeschriebencn erklärte sich mit den Ausständigen solidarisch und hat zum Protest Maueranschläge aichringen lassen, worin sämtliche Eingeschriebenen ausgefordert werden, dem ersten Rufe Folge zu leisten, falls den Ausständigen keine Genug- tuung gegeben wird. Ferner werden die Ausständigen für nächsten Sonntag zu einer Versammlung eingeladen um energisch für die Rechte und Freiheit der Matrosen zu demonstrieren. Unter den Eingeschriebenen herrscht große Aufregung. Rußtand. Polizei-Korruption. Petersburg, 27. März. Der mit der Untersuchung der Miß- bräuche bei der Moskauer Polizeiverwaltung betraute Senator Garrin entdeckte, daß der Chef der Moskauer Geheimpolizei Molslejenko Bestechungen angenommen und sich großer Unterschlagungen schuldig gemacht hat. Auch gegen den ehemaligen Stadt Hauptmann Ratnoott werden verschiedene Klagen erhoben. GefängniSgreuel. Von den unzähligen Blättcrmeldungcn über die Greuel in russischen Gefängnissen seien nachstehende angeführt: Vor kurzem brach im GouvcrncmentsgcfängniS in Tifli« ein allgemeiner Hungerstreik aus. Der Gouverneur veröffentlichte hierauf eine Erklärung in den Zeitungen, daß die Klagen der Ge. fangcncn berechtigt seien und daß sie der pekuniären Unter- stützung der(Gesellschaft bedürften! DaS Gefängnislazarett in Kiew ist mit T Yp h u S kranken überfüllt. Der Gouverneur wandte sich an das Stadthaupt mit dem Ersuchen,«inen Teil der Kranken in städtischen Kranken- Häusern unterzubringen. . Furchtbare Zustände herrschen in L u g a p S k. Das Gefängnis- lazarett ist mit Typhuskranken überfüllt. Täglich sind Todesfälle zu verzeichnen. Selbst die Gefängniswärter fallen der Krankheit zum Opfer. Während der letzten zwei Monate erkrankten 15 Auf- seher, von denen zwei starben. Unter den Gefangenen sind Todes- fälle weit häufiger. Im Januar starben 10 von ihnen, darunter zweiPolitische". Von 45 politischen Gefangenen sind 13 am Typhus erkrankt. OirKel. Die mazedonische» Reformen. Petersburg, 27. März. Die russische Regierung macht folgende Vorschläge für die Reformen in Mazedonien : Der Posten des Generalgouverneurs soll beibehalten werden. Den Vertretern Frankreich «, Englands. Deutschlands und Italiens in der Finanzkommtssion werden in bezug auf die allgemeine Konttolle die dem russischen und dem österreichisch - ungarischen Zivilagenten zustehenden Rechte gewährt. Das von den Mächten ausgearbeitete Justizreformprojekt wird in vollem Umfange der Pforte zur Annahme empfohlen. Dabei wird der Finanzkommission die Kontrolle des Gerichtswesens übertragen, welche, wie vorstehend erwähnt. au« den in türkischen Dienst getretenen Delegierten der sechs Mächte besteht. Zur besseren Wahrung der Ruhe im Lande wird eine Landwache eingeführt, welche unter der Teilnahme und der Aufficht der durch europäische Offiziere umgewandelten Gendarmerie organisiert wird. Tie organisierte Gendarmerie wird vermehrt, soweit das mazedonische Budget es gestattet. Die Bedeutung dieser Vorschläge besteht darin, daß, während bisher nach dem Mürzsteger Uebereinkommen Rußland und Oester- reich die führenden Mächte in Mazedonien waren, jetzt auch Frank- reich, Italien , England den gleichen Einfluß aus die Reformaktton erhalten sollen. ES ist die« in WirNichkeit ein Durchbrechen de« MürzstegerS Abkommen: Oesterreich und Deutschland sollen durch das Uebergewicht der mit Rußland übereinstimmenden Westmächte, Italien eingeschlossen, in den Hintergrund gedrängt werden. MroKKo. Jaurös gegen die Militärgreuel. Paris , 27. März.-(Deputiertenkammer.) In der heutigen Verhandlung über die von der Regierung für die militari fti, scheu Operationen in Marokko geforderten außeror« deutlichen Kredite verlangte I a u r ö s. daß dem Parka» ment von allen Aktenstücken Kenntnis gegeben werde, die sich auf das von der französischen Artillerie unter den marokkanischen Frauen und Kindern angerichtete Blutbad, daS sich am 15. März ereignet habe, bezogen. Kriegsminister Pi q u a r t ent­gegnete, daß die von den Zeitungen über dieses Ereignis gebrachten Meldungen auf ganz ungenauen Informationen beruhten. I a u r e s wiederholte demgegenüber, daß die französische Artillerie von den Höhen auf die unverteidigte Ansiedelung, die 80 Kilometer von der Küste entfernt liege, ein Feuer eröffnete und daß die Ueberlebenden durch französische Bajonette gefallen seien. Gegen diese Darstellung erhoben Piquart und Clemenceau entrüstet Pro- tcst. Douiner rief Jaurcs zu:Es gibt keinen humaneren Eol- daten, als den französischen !"(Beifall.) Piquart erklärte, er setze Jaurös' Worten die des General d'Amade entgegen. Tic» menccau bemerkte gegenüber Jaures , daß d'Amade den Befehl erteilt habe, das Feuer einzustellen und so Frauen und Kinder rettete.(Beifall.) J-aureS meint dagegen, daß die Intervention des Generals zu spät kam. Jvures sagte im weiteren Verlaufe seiner Rede, daß er über die Besserung in den deutsch -französischen Be- Ziehungen erfreut sei, wies aber darauf hin. daß Staats- sekretär v. S ch o e n, wenn auch in höflichster Form, sich auf die von Frankreich gegebenen Versprechungen berufen und Erklärungen betreffs Saffi und Asemmur gefordert habe. Der Minister des Aeußcren, Pichon, entgegnete: Nein. Er fragte an, ob wir die Absicht hätten. Saffi zu besetzen. Tarauf habe ich geantwortet. daß wir unter den gegenwärttgen Verhältnissen die Absicht nicht hätten, falls die Fremdenkolonien nicht in Gefahr wären. Die Beziehungen zwischen der französischen und deutschen Diplomatie zeigen, daß unsere Politik die richtige ist. Jaures erwidert hierauf: Sie ist die richtige nur unter der Bedingung, daß wir uns ohn« Säumen zurückziehen. Er forderte schließlich die Rc- gierung auf, auf weitere militärische Unternehmungen in Marokko zu verzichten und zu friedlicher Betätigung im Interesse deS Handels und der Wissenschaft zurückzukehren.(Beifall aus der äußersten Linken.)_ Die MgeciraSakte. London , 26. März. Im Unterhaus fragte Ashley(Kons.), ob eine auswärtige Macht an die britische Regierung mit dem An- sinnen herangetreten sei. die Alcgecirasakte zu kündigen oder abzuändern. Staatssekretär Grey aab darauf eine per- nein ende Antwort._ Hiid der parteu Di« oldenburgische LandtagSfraktio» vor ihren Wählern. Am Mittwochabend gelangte die Abstimmung der oldenburgischen sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten bei der Wahlrechtsreform- vorläge in einer Parteiversammlung zu Bant zur Erörterung, der die Fraktion beiwohnte. Nach mehrstündiger Debatte gelangte folgende Resolution zur Annahme: Die am 25. März tagende Mitgliederversammlung de« Sozialdemokratischen WahlverernS Bant kann die Abstimnmng der LandiagSfraktion in Sachen der Wahlrechtsfrage nicht billigen. Insbesondere verurteilt sie die dazu gegebene Bcgründuitg als nicht mit den Parteianschauungen in Einklang stehend. Weiter kann die Versammlung in der Preßpolemik seitens der Redaktion nach den gegebenen Allsklärungen einen groben Verstoß gegen die parteigenössischen Gepflogenheiten nicht erblicken." Gemeindewahlerfolge. Bei der Stadtverordneten -Ersatzwahl zu Bitter feld wurde ein Sozialdemokrat gewählt._ Wieder eine RrichSverbandSlüge geplatzt. Bor Jahresfrist brachte die Reichsverbandspresse eine Notiz aus Gera , wonach die Vereins- brauerei Gera mit der sozialdemokratischen Parteileilnng ein Ab- kommen gettoffen habe, nach dem die Brauerei für jeden Hektoliter Bier, der die KonsumtionSziffer von 14 000 Hektoliter übersteigt, je 2 M. in die Parteikasse zu zahlen sich bereit erklärt habe. Als Aequivalent sollte sich die Partei verpflichtet haben, dafür zu sorgen. daß in den Fabrikkantinen nur BereinSbier verzapft wird. Die Vereins- brauerei strengte gegen dte Schwindelnotiz des ReichslügenverbandcS Privatklage an. und ermittelte den Schrifisieller Schott in Langenberg bei Gera , eine bekannte Reichsverbandsaröße, als den Verfasser. In dem Prozesse wurden eine große Zahl Zeugen vernommen. Die Aussagen führten zu dem Ergebnis, daß Schott mit der Brauerei einen Vergleich abschloß, nach dem er seine Behauptungen als unwahr zurücknimmt und sämtliche in dem Prozesse erwachsenen Kosten trägt. Natürlich wird die ReichZverbandSpresse ihre Schwindclnachricht nicht widerrufen, denn soviel Anstand besitzt sie und ihre Reptile nicht. Hätte der Schott aber nicht tief in den Geldbeutel gegriffen, dann wäre seine Verurteilung wegen Verleum­dung sicher gewesen. AuS den Organisationen. Eine Parteiversammlung für den 4. sächsischen Reichstagswahlkreis(Dresden-Neustadt) beschloß nach längerer Debatte, nach dem Antrage deS AgitationSlomiteeS, einen Wahlfonds zu gründen und zu diesem Zwecke pro Mitglied und Jahr 40 Pf. Extrabeitrag zu erhebeu. DieSächsische Arbeiterzeitung" teilt»nit, daß sie auf Grund eines Beschlusses der Parteiorganisationen der drei Dresdener Wahl- kreise zum ersten Juli ihren Titel inDresdner Volks- zeitung" umändern wird. E§ geschieht das. um die Einheitlich- keit der ganzen ostsächsischen Parteipresse herbeizuführen das neugegründete Organ der Oberlausitz sowie die neuen Partciblätlcr für den 7.(Meißen ), 8.(Pirna ) und 9.(Freiberg ) Wahl- kreis, die in Dresden hergestellt werden, führen sämtlich den Titel Volkszeitung. DaS Dresdener Parteiblatt hat diesen Namen übrigens schon früher jahrelang geführt, bis eS 1378 dem Sozialisten- gesetz erlag. polUeUlcbes, OcrichtHchcs ufw, Dir Presse vor der RcvisionSinstanz. Am 28. Mai 1907 brachte unser Stuttgarter Partelblatt, die Schwäbische Tagwacht", eine Notiz, m der sie sagte, eigen- artige Auffassungen vom Berufe eines Jugendbildners scheine der Lehrer Ziegler m Feuerbach zu haben, der den Unterricht mit uu- züchtigen Handlungen und Reden verquicke und deshalb suspendiert sei. Deshalb wnrde Genosse Sauerbeck zu 100 M. Geldstrafe verurteilt, trotzdem nachgewiesen wurde, daß Ziegler elf- bis zwölf- jährige Mädchen in der Schule und in seiner Wohnung geküßt und gekniffen hatte. Das Gericht hatte aber angenommen, daß er nicht aus un- sittlichen Motiven, wenn auch taktlos gehandelt habe. ES wurde weiter festgestellt, daß Ziegler suspendiert worden wäre, wenn er nicht schleunigst Urlaub genommen hätte. Tut nichts, der. Jude wurde verbrannt. Das Reichsgericht ließ das Urteil auch be- stehen. In einem Artikel:AuS dem Reiche des Herrn Studt' soll die Schleswig-Holsteinsche Volkszeitung" die Abteilung für Kirchen- und Schulwesen der preußischen Regierung beleidigt haben. ES war darin kritisiert worden, daß ein Kieler Lehrer, der für den freisinnigen Kandidaten Leonbart eingetreten war, nichtiger Sachen wegen hohe Disziplinarstrafen erhalten habe und schließlich ohne Pension entlassen worden sei, da er sozial- demottatischer Gesinnung verdächtig sei und er sonst den Staat auf Staatskosten bekämpfen würde. Der Redatteur Genosse Burk» Hardt erhielt deshalb eine Gefängnisstrafe zudiktiert. Der Straf- antrag war van der Regiernngsabteilung für Kirchen- und Schul- Wesen selbst gestellt, und das hielt selbst ,n der Revisionsinsianz der Reichsanwalt nicht für zulässig, da. sie keine selbständige Behörde. sondern nur ein Teil des Kultusministeriums fei. Er beantragte deshalb Aufhebung des Urteils und Einstellung des Wer- fahrens. Das Reichsgericht erklärte jedoch die Abteilung für